Halluzinationen waren für mich nichts Neues. Als kleines Mädchen hatte ich in den ersten Jahren nach dem Unfall Probleme, zwischen der Illusion und der echten Welt zu unterscheiden. Ich wusste nicht, wann ich halluzinierte, alles erschien dann real.
Es half auch nicht, dass keiner der Ärzte, zu denen meine Eltern mich schleppten, eine Ahnung hatte, was mit mir los war. Das Gehirn ist ein noch weitgehend unerforschtes Gebiet. Ich hatte keine Anfälle, doch in den schlimmsten Episoden verlor ich manchmal nicht nur das Bewusstsein, sondern auch die Kontrolle über meine motorischen Fähigkeiten. Ich hatte jedoch keine Schmerzen, abgesehen von den wenigen Malen, als ich während der Blackouts gestürzt war und mir wehgetan hatte.
Je älter ich wurde, desto besser lernte ich zu erkennen, wann eine Episode im Anmarsch war. Ich lernte jedoch nie, währenddessen zu unterscheiden, ob ich halluzinierte oder nicht. Erst wenn ich wieder aufgetaucht war, konnte ich sagen, ob die Episode von Halluzinationen begleitet worden war. Und auftauchen tat ich zum Glück jedes Mal, ob nun mit oder ohne Halluzinationen. Manchmal stand ich einfach unbeweglich, ohne zu blinzeln, für ein paar Minuten da, während die Welt sich um mich herum weiterdrehte und derjenige, mit dem ich mich gerade unterhalten hatte, dachte, ich hätte mich einen Augenblick in Gedanken verloren.
Genauso fühlte es sich für mich auch an. Meine Gedanken wanderten, während mein Körper vor Ort blieb. Ich hatte gelernt, bei Menschen, die mich nicht gut genug kannten, schnell wieder in Unterhaltungen einzusteigen, sodass sie meine Abwesenheit gar nicht groß bemerkten. Ja, ich hatte im Laufe der Zeit gelernt, mich anzupassen.
Die Halluzinationen waren meistens sehr bunt und oft laut. Oft waren sie auch eine Fortführung dessen, was ich getan hatte, als sie einsetzten. Ich konnte gefühlte Stunden in einer Episode verbringen, die aber in Wirklichkeit nicht einmal eine Minute lang dauerte. Oder ich verbrachte sehr lange Zeit in ereignisloser Dunkelheit, bevor ich für wenige Sekunden in einen Traumzustand verfiel.
Bis zu diesem Tag hatte ich jedoch noch nie eine so lebendige, intensive Halluzination von solch extrem sexueller Natur erlebt.
Ich brauchte eine Weile, um mich davon zu erholen. Am Sonntag im Bett zu bleiben war für mich nicht ungewöhnlich, aber die Tatsache, dass ich mir meinen Laptop geschnappt und mit unter die Decke genommen hatte, schon. Normalerweise ist mein Bett mein Heiligtum, ein Ort allein dem Schlaf gewidmet, nicht der Arbeit. Und obwohl ich meinen Laptop liebte, als wäre er mein siamesischer Zwilling, den ich seit der operativen Trennung in einem Täschchen mit mir herumtrug, zog ich es vor, am Schreibtisch oder auf der Couch daran zu arbeiten. Nun jedoch benutzte ich das Trackpad, um durch die Liste der Suchergebnisse zu scrollen.
Johnny Dellasandro, natürlich. Es hatte mich schlimm erwischt.
Es gab eine Website für seine Galerie. Der einzige Hinweis auf seine vorhergehende Schauspielkarriere bestand aus den drei Wörtern „Star aus Independentfilmen“ in seiner Biografie, gefolgt von einer etwas längeren Liste seiner sonstigen beruflichen Erfolge. Auf der Website waren die Öffnungszeiten angegeben sowie eine Liste der zukünftigen Events. Ein Foto von Johnny, der in die Kamera lächelte und genauso aussah, als wollte er denjenigen, der auf der anderen Seite der Linse stand, auf der Stelle vögeln … Schweig still, mein kleines geiles Herz.
Es gab noch andere Fotos von ihm, die meisten zeigten ihn beim Händeschütteln mit mehr oder weniger berühmten Persönlichkeiten. Johnny mit dem Bürgermeister, mit dem DJ vom örtlichen Radiosender, mit dem Präsidenten irgendeines Museums. Und dann, etwas überraschend, Johnny mit echten Berühmtheiten. Bilder von ihm neben einigen der größten Filmstars der Sechziger und Siebziger. Rockstars. Dichter. Romanautoren. Lauter bekannte Gesichter. Auf den meisten Bildern schauten beide in die Kamera, aber es gab auch ein paar ungestellte Fotos, auf denen die anderen immer unweigerlich aussahen, als wollten sie ihn an Ort und Stelle verschlingen. Oder von ihm gefickt werden … Ich konnte es ihnen nicht verdenken.
Vielleicht war ihm seine erotische Vergangenheit doch gar nicht so peinlich, wie ich gedacht hatte. Weitere Recherchen brachten ein halbes Dutzend Interviews auf verschiedenen Blogs zutage, die nicht sonderlich viele Leser zu haben schienen. Was mich nicht weiter überraschte. Jeder Affe mit einem Computer konnte einen Blog erstellen, und auch wenn Johnny einen gewissen Bekanntheitsgrad erreicht hatte, galt das doch nur für eine sehr kleine Zielgruppe. Er klang nicht so, als bereute er etwas. Zumindest nicht in den Interviews, die er in den letzten paar Jahren gegeben hatte. Die hatten sich zwar mehr um seine aktuelle Arbeit gedreht, doch unvermeidlich waren auch ein paar Fragen zu seinen Tagen als Schauspieler gestellt worden.
„Ich stehe zu allem, was ich getan habe“, erklärte Johnny mir in dem Videoclip, der bei einer Preisverleihung aufgenommen worden war, von der ich noch nie etwas gehört hatte.
Das Bildmaterial war wacklig, der Ton schlecht und die Leute, die im Hintergrund entlangliefen, ein wenig Angst einflößend. Derjenige, der die Kamera führte, stellte auch die Fragen. Die Stimme klang androgyn und viel zu nah am Mikrofon. Johnny schien nicht sonderlich daran interessiert, interviewt zu werden, aber er beantwortete trotzdem noch ein paar weitere Fragen.
Ich lehnte mich in meine Kissen zurück und stellte den Laptop auf die Knie. Wikipedia hatte tatsächlich auch einen Eintrag über ihn, komplett mit Links zu Dutzenden Artikeln in Magazinen und Zeitungsarchiven. Besprechungen seiner Filme und ganze Websites, die allein der Diskussion derselben gewidmet waren. Links zu Orten, an denen seine Kunst ausgestellt wurde. Alleine mit den Hinweisen, die auf dieser einen Seite versammelt waren, konnte man einen ganzen Tag auf Johnnys virtuellen Spuren verbringen. Sollte irgendjemand mich googeln – ich tat es selber ein paarmal im Monat, um zu sehen, was dabei herauskam – fände er nur eine Liste von Leistungen, die eine andere Frau meines Namens erreicht hatte. Die Frage war nicht, warum es so viele Informationen über ihn gab, sondern wie ich über dreißig Jahre alt werden konnte, ohne zu ahnen, dass es ihn überhaupt gab!
Ich fuhr den Computer herunter und stellte ihn beiseite, dann kuschelte ich mich in meine Kissen und dachte nach. Ich war total verknallt. So schlimm wie seit der sechsten Klasse nicht mehr, als ich das erste Mal Jungen für mich entdeckte. Schlimmer noch als die geheime Liebesaffäre, die ich in meinem Kopf mit John Cusack hatte, nachdem ich das erste Mal Teen Lover gesehen hatte. Meine Gefühle für Johnny waren eine Mischung aus beidem – er war jemand, den ich in einem Film gesehen hatte, also nicht „real“, aber dennoch lebte er nur wenige Meter die Straße hinunter. Er trank Kaffee und trug gestreifte Schals. Er war greifbar.
„Reiß dich zusammen, Emm“, schalt ich mich. Ich überlegte, aus meinem warmen Bett zu klettern und heiß zu duschen. So ganz konnte ich mich von diesem Vorhaben allerdings nicht überzeugen.
Ich wollte nicht an die drei Episoden denken, dich ich am Vortag gehabt hatte, aber da ich ein wenig von der Halluzination träumen wollte, in der Johnny in all seiner nacktärschigen Pracht die Hauptrolle gespielt hatte, kam ich nicht umhin. Zwei kleine und eine etwas größere. Keine hatte besonders lange gedauert. Es war mehr die Häufigkeit, die mir Sorgen machte.
Ich war einunddreißig Jahre alt und hatte bis vor wenigen Monaten nie alleine gelebt. Ich habe nie weiter als einen Fußmarsch von meinem Arbeitsplatz entfernt gewohnt, weil es mir entweder gesetzlich nicht erlaubt gewesen war oder ich zu viel Angst hatte, längere Strecken allein mit dem Auto zu fahren. Ich hatte mein Leben damit zugebracht, mich mit den Nachwirkungen dieses einen kurzen Augenblicks auf dem Spielplatz auseinanderzusetzen. Doch jetzt kam ich endlich in den Genuss des Gefühls der Freiheit, die all meine Freunde seit ihrer Kindheit erlebt hatten.
Ich hatte höllische Angst, sie wieder zu verlieren.
Ich wusste, ich hätte meine Hausärztin Dr. Gordon anrufen und ihr erzählen müssen, was passiert war. Sie kannte mich seit meiner Kindheit. Ich vertraute ihr vollkommen und hatte mich mit allen Problemen immer an sie gewandt – von den Fragen über meine erste Periode bis zu den ersten Vorstößen in Richtung Verhütungsmittel. Aber hierüber konnte ich nicht mit ihr sprechen. Sie wäre verpflichtet, zu melden, dass mir möglicherweise ein epileptischer Anfall bevorstand, und dann? Ich müsste meinen Führerschein wieder abgeben, und das wollte ich nicht. Konnte ich nicht.
Ich rief allerdings meine Mom an. Auch wenn ich erst am Vortag mit ihr gesprochen hatte und obwohl ich so froh gewesen war, aus meinem Elternhaus auszuziehen, war sie immer noch der erste Mensch, an den ich mich in solchen Situationen wandte. Das Telefon klingelte und klingelte, dann ging der Anrufbeantworter an. Ich hinterließ keine Nachricht. Das würde meine Mutter nur unnötig beunruhigen. Außerdem würde sie sich nach ihrer Rückkehr vermutlich sowieso die Anruferliste anschauen, meine Nummer entdecken und sich melden. Ich fragte mich trotzdem, wo sie wohl war – an einem Sonntagmorgen. Sie verließ sonntags nur selten das Haus. Ich schlief gerne aus. Meine Mom liebte es, zu backen und im Garten zu arbeiten und im Fernsehen alte Filme anzuschauen, während mein Vater in der Garage herumwerkelte.
Ich hatte so viele Stunden damit verbracht, von einem Tag wie diesem zu träumen – in meinem eigenen Bett, meinem eigenen Haus aufzuwachen. Ganz allein. Keine Pläne für den Tag und niemanden, dem ich Rechenschaft schuldig war. Nichts tun müssen außer Wäschewaschen – in meiner eigenen Maschine mit meinem eigenen Waschpulver. Selbst entscheiden, ob ich sie zusammenfaltete oder sie einfach im Korb liegen ließ. Ich hatte davon geträumt, erwachsen zu sein, alleine zu leben. Und jetzt, wo ich das erreicht hatte, fühlte ich mich unerträglich einsam.
Das Mocha würde dagegen helfen. Dort war ich Teil einer Gemeinschaft, hatte Freunde. Jen und ich hatten nicht explizit verabredet, uns dort zu treffen, aber ich wusste, eine kurze SMS würde mir verraten, ob sie hinginge oder nicht. Und wenn nicht, konnte ich meinen Laptop mitnehmen und mich mit einem Becher Kaffee oder Tee und einem Muffin häuslich niederlassen. Ich könnte ein wenig auf Connex, dem sozialen Netzwerk, herumspielen oder mit Freunden chatten, die ebenfalls online waren.
Oh. Und ich könnte ein wenig, quasi nebenbei und vollkommen unauffällig, Johnny Dellasandro stalken.
Per SMS verabredete ich mich mit Jen. Wir würden uns in einer halben Stunde treffen, was mir noch genügend Zeit ließ, kurz zu duschen, mich anzuziehen und zum Coffeeshop zu gehen – eingerechnet schon die Zeit, die ich brauchte, um meine Beine zu rasieren, meine Augenbrauen zu zupfen und mir zu überlegen, was ich anziehen sollte. Denn ja, das war mir wichtig …
„Hey, Süße! Hallo!“ Bei Jens Begrüßung musste ich lachen. Sie winkte mir quer durch den Raum zu. „Ich habe dir einen Platz reserviert. Wieso hat das so lange gedauert? Hast du keinen Parkplatz gefunden?“
„Oh nein, ich bin gelaufen.“ Meine Zähne klapperten immer noch. Der Januar in Harrisburg ist zwar nicht mit dem am Polarkreis zu vergleichen, aber es ist trotzdem so kalt, dass ein Eisbär sich die Eier abfrieren würde.
„Was? Warum? Ach, ich weiß, die Schneepflüge.“
Als wäre die Parksituation in meiner Straße nicht schon schlimm genug, wurde es richtig gemein, wenn der Schneepflug kam und den Schnee auf die Autos blies, sodass man sie mühselig freischippen musste. Aber das war nicht der Grund, warum ich gelaufen war. Ich schlüpfte aus meinem Mantel und hing ihn über die Lehne meines Stuhls. Dabei versuchte ich, mich unauffällig nach dem leckeren, göttlichen Johnny Dellasandro umzusehen. „Nein, daran lag es nicht. Mir war einfach nach Laufen zumute.“
„Ich habe gehört, dass manche Leute kalt duschen, aber was du da machst, ist ein wenig übertrieben, findest du nicht?“
Ich hauchte in meine Hände, um sie zu wärmen, und setzte mich dann auf meinen Stuhl. „Wenn ich weiter Muffins zum Frühstück essen will, muss ich was tun, damit mein Hintern nicht auseinandergeht wie ein Hefeteig.“
„Süße!“, Jen seufzte. „Ich weiß genau, was du meinst.“
Wir dachten einen Moment lang schweigend über die Größe unserer Hintern nach, wobei ich fand, dass Jen eine supersüße Figur hatte und sich keinerlei Sorgen machen musste. Und ich wusste, dass sie das Gleiche über mich dachte.
„Dein Oberteil gefällt mir“, sagte sie, als der Moment vorbei war. Dann lachte sie und senkte die Stimme. „Ich wette, ihm gefällt es auch.“
„Wem?“
„Tu nicht so, als wüsstest du nicht, wen ich meine.“
Ich schaute an mir herunter. Es war eine einfache Strickjacke aus weicher Wolle, die geschnitten war wie ein Pullover und deren Knöpfe bis zu dem kleinen V-Ausschnitt reichten. „Ich mag es, wie meine Schlüsselbeine darin aussehen. Und dass sie nicht zu tief ausgeschnitten ist.“
„Stimmt, der Ausschnitt ist perfekt“, stimmte Jen zu. „Und die Farbe steht dir super.“
Ich strahlte. „Mir gefallen deine Ohrringe.“
Jen klimperte mit den Wimpern. „Sind wir jetzt damit fertig, uns gegenseitig anzuhimmeln? Denn wenn nicht, würde ich noch schnell sagen, dass du eine schöne Kette trägst.“
„Diese hier?“ Ich hatte ganz vergessen, welche ich umhatte. Normalerweise trug ich immer den gleichen Schmuck. Bei meinem Job bei der Genossenschaftsbank musste ich mich jeden Tag einem strengen Dresscode unterwerfen. Ich war es leid gewesen, mir jeden Tag aufs Neue zu überlegen, welcher Schmuck dazu passte, und hatte mir einige neutrale Ketten gekauft. Als ich nun ein wenig an dem Anhänger zog, um zu sehen, welcher es war, riss die Kette und glitt in meine Hand. „Hups!“
„Oh nein.“ Jen fing den Anhänger auf, bevor er auf den Tisch fallen konnte. Sie reichte ihn mir.
„Verdammt.“ Ich schaute ihn mir genauer an. Er war nichts Besonderes und hatte ein kleines, verschnörkeltes Muster. Er stammte vom Angebotstisch in meinem Lieblingssecondhandladen. Ich schloss meine Finger darum und merkte, dass das Metall ungewöhnlich warm war. „Was soll’s.“
„Kannst du das reparieren lassen?“
„Das ist es nicht wert. Ich glaube nicht mal, dass er aus echtem Gold ist.“
„Schade“, sagte Jen fröhlich. „Ansonsten hättest du ihn in so einen Laden bringen können, die Gold gegen Bargeld ankaufen! Die Nachbarin meiner Mutter veranstaltet sogar eine Party, wo man sein Gold mitbringen kann. Sie sagt, es gehen auch Goldfüllungen aus den Zähnen – selbst wenn die Zähne noch dran sind!“
„Igitt.“ Ich steckte die Kette in meine Manteltasche.
Jen lachte und schien noch etwas sagen zu wollen, doch dann verstummte ihr Lachen. Sie schaute mit großen Augen über meine Schulter. Ich drehte mich lieber nicht um.
Das musste ich auch gar nicht. Ich wusste, dass er es war. Ich konnte ihn fühlen. Ich konnte ihn riechen.
Orangen.
Er ging an unserem Tisch vorbei. Der Saum seines langen schwarzen Mantels strich über meinen Arm, und sofort verwandelte ich mich in ein fünfzehnjähriges Mädchen. Der einzige Grund, weshalb ich nicht laut kicherte, war, dass meine Kehle so trocken war, dass ich keinen Pieps von mir geben konnte. Jen sagte auch nichts, sondern schaute mich nur aufmerksam an, bis Johnny an uns vorbei war.
„Geht es dir gut?“, flüsterte sie und beugte sich vor. „Du siehst aus, als würdest du gleich ohnmächtig werden. Du bist ganz blass.“
Ich fühlte mich nicht benommen, nicht blass. Ich fühlte mich glühend heiß und knallrot. Ich schluckte und schüttelte den Kopf, wagte es nicht, über ihre Schulter zu schauen, um zu sehen, wie er seine Bestellung am Tresen aufgab. „Nein, alles gut.“
„Bist du sicher?“ Jen drückte meine Hand. „Ehrlich, Emm, du siehst aus …“
In dem Moment drehte er sich um und schaute mich an. Ich meine, er schaute mich wirklich an. Nicht nur ein kurzer Blick, der über mich hinweghuschte, als existierte ich nicht. Und auch kein Zurückzucken, als irritierte ihn mein Anblick. Nein, Johnny Dellasandro schaute mich an, und ich hatte mich schon halb erhoben, bevor ich erkannte, dass ich nicht einfach aufstehen und zu ihm gehen konnte.
Jen schaute über ihre Schulter, aber da hatte er sich schon wieder zum Tresen umgedreht, um seinen Teller mit dem Muffin entgegenzunehmen. Er schaute mich nicht mehr an, und ich wusste nicht, wie ich ihr sagen sollte, dass er es getan hatte. Falls er es getan hatte – es fiel mir leicht, mich davon zu überzeugen, ich hätte es mir nur eingebildet.
„Emm?“
„Er ist so unfassbar schön.“ Meine Stimme klang nicht, als gehörte sie zu mir. Sie war rau und schroff und voller Sehnsucht.
„Ja.“ Jen runzelte die Stirn und warf ihm einen Blick zu.
Er ging an einen Tisch im hinteren Bereich und schaute auf, als die Glocke über der Tür ertönte. Jen und ich schauten ebenfalls auf. Eine Frau ungefähr in meinem Alter, vielleicht ein oder zwei Jahre älter, marschierte direkt in den hinteren Bereich, ohne am Tresen anzuhalten. Von meinem Platz aus konnte ich sehen, wie sie sich gegenüber von Johnny auf den Stuhl gleiten ließ und sich vorbeugte, damit er sie mit einem Küsschen begrüßen konnte. Mir wurde ganz flau im Magen, und ich starrte mit gesenktem Kopf auf meine Stiefel, die ich heute Morgen so sorgfältig ausgewählt hatte.
„Ach verdammt“, sagte ich enttäuscht.
Jen schaute mich an. „Ich kenne sie nicht.“ „Ich auch nicht.“
„Sie gehört nicht zu den Stammkunden“, fuhr Jen leicht beleidigt fort. „Also wirklich, er hätte sich wenigstens eine der Stammkundinnen aussuchen können.“
Mir war eigentlich nicht nach Lachen zumute, aber ich konnte nicht anders. Ihre Bemerkung war einfach zu komisch. „Warum gehst du nicht zu ihr und forderst sie zu einem Tanzduell heraus oder so?“
Jen schüttelte den Kopf und schaute mich ernst an. „Lieber nicht.“
Ich wollte gerade sagen, dass ich nur einen Witz gemacht hatte, aber die Art, wie Jen erst Johnny, dann die Frau und schließlich mich anschaute, ließ mich innehalten. Sie lächelte nicht. Ich hatte das Gefühl, sie studierte mich eindringlich. Eine andere Form der Hitze kroch in meine Kehle und meine Wangen – ich fühlte mich irgendwie schuldig.
„Nein“, sagte sie noch einmal. „Ich glaube nicht.“
Mein Handy vibrierte in meiner Tasche. Ich nahm es heraus. „Das ist meine Mom.“
„Geh ruhig ran. Ich werde mir einen Kaffee und ein Stück Kuchen holen oder so. Du willst einen Muffin und einen Kaffee zum Nachfüllen, richtig?“
„Ja. Danke.“ Ich wühlte in meiner Tasche nach Geld, doch Jen winkte ab. Ich konnte nicht widersprechen, weil ich bereits den Knopf zur Anrufannahme gedrückt hatte. „Hey, Mom.“
„Was ist los?“
„Nichts ist los – warum denkst du immer, dass etwas los sein muss?“ Eigentlich hätte ich mich von ihrer Frage genervter fühlen müssen, aber in Wahrheit tat es gut, die Sorge in der Stimme meiner Mutter zu hören. Es tat gut, so geliebt zu werden.
„Ich denke, dass etwas los ist, Emmaline, weil du mich an einem Sonntagmorgen vor dem Mittagessen angerufen hast. Du kannst deine Mutter nicht anlügen.“
„Oh, Mom.“ Manchmal klang sie so viel älter, als sie war. Mehr wie eine Großmutter als wie eine Mutter, und doch wusste ich anhand von Fotos und Erzählungen, dass sie ein wildes Kind der Sechzigerjahre war. Noch mehr als mein Dad sogar, der höchstens an Weihnachten, wenn er ein wenig angesäuselt war, gestand, er fände, Haschisch solle legalisiert werden.
„Also, schieß los.“
„Es ist nichts“, versicherte ich ihr. Mein Blick hatte sich schon wieder zu Johnny verirrt, aber er schaute nicht in meine Richtung. Er unterhielt sich intensiv mit der Frau; beide lehnten sich auf diese Weise vor, die auf äußerste Intimität schließen ließ. Ich riss meinen Blick los und konzentrierte mich auf mein Telefonat. „Ich wollte nur wissen, wie es euch so geht.“
„Oh.“ Meine Mutter klang überrascht. „Nun, dein Dad und ich sind heute zum Frühstück im Old Country Buffet gewesen.“
„Ihr … ihr seid frühstücken gegangen?“
Jen stand am Tresen, nur wenige Meter von Johnny entfernt, aber sie wirkte nicht so, als versuchte sie, auch nur einen Blick in seine Richtung zu werfen, geschweige denn die Unterhaltung zu belauschen. Seinem Gesichtsausdruck und seiner Körperhaltung nach zu urteilen, war das Gespräch sehr persönlich. Ich konnte das Gesicht seiner Gesprächspartnerin nicht sehen, aber ihre gestrafften Schultern und ihre ganze Körpersprache verrieten mir alles, was ich wissen musste.
„Ja, wieso, dürfen wir das nicht?“ Meine Mom klang ein wenig seltsam, irgendwie kürzer angebunden als sonst.
„Natürlich dürft ihr das. Mom, geht es dir gut?“
„Die Frage sollte ich eigentlich dir stellen.“
Und da war es wieder, das Thema, das niemals verschwinden würde.
Einen Augenblick lang überlegte ich, ob ich ihr davon erzählen sollte. Nicht den Teil über den Sex im Zug und meine Identität als italienische Filmdiva aus den Siebzigern. Ich war mir sicher, dass meine Mom das nicht hören wollte. Aber von den kurzen Aussetzern, dem Duft von Orangen. Doch ich tat es nicht. Nicht nur weil ich ihr keine Sorgen machen wollte, sondern weil ich nicht wollte, dass sie recht hatte.
„Mir geht es wirklich gut, Mom.“ Bei der Lüge wurde meine Kehle ganz eng, und meine Augen brannten. Ich war froh, dass wir uns nicht von Angesicht zu Angesicht gegenüberstanden. Dann wäre ich mit dieser Lüge niemals davongekommen.
„Wo bist du eigentlich? Da sind so viele Hintergrundgeräusche.“
„Ach das. Ich bin im Coffeeshop.“
Meine Mom lachte. „Schon wieder? Wenn du so weitermachst, wirst du dich noch selber in eine Tasse Kaffee verwandeln.“
„Besser als in einen Kürbis“, sagte ich. Jen bahnte sich ihren Weg zurück zu unserem Tisch, wobei sie zwei Teller und zwei Becher in den Händen balancierte. „Menschen, die Kaffee lieben, sagen, sie können nicht ohne ihn leben. Kürbisse werden hingegen nur zu Suppen verarbeitet.“
„Du bist eine verrückte Nudel“, sagte meine Mutter liebevoll. „Rufst du mich morgen an?“
„Klar. Mach ich, Mom. Bis dann!“ Wir legten in dem Moment auf, als Jen sich wieder an den Tisch setzte und mir Teller und Becher hinüberschob.
„Deine Mom muss ziemlich cool sein“, sagte sie.
„Sie kann es zumindest sein. Oh Gott! Chocolate Fudge Chip mit Toffee-Glasur? Das ist kein Muffin, das ist ein Upgrade auf die nächste Jeansgröße!“
Jen leckte sich eine Fingerspitze ab. „Genau so, wie er es mag.“
Ich musste nicht fragen, wen sie damit meinte.
„Ach ja?“ Sie grinste. „Du bist mir ja eine Stalkerin.“
Unsere Unterhaltung löste sich von dem verführerischen Thema Johnny Dellasandro, vielleicht, weil er da war und uns hätte hören können, vielleicht auch, weil er in Begleitung einer Frau war, was es irgendwie fad machte, sich Fantasien über ihn hinzugeben. Vielleicht lag es auch daran, dass Jen und ich andere Themen hatten, über die wir sprechen konnten, wie unsere liebsten Fernsehsendungen und Bücher oder den süßen Typ, der in unserem Viertel Pizza auslieferte. All die schönen Dinge, über die sich gute Freundinnen bei Kaffee und Gebäck eben so unterhielten.
„Ich sollte jetzt langsam los“, sagte ich mit einem Seufzer und spülte das letzte Stück Muffin mit dem letzten Schluck Kaffee herunter. Ich tätschelte meinen Bauch. „Ich platze sonst noch, und außerdem warten zu Hause ein Stapel Wäsche und ein paar Rechnungen, die bezahlt werden wollen.“
„Ein schöner, ruhiger Sonntagnachmittag.“ Jen seufzte glücklich. „Das sind die besten. Sehen wir uns morgen früh?“
„Vermutlich schon. Ich werde mir bestimmt einen Coffee to go rausholen. Ich weiß, ich sollte ihn mir zu Hause kochen, aber … irgendwie schmeckt er bei mir nie so gut. Und außerdem ist es irgendwie Verschwendung, eine ganze Kanne zu kochen, wenn ich nur einen Becher mitnehmen will.“
Jen zwinkerte mir grinsend zu. „Und außerdem gibt es hier so viel mehr fürs Auge.“
Das stimmte natürlich auch.
Sie verließ den Laden vor mir, was nicht etwa daran lag, dass ich für das Anziehen meines Mantels extra lange brauchte, weil ich versuchte, einen Blick auf Johnny zu erhaschen. Ich warf einen letzten Blick über die Schulter zu ihm, während ich die Tür aufdrückte und die Glocke ertönen ließ. Ich hoffte, er würde aufschauen aber er war immer noch in die Unterhaltung mit der Frau vertieft, von der niemand wusste, wer sie war.
Erst sehr viel später an diesem Abend – nachdem die Rechnungen bezahlt und die Wäsche gewaschen, getrocknet, zusammengelegt und weggeräumt war– fiel mir die Kette in meiner Manteltasche wieder ein. Ich suchte überall, sogar in meiner Jeanstasche, obwohl ich wusste, dass ich sie nicht dort hineingesteckt hatte. Keine Kette. Irgendwo und irgendwie hatte ich sie verloren.
Wie ich zu Jen schon gesagt hatte, war das nicht weiter schlimm. Es war kein Schmuckstück, an das ich sentimentale Erinnerungen knüpfte, und es war auch nicht teuer gewesen. Trotzdem störte es mich, dass ich sie verloren hatte. Ich hatte schon vorher Sachen verloren. Sie irgendwo hingelegt, als mich eine Episode erwischte, und mich danach nicht mehr daran erinnert. Auf diese Weise hatte ich auch schon viele Sachen gefunden. Einmal war ich aus einem Laden herausmarschiert, die Finger um eine Handvoll Lippenpflegestifte geklammert, die ich mir irgendwie gegriffen haben musste. Das war mir so peinlich, dass ich es nicht einmal meiner Mutter erzählt hatte. Es war schon viele Jahre her, aber ab und zu fand ich immer noch einen davon in einer Mantel- oder Handtasche.
Die Kette hatte ich jedoch nicht in einer Episode verloren, dessen war ich mir beinahe sicher. Ich war vom Mocha aus zu Fuß nach Hause gegangen. Der Wind war so kalt gewesen, dass die feinen Härchen in meiner Nase vereist waren. Das konnte natürlich dazu geführt haben, dass ich den Duft von Orangen nicht wahrgenommen hatte. Andererseits war es auch möglich, dass ich eine Episode ohne vorherige Warnsignale erlebt hatte. Viele Menschen mit dissoziativen Störungen bekommen nie eine Warnung und können sich auch später nicht an das erinnern, was geschehen war.
Dieser Gedanke machte mich schneller nüchtern als ein Highschoolkid, das nach dem Abschlussball vom Sheriff angehalten wird.
Ich blinzelte ein paarmal, um die Tränen zurückzudrängen, die in meinen Augen brannten. Dann atmete ich langsam und tief ein. Und aus. Und wieder ein. Während ich mich auf den dritten Atemzug konzentrierte, merkte ich, dass ich ein wenig ruhiger war. Nicht viel, aber genug, um mein Herzrasen in den Griff zu bekommen.
Als vor ein paar Jahren die Schulmedizin mit ihrem Latein am Ende war und immer noch keine Diagnose für das hatte, was mit meinem Gehirn geschehen war, hatte ich alternative Heilmethoden entdeckt. Ich war es leid gewesen, von Nadeln gepikst zu werden und Tabletten zu nehmen, deren Nebenwirkungen oft so viel schlimmer waren als die Linderung, die sie versprachen. Per Akupunktur konnte mein Leiden nicht besser behandelt werden als durch westliche Medizin, aber ich nutzte sie lieber, als meinen Körper täglich mit potenziell giftigen Chemikalien vollzustopfen. Meditationen konnten meine Ängste nicht vollständig vertreiben, aber sie halfen mir, meine Stimmung zu verbessern. Und nachdem ich durch viel Ausprobieren herausgefunden hatte, dass ich eher anfällig für eine Episode war, wenn ich müde, überstimuliert, gestresst oder Ähnliches war, gehörte die Meditation zu meinem täglichen Ritual.
Ich hatte das Gefühl, es funktionierte. Es schien zumindest so. Die letzten beiden Jahre war ich episodenfrei gewesen. Bis vor Kurzem. Und selbst diese drei waren so kurz gewesen, so belanglos …
„Ach Mist.“ Meine Stimme klang rau und angespannt.
Mein Spiegelbild im Schlafzimmerspiegel zeigte mich mit blassen Wangen, tiefen Schatten unter den Augen und angespannten Lippen, die sich bemühten, einen Schluchzer zu unterdrücken. Die Episoden waren niemals schmerzhaft gewesen, und doch taten sie mir mehr weh als alles andere.
Ich stieß den angehaltenen Atem aus und konzentrierte mich. Dann schlüpfte ich in eine weiche Schlafanzughose und ein abgetragenes T-Shirt mit Ernie und Bert drauf. Ich hatte es in der Junior-Highschool gekauft und erst wiederentdeckt, als ich für meinen Umzug hierher gepackt hatte. Es saß ein wenig enger als damals, aber es war so gemütlich. Es fühlte sich an wie ein kleines Stück Heimat.
Nachdem ich mich umgezogen hatte, setzte ich mich im Schneidersitz aufs Bett. Ich hatte keine besondere Matte oder einen Altar, und ich entzündete auch kein Räucherstäbchen. Meditation war für mich mehr etwas Körperliches als etwas Geistiges. Im Laufe der Jahre hatte ich viel über Biofeedback gelesen, und auch wenn ich bezweifelte, dass ich jemals in der Lage sein würde, meinen Herzschlag oder meine Gehirnwellen aktiv zu kontrollieren, wie es einige ausgebildete Yogis können, glaubte ich daran, dass Meditation helfen konnte. Das spürte ich.
Ich legte meine Hände auf die Knie, die Handflächen nach oben, Zeigefinger und Daumen berührten sich leicht. Ich schloss die Augen. Ich summte nicht das traditionelle Om Mani Padme Om oder einen der anderen Gesänge. Ich hatte etwas gefunden, das für mich besser funktionierte.
„Würstchen mit Soße und Kartoffelbrei, lecker. Würstchen mit Soße und Kartoffelbrei, lecker.“
Ich ließ die Worte bei jedem Ausatmen aus mir herausfließen. Mit jedem Einatmen versuchte ich, nicht nach Orangenduft zu schnuppern. Ich brauchte länger als sonst, um mich in einen ruhigen, tranceähnlichen Zustand zu versetzen. Irgendwann entspannten sich meine Muskeln. Mein Herzschlag verlangsamte sich zu seinem normalen Rhythmus.
Ich ließ mich rücklings in die Kissen fallen. Alle ganz neu. Die Decke genauso wie die Matratze und das Bett. Mein nagelneues Bett, das ich noch mit niemandem geteilt hatte. Ich streckte meine Beine aus, ohne meine Augen zu öffnen. Eingehüllt in die Weichheit des Betts löste und entspannte ich mich. Es war eine ganz natürliche Bewegung, dass meine Hände über meinen Bauch und meine Oberschenkel glitten. Meine Brüste.
Ich dachte an Johnny. Ich rief mir jede Einzelheit seines Gesichts, wie es im Mocha ausgesehen hatte, in Erinnerung. Und jedes Detail seines Körpers, wie ich es aus Jens Filmen und den Fotos aus dem Internet kannte. Er hatte kleine Grübchen am unteren Ende seines Rückens und eins in seiner linken Wange, direkt am Mundwinkel. Ich würde gerne einmal über diese Grübchen lecken.
Mein T-Shirt war ein wenig hochgerutscht. Die Luft strömte aus meinen Lungen, als ich mit meinen Fingern über meinen nackten Bauch streichelte. Normalerweise brauchte ich keine visuellen Hilfen, um mir Vergnügen zu bereiten. Ich hatte keine Probleme mit Pornos, aber irgendwie erschienen sie mir immer so beliebig und langweilig. Selbst die angeblich für Frauen gedrehten Filme fand ich irgendwie sinnlos. Es turnte mich mehr an, erotische Literatur zu lesen oder Musik zu hören, als schmutzige Filmchen oder Bilder anzuschauen.
Jetzt jedoch war ich vollkommen auf Johnnys Gesicht fixiert. Seine goldenen Augenbrauen über diesen wundervollen grünbraunen Augen. Die Lippen, die ein kleines bisschen zu schmal waren, aber sich schnell zu einem Lächeln verziehen ließen. Zumindest war es in seinen Filmen so. Im echten Leben hatte ich noch nicht einmal einen Anflug von Freude in seinem Gesicht gesehen.
„Johnny“, flüsterte ich. Ich dachte, dass ich mich eigentlich schämen oder es mir peinlich sein sollte, seinen Namen laut vor mich hinzusprechen, aber ich fühlte nichts außer einer wohligen Wärme.
Sogar sein Name war sexy. Der Name eines Jungen, ein Kosename, kein Name für einen erwachsenen Mann, der, wie mir bewusst wurde, vermutlich so alt wie mein Vater war. Ich stöhnte und schlug mir die Hand vor die Augen.
Doch das hielt mich nicht davon ab, an ihn zu denken. Er war vielleicht im gleichen Alter wie meine Eltern, aber ich hatte keine Probleme, ihn mir als Liebhaber vorzustellen. Ich hatte nie ein Faible für ältere Männer gehabt – eher genoss ich es, jungen Männern hinterherzugucken. Aus dem Fenster meines Büros schaute ich über den Campus des örtlichen Colleges, und meine Kollegen und ich verbrachten unsere Mittagspause oft damit, die Studenten auf ihrem Weg von einer Vorlesung zur anderen zu beobachten. Aber Johnnys Alter war egal. Mein Kopf wusste zwar, dass er „zu alt“ für mich war. Mein Körper war allerdings ganz anderer Meinung.
Meine Hand glitt wie von selbst zwischen meine Beine und legte sich auf meinen Venushügel. Ich verstärkte den Druck des Handballens auf meine Klit. Mit einem Finger streichelte ich mich durch den weichen Stoff meiner Pyjamahose. Ich seufzte und ließ meine Hand unter das Bündchen gleiten. Das war mein Vergnügen. Ganz allein.
Meine Gedanken waren jedoch bei Johnny. Szenen aus seinen Filmen vermischten sich mit Fotos und dem Klang seiner Stimme. Ich fragte mich, wie es klänge, wenn er meinen Namen sagte. Würde er ihn stöhnen wie im Film, während er die Schauspielerin vögelte, mit der er ein Kind hatte? Würde er ihn flüstern, während er sich mit seiner Zunge einen Weg über meinen Körper bahnte, um sie dann um meine Klit kreisen zu lassen, so wie ich es jetzt gerade mit meinem Finger tat?
Ich wollte ihn ausziehen. Den langen schwarzen Mantel von seinen Schultern streifen, den Schal nutzen, um seine Augen zu verbinden. Er würde lachen und mir erlauben, die Knöpfe seines Hemds zu öffnen und seine Arme aus den Ärmeln zu befreien. Seine Hose aufzuknöpfen, den Reißverschluss zu öffnen und den Stoff an seinen muskulösen Oberschenkeln herunterzuschieben. Ich wollte vor ihm knien und seinen schönen, dicken Schwanz in den Mund nehmen, ihn lecken, bis er so hart wurde, dass er nicht mehr ganz hineinpasste …
Ich bewegte meine Hand schneller. Meine Muschi war schon ganz nass. Ich ließ einen Finger weiter hinuntergleiten, um ihn zu befeuchten, dann wieder hinauf. Mit der anderen Hand hielt ich eine Brust umfasst und kniff in die Spitze. Ich dachte an Johnny, während ich es mir besorgte. Seine Augen, Nase, Ohren, Mund. Seine köstlichen Nippel. Ich wollte sie lecken und hineinbeißen. Ich wollte ihn meinen Namen sagen hören, ihn hören, wie er mich anflehte, ihn endlich zu ficken.
„Jaaaa“, hauchte ich.
Ich bog mein Rücken, drängte meine Hüften nach oben gegen den süßen Druck meiner Hand. Ich ließ es nicht langsam angehen, sondern eilte gnadenlos auf den Höhepunkt zu. Das hatte ich schon lange nicht mehr getan. Nicht mehr, seitdem ich das letzte Mal Sex gehabt hatte, was ungefähr drei Monate her war … Doch darüber wollte ich nicht nachdenken. Ich wollte nur an Johnny denken.
„Emm“, sagt er an meinem Ohr, und ich erschrecke mich nicht. Meine Augen bleiben geschlossen. Ich atme den Duft von Orangen ein und überlasse mich ganz seinen Berührungen.
Meine Hände finden die gedrechselten Pfosten des Kopfteils meines Bettes, und ich packe sie. Das Holz knarrt unter meinem festen Griff. Meine Handflächen werden feucht, die Finger rutschten ab, aber ich halte mich weiter fest. Das Bett neigt sich unter seinem Gewicht.
Er küsst mich.
Mit offenem Mund, langsam und süß und heiß, genau wie in meinen heißesten Fantasien. Johnny schmeckt nach allem, was ich mag oder will. Ich atme seinen Duft ein, sauge vorsichtig an seiner Zunge. Unsere Zähne stoßen zusammen, was ungeahnte prickelnde Gefühle in mir auslöst. Ich kichere. Meine Lider flattern, aber er gibt ein warnendes Geräusch von sich.
„Nicht!“, befiehlt Johnny, und ich halte meine Augen geschlossen.
Als feuchte Hitze meine Klit bedeckt, stöhne ich laut auf. Ich schreie seinen Namen. Er lacht an meinem Körper, und es ist genau so, wie ich es mir vorgestellt habe. Ich spüre den Druck seiner Lippen gegen den dünnen Stoff meiner Pyjamahose. Er bearbeitet meine Perle mit ihnen, und die Barriere aus Baumwolle verstärkt das Gefühl nur noch.
Ich will ihn an mir fühlen. Haut auf Haut. Ich will ihn in mir spüren. Ich will, dass er mich fickt, während ich ihm mit meinen Fingernägeln den Rücken zerkratze und ihn dränge, nicht aufzuhören.
Doch nichts davon passiert. Johnny setzt nur seinen Mund und seine Finger ein, um mich zum Orgasmus zu treiben, und das stellte sich als verdammt fantastisches Erlebnis heraus. Lust erfüllt mich. Überwältigend. Elektrisierend. Ich zucke und lasse das Kopfteil los, damit meine Finger sich in seinem dichten, wunderschönen Haar vergraben können.
Ich komme!
Aber als meine Hand nach unten griff, fand sie nichts als meinen eigenen Körper. Der Orgasmus raste durch mich hindurch. Ich öffnete die Augen und schrie auf. Wortlos. Sehnsüchtig. Meine Stimme verebbte zu einem Wehklagen.
Ich schluckte den Geschmack von ihm herunter.
Ich war allein.