15

Innenstadt San Antonio

»Was? Sagen Sie das noch einmal.« Draper presste das Handy an sein Ohr, schaltete die Nachttischlampe an und blinzelte. Dann warf er seine Decke fort und richtete sich eilig auf. Auch wenn seine Umgebung – ein Zimmer in einem Hotel in der Innenstadt – langsam Gestalt annahm, war er immer noch nicht richtig wach.

»Die Leute, die Rebecca Montgomery überwachen sollten, haben mich eben angerufen«, meldete der Mann. »Sie konnten es nicht mehr verhindern. Es ging alles viel zu schnell.«

Er erkannte die Stimme von Paul Murphy, seinem Mann von der hiesigen Polizei.

»Was ist passiert? Fangen Sie noch mal von vorne an.« Draper stolperte ins Bad, während Murphy sprach.

»Sie haben gegenüber ihrer Wohnung unten am Fluss Position bezogen. Sie war nicht zu Hause, also haben sie gewartet.« Murphy stieß einen Seufzer aus. »Becca kam gegen …«

Draper hörte, wie er in Papieren blätterte, um ihm ein Detail zu nennen, das im Augenblick völlig belanglos war. »… Viertel vor zehn. Wir hatten ein Zwei-Mann-Team auf sie angesetzt, einen vor und einen hinter dem Haus. Aus irgendeinem Grund ist Becca über die Feuerleiter auf die Straße runtergeklettert. Mir ist immer noch nicht klar, warum.«

»Wenn es keinen Feueralarm in ihrem Haus gegeben hat, hat sie unsere Männer ja vielleicht gesehen und versucht, sie abzuhängen, indem sie über die Feuertreppe geklettert ist«, theoretisierte Draper, betätigte die Toilettenspülung, vollführte ein einhändiges Waschmanöver, blickte in den Spiegel und fuhr sich mit der freien Hand durch die Reste seines grau melierten Haars. Er war immer noch derselbe klapperdürre, spukhässliche Kerl, der er am Vorabend gewesen war.

»Das glaube ich nicht. Unsere Leute sagen, ihr Verschwinden hätte irgendwas mit irgendwelchen Blumen zu tun gehabt. Was für mich nicht den geringsten Sinn ergibt.«

»Vielleicht ist Ihnen ja schon mal aufgefallen, dass es zu Frauen weder eine logische Gebrauchsanweisung noch ein Gratisset an Küchenmessern gibt. Sie tun nur selten irgendwas, was irgendeinen Sinn ergibt. Also fahren Sie einfach fort.«

»Wie gesagt, sie hat irgendwelche Blumen von der Treppe und auch von der Straße aufgehoben. Dann wurde sie plötzlich von einem Kerl von hinten überfallen und in eine Gasse neben ihrem Haus gezerrt.« Murphys Angst um die Kollegin verlieh seiner Stimme einen leicht gereizten, atemlosen Klang. »Ich hatte einen Mann in Zivil in der Nähe einer Fußgängerbrücke am anderen Flussufer postiert, der die Wohnung von hinten im Auge behalten hat. Als sie überfallen wurde, hat er seinen Partner vorne auf der Straße sofort angefunkt, trotzdem haben sie sie verloren.«

»Verdammt«, fluchte Murphy leise. »Wir dachten, es wäre nur ein Babysitter-Job. Ich habe wirklich keine Ahnung, was geschehen ist.«

»Bleiben Sie bei der Sache. Wo ist die Frau jetzt?«

»Das ist es ja. Wir sind uns nicht hundertprozentig sicher. Bevor das alles passiert ist, hat der Kollege vorne ungefähr eine Stunde lang ein paar Leuten von einem Umzugsunternehmen zugesehen und sich noch gewundert, warum kein Firmenname auf dem Laster stand. Aber dann wurde er abgerufen, um bei der Suche nach Becca zu helfen. Er und sein Partner sind über die Feuerleiter hoch und durch das offene Fenster in die Wohnung, aber obwohl ihre Waffe, ihr Handy und ihre Schlüssel in der Küche lagen, war sie selbst nicht da.«

Murphy hatte eine simple Überwachungsoperation verbockt. Aber es hätte noch viel schlimmer kommen können. Bei einem etwas anderen Timing hätten die Hurensöhne, die Rebecca gekidnappt hatten, in Panik ausbrechen können, dann hätten sie es mitten in der Innenstadt mit einer Geiselnahme zu tun gehabt. Oder, Gott bewahre, vielleicht sogar mit einer Schießerei.

Doch auf einer persönlichen Ebene plagte ihn noch eine andere mögliche Folge dieses Kidnappings. Falls es, wie er vermutete, eine Verbindung zwischen Cavanaugh und den vermeintlichen Entführern gab, konnte das nur bedeuten, dass die Überwachung aufgeflogen war. Wahrscheinlich war dann Galvans Leben keinen Pfifferling mehr wert. Draper kam sich wie ein Arschloch vor, weil er an nichts anderes denken konnte als an seinen Fall, er hatte einfach zu viel Zeit in diese Sache investiert, um jetzt mit anzusehen, wie ein Möchte-gern-Fed aus San Antonio alles den Bach hinuntergehen ließ. Verdammt, Galvan war mit Cavanaugh zusammen, was bestimmt kein gutes Zeichen war. Die Lage war also auch so schon kompliziert genug.

Er verdrängte diese Überlegungen und hörte Murphy weiter zu.

»Als meine Männer die Suche abgeschlossen hatten, fielen ihnen die Umzugsleute und der kleine Laster wieder ein, sie sind sofort wieder runter auf die Straße. Um ein Haar wären sie zu spät gekommen, denn der Laster fuhr schon los. Sie konnten gerade noch zu ihrem eigenen Wagen rennen und sich an die Kerle dranhängen.«

»Ein Umzug mitten in der Nacht? Ergibt das für Sie irgendeinen Sinn, Murphy? Wenn ja, können Sie Ihre Bewerbung für einen Job bei uns in lauter kleine Fetzen reißen und haben obendrein noch Glück, wenn man Sie auf Ihrem momentanen Posten lässt.«

»Nein, Sir. Es ergibt nicht den geringsten Sinn. Deshalb haben meine Jungs den Laster ja verfolgt. Wie soll es jetzt weitergehen?«

»Wie mein Dad immer gesagt hat, schwing dich auf die Mähre drauf, und guck, dass du nicht abgeworfen Wirst, mein Sohn. Dies ist vielleicht unsere letzte Chance, diesen Bastard Cavanaugh noch zu erwischen. Setzen Sie also weitere Wagen auf den Laster an, damit sie nicht bemerken, dass wir ihnen auf den Fersen sind. Und rufen Sie den Rest des Teams zusammen. Ich habe das Gefühl, dass dies der große Showdown wird. Eine andere Chance kriegen wir ganz sicher nicht.«

»Aber wenn sie Becca haben, können wir den Lkw doch sofort stoppen. Dann haben wir schließlich allen Grund, die Kiste zu durchsuchen, Sir!«

»Sie müssen in anderen Dimensionen denken, Murphy. Sehen sie die Sache im Gesamtzusammenhang. Tun Sie einfach, was ich sage, ja?« Das Handy in der Hand, stieg Draper zappelnd aus der Hose seines Schlafanzugs und bellte in den Apparat: »Und holen Sie mich hier ab. In fünf Minuten stehe ich vor dem Hotel.«

Es dauerte einen Moment, bevor der Cop ihm eine Antwort gab. Als er endlich etwas sagte, war ihm deutlich anzuhören, dass er mit dem geplanten Vorgehen nicht einverstanden war.

»Bin schon unterwegs, Sir. Stehe spätestens in drei Minuten vor der Tür.«

Als Draper auf den roten Knopf von seinem Handy drückte, feuerte sein Hirn aus allen Rohren, in größter Eile suchte er den Raum nach irgendwelchen Kleidungsstücken ab und zog einfach an, was er als Erstes fand.

Vielleicht war es vermessen, davon auszugehen, dass Cavanaugh der Auftraggeber der Entführung einer kleinen Polizistin war, aber Diego hatte ihn gewarnt. Die mutige und starrsinnige junge Frau wollte um jeden Preis an den Ermittlungen beteiligt werden, und jetzt war sie plötzlich mittendrin.

Er konnte nur hoffen, dass sie lange genug leben würde, um sich über diese Wendung der Ereignisse zu freuen.

Aber welche Rolle spielte Diego überhaupt? Seine simple Bitte aufgrund eines Gefühls hatte sich als äußerst weitsichtig herausgestellt. Offenbar wusste sein Informant viel mehr, als er ihm bisher berichtet hatte. Seine plötzliche Besorgnis wegen einer jungen Frau, die er erst seit ein paar Tagen kannte, konnte unmöglich ein Zufall sein.

Im Grunde allerdings war Draper vollkommen egal, wie es zu alledem gekommen war. Vielleicht fänden sie ja heute Nacht etwas heraus, was deutlich mehr als die bisher gesammelten Indizien war. Er war dicht vor seinem Ziel.

Hunter Cavanaugh war ein großes Wagnis eingegangen. Er hatte ohne Zweifel etwas ganz Besonderes mit Rebecca vor. Bei seinem riesengroßen Ego wollte dieser Hurensohn sicher ganz vorne in der ersten Reihe sitzen, wenn es geschah. Das wusste Draper ganz genau.

Angezogen und bewaffnet lief er los. Sein Blut geriet in Wallung, wenn er daran dachte, dass die Jagd endlich eröffnet war. Er würde Cavanaugh zur Strecke bringen, ganz egal, auf welche Art.

Kurz vor Mitternacht

Ein grässlicher Gestank stieg Becca in die Nase, sie war taub vor Kälte, und aufgrund des harten Untergrunds, auf dem sie lag, taten ihr die Hüfte und die Schulterblätter weh. Sie konnte sich nicht rühren und bekam noch nicht einmal die Augen auf. Trotz des fauligen Geruchs konzentrierte sie sich ganz darauf zu atmen. Sie zwang sich gleichzeitig herauszufinden, was für ein Geruch ihr da entgegenschlug. Das lenkte sie ein wenig von den Schmerzen ab. Feuchtigkeit und Schimmel, die Ausdünstungen ungewaschener Körper, und dazu die widerlichen Dämpfe aus einem zerbrochenen Abwasserrohr drangen durch den dichten Schleier, hinter dem ihr Hirn gefangen war.

Minuten kamen ihr wie Stunden vor, schließlich aber merkte sie, dass ihr Körper sich bewegte, dass ein wildes Zittern ihre Muskel zucken ließ. Sie stand immer noch unter dem Einfluss des Betäubungsmittels, und der kalte Untergrund tat auch nicht gerade gut.

Unter großen Mühen zwang sie ihre Augen auf. Oder nahm zumindest an, dass sie sie öffnete. Denn auch danach blieb alles schwarz. Sie nahm weder Licht noch irgendwelche Formen wahr und hatte keine Ahnung, wo sie sich befand und ob sie wirklich wach geworden war. Sie hätte gern geschluckt, aber ihre Zunge fühlte sich dick und geschwollen wie ein Baumwolllappen an.

Als der Nebel sich verzog, nahm sie ihre Umgebung wie einen grauen Strudel voller dunkler Schatten wahr. Sie sah ein grelles Licht direkt über ihrem Kopf. Sie versuchte eine Hand zu heben, um die Augen abzuschirmen, doch ihr Arm sank schlaff herab, sie schlug gegen irgendetwas Hartes und spürte einen stechenden Schmerz in ihrem Handgelenk.

»Arrrgh … nimm.« Sie hörte das Geräusch, war sich aber nicht sicher, ob es aus ihrer Kehle kam.

In ihren Augen brannten Tränen, doch sie zwang sie wieder auf und sah ein blendend weißes Licht. Es tat genauso weh, wie wenn man in die gleißende Wüstensonne sah. Stechend und erbarmungslos.

In diesem Augenblick hörte sie das Echo leiser Schritte. Es huschte über die Wände und kam von allen Seiten auf sie zu. Neues Entsetzen wogte in ihr auf. Während ihr das Herz schmerzlich gegen die Rippen schlug, kämpfte sie erneut gegen die Taubheit an. Sie wollte sich bewegen. Wollte weglaufen. Doch es gelang ihr einfach nicht.

»Du bist ja wieder wach, Schätzchen«, stellte eine dunkle, raue Männerstimme fest.

Sein Körper blendete das grelle Licht der Lampe aus, doch als sie seinen Schatten sah, wurde ihr eisig kalt. Sie zuckte zusammen, als ein Finger über ihre Wange strich, doch statt von ihr abzulassen, packte der Kerl ihr Kinn und schüttelte sie heftig, bis sie blinzelte und ihre Augen schließlich offen hielt.

»Nun komm schon. Wir haben dir nur eine leichte Dosis von dem Zeug verpasst. Schließlich habe ich heute Nacht noch was anderes vor. Genau wie du.«

Als sie sein Lachen hörte, war sie plötzlich richtig wach. Das Gesicht des Mannes hörte auf, sich zu drehen, und hielt direkt vor ihren Augen an. Matt Brogan. Unbeholfen, als wäre sie betrunken, stieß sie seine Finger fort.

»Du und ich haben noch ein paar Sachen nachzuholen.« Er sah sie grinsend an. »Ich weiß, dass ich praktisch ein Fremder für dich bin, aber ich habe eine echt schöne Überraschung für dich, wenn du dich anständig benimmst.«

»W… wo … bin ich«, stieß sie mühsam aus.

»Das braucht dich nicht zu interessieren. Alles, was du machen musst, ist nett zu sein und zu tun, was ich dir sage. Dann können wir über meine Überraschung reden. Haben dir die Rosen gefallen, die ich dir habe schicken lassen? Der Mex ist nicht der Einzige, der sich den Weg in deinen Slip erkaufen kann.«

Diese Enthüllung traf sie wie ein Schlag. Wenn Brogan von ihr und Diego wusste, wusste auch Cavanaugh Bescheid. Becca atmete tief ein. Das hieß, dass Diego in ernsten Schwierigkeiten war.

Bevor sie sich bewegen konnte, streckte Brogan eine seiner Pranken nach ihr aus. In ihrem halb betäubten Zustand nahm sie seine Finger wie züngelnde Schlangen wahr. Sie riss den Kopf zurück, aber er lachte nur, umfasste ihr Genick, ließ erst wieder von ihr ab, als er sicher wusste, dass er ihre Aufmerksamkeit genoss, und glitt dann mit seiner Hand an ihrem Hals herab. Er knetete unsanft ihre Brust, als sie einzig dadurch reagierte, dass sie ihren Kopf nach hinten warf, drückte er schmerzhaft ihre Brustwarze zusammen und sah ihr forschend ins Gesicht.

Doch sie würde diesem Kerl nicht geben, was er wollte, also knirschte sie zwar mit den Zähnen, schrie aber nicht auf.

»Oh, wir beide werden sicher jede Menge Spaß miteinander haben«, stellte er zufrieden fest und sah sie aus seinen toten Augen an. »Ich habe Herausforderungen immer schon geliebt. Und ich habe nichts dagegen, wenn es dabei etwas rau zugeht.«

Becca ließ sich weiter von dem Widerling begrabschen und starrte ihn dabei möglichst böse an. Am liebsten hätte sie sich übergeben, doch sie widerstand dem Drang, schließlich ließ das Ekel von ihr ab, und drehte leise lachend eine kurze Ehrenrunde durch den Raum.

Sie wusste mit Bestimmtheit, dass er nicht zum letzten Mal bei ihr gewesen war.

Becca überlegte hektisch, wie am besten mit dem Typen umzugehen war. Sie ging verschiedene Szenarien durch, und als sie endlich wieder richtig denken konnte, blickte sie sich suchend um und nahm ein paar Bewegungen im Dunklen wahr. In der Ferne brannte trübes Licht, da sie aber immer noch verschwommen sah, konnte sie nicht genau erkennen, was dort drüben war. Allerdings hörte sie Stimmen von Männern und von Frauen sowie das Rasseln schwerer Ketten, die jemand über den Fußboden zu schleifen schien. Wer waren alle diese Leute? Weshalb hockten sie hier in der Dunkelheit? Und dieser grässliche Geruch, wie hielten sie das aus? Sie stellte sich eine Horde Obdachloser vor, die in der Kanalisation zu Hause war.

Das Geräusch jedoch, das sie bis ins Mark erschütterte, war das Leiseste von allen. Ein unterdrücktes Schluchzen, das sich wie ein Krebsgeschwür in ihre Seele fraß. Plötzlich nahm das leise Wimmern zu. Becca hörte Brogan, der mit seiner rauen Stimme fluchte, während gleichzeitig das Kettenklirren langsam, aber sicher näher kam.

Eine große, düstere Gestalt kam langsam auf sie zu. Sie hatte keine Ahnung, ob es nur ein Mensch oder eine Gruppe war. Als Brogan schließlich wieder in den hellen Lichtkreis trat, zerrte er ein klapperdürres, schmutzstarrendes Mädchen mit verfilztem blondem Haar hinter sich her.

Infolge ihrer Unterhaltungen mit Diego über Cavanaugh und dessen Menschenhandel wusste sie, was sie da vor sich sah. Dies war der Ort, nach dem Diego und Draper die ganze Zeit gesucht hatten. Cavanaughs Versteck. Der Bastard hielt tatsächlich junge Mädchen gegen ihren Willen fest, ließ sie erniedrigen und sexuell missbrauchen, und dabei ging es ihm ausschließlich ums Geschäft. Becca hielt es nicht mehr aus. Sie stützte sich mit beiden Händen auf dem Boden ab, während sie sich krampfhaft übergab, bis sie vor Erschöpfung kaum noch Luft bekam. Sie roch ihr eigenes Erbrochenes, hatte den Geschmack im Mund und verspürte eine zunehmende Angst um ihre eigene Sicherheit.

Als sie wieder aufblickte, stand Brogan direkt über ihr und hielt sein Opfer dicht an seiner Seite fest. Becca blinzelte wegen des grellen Lichts, bis sie das Gesicht des Mädchens sah.

»Ich glaube, ihr zwei kennt euch.« Grinsend stieß Brogan die junge Frau zu Boden, bis sie Becca direkt gegenübersaß. Sie wirkte zu kaputt und zu geschlagen, um sie auch nur anzusehen, als sie es aber schließlich tat, setzte Beccas Herzschlag aus. Mit weit aufgerissenen Augen und offenem Mund starrte sie in das Gesicht ihrer Schwester Danielle.

»Oh mein Gott.« Jede Faser ihres Wesens war schockiert. »Dani?«

Brogan lachte fröhlich auf. »Du siehst aus, als hättest du einen Geist gesehen.« Sein krankes Lachen füllte den gesamten Raum.

Becca aber war für sein Gelächter völlig taub. War dies eine neuerliche Halluzination? Ein grausamer Scherz? So herzlos konnte Gott nicht sein. Sie wollte einfach glauben, dass die Illusion des Mädchens, das inmitten all des Unrats vor ihr auf dem Boden saß, ihre Schwester war. Mit zitternden Fingern berührte sie das ausgemergelte Gesicht. Plötzlich stiegen heiße Tränen hinter ihren Augen auf.

Dani starrte sie aus großen blauen Augen an. Sie sahen beschädigt und verloren aus, doch sie gehörten ganz eindeutig ihrer Schwester. Ihr einst so niedliches Gesicht wies dunkle Schmutz- und Tränenstreifen auf, und ihre Lippen zitterten so sehr, dass Becca nicht verstehen konnte, was sie sprach.

Mit ebenso stark zitternden Händen umfasste sie Danis Gesicht, und alles andere um sie herum versank in völliger Bedeutungslosigkeit. Noch immer desorientiert, vollkommen verwirrt von dieser plötzlichen Begegnung, unsicher, wer Becca war, aber dankbar für die Zärtlichkeit, schmiegte sich Dani an sie. Sie war so dünn und zerbrechlich, dass ihr Becca alle Knochen brechen würde, nähme sie sie allzu innig in den Arm.

»Oh Gott, Dani …«, weinte Becca und zog ihre kleine Schwester eng an ihre Brust. »Bist du es wirklich? Bitte, lieber Gott. Oh, Schätzchen, bist das wirklich du? Ich bin es, Becca. Erkennst du mich denn nicht?«

»Becca?«, wimmerte sie rau. »Ich dachte, ich würde dich nie wieder …« Mehr brachte sie beim besten Willen nicht heraus.

»Momma und ich dachten, du wärst tot. Die Polizei hat dein Blut in dem Motelzimmer gefunden … so viel Blut, dass alle sicher waren, dass du nicht mehr lebst.«

»Momma?« Dani klammerte sich stärker an ihr fest. »Wo ist Momma?«

»Sie ist … es geht ihr gut, Schätzchen. Nur vermisst sie dich.« Becca konnte sehen, dass Dani nicht das Mindeste verstand. Das Motelzimmer. Die Unmengen von Blut, aufgrund derer es so ausgesehen hatte, als ob Dani ermordet worden wäre. Wenn Becca versuchte, ihr alles zu erklären, würde sie dadurch bestimmt noch mehr verwirrt.

Ehe sie jedoch Gelegenheit bekam, die kleine Schwester zu beruhigen, mischte sich Matt Brogan ein.

»Das Blut war meine Idee«, brüstete sich der Kerl. »Wir haben es ihr über ein paar Wochen hinweg abgezapft, bis wir genug zusammen hatten, um es aussehen zu lassen, als ob sie abgeschlachtet worden ist. Nachdem die Medien Wind von ihrer Kreditkartenspur und dem blutigen Motelzimmer bekommen hatten, ist langsam Gras über die Sache gewachsen, und wir konnten weitermachen wie bisher.«

»Wir? Das hier ist die Organisation von Hunter Cavanaugh, nicht wahr?«

»Als hättest du das nicht bereits die ganze Zeit gewusst. Schließlich hat Galvan dich seit einer Weile mit Informationen gefüttert. Was hat er dafür von dir gekriegt?« Er riss Dani an den Haaren hoch, die Schreie ihrer Schwester gingen Becca durch Mark und Bein.

Dani verzog schmerzlich das Gesicht. Sie hatte keine Kraft, um sich gegen ihn zu wehren. Ihre Kraft war längst verbraucht.

»Als ich hörte, dass ihr beide Schwestern seid, wusste ich, dass ich euch unbedingt zusammenbringen muss. Ich bin ein rührseliger Kerl«, fuhr er gehässig fort.

»Als Sie hörten, dass wir beide Schwestern sind?«, fragte Becca ihn.

Als sie bei Cavanaugh gewesen war, hatte Brogan nicht gezeigt, dass ihm ihr Name etwas sagte. Vielleicht hatte er ja erst im Nachhinein aufgrund ihres Namens zwei und zwei zusammengezählt, doch er sah nicht gerade aus, als könnte er gut rechnen oder als hätte er jemals in seinem Leben irgendeine noch so leichte Aufgabe, bei der man denken musste, selbst gelöst. Er ging die Dinge immer mit gesenktem Kopf und mit geballten Fäusten an. Jemand hatte ihm erzählt, dass sie Danis Schwester war. Obwohl sie sich schon denken konnte, wem er diesen Tipp verdankte, musste sie auf alle Fälle dafür sorgen, dass er weitersprach. Denn je mehr der Fiesling plapperte, umso weniger drosch er auf Dani ein.

»Wer hat Ihnen von Danielle und mir erzählt?«

»Sagen wir einfach, eine alte Freundin dachte, dass ich wissen sollte, dass es da eine Verbindung gibt.«

Bevor sich Becca einen Reim auf diese Antwort machen konnte, wurde sie mit einmal Mal von zwei Kerlen gepackt. Sie rissen sie unsanft in die Höhe, und obwohl sie sich nur mühsam auf den wackeligen Beinen hielt, drückten sie sie rücklings gegen ein Geländer, rissen lange Streifen Klebeband von einer Rolle ab und banden ihre Arme und die Beine an den Gitterstäben fest.

»Klebt ihr bloß nicht den Mund zu«, wies Brogan seine beiden Helfer grinsend an. »Ich will ihre Schreie hören, wenn sie uns beide sieht.«

Entsetzt musste sie mit ansehen, wie Dani im grellen Licht der Lampe vor Brogan kauerte. Er strich der jungen Frau über den Kopf, sein von Schatten verzerrtes, grinsendes Gesicht sah wie eine groteske Maske aus.

Er hatte sich ein fürchterliches Schauspiel für sie ausgedacht.

»Rühr sie ja nicht an, du Schwein«, schrie ihn Becca an und versuchte, sich von ihren Fesseln zu befreien. »Dafür bringe ich dich um!«

Heißer Zorn durchzuckte sie, das Blut schoss ihr ins Gesicht, und vor ihren Augen blitzten Sterne auf. Becca stand in dem dunklen Kellerraum und kämpfte mit dem Instinkt der Überlebenden, erfüllt von dem Verlangen, ihre Schwester zu beschützen, gegen ihre Fesseln an. Sie wusste, dass der Kerl die Absicht hatte, ein böses Spiel mit ihr zu spielen, bei dem ihre Schwester die Hauptrolle bekäme, während Becca selbst hilflos ansehen musste, welches abgrundtiefe Leid Danielle geschah. Dadurch würden sie beide zugleich von ihm gequält.

Hektisch dachte sie über ihre Möglichkeiten nach. Psychologische Taktiken und Vernehmungstechniken schossen ihr durch den Kopf. Wie sollte sie die Sache angehen? Ein Fehler wäre tödlich. Brogan brauchte ihre Schwester nicht. In ihrem momentanen Zustand war sie für ihn ohne jeden Wert. Wenn Becca es nicht richtig machte, brächte er Danielle bestimmt vor ihren Augen um – eine noch grässlichere Qual als all die Alpträume, aus denen sie seit der Entführung beinahe allnächtlich schreiend hochgefahren war. Keine von ihnen beiden hatte eine große Chance, lebend hier herauszukommen. Doch sie würde den Preis für eine zweite Chance, Danielle zu retten, zahlen, selbst wenn dieser Preis ihr eigenes Leben war.

So darfst du nicht denken, Becca. Das wird nicht geschehen. Sie verdrängte alle negativen Überlegungen. Ihre Möglichkeiten waren begrenzt. Sie war gefesselt wie ein Truthahn vor der Schlachtung, weshalb ihr nur ihr Hirn und ihre Fähigkeit zu reden blieb.

Doch das müsste und würde reichen.

Schließlich hatte sie Danielle schon einmal verloren, sie verlöre sie ganz sicher nicht ein zweites Mal.

Ein bläulich schwarzer Schimmer lag auf der Umgebung, denn der klare Nachthimmel wurde von einer schmalen Mondsichel erhellt.

Mike Draper, der in schusssicherer Weste und Windjacke des FBI neben seinem Wagen stand, hob das Nachtsichtgerät vor seine Augen und blickte auf die Lagerhalle, die am Ende der verlassenen Straße lag. Die heiße, schwüle Luft klebte an ihm wie eine zweite Haut. Schweiß rann von seinen Schläfen und aus seinen Achselhöhlen in die Kleider, die er trug. Die dicke Ausrüstung war Teil von seinem Job, er hatte sich an das Gewicht und an das Schwitzen längst gewöhnt.

Der Lkw, mit dem die Polizistin anscheinend gekidnappt worden war, war gesehen worden, wie er in die Lagerhalle fuhr. Der Fahrer hatte entweder den Code oder die Fernbedienung für das schwere Tor gehabt. Draper selbst war nicht dabei gewesen, aber die Kollegen von der Polizei, die dem Laster hinterhergefahren waren, hatten es bezeugt.

Jetzt sah er sich noch einmal in der Umgebung um und lauschte auf das gedämpfte Knistern seines Funkgeräts. Er hatte die Spezialeinheit des FBI für Geiselnahmen angefordert, die Leute sprachen sich im Augenblick mit dem SEK der Polizei von San Antonio ab. Seine Mannschaft war gebrieft und kundschaftete erst einmal die Lagerhalle aus. Seine Leute waren bereits aufgeteilt. Da er als Einsatzleiter zu bestimmen hatte, welche Taktik anzuwenden war, würde niemand seinen Platz verlassen, ehe Draper es befahl.

Mit Zehn-Millimeter-Maschinenpistolen von Heckler & Koch, Nachtsichtgeräten, Sprengstoff zur Beseitigung von Hindernissen sowie jeder Menge Blendgranaten für Ablenkungsmanöver, wenn sie die Halle stürmten, waren seine Leute bestens ausgerüstet, dachte er. Aber schließlich hatten sie dazu auch allen Grund. Draper war der festen Überzeugung, dass die Männer in der Halle bewaffnet und gefährlich waren und dass es dort drinnen sicher mehr als eine Geisel gab.

Sie brauchten nicht mal die Genehmigung zu diesem Einsatz einzuholen, denn bestimmt waren die Leben unschuldiger Menschen in Gefahr.

Die Truppe war bereit zu stürmen, doch er wartete ab. Dies war sein Zuständigkeitsbereich. Sein Fall. Er trug die Verantwortung.

Die Lagerhalle sah nicht anders aus als all die anderen halb verfallenen Drecklöcher in diesem Teil der Stadt. Niemand würde sie eines zweiten Blickes würdigen, wenn er an ihr vorüberfuhr.

Eine Sache aber gab ihm zu denken. Er war vor ein paar Wochen schon einmal hier gewesen, auf einen Tipp von Diego hin. Bei einer verlassenen Fabrik nur ein paar Blocks entfernt. Immer wieder hatten irgendwelche Leute junge Mädchen dort gesehen. In Gesellschaft deutlich älterer Männer, hatten seine Informanten noch hinzugefügt. Was in dieser Gegend wirklich ungewöhnlich war. Die Tipps hatten zu den Dingen gepasst, die Diego ihm berichtet hatte. Wie nah er seinem Ziel damals gewesen war, und wie weit entfernt zugleich.

»Einmal hast du mich ins Knie gefickt«, murmelte er leise, während er sich schwor, in dieser Nacht erfolgreicher zu sein. »Aber zweimal machst du das ganz sicher nicht.«

»Das SEK wartet auf Ihren Befehl zum Einsatz, Sir.« Murphy trat zusammen mit Lieutenant Arturo Santiago von hinten neben ihn. Der ranghöhere Beamte wirkte wie die personifizierte Ruhe vor dem Sturm.

Draper sah Murphys ängstliches Gesicht. Schuldgefühle konnten einen Menschen fressen, wenn er nichts dagegen unternahm. Draper glaubte nicht, dass man mit Schuldgefühlen jemals weiterkam. Santiagos böser Blick jedoch verriet, dass aus seiner Sicht das letzte Wort in dieser Angelegenheit noch nicht gesprochen war. Als Murphy wieder ging und er mit dem Lieutenant alleine war, ergriff er deshalb zuerst das Wort.

»Ich hätte erwartet, Ihren Chef zu sehen. Wo steckt der Mann?«

»Er ist schon unterwegs, ich kann Ihnen versichern, dass er alles andere als glücklich über diese Sache ist.«

»Auch wenn er noch kommt, ist und bleibt das hier meine Operation. Ich will nichts überstürzen. Rebecca ist eine erfahrene Polizistin. Sie weiß, wie diese Sache laufen wird.« Er kehrte Santiago den Rücken zu.

»Vielleicht sind Sie so höflich und klären auch mich noch auf. Ich habe nämlich offenbar den Rundbrief nicht bekommen, in dem es um diesen Einsatz ging.« Santiago baute sich vor Draper auf und sah ihn aus zusammengekniffenen Augen an. »Falls auch nur die geringste Chance besteht, dass sie da drinnen ist, wird sie gegen ihren Willen in der Halle festgehalten. Dann wurde einer meiner Leute Opfer eines Verbrechens, und angesichts des verdächtigen Treibens, das mitten in der Nacht von hier gemeldet worden ist, haben wir allen Grund, um sofort reinzugehen. Wenn ich mich nicht irre, kann man sogar von hier aus riechen, dass sie da drinnen Methamphetamine brauen. Falls die vermissten Mädchen in der Halle sind, sollten die Einsatztrupps das als Geiselnahme werten und endlich ihre Arbeit tun.«

»Bei meinen Ermittlungen geht es um Cavanaugh, und wegen dieser Mädchen fällt der Fall und somit auch der Einsatz in meinen Zuständigkeitsbereich. Ich bin also derjenige, der hier das Sagen hat. Und ich sage, wir warten, bis er kommt.« Draper passte seinen Ton an den von Santiago an. »Der Bastard hat das Restaurant inzwischen verlassen und ist auf dem Weg hierher.«

Was keine Gewissheit, sondern eher eine Vermutung von ihm war. Seine Männer, die der Limousine folgten, hatten ihm gemeldet, dass sie erst einmal in eine völlig andere Richtung fuhr. Aber es war noch zu früh, um sicher ausschließen zu können, dass er noch erschien, bei einem Kerl wie Cavanaugh wusste man nie.

»Das können Sie nicht sicher wissen«, widersprach der Lieutenant ihm. »Könnte schließlich sein, dass er auf dem Weg nach Hause ist oder sich noch ein Stückchen Pastete bei Denny's holt. Ich glaube, Sie leiden an akutem Wunschdenken, und da hilft nicht einmal Penicillin. Die Ermittlungen in diesem Fall haben Sie eindeutig völlig aus dem Gleichgewicht gebracht. Sie sind regelrecht besessen von dem Kerl.«

»Und Ihre Männer haben derartige Schuldgefühle, weil vielleicht einer Kollegin etwas zugestoßen ist, dass sie lieber mit ansehen, wie Cavanaugh mir durch die Lappen geht, statt einfach ehrlich zuzugeben, was bei Ihnen falsch gelaufen ist. Geben Sie es zu. Ihre Jungs haben die Überwachung hoffnungslos vermasselt. Und jetzt hauen Sie endlich ab.«

Santiago biss die Zähne aufeinander und lief unruhig hin und her. Er war lange noch nicht fertig mit dem aufgeblasenen Kerl vom FBI. Er fuhr sich über die schweißbedeckten Brauen und rückte seine Baseballkappe von der Polizeimannschaft zurecht. Dann baute er sich abermals vor Draper auf und senkte seine Stimme auf ein Flüstern, damit keiner von den anderen Männern ihn verstand.

»Lassen Sie uns die Situation doch einmal objektiv betrachten, falls Ihnen das möglich ist«, übte er sein Recht auf Sarkasmus aus. »Sie haben keine Ahnung, wer die Männer sind, die Rebecca gekidnappt haben, stimmt's? Vielleicht haben sie gar nichts mit Hunter Cavanaugh zu tun. Aber gehen wir um Ihretwillen davon aus, dass es entgegen jeder Logik doch so ist.« Er klappte den Kragen seiner schusssicheren Weste hoch. »Sie wissen, was Cavanaugh mit diesen jungen Frauen macht. Was glauben Sie, geht momentan da drinnen vor? Glauben Sie, nachdem Rebecca von den Schweinen erst mal vergewaltigt worden ist, interessiert sie noch, dass Ihre Festnahme von Cavanaugh wie aus dem Lehrbuch abgelaufen ist?«

So sarkastisch und so zornig hatte Draper ihn noch nie erlebt. Doch auch wenn sein Einwand sicherlich berechtigt war, bedachte Draper ihn mit dem gewohnten, kühlen Blick. Er konnte es sich einfach nicht erlauben, selbst darüber nachzudenken, was in diesem Augenblick vielleicht geschah. Schon allzu oft hatte er gute Männer angewiesen, ihre Pflicht zu tun, um dann mit anzusehen, wie die Leichen fortgetragen wurden, und ihren Familien mitteilen zu müssen, dass der Ehemann, der Bruder, Vater oder Sohn nicht mehr am Leben war. Auch Santiago hatte das als Lieutenant sicher schon des Öfteren getan.

Bei jedem lohnenswerten Kampf gab es irgendwelche Opfer. Irgendjemand musste Gut und Böse abwägen und danach entscheiden, was nicht einfach zu entscheiden war. Dieses Mal war er es, der das tat. Vielleicht hätte beim nächsten Mal ein anderer das Steuer in der Hand und er bisse ins Gras. Doch er würde sich nicht um die Erfüllung seiner Pflichten drücken, ganz egal, in welcher Position.

»Ich weiß ebenso wenig wie Sie, was da drinnen vor sich geht.« Er würde sich ganz sicher nicht verteidigen. Er hatte alles gesagt, was er zu sagen hatte, Arturo Santiago aber offenbar noch nicht.

»Genau das ist der Punkt, Draper. Sie sind mit diesem Nichtwissen zufrieden. Ich ganz sicher nicht.« Zähneknirschend trat der Lieutenant einen Schritt zurück. »Wie können Sie mit einem solchen Ego leben? Sie sind jemand, der andere benutzt. Mir ist noch etwas anderes aufgefallen. Und zwar, dass es viele Gemeinsamkeiten zwischen Cavanaugh und Ihnen gibt.«

Draper blickte dem Lieutenant hinterher, als dieser ihn einfach stehen ließ, und musste mühsam schlucken, ehe er die Zähne aufeinanderbiss. Santiagos Worte hallten dunkel in ihm nach, und er hätte sicher länger über seine Sicht der Dinge nachgedacht, wäre nicht in diesem Augenblick eine dunkle Limousine die Straße heruntergerollt. Ein Mercedes, wenn er richtig sah. Er bog in das Grundstück ein, auf dem die Lagerhalle lag.

Er verdrängte den Gedanken an Santiago, hob sein Fernglas an die Augen und konzentrierte sich völlig auf das Gefährt.

»Wer zum Teufel ist denn das?«, murmelte er leise und bellte einen Moment später in sein Funkgerät: »Ich will wissen, wer das ist. Ich erwarte eine umgehende Meldung, falls jemand etwas erkennt.«

Er wünschte sich, es wäre Cavanaugh. Aber der Mann hatte das Restaurant in einer Limousine verlassen, nicht in einem Mercedes, vor allem folgten seine Leute ihm noch immer durch die Stadt.

Draper hatte Überraschungen noch nie gemocht.

»Verdammt.«

Während seine Männer auf seine Befehle warteten, rief er sich zwei wichtige Dinge ins Gedächtnis. Er hielt nichts von Schuldgefühlen, und vor allem hatte er sich bisher nie vor schwierigen Entscheidungen gedrückt. Er drückte auf den Knopf von seinem Funkgerät.

»Einsatzleiter? Niemand rührt sich ohne meinen Befehl vom Fleck. Wiederhole. Niemand rührt sich ohne meinen Befehl vom Fleck.«