II
„Geil ist nicht geil!“

Das hat jetzt aber eh schon ein jeder überrissen, dass es mir da nicht ums Schweinigln geht, oder? Sondern um die verschiedenen Bedeutungen, die ein Wort haben kann. Praktisch um Wörter, die mehr können als wie nur eine Sache. Und geil gehört da auf jeden Fall dazu. Praktisch ein Musterbeispiel für Vielseitigkeit!

Die ursprüngliche Bedeutung von geil ist üppig. Beim Essen. Wenn was so nahrhaft, sprich: so fett ist, dass du keine größeren Mengen essen kannst, ohne dass du dich anspeibst. Wobei da die Grenze individuell verschieden ist. Mir wird schon nach einem Stück Kardinalschnitte schlecht – die Gucki dagegen verputzt locker drei Stückerl und im Notfall auch noch ein viertes. Aber eh nur, wenn der Turrini nicht zuschaut. Damit er sich nicht leidsieht. Weil die Kardinalschnitte halt einmal seine Lieblingstorte ist. Kriegt er aber nur mehr ein einziges Mal im Jahr, seit er auf Diät ist. An seinem Geburtstag. Mit dem anderen geil ist es aber genauso, ist auch individuell höchst verschieden: geil in der Bedeutung von sexuell stimulierend. Weil ein jeder wieder was anderes geil findet.

Ja, Kruzisex noch einmal, was ist denn los mit mir? Dauernd rutschen mir so depperte Fremdwörter heraus. Zuerst penetrant – und jetzt auch noch stimulierend? Ich hab mit Fremdwörtern normal nix am Hut, sexuell erregend passt doch genauso gut. Und dann versteht es wenigstens ein jeder. Und das ist wichtig, das Verstehen. Jetzt kommt nämlich schon das nächste geil, also die nächste Bedeutung von geil. Geil ist nämlich auch der, der sexuell erregt ist. Beziehungsweise, dass mich die Frauen nicht derschlagen so von wegen derana Gleichberechtigung: die, die sexuell erregt ist.

Weil sich die Frauen aber auch wirklich über einen jeden Schas erregen müssen. Nehmen wir nur einmal die Bundeshymne her. Statt Heimat bist du großer Söhne wollen die Frauen unbedingt Heimat bist du großer Töchter, Söhne in der Hymne haben. Von mir aus, können sie ruhig haben! Wer singt denn heutzutage noch eine Bundeshymne, bei der der ganze Text ja von Haus aus komplett vertrottelt ist? Kein Schwein mehr – außer ein paar wehrlose Schulkinder und ein paar hirnlose Sportfanatiker.

Außerdem ein ausgesprochen gutes Geschäft für die Männer, wenn du mich fragst: Die Frauen sind überglücklich mit ihren Töchtern in der Hymne und vergessen dann ganz drauf, dass sie eigentlich gleiche Karrierechancen oder wenigstens gleichen Lohn für gleiche Arbeit wollten.

Sapperlot, jetzt bin ich direkt ein bisserl vom Thema abgekommen! Wo waren wir gleich noch? Beim geil, im Sinn von: auf jemanden geil sein. Ist auch wieder relativ, wie geil einer ist. Gibt es schon Steigerungsstufen. Sagen wir einmal: geil – brunzgeil – geil wie ein ganzes Priesterseminar.

Damit ist es aber auch schon vorbei mit dem ordinär Daherreden. Weil ich jetzt noch auf ein ganz ein anderes geil zu sprechen komm, eines, das mit Sex nicht das Geringste zu tun hat. Ist nur ein Modewort, bei der Jugend. Dieses geil heißt eigentlich gar nix, hat kein bisserl eine Bedeutung. Außer dass das, was man geil nennt, was Gutes ist. Kann praktisch alles sein: Ein Computerspiel kann geil sein, ein Musikvideo kann geil sein, ja, sogar eine Kuckucksuhr kann geil sein. Alles, aber auch wirklich alles kann geil sein!

Übrigens: Wenn sich wer noch erinnern kann, das letzte Modewort der Jugend war cool. Ist heute schon ziemlich am Aussterben. Gottseidank! Hat ja auch nix geheißen. Und ewig wird es das geil auch nicht machen. Bin ich direkt schon neugierig, was dann als nächstes kommt: schief, flott oder dürr? Aber sicher bin ich mir nicht, ob es nicht doch wieder arsch wird.

Jetzt kommt es aber auch schon, warum ich ein bisserl abgeschweift bin, zum geil: weil die Gucki mit 180 km/h den Böhmerberg hinaufrast und zum Turrini sagt: „Das wird vielleicht eine geile Gschicht, Burli!“

Schon interessant, weil die Gucki sonst nie geil sagt. Ist unter Umständen der geile außerirdische Hund dran schuld. Obwohl die Gucki ihren Traum eigentlich schon wieder vergessen hat. Eindeutig ein ordinärer Traum, ein ziemlich ein ordinärer sogar. Ich mein, ich will mich da jetzt nicht als Traumdeuter aufspielen, aber: Was bleibt denn über, wenn man das ganze Außerirdische abrechnet? Der Traum von einer brutalen Vergewaltigung. Auf einer Motorhaube. Noch dazu durch einen Hund! Also ich – ich tät mir da schon so meine Gedanken machen, wenn ich die Gucki wär.

Geht aber nicht, weil die Gucki momentan ganz andere Sorgen hat. Weil sie in zehn Minuten in Wind­gschlief sein muss, wenn sie die Story ihres Lebens nicht versäumen will. Wär ja normalerweise auch kein Problem für die Gucki. Weil sie eine ziemlich eine flotte Fahrerin ist, und ein ziemlich ein flottes Auto hat sie auch. Wird aber trotzdem zu spät kommen, weil sie jetzt scharf bremsen muss. Weil vor ihr gleich drei so Hurns-Lastwagen mitsamt Anhänger dahinkriechen. Und natürlich ganz knapp hintereinander. Dass sich die Gucki nicht dazwischen hineinzwicken kann. Bleibt ihr also nichts anderes über, als dass sie brav hinten nachzockelt. Und sich halt einmal eine Zigarette anzündet. Gauloises ohne Filter raucht sie, schon ziemliche Beuschelreißer. Nach dem Motto: Gscheit oder gar nicht! So ist die Gucki überhaupt, nicht nur beim Rauchen. Auch sonst: Gscheit oder gar nicht! Natürlich auch beim Autofahren.

Schaltet jetzt trotzdem auf die Zweite herunter. Momentan kann sie wirklich nicht überholen, weil die Lastwagenkolonne grad durch so ein verwinkeltes Dorf schleicht. Aber dann – dann kommt auch schon eine lange Gerade. Bergauf, sprich: die Lastwagen noch langsamer. Dann wird sie es einfach riskieren – ja, dann muss sie es einfach riskieren, die Gucki. Das Schön-brav-hinten-Nachfahren ist ja von Haus aus nicht ihre Stärke. Und dann ist es natürlich noch um ein Hauseck geschissener, wenn du ein 300-PS-Auto unter dem Arsch hast. Kommst du dir gleich noch einmal so deppert vor.

„Ja, hallo, Moment einmal!“, wird man da aufschreien. „Wie kommt eine Provinzjournalistin zu so einem Auto? 300 PS! Nimmt die leicht Schmiergeld? Aber für was? Für eine wohlwollende Berichterstattung über einen Fleischhacker kriegst du doch im besten Fall eine Stangen Wurst? Und bei so einem Landtagsabgeordneten wird doch auch nicht so viel zum holen sein?“ Kann ich aber alle beruhigen, bei der Gucki rennt nix mit Schmiergeld. Dafür hat sie einen Kredit rennen und brennt jeden Monat wie ein Luster. Für ihr Traumauto.

Eigentlich war es ja immer das Traumauto vom Opa: Porsche 911 Carrera. Hat sich der Opa aber nicht kaufen dürfen. Von der Oma aus. Obwohl er es sich leisten hätt können. „Sowas gehört sich nicht für einen Beamten!“, hat die Oma gesagt. „Und damit Punkt, aus, Ende, Amen!“, hat sie auch noch gesagt.

Hat der Opa halt sein ganzes Leben lang immer mit irgendeinem VW herumfahren müssen und jedem Porsche traurig nachgeschaut. Drum hat die Gucki dann auch vom Opa als allererstes Matchbox-Auto einen knallroten Porsche 911 gekriegt. Und dann erst einen Käfer, einen Golf, einen Passat und die ganzen anderen VWs, die der Opa fahren hat müssen.

Jetzt aber interessant: Wie die Oma dann gestorben ist, hat sich der Opa keinen Porsche gekauft, sondern erst recht wieder einen VW. Noch dazu einen Oldtimer, Baujahr 1953: VW Karmann Ghia. Hat ausgeschaut wie ein Sportwagen, war mit seinen 60 PS auch einmal ein Sportwagen, aber eben nur zu seiner Zeit. Zu der Zeit, wie ihn der Opa gekauft hat, war er nur mehr ein altes Auto.

Trotzdem hat die Gucki den roten Karmann Ghia heiß geliebt. Weil sie ihn vom Opa geerbt hat, so wie sie ihr kleines Haus in St. Anton vom Opa geerbt hat. Genauso wie ihre schwarze Lederjacke, die außerdem nicht irgendeine Jacke ist, sondern eine Fliegerjacke der Deutschen Luftwaffe. Kurzum: So wie die Gucki eigentlich alles von ihrem Opa hat.

Weil sie sich an ihren Papa gar nicht mehr erinnern kann. Ist schon gestorben, wie sie noch ganz klein war. Und weil auch die Mama ziemlich abwesend war, mit Männern, Alkohol und Spielcasinos komplett ausgelastet. Ist die Gucki halt ein richtiges Opa-Mädi geworden. Hat vom Opa alles gelernt, was man können muss: Fußballspielen, Radlfahren, Mopedfahren, Autofahren. Kommt einem fast der Verdacht, dass der Opa lieber einen Buben als Enkerl gehabt hätt, gell. Wurscht! Der Gucki hat ihre Kindheit getaugt – und auf das kommt es an! Wird die Gucki auch nie vergessen, was sie dem Opa alles verdankt. Auch den Spitznamen Gucki, und der ist ihr bis heute geblieben.

Nur der Karmann Ghia ist ihr nicht geblieben. Ist die Gucki 15 Jahre lang unfallfrei gefahren – und dann hat sie den Karmann Ghia voriges Jahr zusammengehaut. Totalschaden! Hat nicht einmal mehr der Fuzzi was machen können, obwohl der wirklich ein tüchtiger Mechaniker ist. Und ziemlich ehrlich ist er leider auch. „Ja, haben sie dir denn komplett ins Hirn geschissen, Weiberl?“, hat er zur Gucki gesagt, wie sie mit dem Porsche bei ihm in der Werkstatt aufgetrixt ist. Und hat dann in aller Kürze die ärgsten Nachteile von der Gucki ihrem neuen Auto aufgezählt. Zwei Stunden hat er dafür gebraucht. Hat aber so nebenbei die Ventile eingestellt. Und den Vergaser. Und neue Zündkerzen hat der Porsche auch gekriegt.

Hat die Gucki eigentlich nichts sagen können. Hat aber trotzdem was gesagt. „Hab ja nicht ich ausgesucht, den Porsche“, hat sie gesagt. „Den hat der Turrini ganz allein ausgesucht.“

War nicht einmal gelogen. Das war nämlich so: Der Karmann Ghia also fetzhin, muss sich die Gucki um ein neues Auto umschauen. Fahrt sie also fleißig zu die Autohändler, mit dem Peugeot 205 Cabrio, den ihr der Fuzzi geborgt hat. Ist sein Zweitauto, hat er eigentlich nur zum Herborgen, wenn er im Pfusch ein Auto herrichtet. Damit der Autobesitzer während der Reparatur keinen Neid kriegt.

Kommt die Gucki also zum Autohaus Seppl und will sich einen Suzuki kaufen. Ist gleich: Allrad. Weil sie in den zehn Wintern, die sie jetzt im Mühlviertel ist, beim Karmann Ghia so oft Schneeketten auflegen hat müssen, dass es auf keine Kuhhaut mehr geht. Steht die Gucki vor so einem grünen Suzuki Vitara AWD – erschwingliche 8000 Euro tät er kosten –, da fangt auf einmal der Turrini wie wild zum bellen an. Muss sie ihren kleinen Hund suchen, sofort! Kann ja sein, dass er sich wieder einmal mit einem viel größeren und viel stärkeren Hund angelegt hat. Ist aber kein anderer Hund, was sie da sieht, sondern ein anderes Auto. Ein knallroter Porsche 911 Carrera. Cabrio, Verdeck offen. Und am Beifahrersitz aus rotem Rauleder sitzt ihr Turrini und bellt voller Begeisterung. So ein kehliges Bellen, wie er es sonst bellt, wenn er einen doppelt so großen Hund einschüchtern will.

Muss die Gucki natürlich lachen, und eine Viertelstunde später hat sie auch schon den Kaufvertrag unterschrieben. Und kann dann am Heimweg in der Raika St. Anton um einen 25.000 Euro Hypothekarkredit betteln. Weil: Auch wenn er schon 15 Jahre alt ist – geschenkt kriegst du einen Porsche 911 nicht!

Aber 600 Euro im Monat hin, 13 Liter Super auf 100 Kilometer her – die Gucki ist trotzdem glücklich mit ihrem Porsche. Und außerdem hat sie die Schneeketten im letzten Winter gar nicht so oft gebraucht. Da haben wir nicht einmal im Mühlviertel recht einen Schnee gehabt.

Jetzt braucht die Gucki aber wirklich einmal die ganzen 300 PS von ihrem Burschi, wie der Porsche mittlerweile heißt. Schaltet bei der Ortstafel auf die Erste herunter und schert ein bisserl nach links aus. Kein Gegenverkehr. Nur ein Berg, mit einer Kuppe oben. Was dahinter ist, weiß kein Schwein. Aber: Was soll’s?!

„No risk, no fun!“, sagt die Gucki zum Turrini und steigt auch schon aufs Gaspedal, dass sie alle zwei hart in die Rauledersitze gepresst werden. Weil ihr Burschi schon in fünf Sekunden auf 100 km/h beschleunigt.

Da ist der erste Lastwagen mitsamt Anhänger schon überholt, schaltet die Gucki erst auf die Zweite. Geht ja wie geschmiert. Das Problem ist nur, dass es die Gucki auf einmal nicht mehr mit drei Lastwagen zu tun hat, sondern mit vier. Aber nicht dass sie sich verzählt hätte: Der vierte Lastwagen ist grad hinter der Kuppe aufgetaucht und kommt direkt auf sie zu. Und dann hupt er auch noch wie ein Wilder – statt dass er bremsen tät!

Vor oder zurück? Diese Frage stellt sich gar nicht, für eine wie die Gucki. Weil es für sie kein Zurück gibt. Grundsätzlich nicht! Tritt das Gaspedal durch und beruhigt den Turrini, der mindestens so wütend bellt, wie der entgegenkommende Lastwagen hupt. „Geht sich locker aus, Burli!“, sagt sie zu ihm. Oder sagt sie das mehr zu ihrer eigenen Beruhigung?

Jetzt aber interessant: Da geht es um alles oder nichts, und akkurat jetzt fallt der Gucki auf einmal ihr Hunde-Traum ein. Dieses Gefühl des Hilflos-ausgeliefert-Seins, wie sie auf der Motorhaube vom Porsche gelegen ist. Dieses Gefühl hat sie jetzt auch wieder. Könnte einem fast der Verdacht kommen, dass das brutal Autofahren für die Gucki irgendwie sexuell erregend ist. Praktisch geil. Geht mich aber nix an! Das ist der Gucki ihre Privatangelegenheit. Außerdem gibt es momentan wichtigere Sachen, weil die Gucki momentan auf einen Mordstrumm Lastwagen zurast. Mit 160 km/h. Direkt auf den Lastwagen zu.

Dann aber, vielleicht eine Sekunde vor dem Zusammenstoß, reißt die Gucki im letzten Moment das Lenkrad nach rechts – Ist sich ja eh locker ausgegangen! – und rast auch schon mit unverminderter Geschwindigkeit weiter. Nach Windgschlief. Nur dass sie jetzt auf die Dritte schaltet.