Kapitel 5
In welchem Miss Grantworth eine unerwartete Verbündete gewinnt
Grundgütiger, Miss Victoria! Sie wurden ja von einem Vampir gebissen!« Verbena starrte mit aufgerissenen Augen in den Spiegel über Victorias Schulter. Mit ihrem runden Gesicht und dem rotblonden, widerspenstigen Kraushaar sah die Zofe aus wie ein Baby, das gerade aus dem Schlaf erwacht ist.
Noch bevor Victoria wusste, was sie darauf antworten sollte, geschweige denn verdauen konnte, dass ihre Zofe den Biss als solchen erkannt hatte, beugte Verbena sich nach unten, um ihn genauer in Augenschein zu nehmen. »Wie’s aussieht, scheint er aber ganz prima zu verheilen«, bemerkte sie mit einem weisen Nicken. »Sie haben gesalzenes Weihwasser draufgetan, was?«
»Verbena... wie...« Victoria rang um Fassung. »Du bist gar nicht entsetzt?«
»Nein, Miss Victoria. Bei all dem Tamtam um Kruzifixe, und dann die Pflöcke, die überall rumliegen, und überhaupt dieses Kreuz, das Sie da an Ihrem Bauch haben - na, ich wäre ja eine schöne Zofe, wenn ich all das übersehen würde. Ich warte schon seit einer ganzen Weile drauf, dass Sie mich fragen, wie Sie Knoblauch in Ihren Handschuhen verstecken können!«
»Das würde nicht gerade angenehm riechen«, erwiderte Victoria langsam. Sie wollte ihren Kopf schütteln, um ihn klar zu bekommen. Allerdings glaubte sie nicht, dass das helfen würde.
»Und außerdem hab ich mich gewundert, warum Sie nicht Ihr eigenes gesalzenes Weihwasser mit sich rumtragen. Und wie haben Sie es überhaupt fertig gebracht, gebissen zu werden? Ich hab immer gedacht, Venatoren könnten nicht gebissen werden.«
»Woher wusstest du, dass ich ein Venator bin?« Victoria war es leid, ihre Zofe durch den Spiegel anzusehen, deshalb drehte sie sich auf ihrem Stuhl zu ihr um.
Verbena tippte sich mit dem Finger in den Bauch. »Natürlich weil Sie das Zeichen tragen.«
»Woher weißt du von alledem? Von Vampiren und Venatoren?«
Victoria zuckte mit den Achseln. »Wer weiß nicht davon? Die Vampire meine ich. Die meisten Leute wissen Bescheid, sie wollen nur lieber nicht glauben, dass es sie wirklich gibt. Bis sie gebissen werden; dann glauben sie dran - aber da ist es meistens schon zu spät. Jedermann weiß, dass man ihnen einen Holzpflock ins Herz rammen muss, und auch das mit den Kruzifixen und dem Weihwasser. Ich weiß, dass viele Leute denken, Vampire wären hässliche, fürchterliche Geschöpfe, die einem mit ihren Klauen die Brust zerfetzen, aber das stimmt gar nicht. Ich hab schon ein bisschen was gesehen im Leben, das dürfen Sie mir glauben. Und mein Vetter über zwei Ecken, Barth heißt er, der weiß jede Menge über Vampire, und er hat mir seit ich klein war Geschichten von ihnen erzählt. Er hat auch schon oft welche gesehen, drüben in St. Giles. Er schleppt immer so ein großes Kruzifix mit sich rum, das er dann vor sich hält, wenn er auf der Straße geht. Sieht echt komisch aus in meinen Augen, aber besser auf Nummer sicher gehen als gut aussehen.«
Es hatte den Anschein, dass Verbena, wenn sie die Gelegenheit bekam zu sprechen, diese auch beim Schopf packte. Ohne Hemmungen.
»Nun, Verbena, ich muss sagen, es trifft sich sehr gut, dass du so... äh... vertraut bist mit diesen Dingen, denn es wird meine Lage wesentlich vereinfachen. Weil natürlich Lady Melisande nichts von all dem erfahren darf.«
Die Zofe nickte. »Ja, Miss Victoria. Ihre Mutter würde auf der Stelle in Ohnmacht fallen und Sie dann für alle Zeiten aufs Land verfrachten. Und wie würden wir dann dastehen? Soweit ich weiß, gibt’s auf dem Land keine Vampire. Ich hab mir übrigens schon ein paar neue Frisuren für Sie einfallen lassen, um einen Pflock darin zu verstecken, den Sie dann ganz leicht rausziehen können, wenn Sie ihn brauchen.
Und es gibt wahrscheinlich sogar die Möglichkeit, zwei reinzupacken, weil ich mir nämlich vorstellen kann, dass Sie am Ende einen verlieren, und was dann? Wie gut, dass Ihre Locken so dicht und schwer sind, damit haben wir jede Menge, womit wir arbeiten können. Und bis dieser Biss verheilt ist... na ja, Miss Victoria, das wird eine ziemliche Herausforderung werden, mit diesen tiefen Ausschnitten, die den Hals und das Dekolleté freilassen, aber ich hab da ein paar Ideen, und irgendwie werden wir das schon schaffen. Lassen Sie sich mal keine grauen Haare wachsen.«
»Gewiss.« Victoria drehte sich wieder zum Spiegel um. Was gab es da noch zu sagen?

»Ich weiß ihre Zuneigung zu ihrer Tante ja zu schätzen, aber wenn Victoria weiterhin in den unpassendsten Momenten verschwindet, wird sie jede Chance verspielen, den Marquis zu erobern - oder andere gute Partien!« Lady Melisande lief wie ein aufgescheuchtes Huhn im Salon von Grantworth House auf und ab.
»Nun komm schon, Melly, reg dich nicht auf«, beruhigte Petronilla sie. »Gewiss ist der Umstand, dass dein Foyer und deine Salons vor Blumen nur so überquellen, ein eindeutiges Zeichen dafür, dass Victoria mehr als nur einen potenziellen Verehrer gewonnen hat!«
»Das stimmt schon, nur leider sind keine von Rockley darunter! Er hat uns heute nicht seine Aufwartung gemacht, und ich befürchte, dass Victorias frühes Verlassen des Balls gestern Abend sein Interesse hat abkühlen lassen.«
Winifred griff nach einem Ingwerplätzchen, und als sie sich wieder zurücklehnte, schlug ein großes Kruzifix gegen ihre Brust. »Du sagtest, deine Tante sei krank?«
»Ich weiß es nicht - aber mit dieser Begründung hat sie ihren Freund Maximilian Pesaro letzte Nacht losgeschickt, um Victoria an ihre Seite zu holen. Ich will mich ja nicht einmischen... immerhin verfügt Eustacia über ein großes Vermögen, das sie uns hinterlassen wird, und außerdem... nun ja, sie kann ein wenig beängstigend sein, aber sie hätte wirklich keinen schlechteren Zeitpunkt wählen können, um Victoria zu sich zu bestellen!«
»Maximilian Pesaro? Ich glaube nicht, dass ich ihn kenne«, bemerkte Winnie, während sie mit großem Interesse die Zitronenglasur auf einem Teller mit Schokoladenkeksen betrachtete. Sie hatte sich noch für keinen entscheiden können, aus Sorge, einen mit einer geringeren Menge Zuckerguss zu erwischen. »Wer ist er?«
»Es ist dieser schrecklich groß gewachsene Mann, der direkt nach dem Abendessen durch den Saal marschiert kam, als wäre er in irgendeiner wichtigen Mission unterwegs. Schwarzes Haar, dunkler Teint und ein Gesichtausdruck, dass mir beinahe das Herz stehen geblieben wäre!«, antwortete Petronilla und schlug die Hand auf besagtes Organ, als wollte sie es an Ort und Stelle halten. »Er sieht entsetzlich gefährlich aus. Fast wie ein Pirat!«
»Zumindest hast du nicht gesagt, dass er wie ein Vampir aussieht.« Melly nahm nun auf ihrem Lieblingssofa Platz. »Er ist ein besonderer Freund meiner Tante und erst kürzlich, vielleicht vor sechs Monaten, aus Italien hierhergekommen.«
»Er könnte durchaus ein Vampir sein«, überlegte Petronilla mit blitzenden Augen. »Ich frage mich, ob er einer ist! Deine Tante scheint furchtbar viel über diese Kreaturen zu wissen.«
»Ich habe mir auf Anraten der Schwiegermutter der Schwester meines Butlers angewöhnt, in meinen Handtaschen Knoblauch bei mir zu tragen«, gestand Winifred. »Ich verspüre nicht das geringste Verlangen, ihnen zum Opfer zu fallen.«
»Eine Herzogin, die Knoblauch bei sich hat. Was für eine lächerliche Vorstellung!« Melly kicherte. »Winnie, es gibt keine Vampire. Tatsächlich habe ich erst neulich von meinem Cousin Lord Jellington gehört, was die Gendarmen denken: Sie sind der Überzeugung, dass diese Männer, die man tot in der Nähe der Kais gefunden hat, von einem tollwütigen Hund angegriffen wurden und dass die Zeichen, von denen die Leute meinen, sie würden wie drei X aussehen, von seinen Krallen stammen. Sie haben erst vor zwei Tagen einen erschossen, und seitdem hat es keine Attacken mehr gegeben.«
»Und was ist mit den verschwundenen Gentlemen? Mit Beresford-Gellingham und Teldford?«
Melly setzte ihre Teetasse einen Tick zu vehement ab. »Und was denkst du, ist mit ihnen geschehen, Winnie? Dass sie selbst zu Vampiren wurden? Das ist einfach absurd. Beresford-Gellingham hat sich vermutlich aus freien Stücken aufs Festland abgesetzt, um seinen Gläubigern zu entgehen, und Teldford wäre töricht genug, zu stolpern und auf Nimmerwiedersehen in der Themse zu verschwinden. Nur weil zwei oder drei Menschen ihren Aufenthaltsort nicht publik gemacht haben, heißt das noch lange nicht, dass Vampire umherstreunen!«
»Meine Zofe hat mir von einer Frau berichtet, die in ihrem Schlafzimmer von einem Vampir besucht wurde«, hauchte Petronilla. Ihre Hand flatterte zu ihrer Kehle. »Sie behauptete, dass es gar nicht beängstigend war... dass er sehr sanft und... leidenschaftlich gewesen sei.«
»Sanft, bis er ihr das Blut mit seinen Fangzähnen aussaugte!«, stieß Winnie entsetzt hervor. »Nilly, ich versichere dir, dass es kein süßes Abenteuer ist, einen Vampir das Blut aus deinem Körper trinken zu lassen!«
»Ich wäre ganz deiner Meinung, wenn ich überhaupt an sie glauben würde. Jetzt Schluss mit diesem grotesken Thema. Verratet mir lieber, was ich tun soll, damit Rockley sein Interesse an Victoria wiederfindet.« Melly vergaß ihre Angewohnheit, damenhaft zu knabbern, und stopfte sich ein ganzes Ingwerplätzchen in den Mund.

»Rockley war derart aufmerksam gestern Abend, und wie er davon sprach, dir eine Limonade zu holen und dass er selbst so durstig wäre. Ich war überzeugt, dass er vorhatte, dich um einen zweiten Tanz zu bitten, Victoria. Ich kann mir einfach nicht vorstellen, was da passiert sein könnte«, lamentierte Lady Melly, während sie an diesem Abend in ihre Kutsche stieg.
»Das geht mir genauso, Mutter«, log Victoria.
»Es sei denn, er hat wieder ein Auge auf diese Gwendolyn Starcasset geworfen. Auf Lady Florinas Ball vor drei Wochen hat er zweimal mit ihr getanzt.« Lady Mellys Augen wurden schmal, und sie schürzte die Lippen. »Du musst dir mehr Mühe geben, seine Aufmerksamkeit zu erringen, Victoria. Sofern ihn nicht irgendetwas abgeschreckt hat - was ich mir nicht vorstellen kann -, solltest du keine Probleme haben, wieder sein Interesse zu wecken. Er findet dich sehr anziehend und konnte gar nicht mehr wegsehen, als du mit diesem grässlichen Lord Truscott getanzt hast, vor dem ich dich übrigens gewarnt hatte.«
»Lord Truscott ist gar nicht so schrecklich.«
»Hmpf. Er besitzt weder das Geld noch das Aussehen eines Rockley. Ich hoffe wirklich, dass du dem Marquis mehr Beachtung schenken wirst, wenn wir ihn das nächste Mal treffen. Vielleicht hättest du gestern Abend den Ball nicht so früh verlassen sollen.«
Victoria nickte zustimmend. Wenn ihre Mutter sich erst einmal etwas in den Kopf gesetzt hatte, dann war daran nicht mehr zu rütteln. Und ganz offensichtlich war Lady Melly entschlossen, ihre Tochter mit dem Marquis zu verkuppeln.
Wenn sie ganz ehrlich war, so musste Victoria zugeben, dass ihr der Gedanke gefiel. Sie hatte mehrere Male mit Rockley getanzt und sich auch bei anderen gesellschaftlichen Anlässen mit ihm unterhalten, ohne irgendetwas Negatives an ihm zu entdecken. Er war überaus liebenswürdig. Attraktiv. Witzig und freundlich und charmant, genau wie er es in jenem Sommer vor vielen Jahren gewesen war, als sie ihn nur als jungen Mann - und gewiss nicht als Marquis! - gekannt hatte, der unbekümmert und mutig wirkte. Sie hatten sich zwei Wochen lang jeden Tag getroffen, und er hatte nie durchblicken lassen, dass er mehr war als nur ein Junge aus dem Dorf. Er hielt sie für interessant und originell, und auf der Grundlage seiner Erinnerung an damals bemühte er sich nun um sie. Das bedeutete etwas, oder nicht?
Oder vielleicht war sie in seiner Erinnerung so perfekt gewesen - wenngleich sie nicht wusste, wie er ein junges Mädchen, das ihm die Leviten las, perfekt finden konnte -, dass die Realität, die Art, wie sie heute war, nicht mit seinen Erwartungen übereinstimmte. Vielleicht empfand er sie als Enttäuschung.
Wenigstens hatte er nicht versucht, sie in eine abgeschiedene Nische zu locken, um ihr die Zunge in den Mund und die Hand ins Mieder zu stecken, so wie der Viscount Walligrove dies vor zwei Tagen während der Dinnerparty der Terner-Fordhams getan hatte. Victoria hatte mit dem lüsternen Mann und seinen aufgequollenen Lippen kurzen Prozess gemacht. Er wusste nicht, wie ihm geschah, als sie ein paar der kalaripayattu-Techniken anwandte, die Kritanu ihr beigebracht hatte. Zusammen mit der zusätzlichen Kraft, die ihr die vis bulla verlieh, hatte ihre Selbstverteidigungsmaßnahme den Viscount in ein zusammengekrümmtes Häuflein Elend mit einem blauen Auge, einer gebrochenen Nase und einem verstauchten Knöchel verwandelt.
Vielleicht würde er es sich in Zukunft zweimal überlegen, bevor er ein unschuldiges Mädchen betatschte.
»Wir werden uns um eine neue Zofe für dich kümmern müssen, Victoria«, fuhr Lady Melly in völlig anderem Ton fort. »Diese Verbena erledigt ihre Arbeit viel zu nachlässig. Sieh dich nur an - deine Frisur ist ja schon ganz locker, und dabei sind wir noch nicht einmal bei den Straithwaites angekommen!« Sie lehnte sich nach vorn, um nach der dicken Locke zu greifen, die auf Victorias Schulter lag.
»Mutter, bitte.« Victoria entzog sich flink ihrer Reichweite, auch wenn sie damit in Kauf nahm, sich noch tiefer in die Ecke der Sitzbank drücken zu müssen, die sie mit Lady Melly teilte, sodass ihre Röcke noch mehr zerknitterten. »Es gibt keinen Grund, Verbena zu ersetzen. Sie hat mein Haar absichtlich so frisiert; ich wollte einen anderen Stil ausprobieren. Vielleicht lösen wir ja einen neuen Modetrend aus.« Sie lächelte und spielte dabei mit der Locke des Anstoßes, um sicherzustellen, dass sie noch immer die vier roten Male an ihrem Hals bedeckte.
»Hmpf.« Lady Melly lehnte sich wieder zurück. »Ich kann nicht behaupten, dass mir persönlich dieser Stil gefällt, aber es hat natürlich etwas für sich, als originell zu gelten. Wenn du also originell sein musst, um Rockley zu gefallen, dann tu es. Und ich denke, das Hauskonzert der Straithwaites ist einer der geeigneteren Anlässe, eine neue Mode zu präsentieren; falls es überhaupt einen geeigneten Moment für dergleichen gibt.«
Dem konnte Victoria nicht widersprechen. Lord Renald und Lady Gloria Straithwaite waren entfernte Verwandte von Lady Melly, und sie luden jedes Jahr zu einer sorgfältig choreographierten Darbietung der außerordentlichen musikalischen Talente ihrer vier Töchter, um diese von ihrer besten Seite zu zeigen. Die älteste von ihnen hatte in der letzten Saison erfolgreich einen Heiratskandidaten an Land gezogen, und die Straithwaites hatten unverkennbar die Absicht, diesen Trend fortzusetzen.
Da die Töchter in dreifacher Hinsicht vom Schicksal freundlich bedacht worden waren - mit Talent, Vermögen und hübschen Kurven -, war das Hauskonzert gut besucht, vor allem von heiratswilligen Junggesellen der Oberschicht.
Kurz nach ihrem Eintreffen in Stimmons Hall fand sich Victoria auf einem Stuhl im Ballsaal wieder. Obwohl an diesem Abend Musik gespielt wurde, würde es keinen Tanz geben. Die Stuhlreihen und vereinzelten Sofas entlang der Seitenwände waren ein unmissverständlicher Hinweis darauf, dass alle Aufmerksamkeit den vier Schwestern Straithwaite zu gelten hatte.
Victoria konnte nicht anders, als sich den Hals zu verrenken, um festzustellen, ob Rockley ebenfalls gekommen war, doch sie konnte seinen dunklen Kopf nirgends entdecken. Schließlich machte sie es sich auf ihrem Stuhl bequem, um das elegante Programm zu studieren, das man zusammengerollt und mit einem blassrosa Band verschnürt hatte. Als sie es nun auseinanderfaltete, verstand sie auch den Grund. Sobald man erst einmal Platz genommen und das Programm geöffnet hatte, war es zu spät, sich unter irgendeinem Vorwand zu verabschieden.
Zehn Stücke waren aufgelistet.
Zehn.
Victoria unterdrückte ein Stöhnen. Sie mochte Mozart und Bach genau wie jeder andere, aber zehn verschiedene Stücke durchzustehen - jedes davon mit drei Sätzen - war einfach zu viel. Sie warf einen verstohlenen Blick zu den anderen Anwesenden, um zu sehen, ob es irgendwelche entsetzten Gesichter gab, aber sie entdeckte keine.
Sie würde es einfach über sich ergehen lassen müssen.
Anfangs hörte Victoria zu. Sie gab sich wirklich Mühe, zuzuhören. Sie saß direkt neben ihrer Mutter und nahm sich so viel Zeit wie möglich, um ihre zarten Röcke in lockeren Falten über die Knie und den Stuhl zu drapieren. Dann verschränkte sie mit ihrem Pompadour unter den Fingern sittsam die Hände im Schoß. Sie konnte die Umrisse der kleinen Glasphiole in dem Täschchen spüren, was ihr wieder den kreischenden Schmerz in Erinnerung rief, den sie verspürt hatte, als Max sein gesalzenes Weihwasser auf den Biss gegossen hatte. Verbena hatte irgendwo eine kleine Flasche aufgetan und sie gefüllt, sodass Victoria nun ihre eigene hatte.
Ihren düsteren Gedanken an Max’ herablassende Bemerkungen und den Schmerz nachzuhängen, den er ihr ohne Vorwarnung zugefügt hatte, beschäftigte Victoria für etwa drei Sätze eines Mozart-Quartetts. Erst als sie bemerkte, dass sie aufgehört hatte, ihren Pompadour vor Ärger zu zerknautschen, und dazu übergegangen war, ihren Seidenrock zu malträtieren, wurde ihr klar, dass sie über etwas weniger Enervierendes nachdenken musste als Max.
Vielleicht würde heute Abend ein Vampir anwesend sein, sodass sie eine Rechtfertigung hätte, aus dem Saal zu schlüpfen. Victoria hielt den Atem an und konzentrierte sich auf die Empfindungen in ihrem Nacken.
Er fühlte sich kein bisschen kalt an.
Oder vielleicht würde irgendein anderer wollüstiger Gentleman versuchen, sich an einer der jungen Damen zu vergreifen, sodass Victoria die Chance bekäme, ihm eine Lektion zu erteilen.
Sie versuchte erneut, der Musik zu lauschen. Und es gelang ihr tatsächlich, jeder der vier Straithwaite-Töchter und dem Arrangement ihrer Instrumente während eines Bach’schen Pianokonzertes ihre ungeteilte Aufmerksamkeit zu schenken. Sie schaffte es, dem Fallen und Steigen der Melodie drei ganze Sätze lang zu folgen - was sie als ziemliche Leistung empfand.
Doch dann sah sie hinunter auf das Programm und stellte fest, dass das Konzert noch nicht einmal zur Hälfte vorüber war.
Und ihr Nacken war immer noch warm.
Mit einem unterdrückten Seufzen begann sie, über Rockley nachzudenken.
Es war ein köstliches Vergnügen, sich daran zu erinnern, wie sie geschmeidig über das Parkett geglitten waren, während seine Arme sie gerade so eng an ihn schmiegten, dass es noch schicklich war, und doch nahe genug, dass sie seine Wärme wahrnahm und den leicht rauchigen Duft seiner Jacke. Die Art, wie er sie mit diesen schläfrigen Augen angesehen hatte, weckte in ihr den Wunsch, die eigenen zu schließen und sich ganz der Erinnerung hinzugeben.
Sie wollte ihn küssen. Ohne jeden Zweifel. Sie wusste, dass ein Kuss des Marquis kein Vergleich zu dem wäre, den der Viscount Walligrove ihr aufgezwungen hatte. Von Küssen zu träumen mochte kein angemessener Zeitvertreib für eine junge Dame sein, andererseits trugen die meisten jungen Damen auch keine Eschenholzpflöcke in ihrem Haar, um mit ihnen auf Vampirjagd zu gehen.
Noch besaßen sie die Kraft oder die Fähigkeit, einen erwachsenen Mann in die Knie zu zwingen.
Es war eine berauschende Macht.
Das Einzige, was ihre freudige Erinnerung an ihren Tanz mit Rockley trübte, war die Art, wie er Max angesehen hatte.
Und dieser Gedanke brachte sie von neuem dazu, über den großmeisterlichen Vampirjäger nachzugrübeln. Seine Arroganz und scharfe Zunge strapazierten ihre Nerven. Und die Blicke, mit denen er sie bedachte, wenn sie einen Ball oder eine Dinnerparty auch nur erwähnte… so als ob es sich gegenseitig ausschlösse, ein Venator zu sein und ein gesellschaftliches Leben zu führen. Ihre Finger zerknüllten wieder ihre Röcke.
Sie spürte einen spitzen Ellbogen in der Seite und drehte sich zu ihrer Mutter um, die stirnrunzelnd auf Victorias Hände starrte. Mit einem entschuldigenden Lächeln gab sie den armen Stoff frei, dann versuchte sie ein weiteres Mal, sich auf die Musik zu konzentrieren.
Das siebte Stück von zehn. Mehr als die Hälfte geschafft. Aber... sie sah sich die Liste genauer an. Jedes der verbliebenen Stücke bestand aus vier Sätzen, anstelle von drei.
Victoria schloss die Augen, dann öffnete sie sie wieder. Sie sah auf das Programm hinunter, zählte noch einmal nach und erkannte, dass sie sich tatsächlich nicht geirrt hatte.
Vampire schienen sich gern bei gesellschaftlichen Anlässen zu zeigen; warum konnte nicht wenigstens einer das Hauskonzert der Straithwaites heimsuchen?
Es bestand kein Zweifel, dass die Musik wunderschön war; und dazu noch überaus elegant präsentiert. Die vier Töchter waren bezaubernd anzusehen, jede von ihnen in eine andere Schattierung von Blau gekleidet: Eisblau, Taubenblau, Kornblumenblau und Saphirblau. Aber man konnte einfach nur für eine gewisse Weile einem trillernden Piano, einer singenden Violine oder Viola und einem Cello lauschen, ohne das Bedürfnis zu verspüren, aufzustehen und herumzugehen. Oder einen Vampir zu pfählen.
Die Enttäuschung ließ sie einen weiteren Blick in das Programmheft werfen, wie um die musikalischen Schwestern durch reine Willenkraft dazu zu bringen, endlich mit Mozarts Klavierkonzert in d-Moll zu beginnen, dem letzten Stück auf der Liste.
In diesem Moment fühlte Victoria einen Lufthauch in ihrem Nacken. Er war kühl. Alle Schläfrigkeit und Langeweile wie fortgewischt, setzte sie sich kerzengerade in ihrem Stuhl auf. Na endlich. Nun hatte sie etwas, um sich abzulenken!
Sie versuchte, sich umzusehen, ohne dass es auffiel. Dann bemerkte sie, dass die Kälte verschwunden war, und erkannte, dass die Bewegung der Luft von der leisen Brise stammte, die durch ein Fenster, das zu öffnen jemand die Geistesgegenwart besessen hatte, hereinwehte.
Victoria saß ganz still und wartete ab, während sie langsam und gleichmäßig atmete, um ihre ganze Aufmerksamkeit auf das Barometer ihres Nackens zu konzentrieren. Ganz bestimmt hatte sie dort Kälte gespürt. Es war nicht nur der Luftzug.
Aber nichts geschah.
Als die Straithwaite-Schwestern dann endlich mit dem letzten Programmpunkt begannen, spürte Victoria hinter sich eine Veränderung - so als ob jemand sie beobachtete. Die Härchen in ihrem Nacken begannen zu kribbeln und sandten einen Schauder über ihre Arme.
Es war kein Vampir, nein. Das war es nicht, was sie wahrnahm. Das Gefühl war nicht unbehaglich. Es war …
Victoria ließ absichtlich ihr Programm fallen, dann bückte sie sich danach, ohne auf den missbilligenden Blick ihrer Mutter zu achten, und drehte sich dabei nach hinten um.
Es war Rockley, der im rückwärtigen Teil des Saals stand - offensichtlich ein später - sehr später - Besucher des Konzerts. Victoria wusste nicht, ob sie sich ärgern sollte, dass er nicht das ganze Programm hatte durchleiden müssen, oder freuen, dass er gekommen war. Aber natürlich gab es keinen Grund anzunehmen, dass er ihretwegen hier war.
Victoria betrachtete die drei unverheirateten Straithwaite-Schwestern nun mit anderen Augen. War er hier, um einer von ihnen den Hof zu machen? Sie waren alle drei sehr schön, wenngleich die jüngste mit ihren erst sechzehn Jahren noch recht kindlich schien, um schon ihr Debüt zu geben. Und sie waren reich - wesentlich reicher als Victoria.
Jetzt war sie nicht nur gelangweilt, sondern auch noch verärgert.
Dann endlich verklang das letzte Stück des Konzerts. Die Streicherinnen zogen ihre Bögen ein letztes Mal über die Saiten. Die Pianistin schob ihre Bank zurück und stand auf, um sich zu einem perfekt einstudierten Knicks zu ihren Schwestern zu gesellen.
Alle applaudierten, bevor sie sich schließlich von ihren Plätzen erhoben. Victoria nahm an, dass sie froh waren, dass das Konzert zu Ende war.Aber als sie selbst aufstehen wollte, griff Lady Melly nach ihrem Arm und zog sie wieder auf ihren Stuhl.
»Rockley ist hier«, zischte sie ihr ins Ohr.
»Ich weiß, Mutter.«
»Er kommt gerade in unsere Richtung, Victoria. Bleib sitzen. Ich bin sicher, dass er zu uns will.«
Aber was, wenn nicht?
Dann... »Lady Grantworth«, ertönte seine angenehme Stimme in ihrem Rücken. Sie klang warm und vertraut und sandte ihr einen wohligen Schauder über den Rücken. »Wie bezaubernd Sie heute Abend wieder aussehen. Ich nehme an, Sie haben das Konzert genossen?«
Dann stand er plötzlich vor ihr, eingezwängt in den schmalen Gang zwischen den Stuhlreihen. Victoria hörte die Antwort ihrer Mutter auf seine Frage nicht; sie vermutete, dass es eine sein würde, die dazu angetan war, seine Aufmerksamkeit von ihr auf ihre Tochter zu lenken. »Miss Grantworth«, begrüßte er sie mit einer Verbeugung und einem leisen Lächeln. »Ich stelle fest, dass mich noch immer derselbe Durst plagt wie letzte Nacht. Hätten Sie Lust, mir auf ein Glas Limonade Gesellschaft zu leisten?«
Als sie nun von ihrem roten Samtstuhl aus zu ihm hochblickte, spürte Victoria, wie ein Lächeln der Erleichterung ihre Gesichtszüge entspannte. Er sah sie an, als wären sie alte Freunde... vielleicht sogar mehr als das. Als er ihr seine Hand anbot, ergriff sie sie, und er zog sie hoch. Der Stoff ihrer Handschuhe rieb gegeneinander, aber sie war sicher, dass das nicht der einzige Grund war, weshalb sich ihre Hand plötzlich warm anfühlte. »Ich bin furchtbar durstig«, erwiderte sie und legte die Hand auf seinen Arm. Es fühlte sich gut an, so als gehörte sie genau dorthin. »Limonade klingt ganz ausgezeichnet, Lord Rockley.«
Darum zu bitten, dass man sie entschuldigte, erübrigte sich; Lady Melly schob sie geradezu weg und drehte sich dann um, um mit einer Bekannten zu sprechen.
Victoria, die fühlte, wie ihr vor Verlegenheit das Blut in die Wangen stieg, sah zu Rockley hoch und sagte: »Es ist kein Geheimnis, was meine Mutter von Ihrem Durst hält. Tatsächlich fürchte ich, sie würde Sie auch in die Wüste schicken, nur um ganz sicherzugehen, dass er nicht gestillt wird.«
»Gut möglich. Ich fürchtete bereits, dass sie aufstehen und mich zu Ihnen hinüberzerren würde, wenn ich meinen Weg nicht schnell genug selbst finde.«
Victoria stieß gegen seinen Arm, als er sie sanft um eine Ecke dirigierte, um den anderen aus dem Ballsaal zu folgen. Sie blickte zu ihm hoch, und in ihren Zügen brannte heiße Demütigung. »Ach du liebe Zeit... ich habe das doch nur im Scherz gesagt, Lord Rockley! Meine Mutter benimmt sich wirklich wie eine bissige Bulldogge. Ich werde sie augenblicklich zur Räson rufen …«
»Miss Grantworth, ich habe ebenfalls nur gescherzt. Ich bin sehr froh darüber, dass ich nicht nur das Glück habe, Sie zwei Abende hintereinander zu sehen, sondern dass es mir außerdem auch noch gelungen ist, quer durch die Menschenmenge an Ihre Seite zu kommen, bevor irgendein anderer Ihrer Verehrer Sie erreicht hat.«
Er sprach leichthin, aber als sie durch den Eingang des Speisesaals traten, las sie etwas anderes in seinen Augen. Er sah sie unter seinen schweren Lidern, die einen anderen Mann träge oder unbekümmert hätten wirken lassen, mit solcher Intensität an, dass sie sich einer Ohnmacht nahe fühlte, beinahe so benommen wie am Vorabend, kurz bevor der Vampir sie gebissen hatte.
Bei diesem Gedanken griff Victoria rasch nach oben zu der Locke, die ihr auf die Schulter hing, um sich zu vergewissern, dass sie noch immer die vier roten Male verdeckte. Mit nervösen Fingern zog sie sie lang, dann ließ sie sie sanft wieder in ihre verhüllende Korkenzieherform springen.
Plötzlich wurde ihr bewusst, dass er ihr eine Frage gestellt hatte. Und auf eine Antwort wartete.
»Zu viele, um sie zu zählen, Miss Grantworth?« Seine Stimme klang ruhig, aber trotz des steigenden Lärmpegels durch die anderen Konzertbesucher nahm sie den veränderten Tonfall wahr. »Offensichtlich hätte ich meinem Verlangen, heute das Tattersall’s zu besuchen, widerstehen und stattdessen Grantworth House mit meiner Anwesenheit beehren sollen.«
»Meine Mutter und ich hätten Sie auf das Liebenswürdigste empfangen, wenn Sie beschlossen hätten, uns Ihre Aufwartung zu machen.«
»Ich weiß, dass das auf Ihre Mutter zutrifft, doch fürchte ich, dass die Sache komplizierter ist. Sie haben mir recht freimütig erklärt, dass Sie keine Eile haben, sich zu vermählen, und obgleich ich das erfrischend - und ein wenig entmutigend - finde, wüsste ich gern genauer, wie schwierig es für einen Gentleman wäre, Sie auf diesen Weg zu führen.« Sie waren neben einer Gruppe von Gästen stehen geblieben, die die Tische mit Essen und Getränken umringten. Drei Dutzend Menschen drängten sich hier, aber trotzdem hatte Victoria, als sie zu Lord Rockley hochsah, das Gefühl, allein mit ihm zu sein.
Er hatte, während sie gegangen waren, ihr Handgelenk fest an seinen Körper geschmiegt gehalten, aber als er sich nun zu ihr umdrehte, den Rücken dem Saal zugekehrt, so als wollte er sie vor dem Gedränge abschirmen, glitt es herunter.
Über Victorias Gesicht breitete sich ein strahlendes Lächeln. »Lord Rockley, ich wäre über alle Maßen erfreut gewesen, wenn Sie Grantworth House heute einen Besuch abgestattet hätten.«
Seine Züge entspannten sich. »Es ist schön, das zu hören, Miss Grantworth.« Er fasste nach ihrer Hand und legte sie auf seinen Arm. »Wollen wir uns jetzt um die Limonade kümmern, die ich Ihnen versprochen habe?«
Während sie in der Schlange auf ihre Erfrischung warteten, stieß Rockley sie sanft mit dem Ellbogen an. Sie sah ihn an, plötzlich überwältigt von einem Gefühl der Behaglichkeit. Hier war ein netter, gut aussehender Mann, der sich für sie als seine zukünftige Gemahlin zu interessieren schien... und der in ihr das Bedürfnis weckte, ihn besser kennen zu lernen. Ihn sogar zu küssen. Ein Mann, mit dem ihre Mutter einverstanden wäre - nein, den sie ihr geradezu aufzwingen wollte. Ein Mann, der sich mehr als sieben Jahre lang an sie erinnert hatte.
»Sie wirkten ganz verzückt von der Musik«, bemerkte er mit einem warmen Lächeln. »Ich muss gestehen, es wäre mir schwer gefallen, eine so lange Zeit still zu sitzen und nur Mozart- und Bachstücken zu lauschen.«
»Aha.« Victoria erwiderte sein Lächeln. »Das ist also die Erklärung, Lord Rockley.«
Er reichte ihr eine weiße Teetasse, die mit Limonade gefüllt war. »Die Erklärung wofür?« Er fasste ihren Ellbogen und dirigierte sie behutsam von den Tischen zu einem Paar Stühle am anderen Ende des Raums.
»Für Ihr verspätetes Erscheinen beim berühmten Hauskonzert der Straithwaites. Ich bin sicher, die drei unverheirateten Schwestern waren am Boden zerstört, dass Sie den größten Teil ihrer Darbietung versäumten.«
»Das mag gut sein, Miss Grantworth, aber das ist für mich nicht von Belang. Wissen Sie, ich habe nämlich eine glaubhafte Entschuldigung, warum ich so spät hier ankam.«
Victoria nahm einen Schluck von ihrer Limonade und stellte erfreut fest, dass sie schön säuerlich und kalt genug war, um zu erfrischen. Sie sah ihn über den Rand ihrer Tasse hinweg an, und als sich ihre Blicke trafen, merkte sie, dass ihr die Knie weich wurden. »Um die Wahrheit zu sagen, bin ich mehr als nur ein bisschen neidisch, dass Sie eine Entschuldigung hatten. Hätte ich selbst eine gehabt, wäre ich genauso spät eingetroffen wie Sie.«
»Wie stets finde ich Ihre Offenheit erfrischend und amüsant, Miss Grantworth, aber wollen Sie denn gar nicht den Grund für meine Verspätung erfahren?«
Victoria musterte ihn einen Moment lang. Er hatte ein sehr gewinnendes Lächeln, vor allem, wenn sich seine Mundwinkel so wie jetzt ganz leicht hoben. Nachdem ihre Erinnerung nun geweckt war, strömten unaufhörlich immer weitere Bilder auf sie ein, und sie dachte daran, dass er sie genauso angelächelt hatte, als er ihr am Tag nach ihrer ersten Begegnung Vergissmeinnicht brachte, als Dank dafür, dass sie geholfen hatte, sein Pferd einzufangen. Es war das erste Mal gewesen, dass sie Blumen von einem Mann bekommen hatte.
Victoria glaubte, dass sie das rosafarbene Satinband, mit dem er die Blumen zusammengebunden hatte, noch immer irgendwo aufbewahrte. Als sie nun lächelte, war es ebenso sehr wegen der Erinnerung als auch als Antwort auf die Frage, die er ihr gerade gestellt hatte. »Natürlich interessiert mich der Grund für Ihre Verspätung, Lord Rockley, wenn Sie ihn mir denn nennen wollen.«
»Der Grund, warum ich fast zwei Stunden nach Beginn des Konzerts hier eintraf, war, dass es mich so viel Zeit kostete herauszufinden, wo eine bestimmte junge Dame heute Abend sein würde.«
Victoria fühlte Hitze in sich aufsteigen, sodass sie gewiss errötete. »Wirklich?«
»Wirklich. Miss Grantworth, darf ich Ihnen am Donnerstag meine Aufwartung machen?«
Offensichtlich war der junge Mann von damals nicht im Geringsten enttäuscht von der Frau, zu der sie herangereift war.