12. Die zweite Hälfte des Mindcallers



An jenem Frühlingstag, an dem Aroha im verborgenen Tal ihr Kapakapa findet, sitzt Herbert an seiner Lieblingsstelle in Whakarewarewa.38 Hier, weit weg vom Versammlungshaus und von der Dorfstraße, ist es immer ruhig.

Seit nun sieben Jahren trägt er ein Amulett aus Obsidian. Er fand es an dieser Stelle auf eigentümliche Weise. Es rief damals bei seiner Großmutter große Aufregung hervor. Aber die Erwartungen, die seine Großmutter an die Schnitzerei geknüpft hatte, waren nicht in Erfüllung gegangen.

Vor zwei Tagen ist, eine Welle der Trauer überschwemmt ihn wieder, seine Mutter gestorben, der Mensch, den er über alles liebte. Er wird als Zeichen seiner Trauer dieses Amulett heute dorthin zurücklegen, wo er es seinerzeit fand.


Herbert starrt in ‚seinen‘ Tümpel, ein kleines, heißes, stark nach Schwefel riechendes mit Wasser gefülltes Becken, vielleicht 50 cm tief, aus dessen felsigen Boden in immer neuen Mustern Gasblasen aufsteigen. Der Tümpel grenzt direkt an einen Felsen an. Bis heute wundert sich Herbert über den Zufall, durch den er das Amulett entdeckte.

Auch damals war er sehr unglücklich gewesen. Der Bogen schließt sich, denkt er. Er verfällt in eine Art Trance und denkt über sein Leben nach, das ihn nicht immer gut behandelt hat.


Herberts Vater war ein Deutscher. Er hatte in Rotorua ein hübsches Maori Mädchen bei einer der touristischen Tanzvorführungen kennen und lieben gelernt, und sie, als sie mit Herbert schwanger wurde, geheiratet. Die Maori-Großfamilie hatte diese Ehe trotz großzügiger finanzieller Unterstützung anfangs nicht gebilligt, aber geduldet.

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Herberts Eltern mussten damals Whakarewarewa verlassen, was seinem Vater eher entgegenkam. So wurde Herbert in Hamilton, etwa 100 km südlich von Auckland, am mächtigen Waikato-Fluss geboren und wuchs dort auf. Die Menschen waren freundlich zu den neuen Nachbarn. Herberts Vater hatte eine Stelle als leitender Mitarbeiter in einem nahe gelegenen Elektrizitätswerk, sie hatten ein Haus am Rand dieser »kleinen Großstadt« und Herberts Mutter kümmerte sich liebevoll um ihren Sohn und die wachsende ‚Menagerie‘ von Haustieren. Herbert erinnert sich mit einem Lächeln daran, dass er als Dreijähriger die jungen Kälber mit einer Flasche Milch mit einem Schnuller wie Babys füttern durfte.


Es sind dies die schönsten Jahre in Herberts Leben. Zwar werden auf schwer definierbare Weise weder Herberts Eltern noch er selbst je ganz in die Hamiltoner Gesellschaft aufgenommen, aber das führt eher dazu, dass die Familie einen wunderbaren Zusammenhalt entwickelt. Sie gehen zusammen fischen nach Raglan, sie schwimmen im Waikato, der Vater ist ein begeisterter Segler und wird Mitglied eines Clubs an der nahen Ostküste. Sie verbringen so manche Tage zu dritt auf einem Segelboot, steuern küstennahe Inseln an, singen am Abend um ein Feuer eine Mischung aus deutschen, englischen und Maori-Liedern, holen sich Rockaustern zum Frühstück oder fangen Fische zur ‚Aufbesserung‘ ihres Proviants. Herbert liebt aber auch die Wiesen und den Wald hinter dem Haus, die vielen Tiere, die alle oft so ins Herz schließen, dass sie dann ihrem natürlichen Zweck (verspeist zu werden) nicht mehr zugeführt werden können.

Er fühlt sich im Kindergarten wohl und ist später in der Schule so gut, dass er nebenbei intensiv Klavier lernt und in einer Maori-Tanzgruppe mitmacht. Herbert lernt von seinem Vater jenen Respekt vor der Natur, der eigentlich ein Teil der Maori-Tradition ist. Sein Vater erzwingt eine Kurve beim Straßenausbau, um eine Gruppe von Bäumen zu retten, in denen Dutzende Vögel nisten; er weckt Herbert mitten in der Nacht, um ihm die Meteoritenschauer der Perseiden zu zeigen; er erklärt Herbert Blumen und Sträucher auf langen Spaziergängen; Herberts Mutter steuert die einheimischen Namen bei und beschreibt, wozu die Blätter, Kräuter und Beeren verwendet werden können.

[38] Whakarewarewa ist ein Maori Dorf in Rotorua, dem »Yellowstone« Neuseelands. Direkt neben der Siedlung, dem Marae, gibt es Geysire, heiße Quellen, Seen, Schlammtümpel und andere vulkanische Erscheinungen.

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Bei einem Ausflug in eine nahe aber kaum bekannte kleine Tropfsteinhöhle zeigt der Vater Herbert erstmals einen Helicaliten, jene Kalkformation, die nicht wie normale Tropfsteine von oben nach unten oder umgekehrt wächst, sondern die spiralförmig aus der Wand, parallel zum Boden, herausragt. Als Herbert diesen Stein abbrechen will, ist es das einzige Mal, dass sein Vater ernsthaft böse wird: »Herbert, hast du noch immer nicht gelernt, dass man solche Naturwunder um nichts in der Welt zerstören darf? Dieser Stein, von dem niemand weiß, wie er eigentlich entsteht39, ist tausende Jahre alt, und du willst ihn töten?«


Die Familie von Herberts Mutter erkennt, dass ihre Tochter nicht von einem Ausländer leichsinnig verführt wurde, sondern dass die beiden ungewöhnlich gut harmonieren. So ändert sich auch die Einstellung der Maoris in Whakarewarewa gegenüber dem Deutschen, er und seine Familie werden in den Familienverband rückhaltlos aufgenommen und sind ab dann immer gern gesehene Gäste. Herbert wächst so zwischen zwei Welten auf, ein geschicktes, begabtes und glückliches Kind.


Der Ausflug zur Hotwater-Beach in den Koromandels, jener Attraktion, wo am Meeresstrand heiße Quellen austreten, die sich mit dem kalten Wasser des Meeres mischen, und wo sich jede Gruppe eine große »Badewanne« in den Sand gräbt, die sie dann gegen die steigende Flut zu verteidigen hat, beginnt fröhlich, verläuft harmonisch und endet mit einer Katastrophe. Bei der Rückfahrt stößt ein betrunkener Lastwagenfahrer frontal mit dem Auto der Familie zusammen. Herberts Vater ist auf der Stelle tot, Herbert und seine Mutter kommen schwer verletzt in das moderne Waikato Spital in Hamilton. Beide werden gerettet, doch der Preis ist hoch; nach drei Monaten intensiver Behandlung werden sie von den Verwandten aus Whakarewarewa abgeholt. Die Mutter ist von der Hüfte abwärts gelähmt, sie wird nie mehr gehen können, Niere und Leber sind permanent beeinträchtigt. Die Mehrfachfrakturen in den Beinen Herberts bewirken, dass dieser, inzwischen 9-jährig, die längste Zeit nur auf Krücken gehen kann und wohl nie mehr seine volle Gelenkigkeit zurückgewinnen wird.


So sehr sich alle im Dorf um Mutter und Herbert bemühen, der Verlust des geliebten Vaters und Ehemanns ist zu groß, der Vergleich zu ihrem glücklichen Leben vor dem Unfall ist kaum auszuhalten. Herbert ist bemüht, sich den neuen Umständen anzupassen. Die Maori Kinder seines Alters helfen, wo es geht, aber sie sind Kinder, und wollen keinen »Klotz am Bein«, so dass Herbert oft stundenlang nach der viel zu leichten Schule am Bett seiner Mutter sitzt, die ihm wundersame Maori-Legenden und Geschichten erzählt, oder in denen er durch die mit vielen vulkanischen Erscheinungen durchsetzte Buschlandschaft herumstreift.


Sein zehnter Geburtstag wird ein einschneidendes Erlebnis. Herbert hat immer die großen Murmeln bewundert, die mit buntem Glas durchzogen sind. Als am Morgen seines zehnten Geburtstags immer wieder an die Wohnungstür geklopft wird und jede Familie eine Glaskugel vorbeibringt, sind Herbert und seine Mutter durch dieses Zeichen von Zusammenhalt zutiefst berührt. Herbert erkennt, warum er immer auf seine Halb-Maori Herkunft stolz sein wird. Die Großmutter hat ein großes Festessen bereitet und am frühen Nachmittag ziehen sich alle satt und zufrieden auf eine Ruhestunde zurück. Herbert nimmt seinen Sack mit Glaskugeln und zieht sich an seinen ‚geheimen‘ Platz zurück, jene Stelle, wo in ein eher seichtes Becken heißes Wasser vermischt mit Schwefeldämpfen einströmt. Herbert sitzt dort, lässt eine Kugel nach der anderen durch seine Finger gleiten, bewundert sie und legt sie dann neben die vorhergehenden in eine schöne Reihe. Plötzlich kullert eine der Kugeln weg, Herbert will sie aufhalten, streift dabei an eine weitere an und mit einem leisen ‚Plumps‘ verschwinden zwei Kugeln im Becken. Das Wasser bremst den Fall. Herbert weiß, dass keine brechen wird. Er wartet, bis sich die Wasseroberfläche wieder beruhigt, um dann die Kugeln herauszuholen.

Erschrocken starrt er in das Becken. Keine einzige Kugel ist zu sehen. Herbert wird hektisch, er zählt die Kugeln, zwei fehlen, sie müssen im Becken liegen und im klaren Wasser leicht sichtbar sein. Sie sind aber verschwunden.

[39] Helicaliten sind sehr seltene Tropfsteingebilde. Es gibt mehr als hundert widersprüchliche Theorien, wieso ein Tropfstein waagrecht (und meist spiralig) aus einer Wand herauswachsen kann. Solche Helicaliten sind wertvoll. Jeder, der einen solchen abbricht oder auch nur in einem Mineraliengeschäft kauft, sollte sich bewusst sein, dass er ein Erbe der Natur aus kleinlichen Gründen vernichtet.

Die Kugeln müssen unter die Felsen geraten sein, vielleicht in eine kleine Einbuchtung. Herbert entkleidet sich, steigt stöhnend in das sehr heiße Wasser. Nur allmählich kann er sich an die große Hitze gewöhnen. Er greift unter den Felsen, stellt dabei zu seiner Überraschung fest, dass das Becken immer tiefer wird und weiter in den Felsen hineinreicht als er annehmen konnte. Herbert hat mit der hohen Temperatur des Wassers zu kämpfen. Er steigt wieder heraus um sich abzukühlen. Er weiß, dass er beim nächsten Mal ganz untertauchen muss und bis an das Ende des Beckens unter dem Felsen tauchen wird. Er hofft, dass es nicht zu weit geht, und nicht zu dunkel wird.

Er atmet mehrmals tief durch, steigt in das Wasser, zögert kurz, taucht dann unter und bewegt sich tastend unter Wasser immer weiter in das Becken unter dem Felsen. Nach etwa zwei Metern wird er nervös: ‚Wie weit geht das noch?‘, doch merkt er auch, dass es nicht dunkler wird. Er streckt eine Hand in die Höhe, über ihm ist Luft! Vorsichtig taucht er auf.

Er befindet sich in einer kleinen Höhle, in die durch Ritzen und Löcher etwas Licht hereindringt: Von außen wird das wohl aussehen wie eine der vielen Stellen, wo Dampf aus dem Boden dringt, überlegt er. In der Halbdämmerung erkennt er eine Stelle, wo der Höhlenboden nicht von Wasser bedeckt ist. Aufatmend geht er die zwei Schritte dorthin und setzt sich nieder. Er hatte schon langsam das Gefühl, gar gekocht zu werden!

Sobald sich Herbert an die Lichtverhältnisse gewöhnt hat, sieht er zu seiner Freude die beiden Glaskugeln. Er holt sie und schaut sich dann weiter um. Die »Höhle« verdient den Namen kaum. Es ist nicht viel mehr als ein natürliches Gewölbe von vielleicht drei Metern Durchmesser, das sich über die Wasseroberfläche erstreckt. Nur an der Stelle, wo er sich befindet, ist ein schmaler Streifen ohne Wasser. Etwa eineinhalb Meter darüber ist eine Nische und da sieht Herbert zu seiner Verblüffung weitere Glaskugeln liegen. Er greift hin; sie sind fest angewachsen und glänzend; schwarz. Er will eine mit Gewalt herausbrechen, doch da erinnert er sich an die zornigen Worte seines Vaters, als er seinerzeit den Helicaliten abbrechen wollte. Was immer dieses Naturwunder ist, er wird es unberührt lassen und es nie jemanden erzählen. Als er im Begriff ist, sich zurückzuziehen, sieht er neben den Kugeln noch etwas liegen, das offensichtlich jemand hier vergessen hat. ‚Also bin ich nicht der Erste, der hier ist‘, durchfährt es Herbert enttäuscht. Dieses zweite Stück ist auch aus dunklem Material und schaut wie ein Fischhaken aus. Er nimmt es in die Hand. Es ist erstaunlich glatt, nur an einer Stelle kantiger, als wäre hier einmal ein anderes Stück gewesen. Ohne viel zu überlegen, nimmt er es mit.

Er taucht mit den Kugeln und der Schnitzerei ins Freie und beeilt sich, nach Hause zu kommen. Am Bett seiner Mutter sitzt seine Großmutter, die »Altehrwürdige« von Whakarewarewa.

»Wo warst du so lange, Herbert?«, fragt die Mutter.

»Ich war ein bisschen spazieren, du weißt schon. Aber schau, was ich dabei gefunden habe.« Herbert zieht die Fischhakenschnitzerei heraus und zeigt sie der Mutter.

»Hübsch«, meint sie. Sie ist verblüfft, als ihre Mutter ihr die Schnitzerei energisch aus der Hand nimmt. Die Großmutter schaut sich das Stück genau an. Dann blickt sie Herbert ehrfürchtig an.

»Herbert, heute ist dein Glückstag. Was du gefunden hast, ist die Hälfte eines ‚Mindcallers‘. Irgendwo hat oder wird jemand in den nächsten Jahren die zweite Hälfte finden, und ihr werdet, so erzählen es die Legenden, zusammenfinden und mit den beiden Teilen Dinge erleben, die man sich kaum vorstellen kann.«

Dann erzählt die Großmutter das, was in abgewandelter und vager Weise über ‚Mindcallers‘ überliefert ist.

»Herbert, du wirst ab jetzt diesen ‚Mindcaller‘ immer mit einer Kette um den Hals tragen, als dein Amulett. Niemand darf erfahren, was es wirklich ist; aber keine Angst, es gibt zu jedem Zeitpunkt nur zwölf Altehrwürdige, die diese Geschichte kennen, die eine Ahnung von der Bedeutung der Schnitzerei haben, und wenn diese je sehen, dass du eine hast, werden sie dir helfen, aber dich nie verraten. Eines Tages, heute, morgen oder in ein paar Jahren, wird der ‚Mindcaller‘ auf einmal aktiv werden. Ab dann liegt alles bei dir.«

Herbert liebt die Maori Märchen und Legenden, und als mehr empfindet er das, was er gerade gehört hat, auch nicht. Aber er trägt ab nun den ‚Mindcaller‘. Als Jahre vergehen, ohne dass etwas geschieht, wird die Schnitzerei immer mehr ein Andenken an die Großmutter, die seinen fünfzehnten Geburtstag nicht mehr erlebt.

Herbert hat sich von seinem Unfall weitgehend erholt. Er arbeitet in den Maori-Souvenirläden mit, er ist stundenweise in einem Foodcourt in Rotorua tätig, um ein bisschen Geld zu erwirtschaften, und er belegt eine Reihe von Fernkursen, von denen nur seine Mutter weiß. Er will nicht immer als Verkäufer und als von Touristen bestauntes Exemplar in Whakarewarewa bleiben. Er saugt Wissen auf wie ein Schwamm. Immer ein bisschen Einzelgänger, wird seine Eigenbrötlerei gutmütig geduldet.

Manchmal hat er Angst vor den überschäumenden Emotionen seiner pubertierenden Alterskollegen. Als er einmal mit einer Gruppe in einem der großen, nur für Maoris zugänglichen Tümpel badet40 und man einige Dosen Bier getrunken hat, bricht plötzlich grundlos ein Streit zwischen zwei mächtigen, jungen Maoris aus (wohl um die Mädchen zu beeindrucken). Plötzlich zückt einer der beiden ein großes Messer, hebt es und versucht mit Wucht auf den anderen einzustechen.

Herbert sieht es mit Entsetzen, ‚das darf nicht geschehen‘, betet er. Zu seiner Verwunderung verlangsamt sich der Stoß mit dem Messer zu einer sanften Bewegung, der der Gegner leicht ausweichen kann. Der Stimmungsumschwung ist vollständig. Die beiden Kämpfer heben grüßend die Hand, die Feier geht weiter. Erst Jahre später wird Herbert den Vorfall verstehen.


Das Leben von Herbert wäre ungetrübt, wenn seine Mutter, erst knappe 40 Jahre alt, trotz hingebungsvoller Pflege nicht immer mehr verfallen würde. Der 17. Geburtstag von Herbert ist vom schlechten Zustand seiner Mutter überschattet. Wenige Tage später stirbt sie. Und nun, zwei Tage später, sitzt Herbert vor seinem Tümpel und will den Mindcaller, der sich nie bemerkbar gemacht hat, dorthin zurücklegen, wo er ihn vor nun sieben Jahren fand, in die Nische in der verborgenen Höhle, in die man nur aus einem unscheinbaren Becken durch sehr heißes Wasser hinein schwimmen kann.

Langsam beginnt sich Herbert zu entkleiden. Er nimmt den ‚Mindcaller‘ fest in die Hand, um die Kette zu entfernen, an der er ihn immer getragen hat. Da ‚sieht‘ er plötzlich etwas, und er spürt, dass es vom ‚Mindcaller‘ kommt:

Krauses Haar - verträumtes Gesicht - junge Kauribäume - Maori Worte für Liebe - ausgestreckte Arme

‚Was ist das‘, durchfährt es Herbert. Der ‚Mindcaller‘ ist also doch mehr als eine alte Schnitzerei!

Eine Welle von Gefühlen einer neuen Dimension überschwemmt ihn:

Vater pfeifend am Vordersegel im rauen Wind - Mutter, Beeren sammelnd - Altehrwürdige - Kinder lachend in heißem Badesee - Messer, das unendlich langsam hernieder sinkt

Ein Wink des Schicksals, ein Zufall? Jetzt, wo er nach sieben Jahren seinen Mindcaller zurücklegen will, überbringt er plötzlich Botschaften von woher? Nur aus der Vergangenheit?


Herbert legt den Mindcaller nicht zurück, sondern trägt ihn weiter. In den folgenden Wochen, Monaten und Jahren wird der ‚Mindcaller‘ eine große Stütze für ihn, füllt ihn mit vertrauten Gefühlen und Erinnerungen aus der Vergangenheit, verbindet ihn in kaum erklärbarer Weise mit Natur, mit Mythen und Legenden, oder manchmal, so scheint es, mit wahren Berichten aus der Vergangenheit.

Nicht immer ist der Mindcaller aktiv. Herbert ahnt nicht, dass er als Hälfte ohnehin nur unregelmäßig arbeitet, und nur dann, wenn die andere Hälfte von Aroha getragen wird.

Herbert hilft im Maori-Dorf mit. Er arbeitet stundenweise in Rotorua. Er studiert weiter und liest viel. Er bereitet sich auf eine Zukunft vor, von der er nicht weiß, was sie bringen wird. Er lauscht immer wieder dem ‚Mindcaller‘. Als dieser (nach dem Tod Kevins) mehrere Jahre verstummt, vermisst er ihn. Aber er fühlt, er wird wieder aktiv werden.

Und dann hört er den ‚Mindcaller‘ eines Tages wieder, sieht wieder das krause Haar auf einem hübschen Kopf, und weiß plötzlich, wie die junge Frau heißt: Aroha.

Ab jetzt denkt Herbert oft sehnsüchtig an die unbekannte Aroha. Aber Herbert war nie ungeduldig. Er wird weiter warten, ruhig, in der Sicherheit, dass er Aroha und den anderen Teil des Mindcallers finden wird.

[40] Da kein Tourist die Geysirlandschaft kombiniert mit einem ‚echten‘ und noch bewohnten Maori Dorf auslassen will, gibt es in der Nähe des Versammlungshauses, entlang der Dorfstraße, wo der übliche Ramsch zu überhöhten Preisen verkauft wird, und im eigentlichen Dorf oft einiges Gedränge und einigen Wirbel. Aber zwischen 17 Uhr und 9 Uhr werden die Tore zu dieser Sehenswürdigkeit stets geschlossen, und dann gehört das große umzäunte Areal nur den eigentlichen Bewohnern, gut zwanzig Maori Familien, die dann, wie seit hunderten Jahren, einige der heißen Tümpel als ihre Badeanlagen verwenden.