Kapitel 19

Wir ließen Marco im Salon, weil er noch seine Schicht bei Fernando zu Ende arbeiten musste, versprachen aber, ihn nachher mitsamt seinem Rollkragenpullover abzuholen. Dann fuhr Dana in die Sunset Studios und den Kostümfundus, um mehr Vampirverkleidung und neue Zähne zu besorgen, nachdem sie mich zu Hause abgesetzt hatte, damit ich a) aufs Klo gehen konnte und b) etwas essen. Nur wurde ich leider in dem Moment, als ich zur Tür hereinkam, von meiner Mutter und Mrs. Rosenblatt überfallen.

„Warum ist mein Enkelkind wieder allein zu Hause?“, fragte Mom, sie sich mit der Puppe auf dem Arm auf mich stürzte.

Ich schaute nach unten auf meine Santana-Tasche. Mist. Ich hatte gestern Abend vergessen, das Plastikbaby aus dem Tragetuch zu nehmen.

„Tut mir leid, habe ich vergessen“, murmelte ich und drängte mich an ihr vorbei zum Gäste-WC.

„Vergessen?“, folgte mir ihre Stimme. „Du kannst ein Baby doch nicht einfach vergessen, Maddie!“

Ich schloss die Tür und verdrehte die Augen, sobald ich mich außerhalb ihres Blickfeldes befand. „Ich habe die Puppe vergessen. Ein richtiges Baby vergesse ich nicht!“

„Du bist sehr nachlässig beim Üben, junge Dame!“, rief sie.

Ich ignorierte sie und wollte mich dem Grund widmen, der mich hergeführt hatte. Aber als ich auf den Klositz blickte, merkte ich, dass das nicht möglich sein würde. Da war ein sperriges Plastikteil zwischen den Wasserbehälter und den Klodeckel angebracht, sodass das Klo verriegelt war. Ich versuchte es wegzunehmen, aber es rührte sich nicht vom Fleck.

„Mom?“, rief ich und öffnete die Klotür wieder. „Hast du etwas mit meiner Toilette gemacht?“

Sie erschien einen Moment später in der Tür. „Ja. Ich habe sie versperrt.“

„Ist das eine Art Bestrafung?“, fragte ich und presste die Beine zusammen.

„Ach, um Himmels willen, Maddie“, schalt Mom. „Das ist für das Baby. Du kannst doch nicht zulassen, dass er mit dem Wasser in der Toilette spielt. Und du und Ramirez, ihr habt noch nichts in der Wohnung hier für die Babysicherheit getan. Mrs. Rosenblatt und ich dachten, wir kommen rüber und helfen ein bisschen aus.“

„Weißt du, was helfen würde?“, fragte ich. „Wenn du meine Toilette wieder entsperren könntest.“

Sie warf mir einen strafenden Blick zu, tat aber dankenswerterweise, worum ich sie gebeten hatte, drückte einen Knopf und zog an einem Riegel, drehte einen Plastikhebel, bis der Deckel aufklappte.

Ich scheuchte sie rasch aus dem Raum und tat, was ich zu erledigen hatte, und kam ein paar Minuten später wie neugeboren wieder heraus.

Wo ich sie und Mrs. Rosenblatt dabei sah, wie sie sich mit einem anderen verdächtig aussehenden Plastikgegenstand an der Kühlschranktür zu schaffen machten.

Oh nein.

„Äh, was habt ihr beide hier sonst noch babysicher gemacht?“, fragte ich und schaute mich im Wohnzimmer um.

„Nur das Allernotwendigste“, versicherte Mom mir. Dann begann sie an den Fingern abzuzählen. „Schlösser an den Türen der Badezimmerschränke, Sicherheitsgummi auf dem Badewannenwasserhahn, Türstopper und Griffschlösser an allen Türen, einen Ofenschutz, Stoßschutzkappen am Kamin und allen Tischecken, Steckdoseneinsätze und Abdeckungen für die Mehrfachsteckdosen, ein Babygitter für die Küchentür und ein Kühlschrankschloss.“

Ich schaute sie sprachlos an. Dann blickte ich mich in meinem Wohnzimmer um. Es war voller Schaumstoff und weißer Plastiksachen. „Brauchen wir das alles wirklich?“

„Das hängt davon ab“, erwiderte meine Mutter und stemmte sich die Hände in die Hüften, „ob du möchtest, dass dein Kind geschützt ist.“

„Fein, okay“, räumte ich ein. „Ich werde einen Weg finden, damit dieser Sicherheitslook cool aussieht. Allerdings hätte ich noch eine winzig kleine Bitte.“

„Ja?"

„Könnte ich vielleicht noch ein Sandwich aus dem Kühlschrank bekommen, bevor du ihn verriegelst?“

Ich verbrachte den Rest des Nachmittags mit Naschen, Nickerchen und letzte Hand legen an die weißen gewebten Wegdes für meine Frühjahrskollektion – und versuchte mich vor allem von der Tatsache abzulenken, dass ich mich am Abend in das Haus eines Mörders schleichen wollte. Was allerdings nicht wirklich gut funktionierte, sodass ich zu dem Zeitpunkt, als Dana abends auf meiner Türschwelle erschien, ein Nervenbündel war. (Aber, das musste der Stolz mir lassen, die Schuhe sahen wirklich grandios aus.)

Dana war es gelungen, zwei weitere düsterromantische Vampirkostüme vom Filmset zu leihen, und sie half mir rasch, meines anzuziehen. Es war eine dunkel weinrote Jacke aus gecrashtem Samt mit schwarzem Spitzenbesatz an Kragen und Ärmeln über einem langen schwarzen Rock. Das ganze Stück kam mit einer weit geschnittenen Bluse, aber nachdem ein Knopf abgesprungen war, stand fest, dass ich nie und nimmer hineinpassen würde. Stattdessen nahm mir ich ein langärmeliges schwarzes T-Shirt aus meinem Schrank, das ich mit einem übergroßen Kruzifix aufwertete, das mir meine Großmutter (eine eingefleischte Katholikin aus Irland) seinerzeit gegeben hatte, als ich anfing, mit Ramirez auszugehen.

Dana hatte sich wieder für etwas eng Anliegendes entschieden und zwar ein kurzes schwarzes Satinkleid, das vorne tief ausgeschnitten war und großzügige Einblicke gewährte. Es war die perfekte Verkleidung; ich würde meine Hand dafür ins Feuer legen, dass kein Mann sich an ihr Gesicht erinnern können würde. Sie wählte dazu ein langes schwarzes Cape, Schuhe mit hohen Plateausohlen und eine lange dunkle Perücke, die exakt zu meiner passte.

Wir ergänzten beide unsere Outfits mit einem Paar falscher Vampirzähne, die wir mit Kukident-Haftcreme befestigten, die sie unterwegs besorgt hatte.

Gerade als wir letzte Hand an unser Makeup – rauchiger Lidschatten und knallrote Lippen – legten, läutete es an meiner Tür. Ich öffnete und entdeckte Marco auf der anderen Seite.

Er hatte sich auf seine eigene Weise mit schwarzen Lederhosen und einem engen Rollkragenpullover sowie schwarzen Stiefeln vampir-chic gemacht. Heute Abend hatte er den Eyeliner doppelt dick aufgetragen, und über der Schulter trug er eine große Ledertasche.

„Erledigen wir die Sache“, sagte er statt einer Begrüßung und trat ein.

Ich schnupperte, als er an mir vorbei ging. „Hast du Knoblauch zum Essen gehabt?“, erkundigte ich mich.

„Nein, ich habe mich mit den rohen Zehen am ganzen Körper eingerieben“, unterrichtete er mich. „Nur für alle Fälle.“

Ich verdrehte die Augen. „Sie sind doch nicht echt“, versicherte ich ihm zum ungefähr millionsten Mal.

„Das sagst du.“

„Dana?“, rief ich hilfesuchend.

„He, es hat noch nie geschadet, auf alles vorbereitet zu sein“, wandte Marco ein. „Genau genommen, habe ich einen ganzen Beutel voller Mittel zur Vampirabwehr bei mir“, erklärte er und zeigte auf seine Tasche.

Zugegeben, morbide Neugier gewann in mir die Oberhand. „Wie was zum Beispiel?“, fragte ich und beugte mich vor. „Rosenkränze, natürlich. Und eine Bibel“, zählte er auf, zückte eine im Taschenformat. „Und dann auch das Notwendige, um Vampire zu töten“, fuhr er fort und zog mehr Gegenstände heraus.

Ich blickte auf ein Dutzend dickere Holzspieße, eine Flasche Evian und eine Dose mit Selbstbräunerspray. Ratlos schaute ich Marco an und hob eine Braue. „Und inwiefern sind diese Dinge tödlich?“

Marco verdrehte die Augen. (Ja, wirklich. Der Typ in Lederhosen, der roch wie ein italienisches Restaurant, hielt mich offenbar für begriffsstutzig oder verrückt.) „Hallo? Holzpflöcke ins Herz, Weihwasser und Sonnenlicht. Die Dreifaltigkeit der Vampirjäger.“

Ich nahm die Flasche und hielt sie hoch. „Evian?“

Marco zuckte die Achseln. „Gunnar hat ein norwegisches Gebet darüber gesprochen. Das war das Beste, was ich angesichts der Kürze der Zeit organisieren konnte.“

„Und Bräunungsspray?“

„Ja und? Da steht ‚Sonnenschein aus der Dose‘ drauf!“

„Okay, sind wir fertig?“, fragte Dana und kam mit super rauchig geschminkten Augen aus dem Bad.

„Fast“, erwiderte Marco. „Ich war nervös, daher habe ich auf der Herfahrt die andere Flasche Evian geleert. Kann ich mal für kleine Jungs?“

Ich deutete in Richtung Gäste-WC. „Bitte.“

„Gracias“, rief er, während er dorthin lief.

„Was ist der ganze Kram hier?“, fragte Dana mit Blick auf Marcos Vampirjäger-Ausstattung.

„Das willst du gar nicht wissen“, teilte ich ihr mit, überzeugt, dass es stimmte.

„Maddie?“, hörte ich aus dem WC. „Hilfe!“

Dana und ich eilten zur Tür und fanden Marco mit zusammengepressten Beinen über die Toilette gebeugt. „Ich kann diesen Verschluss nicht aufbekommen“, beschwerte er sich weinerlich.

Oh je. Ich lehnte mich vor und musterte angestrengt die Plastikvorrichtung, die meine Mutter angebracht hatte, versuchte mich zu erinnern, wie sie sie bedient hatte. Da war ein Knopf, ein Riegel, ein kleines rotes Anzeigefenster und ein Hebel. Ich drückte den Knopf. Nichts. Ich betätigte den Riegel, und die Anzeige schaltete auf grün, aber der Deckel blieb fest geschlossen. Ich drückte den Knopf und zog an dem Riegel. Nada.

„Oh je, ich mache mir gleich in die Hose“, wimmerte Marco und hüpfte von einem Fuß auf den anderen.

„Geh und nimm das andere Klo“, sagte ich und deutete zum Schlafzimmer.

Marco tat das, rannte über Flur, so schnell es ging, wenn man die Beine zusammenpresste.

„Vielleicht muss man den Hebel bewegen“, schlug Dana vor.

Das versuchte ich, und die Anzeige wurde wieder rot.

„Vielleicht den Hebel bewegen und dazu an dem Riegel ziehen, sagte sie und tat das. Aber der Deckel rührte sich nicht.

„Gibt es dazu keine Bedienungsanleitung?“, fragte sie.

„Das ist auch verschlossen!“, schrie Marco aus dem anderen Bad. „Ich platze gleich.“

„Ehrlich, deine Mutter nimmt die Sache mit den Baby-Sicherheitsvorkehrungen aber wirklich ernst. Ich bin beeindruckt“, erklärte Dana und nickte bekräftigend.

„Beeil dich, oh Himmel bitte, beeil dich!“, rief Marco und kam zurückgetänzelt. „Diese Hosen sind von Versace, und es sind keine zwei Sekunden mehr, bis ich sie nass mache.“

„Okay, wir schaffen das“, sagte ich und starrte das Teil drohend an. Wir waren drei kluge gebildete und intelligente Leute. Und, was noch wichtiger war, wir waren alle älter als zwei Jahre. Wir würden über das babysichere Schloss triumphieren.

Ich betätigte den Riegel, zog den Hebel und drückte den Knopf. Nichts. Ich drückte den Knopf, bewegte den Riegel und zog an dem Hebel. Nada.

„Oh Himmel. Meine Blase. Sie platzt gleich.“

Dana kicherte.

„Sei still. Und bring mich nicht zum Lachen, verstanden?“, verlangte Marco streng.

„Warte, ich glaube, ich habe es gleich“, erklärte ich und merkte, dass ich zur besseren Konzentration die Zungenspitze zwischen die Lippen gesteckt hatte. Ich zog den Riegel, betätigte den Hebel und drückte den Knopf – und verfolgte ehrfürchtig, wie das kleine Anzeigefenster grün wurde und die Sperrvorrichtung mir in die Hand fiel.

„Meine Heldin“, rief Marco, schob mich aus dem Weg und öffnete den Verschluss seiner Hose, alles in einer fließenden Bewegung.

Dana und ich verließen fluchtartig das Klo, konnten gerade noch die Tür schließen, bevor ein Rauschen zu hören war, das an die Niagara-Fälle erinnerte.

„Oh, das ist himmlisch“, stöhnte Marco von der anderen Seite der Tür.

Nun, solange meine Kleine nicht klüger war als Marco, denke ich, würde sie sicher sein.

Es gelang uns, Sebastians Anwesen ohne weiteren Zwischenfall zu erreichen und auf der halbrunden Auffahrt neben den Autos der anderen Partygäste zu parken. Marco steckte seine Hand in den Beutel und umklammerte vermutlich den Rosenkranz, während wir durch die großen breiten Holztüren gingen. Sogleich schlugen uns Musik und Lachen entgegen.

Die Szene glich der, die Dana und ich letztes Mal gesehen hatten, als wir uneingeladen hier aufgekreuzt waren. Männer und Frauen in allen Arten und Formen von schwarzer Kleidung nippten an Getränken, unterhielten sich in Grüppchen, und mehrere Pärchen hatten sich in die Schatten am Rand zurückgezogen. Wenn man sich das Bluttrinken wegdachte, war es wie jede andere Party heute Nacht in den Hollywood Hills.

Nur dass ein Mörder diese hier veranstaltete.

„Ich sage, wir beginnen in Sebastians Schlafzimmer“, schlug ich vor und deutete die Treppe hoch. „Das ist der wahrscheinlichste Ort, um etwas zu verstecken.“

Dana nickte. „Stimmt.“

Marco folgte einen Schritt hinter uns, während wir die Stufen emporstiegen, an Frauen in kurzen Röcken und mit langen Perücken und blitzenden Vampirzähnen vorbeigingen. Oben angekommen eilten wir zu dem Schlafzimmer des Hausherrn, das Dana und ich bei unserem früheren Besuch hier entdeckt hatten. Ich schaute über meine Schulter hinter mich, vergewisserte mich, dass wir allein waren, dann drehte ich vorsichtig den Knauf. Glücklicherweise ließ er sich mühelos bewegen, sodass wir uns eine Sekunde später in der Höhle des Vampirs befanden.

„Das hier ist ja so unheimlich“, sagte Marco und sein Blick huschte suchend durchs Zimmer, als rechnete er mit Fledermäusen oder Särgen.

„Es ist einfach nur ein Männerschlafzimmer“, teilte ich ihm mit. Obwohl ich mich auch nicht wirklich wohl hier fühlte. Selbst wenn Sebastian nur irgendein Typ war, er war ein Typ, der zwei Frauen umgebracht hatte. Je eher wir hier mitsamt unserem Beweis wieder verschwinden konnten, desto besser.

„Ich werde mir das Badezimmer vornehmen“, unterrichtete ich die beiden anderen und ging zum anderen Ende des Raumes.

Ich trat durch die Tür in ein Bad, das so groß war wie mein gesamtes Haus. Der Boden war mit glattem schwarzem Marmor gefliest, während die Wände im Kontrast dazu weiße Keramikfliesen zierten. Die Waschtische waren aus dunklem Stein, die beiden runden Becken aus Edelstahl. Es war moderner, als ich es mir für einen Vampir vorgestellt hätte, aber ich fand, dass es irgendwie zu einem falschen passte.

Da ein Medizinschrank zu fehlen schien, begann ich Schubladen zu öffnen, suchte nach allem, was ein Gefäß für K.O.-Tropfen sein könnte. Ich stieß auf eine erschreckende Anzahl Haarstylingprodukte, mehrere Zahnbürsten, eine sehr moderne elektrische eingeschlossen, und einen großzügigen Vorrat an Bleichstrips für Zähne.

Aber keine Mordwaffe weit und breit.

Ich ging zu den Schränken darunter über, die die üblichen Reinigungsutensilien enthielten. Nichts Ungewöhnliches oder, ehrlich gesagt, auch irgendwie anders als das, was sich in meinen Badezimmerschränken befand. (Nicht, dass ich noch in der Lage wäre, mich zu bücken, um an sie heranzukommen.)

„Und, hattest du Glück?“, hörte ich Dana aus dem anderen Zimmer rufen.

Ich steckte den Kopf zur Tür heraus. „Nein. Und ihr?“

„Nichts“, antwortete Dana. „Wir haben die Schränke und Schubladen durchgesehen, sogar unter dem Bett nachgeschaut. Es gibt nirgendwo Drogen.“

Das hier begann sich wieder zu einer der üblichen fruchtlosen Ermittlungen zu entwickeln. Ich schürzte die Lippen.

„Das Haus ist riesig“, bemerkte Marco. „Vielleicht hat er das Zeug in einem der anderen Zimmer versteckt?“

Ich zuckte die Achseln. „Das ist jedenfalls möglich und verdient genaueres Nachsehen.“

Lautlos schlüpften wir aus dem Zimmer und wieder auf den Flur. Ich bin sicher, das Schuldbewusstsein stand uns allen unübersehbar im Gesicht, als ein Pärchen die Treppe hochkam; die Frau kicherte und lachte über etwas, das der Mann in einer weiteren langen dunklen Perücke zu ihr sagte, aber sie schienen zu sehr miteinander beschäftigt, um uns zu bemerken.

Sobald sie an uns vorbei waren, zischte Marco: „Wohin jetzt?“

Ich blickte den Flur entlang. Sechs geschlossene Türen starrten zurück, drei auf jeder Seite.

„Ich sage, wir teilen uns auf“, entschied ich. „Das ist der schnellste Weg, alles zu durchsuchen, bevor uns jemand hier erwischt.“

Marco biss sich auf die Lippen. Er steckte seine Hand wieder in seine Tasche, fasste nach seinem Rosenkranz. Er holte tief Luft und rückte seinen Rollkragen zurecht. „Okay, ich schaffe das.“

Wir trennten uns, jeder nahm sich eine andere Tür vor. Meine, so stellte sich heraus, führte zu einer Art Bibliothek. Auf der einen Seite säumten Regale mit Büchern die Wände bis zur Decke. Zwei große Lederstühle nahmen den Platz in der Zimmermitte ein, und ein riesiger Globus stand in der Ecke vor dem Fenster. Alles wirkte ein wenig wie aus dem alten Europa, in starkem Kontrast zu dem modernen Anstrich des restlichen Hauses.

Glücklicherweise war es nur sparsam möbliert, was mir die Arbeit erleichterte.

Rasch schaute ich die paar Einbauschränke neben dem Globus durch und schob mehrere Bücher auf der Suche nach Geheimverstecken, ehe ich mich vergewisserte, dass der Raum sauber war.

Ich begann mir langsam Sorgen zu machen, dass Sebastian vielleicht doch die Beweise ein für alle Mal beseitigt hatte.

Ich durchquerte den Raum zurück zur Tür und legte mein Ohr gegen das Holz, lauschte auf Stimmen. Nichts. Der Korridor war leer. Ich öffnete sie rasch und schlüpfte nach draußen, schlenderte gemächlich zum Zimmer nebenan.

Hier war es dunkel, alle Lichter gelöscht. Aber in den Schatten konnte ich ein Doppelbett ausmachen und eine kleine Kommode. Ein Gästezimmer, wenn ich mich nicht irrte. Licht hätte mir die Suche zwar erleichtert, aber die Fenster dieses Raumes gingen nach vorne auf die Auffahrt hinaus. Jeder, der unten stand, hätte gesehen, wie es anging. Daher blinzelte ich stattdessen, bis sich meine Augen an die Dunkelheit gewöhnt hatten, während ich mich zu der Kommode vorantastete.

Rasch ging ich die Schubladen durch, stieß aber nur auf Bettwäsche. Daher begann ich mit den Händen unter das Kissen und die Laken zu fahren und nach irgendetwas zu tasten, das sich kalt oder metallisch oder irgendwie tödlich anfühlte.

Gerade, als ich bereit war, aufzugeben, nachdem ich mich davon überzeugt hatte, dass unter der Matratze keine Geheimnisse verborgen waren, hörte ich, wie sich die Tür öffnete.

Ich erstarrte und duckte mich hinter das Bett.

„Maddie?“, flüsterte eine Stimme, aber so leise, dass ich nicht hören konnte, ob sie Dana oder Marco gehörte.

„Hier drüben“, sagte ich voller Erleichterung, während ich aufstand.

Allerdings stellte ich rasch fest, dass diese Erleichterung verfrüht gewesen war.

Und dass die Stimme weder Marco noch Dana gehörte. Weil ich sicher wusste, dass keiner von ihnen mit dem Arm ausgeholt hätte, wie ich das die schattenhafte Gestalt tun sah, während sie etwas Dunkles, Schweres in der Hand umklammerte, dann mir mit solcher Wucht gegen den Kopf schlagen, dass ich zu Boden fiel.

Mir bot sich ein großartiger Blick auf die Wollmäuse, die unter Sebastians Gästebett hausten, für etwa eine halbe Sekunde lang, bevor ich spürte, wie sich meine Augenlider schlossen und alles um mich herum schwarz wurde.