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Es war Oktober geworden, es wurde immer nässer, immer windiger, stets kälter in Neulohe. Immer mehr Schwierigkeiten hatte Wolfgang Pagel, die notwendigen Leute zum Kartoffelbuddeln zusammenzubringen. Hatten sie im September noch drei Leiterwagen in die Kreisstadt zum Leuteholen senden können, die voll auf den Schlägen angerasselt kamen, so war’s im Oktober schließlich nur noch einer, auf dem verdrießlich ein paar Weiblein, in Säcke und Wolltücher verpackt, saßen.

Schimpfend und jammernd quälten sie sich durch das triefnasse Kraut über die Schläge, die immer größer zu werden schienen. Zweimal schon hatte Pagel den Lohn erhöhen müssen. Hätte er ihn nicht in natura, hätte er ihn nicht in Kartoffeln gegeben, diesem notwendigen Lebensbedarf, der den Bauch füllt und sogar das liebe Brot ersetzen kann – es wäre keiner mehr gekommen. Aber der Dollar stieg in diesen Oktobertagen von zweihundertzweiundvierzig Millionen Mark auf dreiundsiebzig Milliarden; durch das ganze deutsche Land kroch der Hunger, die Grippe folgte ihm, eine unerhörte Verzweiflung erfüllte die Leute – jedes Pfund Kartoffeln war ein Zaun zwischen ihnen und dem Tode.

Wolfgang Pagel ist nun Alleinherrscher auf Rittergut Neulohe, über Gut und Forst. Er hat viel zu tun, er kann nicht mehr auf dem Kartoffelacker stehen und eine Blechmarke für jeden gebuddelten Korb ausgeben. Der Roggen für das nächste Jahr muß gesät, die Äcker müssen gepflügt werden. In der Forst fängt der Brennholzeinschlag an, und wenn man dem alten Kniebusch nicht alle Tage den Rücken steift, legte der sich am liebsten ins Bett und stürbe so langsam vor sich hin. Aber wenn Wolfgang auf seinem Rade beim Kartoffelschlag ankommt und der alte Kowalewski tritt ihm immer hohläugiger und verfallener entgegen und jammert: »Wir schaffen es nicht und wir schaffen es nicht, junger Herr! Auf diese Art buddeln wir noch im Januar bei Schnee und Eis!«

Dann sagt Wolfgang lachend: »Wir werden es schon schaffen, Kowalewski! Weil wir es nämlich schaffen müssen. Weil nämlich in der Stadt Kartoffeln bitter nötig gebraucht werden!«

Und bei sich denkt er: Und weil das Gut das Geld für die Kartoffeln bitter nötig braucht!

»Aber wir müßten mehr Leute haben!« jammert Kowalewski.

»Woher soll ich sie denn nehmen?« fragt Pagel ein bißchen ungeduldig. »Soll ich etwa wieder ein Zuchthauskommando kommen lassen?«

»Ach Gott, nein!« ruft der alte Kowalewski erschrocken aus, viel zu erschrocken, findet Pagel.

Er sieht nachdenklich auf die buddelnden Leute und sagt unmutig: »Das sind ja auch alles bloß Städter, das schafft nicht bei denen. Es ist zu ungewohnte Arbeit für sie. Wenn wir nur die Altloher dazu kriegten –!«

»Die kriegen wir nie!« sagt Kowalewski ärgerlich. »Die stehlen sich nachts ihren Kartoffelvorrat aus unsern Mieten.«

»Freilich tun sie das!« seufzt Pagel. »Ich sehe ja jeden Tag die Löcher in den Mieten und darf sie wieder zumachen lassen. – Ich nehme mir auch immer vor, in der Nacht hinauszugehen und zu sehen, daß ich einen erwische, Kowalewski«, gesteht Wolf. »Aber ich schlafe immer schon über dem Abendessen ein.«

»Es ist auch zuviel, was der junge Herr hat«, stimmt Kowalewski zu. »Das ganze Gut und die ganze Forst und alle Schreiberei, das hat noch keiner gemacht. Da müßte Hilfe her.«

»Ach, Hilfe«, antwortet Pagel abweisend. »Es weiß doch noch keiner, was hier werden wird.«

Sie schweigen beide einen Augenblick. Dann sagt Kowalewski hartnäckig: »Aber die elenden Altloher Kartoffeldiebe – das ist Sache der Gendarmerie. Die müßte der junge Herr mal anrufen.«

»Die Gendarmerie«, antwortet Pagel. »Nein, lieber nicht. Bei denen sind wir nicht sehr beliebt mehr, Kowalewski, wir haben ihnen im letzten halben Jahr zuviel Arbeit gemacht.«

Nun schweigen sie beide. Aus dem Dunkel kommt mit jedem Karstschlag der gelbliche, bräunliche Kartoffelsegen ans Himmelslicht. Pagel könnte nun wieder gehen, er hat sich überzeugt, wie weit die Arbeit vorwärtsgeruckt ist. Aber er hat dem alten Kowalewski noch etwas zu sagen, und so weich ist der junge Pagel nicht mehr, daß er sich scheut, einem andern etwas zu sagen, auch wenn es etwas Unangenehmes ist.

Wenn es gesagt werden muß, sagt er es.

»Hören Sie, Kowalewski«, sagt er. »Ich habe heute früh Ihre Sophie im Dorf gesehen. Sie ist also noch immer zu Haus.«

Der alte Mann wird sehr verlegen. Er stottert: »Sie muß ihre Mutter pflegen – meine Frau ist krank.«

»Das letztemal haben Sie mir gesagt, sie geht zum ersten Oktober in Stellung. Jetzt sagen Sie mir, sie muß ihre Mutter pflegen. Sie sagen mir nicht die Wahrheit, Kowalewski. So geht das nicht. Wenn sie hier in unserer Werkwohnung wohnt, so muß sie auch arbeiten.«

Kowalewski ist sehr blaß geworden. »Ich habe keine Gewalt über das Mädel, junger Herr«, entschuldigt er sich. »Sie hört nicht, wenn ich ihr etwas sage.«

»Kowalewski, alter Kerl!« ruft Pagel. »Seien Sie doch nicht so schlapp! Sie wissen doch selbst, wie nötig wir jede Hand brauchen, und Sie wissen auch, wenn die Tochter vom Leutevogt faul ist, wollen’s die Töchter von den Arbeitern erst recht sein.«

»Ich werde es ihr ausrichten, junger Herr«, sagt Kowalewski kummervoll.

»Ja, tun Sie das, und sagen Sie ihr, daß ich sonst noch eine Familie in das Haus setze, dann habt ihr nur noch Stube, Kammer und Küche. Mahlzeit, Kowalewski, mir knurrt der Magen.«

Der junge Pagel setzt sich auf sein Rad und fährt nach Haus zum Mittagessen. Er ist zufrieden, daß er die Sache mit der Sophie Kowalewski endlich in Ordnung gebracht hat: so oder so. Er hat sie ein bißchen verbummelt, er hat ein wenig viel um die Ohren gehabt in letzter Zeit. Aber immer, wenn er das Mädchen einmal wieder im Dorf sah, fiel ihm ein, daß es unmöglich war, ein solches Exempel von Faulheit zu dulden. Es war schon schwer genug, die Leute in diesen Zeiten bei der Arbeit zu halten, sie fanden immer, das Geld war kein Entgelt für ihre Arbeit; aber sie bekamen ja nicht nur dies Dreckgeld, in der Hauptsache erhielten sie Naturalien. Es war nicht nötig, daß jemand im Dorf dahinlebte wie eine Lilie auf dem Felde – und unser Herrgott nähret sie doch! Im Gegenteil, ganz im Gegenteil, meine verehrte Sophie, dies sind nicht die Zeiten, sich auf seinen Gott im Himmel zu verlassen! Dies sind die Zeiten, zu arbeiten, daß die Schwarte knackt!

Wolfgang Pagel kann nicht leugnen, daß er eine richtige Wut auf die Sophie hat. Früher hatte er einmal Sympathien für sie, dunkel erinnert er sich einer gewissen Szene an den Krebsteichen – sie verteidigte mutig die Kleider der Herren gegen den kriegerischen Kniebusch. Aber entweder hatte er sich in seinen Sympathien getäuscht, oder das Mädchen hatte sich geändert.

Sie hatte so eine verfluchte nachlässige Art, im Dorf herumzuschlendern; sie stellte sich neben die Leute, die arbeiteten, und sah ihnen überlegen zu. Ja, sie hatte einmal die Frechheit gehabt, ihm, als er auf dem Rade vorbeiflitzte, nachzurufen: »Immer fleißig, Herr Pagel?!«

Was über die Hutschnur ging, sollte man nicht dulden, und wenn sie morgen nicht Kartoffeln buddelte, setzte er Kowalewski übermorgen die schwarze Minna mit allem schreienden, streitenden, Krach machenden Anhang ins Dachgeschoß! –

Er ist auf dem Hof angekommen, er geht noch einmal rasch durch die Ställe. Der Großspänner spricht ihn an, er behauptet, es ist zu naß zum Roggendrillen, die Schare schmieren. So etwas ist schlimm für Pagel, denn er versteht ja nichts von Ackerbau und Viehzucht, und doch muß er anordnen und entscheiden. Aber im allgemeinen helfen ihm die älteren Leute gerne; wäre er hier als vielerfahrener Inspektor aufgetreten, sie hätten ihm mit Vergnügen Streiche über Streiche gespielt. Aber da er nie so tat, als wenn er etwas wüßte, wo er gar nichts wußte, waren sie hilfreich. Man ahnte gar nicht, was an Erfahrung und Beobachtung in diesen alten Leuten steckte; Pagel hörte ihnen gerne zu, aber über den dicken Lehrbüchern schlief er ein.

So fragte er dieses Mal auch nur: »Was machen wir dann?«, und der Großspänner meinte, daß auf den leichteren Außenschlägen das Pflügen noch ginge. »Gut«, sagte Pagel. »Also pflügen wir.«

Und ging zum Mittagessen.

Das Mittagessen nimmt er auf dem Büro ein – das Büro ist überhaupt Wohn-, Eß-, Arbeits-, Rauch- und Lesezimmer für ihn, und nebenan schläft er noch immer. Aber obwohl Herr von Studmann nicht mehr in Neulohe weilt, nimmt er seine Mahlzeiten nicht allein ein. Er hat eine Tischgefährtin, ein Gegenüber an diesem säuberlich weiß gedeckten Schreibtisch: Amanda Backs.

Ja, Amanda Backs steht schon wartend da, sie sagt zufrieden: »Gott sei Dank, daß Sie mal pünktlich sind, Herr Pagel. Ziehen Sie sich nur schnell trocken an, ich hole sofort das Essen.«

»Schön«, meint Pagel und geht in sein Schlafzimmer, um sich umzuziehen und zu waschen.

Es ist sehr möglich, ja, es ist sogar fast sicher, daß die bekannten Mäuler im Dorf diese Tischgemeinschaft Pagel – Backs auch in eine Bettgemeinschaft umlügen, zumal bei dem bekannten Vorleben der Backs. Aber im Grunde hatte sich alles ganz von selbst und höchst natürlich ergeben. Als an jenem ersten Oktober, nach der Verhaftung der Zuchthäusler, die Mädchen aus dem Schloß ohne Kündigung, Gehalt und Zeugnis in alle Welt flüchteten, in einer hühnerhaften Angst vor einem Strafverfahren wegen Begünstigung entflohener Gefangener, gar nicht zu erwähnen das gefürchtete Gespött der Dorfleute – da blieb die öffentlich in einer Abendandacht bescholtene Amanda Backs als einzige unbescholtene Person auf dem Schlosse zurück. Mit dem alten Diener Elias natürlich, aber der fuhr dann auch am zweiten Oktober ab, zu seiner Herrschaft, zur Berichterstattung vermutlich, denn Pachtgeld hatte er nicht zu überbringen. Und kam nicht wieder.

In den ersten Oktobertagen hatte Wolfgang Pagel den Kopf viel zu voll mit tausenderlei Dingen, um sich besonders lebhafte Sorgen um die alte Fachwerkscheune, das Schloß, zu machen. Aber dann lief er der Amanda eines Tages in den Weg, und sie stellte ihn und fragte ihn auf den Kopf zu, was er sich denn eigentlich denke, was er sich einbilde? Sie graule sich ja nicht gradezu in dem großen, alten Kasten als einzige Bewohnerin, aber angenehm sei es auch wieder nicht. Und es müsse unbedingt etwas geschehen oben, ehe die alte Herrschaft wiederkomme, es liege von der Sauferei herum wie Kraut und Rüben, und im Saal seien auch zwei Fenster zerbrochen. Jetzt regne es hinein, und die Pfützen ständen auf dem Parkett seit Tagen!

Pagel, der abgehetzte, ein wenig niedergeschlagene Pagel, der in drei Tagen keine zehn Stunden Schlaf bekommen hatte, sah die rotbäckige, derbe Amanda nachdenklich an, rieb sich das reichlich unrasierte Kinn und fragte: »Ja, wollen Sie denn nicht auch rücken, Amanda?«

»Und wer soll mein Geflügel besorgen?!« hatte sie recht empört dagegen gefragt. »Jetzt grade, wo es in den Winter geht, wo die Enten und Gänse fett werden sollen und wo man gar nicht genug zufüttern kann? Ich und rücken –? Keine Ahnung!«

»In der Villa suchen sie händeringend nach einem vernünftigen Mädchen«, hatte Pagel vorgeschlagen. »Sie werden es ja gehört haben, die Lotte ist jetzt auch fortgelaufen. In die Villa möchten Sie wohl nicht?«

»Nein«, hatte Amanda Backs mit aller Deutlichkeit geantwortet. »In die Villa will ich nicht. An die Doofheit von meinem Federvieh bin ich gewöhnt, aber an die Doofheit von meinen Mitmenschen werde ich mich nie gewöhnen. Die macht mich immer fuchsteufelswild, und dann tauge ich zu nichts.«

»Schönschön«, hatte Pagel eilig gesagt. »Ich gebe Ihnen dann heute abend Bescheid.« Und war fortgegangen.

Er hatte vorgehabt, mit der gnädigen Frau über diesen gar nicht in seinem Geschäftsbereich liegenden Fall zu sprechen. Aber die gnädige Frau war wieder mit dem Wagen fortgefahren, und es war ungewiß, wann sie zurückkommen würde. Der Rittmeister schied für alle Rückfragen aus; der lag noch immer recht unruhig zu Bett, und der vom Arzt bestellte Krankenpfleger saß bei ihm und hatte mit dem oft aufgeregten Manne mehr zu tun, als ihm lieb war. Und sonst gab es in dem großen, volkreichen Neulohe keinen Menschen, den er um Rat fragen konnte.

So ließ sich denn, nach einigem Nachdenken, der junge Wolfgang Pagel am Telefon das Hotel Kaiserhof in Berlin geben und verlangte den Herrn Geheimrat von Teschow-Neulohe zu sprechen.

»Bedaure sehr, die Herrschaften sind abgereist.«

»Abgereist?« Es gab ihm doch einen Stoß. »Wann bitte?«

»Am dritten Oktober.«

Also direkt nach der Ankunft des alten Elias, nach seinem Bericht.

»Wollen Sie mir bitte seine Adresse geben!«

»Bedauern sehr – es ist uns ausdrücklich untersagt, die Adresse weiterzugeben!«

»Hier spricht die Gutsverwaltung Neulohe – die Gutsverwaltung des Herrn Geheimrats selbst«, sagte Pagel mit all seiner Selbstbeherrschung. »Ich brauche seine Adresse unbedingt für eine sehr wichtige Entscheidung. Ich müßte Sie für allen aus der Verweigerung entstehenden Schaden haftbar machen!«

»Einen Augenblick bitte. Ich will mal nachfragen. Bleiben Sie am Apparat.«

Nach einigem Hin und Her bekam Wolfgang dann doch die Adresse. Er brauchte sie nicht, aber es interessierte ihn, wo diese Leute hinfuhren, wenn ihre Tochter verzweifelt, ihre Enkelin verloren war.

Die Adresse lautete: »Nizza, Frankreich, Azurküste, Hotel Imperial.«

»Ich danke verbindlichst«, sagte Wolfgang und legte den Hörer auf.

Eine Weile saß er still, mit einem aufmerksamen Gesicht. Sein Auge sah nichts auf dem Büro. Sondern es sah etwas anderes. Es sah die kleine vertrocknete Frau mit dem scharfen Vogelgesicht und den eiligen Augen. Sie hetzte die Dienstboten von einer Arbeit zur andern, sie war hohl wie eine taube Nuß, aber sie füllte sich mit dem Leben der andern, mit jedem Leben, ganz egal welchem! Sie hatte aus der Religion eine Beschäftigung gemacht, sie benützte sie, um in die andern hineinzukriechen. Sie war wie eine Made, sie lebte von den verwesten Lebensabfällen ihrer Mitmenschen.

Er sah den grimmigen Rauschebart mit seiner falschen Fröhlichkeit, kräftig schwitzend, in Loden gekleidet. Dort unten, an Frankreichs Azurküste, würde er ja nun keinen Loden tragen, aber damit war nichts geändert. Er saß und rechnete, er setzte listige Verträge auf und schrieb Geschäftsbriefe mit Widerhaken –: Alles, was er sah, setzte sich ihm in Erwerb, Geld, Verdienst um. Jawohl, es hieß, er liebe seinen Wald – und das tat er auch. Aber er liebte ihn wiederum auf seine eigene Weise, er liebte nicht etwas Lebendiges, Wachsendes, Ewiges – er liebte mit dem Erwerbssinn, er liebte soundso viel Festmeter schlagbares Holz. Eine Fichtendickung war für ihn kein grüngoldenes Geheimnis, sie bedeutete ihm, daß man bei der Durchforstung soundso viel hundert Bohnenstangen herausschlagen konnte.

Er tot, sie tot – aber hatte man nicht doch gedacht, sie liebten sich wenigstens in ihrer Tochter, ihrer Enkelin? Da sah man, wie diese Liebe aussah – aus Furcht, in eine schmähliche Geschichte hineingezogen zu werden, fliehen sie ohne Hilfe, ohne Güte, ohne Gnade in die andere Ecke Europas, nebenbei in jenes Frankreich, das, die Ruhr noch immer besetzt haltend, sich weiter feindselig weigert, mit einer deutschen Regierung zu verhandeln.

So sahen sie aus, alte Leute, zur Ruhe gesetzte Leute, wie man so sagt. Aber die Frau ließ die eigene Hohlheit nicht zur Ruhe kommen und den Mann nicht das Geld, das er doch nicht anzuwenden wußte …

Der junge Pagel, der noch immer am Telefon sitzt, tut etwas Merkwürdiges, als er so weit mit seinen Gedanken ist: Er nimmt aus seiner Brieftasche einen Geldschein. Er brennt ein Streichholz an und verbrennt den Schein. Es ist wirklich der junge Pagel, der dies tut, der noch sehr junge Pagel. Es ist eine symbolhafte Handlung: Ach Himmel, laß mich nie das Geld so lieben, daß ich mich nicht von ihm trennen kann!

Und nebenbei ist es eine Entbehrung, die er sich auferlegt. Es ist Sonnabendabend, die Löhnung hat die Gutskasse völlig entleert, es ist sein letzter Schein gewesen, er wollte sich dafür Zigaretten holen. Nun kann er bis Montag nicht rauchen. Jawohl, so jungenhaft ist er auch noch, trotz aller Erlebnisse der letzten Zeit. Aber doch auch wieder so stark! Er pfeift, wenn er daran denkt, daß er nur noch drei oder vier Zigaretten hat.

So pfeifend, trommelt er einen Haufen Frauen zusammen, holt sich den Stellmacher. Noch am Sonnabendabend läßt er das Schloß notdürftig instand setzen, die Fenster werden frisch verglast, die Türen abgeschlossen! »Fertig sind wir mit den Teschows!! Und Sie, Amanda, ziehen also mit Sack und Pack in Herrn von Studmanns Zimmer. Wenn Sie nämlich keine Bedenken haben.«

»Von wegen dem Geschwatze von den Leuten, Herr Pagel? Was ich mir dafür kaufe! Immer reden und reden lassen, das sage ich.«

»Richtig. Und wenn Sie sich nebenbei meines Essens und meiner Wäsche erbarmen wollen – damit sah es in der letzten Zeit etwas kummervoll aus.«

»Die schwarze Minna – – –«

»Die schwarze Minna muß in der Küche der Villa aushelfen, und außerdem ist sie die einzige von allen Weibern, die vor dem Rittmeister keine Angst hat. Der Pfleger muß ja auch mal an die frische Luft, da vertritt sie ihn.«

»So ist’s richtig!« sagte Amanda tief befriedigt. »Dafür paßt sie! Die und vor Männern Angst, Herr Pagel –? Die hat immer viel zuwenig Angst vor den Männern gehabt, und das Gequake, das von zuwenig Angst kommt, das können Sie sich ja alle Tage anhören, wenn Sie am Armenhaus vorbeikommen, Herr Pagel.«

»Sie haben ein ganz schändliches Maulwerk, Amanda«, hatte Pagel halb lachend gesagt. »Der schwerkranke Herr Rittmeister und die schwarze Minna – nein, ich weiß doch nicht, ob es mit uns beiden lange gut gehen wird.«

»Ich lasse Sie reden, und Sie lassen mich reden«, hatte Amanda sehr zufrieden geantwortet. »Das ist doch alles ganz einfach. Warum soll es da nicht gut gehen mit uns, Herr Pagel?«

Wolf unter Wölfen
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