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Sobald sich die Tür zu dem verschlossenen Raum geöffnet hatte, begann Celia zu würgen. Um loszuwerden, was ihr Magen erstaunlicherweise immer noch zutage fördern konnte, griff sie hastig nach der Scherbe, mit der sie ihre Handfesseln durchtrennt hatte, und stach damit hemmungslos auf ihr Gesicht ein.

Nach drei großen Schnitten riss das Polyester entzwei. Sie schälte sich den Knebel vom Gesicht und spuckte die hochschießende Gallenflüssigkeit aus. Sie hustete. Hätte sie sich selbst sehen können, dann hätte der Schock sie vermutlich sofort dahingerafft: Sie hatte einen trichterförmigen Mund, so starr nach hinten verzerrt, dass er sich weigerte, seine ursprüngliche Form anzunehmen. Ihre rechte Wange war mit Brandblasen übersät, und sie hatte sich das Gesicht vom Ohr bis zum Kinn zerschnitten.

Um sich nicht noch einmal übergeben zu müssen, knallte sie die Tür zu dem zweiten Raum zu. Ihr Körper, angestachelt durch die Stimmen ihrer Kinder und das, was sie in dem verschlossenen Raum gesehen hatte, war wieder zu Kräften gekommen.

Sie stach in Richtung ihrer Beine, und es gelang ihr, auch diese zu befreien. Gehen konnte sie nicht, dazu war sie viel zu schwach, und obendrein hatten ihre Muskeln es verlernt. Also kroch sie mühsam zu dem Wasserrohr und trank. Das Blut schoss die ganze Zeit aus ihren Wunden. Sie hörte Musik aus einem anderen Zimmer des Hauses, schleppte sich die Treppe hoch und hämmerte gegen die Tür. Sie schrie, aber die Musik war zu laut. Einen Moment setzte sie sich auf die oberste Treppenstufe und verlor kurz das Bewusstsein. Als sie wieder zu sich kam, lag sie am Fuß der Treppe, und die Musik hatte ihren Ausgangspunkt verändert: Sie drang jetzt aus dem Zimmer der Frau.

Celia kroch auf allen vieren in »ihren« Raum und schrie nach oben in die Dämmerung des Lüftungsschachts. Blut sprudelte aus all den Schnitten, die sie sich bei ihrer Befreiung zugefügt hatte. Zum ersten Mal seit fünf Wochen stand sie aufrecht da. Sie zitterte am ganzen Leib und wartete auf den geeigneten Moment, um den Stuhl hochzuheben und ihn gegen die Decke zu schlagen. Es fühlte sich an, als ob sie ein Auto hochheben würde.

Die Schallplatte machte einen Sprung. Sie schrie, aber das Lied hatte von vorn begonnen und übertönte sie. Sie kroch, eine dickflüssige Blutspur hinter sich lassend, in den Vorraum zurück und öffnete die Tür zu dem stinkenden Zimmer. Mit geschlossenen Augen streckte sie die Hand nach oben aus und drückte den Schalter im Sicherungskasten.

Es wurde still.

Celia sackte in einer Pfütze aus ihrem eigenen Blut zusammen. Sie sammelte den letzten Rest Kraft in ihrem zerfallenden Körper und rief:

»HILFE! HILFE! BITTE HELFEN SIE MIR!«

Die dunkle Treppe
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