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11.
Tyson sagte kein Wort, als sie hinter ihm aufstieg und ihm die Arme um die Taille schlang. Er sah starr vor sich hin. Libby presste ihr Gesicht an Tys Rücken, als das Motorrad brüllend ansprang. Ihr Herzschlag hämmerte in ihren Ohren, und sie schloss die Augen. Es war albern, sich zu fürchten, vor allem, da er ihr versprochen hatte, ganz langsam zu fahren, doch sie bereute ihre Entscheidung jetzt schon. Dieser kleine nagende Zweifel, der sich in ihre Gedanken einschlich, wuchs stetig und wurde immer erschreckender, als die Straße unter den Rädern vorübersauste.
Diese Motorradfahrt machte sie sehr nervös, aber noch schlimmer war, dass ihre Gedanken immer wieder zu Sams verletzenden Anschuldigungen und zu der Erkenntnis zurückkehrten, dass er sie nicht mochte und nicht wollte, dass sie etwas mit Ty zu tun hatte.
Sie versuchte, es so lässig abzuschütteln, wie Joley es getan hätte. Er mag mich nicht? Na und, was interessiert mich dieser Scheißkerl? Aber Libby war nicht Joley und sie konnte diesen Vorfall nicht einfach vergessen. Sams Anschuldigungen hatten sie verletzt. Und es tat weh, nicht gemocht zu werden.
Um Himmels willen! Warum war es ihr so wichtig, dass alle sie mochten? Ja, es kränkte und demütigte sie, dass Sam glaubte, sie hätte es auf Tys Geld abgesehen, aber während sie dasaß und sich in Selbstmitleid suhlte, konnte sie den weitaus tieferen Schmerz spüren, den Tyson aussandte. Sams schneidende Bemerkungen ließen sich nicht zurücknehmen. Sie konnte nur ihr Bestes tun, um Ty mit Wellen wärmender und wohltuender Energie zu beschwichtigen und sich in dem Bemühen, ihn zu trösten, eng an ihn schmiegen. Sie wusste, dass er an sich zweifelte – und an ihr.
An Ty geschmiegt und die Arme um ihn geschlungen, während das Motorrad zwischen ihren Schenkeln vibrierte, begann sie sich allmählich zu entspannen und gönnte sich den Luxus, es zu genießen, allein mit ihm durch die Nacht zu brausen. Sie nutzte die Gelegenheit und sah sich um, weil sie wissen wollte, was ihm am Motorradfahren so gut gefiel.
Die Meeresluft fühlte sich kühl auf ihrem Gesicht an, und als sie ihr Kinn hob, bildeten sich durch den Wind Tränen in ihren Augen. Sie fuhren auf dem stark abschüssigen Highway One über dem Meer. Sie sah auf das schäumende Wasser hinunter und staunte darüber, wie nah der Ozean zu sein schien. Verblüffend war auch, dass die Gischt, die in den mondhellen Himmel aufsprühte, wie ein Schauer von Edelsteinen wirkte. Die Wellen brachen sich, rollten auf die Felsen und zogen sich dann wieder zurück. Das Motorrad fuhr gerade an den Felsformationen und dem Strand in der Nähe der Seelöwenbrutstätte vorbei.
Tyson bog auf eine der zahlreichen Seitenstraßen ab, die gewunden zu den höheren Klippen hinaufführten. Libby war bestens mit der Küste vertraut und wusste, dass der Ausblick von den wenigen weitläufigen Anwesen in dieser Gegend atemberaubend war. Ty fuhr langsamer, als sie sich imposanten Toren von fast zwei Metern Höhe näherten. Er zog eine kleine Fernbedienung aus der Tasche und richtete sie auf das Tor, woraufhin die Flügel nach innen schwangen und dahinter eine lange Auffahrt zu sehen war. Die Auffahrt war zu beiden Seiten von einem beeindruckenden Gelände flankiert, leicht abschüssige Rasenflächen, die mit üppigen Blumenbeeten und Sträuchern gesprenkelt waren und einen äußerst gepflegten Rahmen für das große zweistöckige Haus am Ende der Auffahrt bildeten. Die gesamte Fassade des Hauses war verglast. Es erhob sich zum Meer hin über der Klippe und war so entworfen, dass es sich in die Landschaft einfügte.
Tyson hielt ein paar Meter vor dem Rondell an, von dem aus man zur Garage gelangte, die Platz für drei Wagen bot. »Was sagst du dazu, Libby? Ist es nicht wunderschön?«
Es war nicht nur der Meerblick oder das Haus mit einer Reihe von breiten überdachten Veranden, die dem Verlauf der Küste folgten, sondern auch die Gärten mit den windgepeitschten Bäumen, den Geröllbrocken und den Wiesen. Die Gehwege waren gut beleuchtet und führten in geschützte Nischen. Zum Meer selbst führte ein Blumengarten in üppiger Blüte hinab. Das hier war mehr als bloße Schönheit. Es war … paradiesisch, und man konnte nur ins Schwärmen geraten. Libby hatte sich nie vorgestellt, dass es hier ein solches Anwesen geben könnte.
»Es hat ein separates Gästehaus. Das hat mir besonders gut daran gefallen. Das Haus steht auf zwei Morgen vorwiegend hügeligem Land.«
»Spielst du mit dem Gedanken, es zu kaufen?« Ihr war kein Schild am Tor aufgefallen.
»Ich habe es schon gekauft. Am Tag, nachdem auf Jonas geschossen wurde. Ich habe viel über dich nachgedacht, Libby, und auch darüber, wie sehr wir beide uns von anderen Menschen unterscheiden, und mir ist aufgegangen, dass du mich brauchst. Mich hat noch nie jemand gebraucht.«
Libby stockte der Atem. Sie legte bedächtig den Kopf zurück und blickte zu ihm auf. »Ich brauche dich?«
Er nahm ihre Hand. »Ja, allerdings. Nachdem ich erkannt habe, dass deine Familie vielleicht tatsächlich Gaben besitzen könnte, war ich ein oder zwei Minuten in meinem Selbstbewusstsein erschüttert …«
»Ach, doch so lange?« Libby lächelte matt. Sie fühlte sich schwach. Für sie war der unterschwellige Schmerz in seinem Herzen offenkundig, doch sie war sicher, dass er ihn sich selbst nicht eingestand. Am liebsten wäre sie fortgerannt, aber gleichzeitig verspürte sie den Wunsch, ihn in ihren Armen zu halten, um ihm ein Gefühl von Geborgenheit zu geben.
Tyson strich ihr die Haare hinter das Ohr. »Du kannst nicht nein sagen. Du lässt dich von anderen ausnutzen, Libby. Mir fällt es gar nicht schwer, nein zu sagen. Du fliegst um die ganze Welt, um anderen zu helfen, aber in Wirklichkeit hast du kein eigenes Zuhause und kein eigenes Leben. Ich kann dir diese Dinge bieten. Ich kann dir das hier bieten, einen Zufluchtsort. «
Libby konnte den Blick nicht von seinem Gesicht abwenden. In seine Züge waren tiefe Furchen gemeißelt, die ihr bisher nie aufgefallen waren. Er wirkte seltsam verletzbar und gleichzeitig äußerst entschlossen. Es kostete sie jeden Funken Kraft, nicht die Arme um ihn zu schlingen und ihn eng an sich zu ziehen.
»Tyson, du kennst mich doch kaum«, sagte sie behutsam, doch ihr war deutlich bewusst, dass ihre Schwestern fast dasselbe zu ihr gesagt hatten. Er hatte Recht. Auch wenn sie es sich nicht eingestehen wollte, fiel es ihr schwer, sich abzugrenzen.
Er schüttelte den Kopf. »Du irrst dich, Libby. Ich kenne dich.« Er seufzte. »Es ist nämlich so, Libby. Ich war noch nie in meinem Leben glücklich. Das war mir jedoch nicht klar. Ich wusste nur, dass etwas fehlt. Jetzt macht es mich glücklich, in deiner Nähe zu sein. Wenn ich mit dir zusammen bin, finde ich mich selbst okay. Im Grunde genommen habe ich keine besonders hohe Meinung von mir oder vom Leben im Allgemeinen, aber in deiner Gegenwart fühle ich mich lebendig. Kein Adrenalinschub auf Erden gibt mir das Gefühl, das du mir gibst.«
Libby konnte sehen, was für ein furchtbarer Kampf es für Tyson war, seine Worte mit Sorgfalt zu wählen, um sie davon zu überzeugen, dass er es ernst meinte. Und was wollte er ihr damit überhaupt sagen? Es lief doch nicht etwa auf einen Heiratsantrag hinaus? »Ich bin nicht sicher, worauf das hinauslaufen soll, Ty. Ich bin offensichtlich gern mit dir zusammen, denn sonst würde ich nicht ja sagen, wenn du mich einlädst.«
»Aber du hast doch gar nicht wirklich ja gesagt. Das erste Mal habe ich dich ausgetrickst, und beim zweiten Mal habe ich dich bedrängt.«
Er ließ ihre Hand los und lief zu dem Pfad, der auf die Klippe führte. Libby folgte ihm, und in dem Moment war es ihr verhasst, dass sie seine Seelenqualen mitfühlen konnte. Sie kam sich vor wie ein unerwünschter Eindringling in seiner sorgsam konstruierten Welt.
»Tyson«, sagte sie, »ich versichere dir, wenn ich nicht gern mit dir zusammen wäre, dann verbrächte ich meine Zeit nicht mit dir. Ich bin jedes Mal freiwillig gekommen und weil ich mit dir zusammen sein wollte.«
Als sie sich umsah, wusste Libby, dass sie sich von keinem Haus mehr hätte wünschen können. Der Marmorpfad endete in einem weiten Bogen am Rande der Klippe. Ein gusseisernes Gitter diente als Barriere, und die Aussicht war einfach unglaublich. Sie blieb neben Ty stehen und versuchte verzweifelt die richtigen Worte zu finden, um den Sturm aufzuhalten, der sich in ihm zusammenbraute. Die Spannung war so spürbar, dass jetzt auch Libby zunehmend unruhiger und nervöser wurde.
»Ich habe dieses Haus für dich gekauft, Libby.« Seine Stimme klang düster, fast schon schroff, und sein Blick war trostlos. Ihr Herz dröhnte beinah so laut wie das Meer unter ihnen. »Warum, Ty? Weshalb solltest du so etwas tun?«
»Ich wollte dir einen Einblick in meine Person geben, damit du mehr siehst als den Teil, den der Rest der Welt zu sehen bekommt. Ich habe nämlich irgendwo in mir auch meine guten Seiten.«
»Hältst du es wirklich für nötig, mir ein Haus zu kaufen, damit ich sehe, was in dir steckt, Ty?« Sie schlang ihre Finger um sein Handgelenk und zog daran, bis er sich zu ihr umdrehte. »Du kannst mir glauben, Tyson Derrick, wenn ich dich anschaue, sehe ich, wer du bist.«
»Du hast von allem nur das Beste verdient, Libby.«
Ein kleines Lächeln verzog ihre Mundwinkel, reichte aber nicht bis zu ihren Augen. »Vielleicht solltest du mein wahres Ich sehen. Du machst dir solche Sorgen, ich könnte nicht alle deine Seiten sehen, aber ich glaube, du siehst in mir nur das, was du sehen willst. Ich bin nicht perfekt, und ich werde es auch niemals sein. Und du hast Recht, ich kann nicht nein sagen und am wenigsten dann, wenn ich es unbedingt tun sollte.« Sie zog den Kopf ein. »Das Heilen kostet mich einen Preis. In den meisten Fällen nehme ich die Verletzung nicht auf mich, ich sende nur die Energien aus, die benötigt werden, um die Heilung zu fördern. Das schwächt mich, aber es ist nicht gefährlich. Meine Schwestern sind so eng mit mir verbunden wie ich mit ihnen. Wenn ich beschließe, einen Menschen zu heilen, der tödlich verwundet ist …«
»Wie Jonas.« Wie mich. Er durfte sich nicht einmal ausmalen, was sie für ihn riskiert hatte.
Sie nickte. »Wie Jonas. Dann gefährde ich damit nicht nur mein Leben, sondern auch das meiner Schwestern. Im Allgemeinen bin ich sehr vorsichtig, aber es kann schwierig sein, nein zu sagen, wenn ein Elternteil mich anfleht, weil die Krankheit oder die Verletzungen seines Kindes mit den üblichen Mitteln nicht mehr zu heilen sind … oder wenn es sich um einen Menschen handelt, den ich sehr gern mag.«
»Du bist nicht Gott, Libby, ebenso wenig wie ich es bin. Wir tun, was wir können, und leben damit, dass vieles nicht in unserer Macht steht.« Und wenn es nach ihm ginge, würde sie ihr Leben oder ihre Gesundheit nie mehr gefährden.
»Ich war in Afrika, Ty, und in vielen anderen Ländern, wo die Menschen nichts zu essen und keine Medizin und keine Schulen haben. Es ist schwer, mit anzusehen, wie so viele Menschenleben weggeworfen werden, als zählten sie überhaupt nicht.«
Er nahm ihr Gesicht in seine Hände und beugte seinen Kopf zu ihr hinab. »Diesen Menschen ist nicht damit geholfen, wenn du dir schadest, Libby. Du bist Ärztin und kannst schon allein in dieser Eigenschaft ungeheuer viel Gutes tun. Und du brauchst dich bei mir nicht dafür zu entschuldigen, wie du bist, du brauchst es mir auch nicht zu erklären. Ich weiß ganz einfach, dass ich an deine Seite gehöre. Ich weiß, dass ich dir in vieler Hinsicht zu einem besseren Leben verhelfen kann.« Hier im Dunkeln unter dem Sternenhimmel, während unter ihnen das Meer rauschte, fiel es ihm viel leichter, mit ihr zu reden.
»Ich weiß, dass dich das, was Harry und Sam gesagt haben, tief getroffen hat, Ty«, sagte Libby. »Dein Geld interessiert mich nicht.«
»Das macht mich nicht so glücklich, wie man meinen sollte. Denn wenn du an Geld interessiert wärst, hätte ich dir etwas zu bieten.«
Er war wie ein kleiner Junge, der ihr seine Schätze einen nach dem anderen anbot, damit sie bei ihm blieb. »Ich dachte, du hättest gesagt, ich bräuchte dich.«
»Das stimmt, aber du bist wahrscheinlich noch nicht so weit, es dir einzugestehen.«
Sie zuckte die Achseln. »Ich weiß es nicht. Bei dem Gedanken, außer meiner Familie noch jemanden in meinem Leben zu brauchen, fühle ich mich verletzbarer als jemals zuvor. In meiner Familie gibt es eine Prophezeiung über ein Tor, das sich öffnet, wenn wir unsere wahre Liebe finden.« Sie lachte leise. »Meine Schwestern und ich haben ein Schloss an dem Tor angebracht, um unsere Sicherheit zu gewährleisten.«
Er ließ einen Finger über ihren Wangenknochen gleiten. »Ihr habt eure wahren Lieben ausgesperrt? Du zerstörst all meine Illusionen. Werden Frauen nicht schon mit dem Heiratswunsch geboren?«
Libby lachte schallend. »Ich glaube, Männer wollen das gern glauben, aber erstaunlicherweise gefällt vielen von uns unsere Unabhängigkeit. Wir sehen die Ehe als eine Institution an, die vor allem den Männern Vorteile bringt.«
Er riss beide Hände in die Luft. »Jetzt schockierst du mich wirklich. Wie kann das sein?«
»Sämtliche Vorteile sind auf der Seite des Mannes. Wir Frauen verdienen inzwischen Geld und bestimmen über unser eigenes Leben. Wenn wir uns mit einem Mann einlassen, fallen uns all die üblichen Hausarbeiten zu, während wir weiterhin Geld verdienen.« Sie grinste ihn an. »Was soll daran reizvoll sein?«
»Schön, ich werde kochen lernen.«
»Das wirst du nie lernen, Ty, probier es also gar nicht erst.«
»Kannst du nicht mit der Nase wackeln oder so was, und schon steht das Abendessen auf dem Tisch?«
»Ich glaube, Hannah könnte das. Vielleicht bemühst du dich um die falsche Schwester.« Das Lächeln schwand von ihrem Gesicht. »Ich habe so oft an dich gedacht, aber mir kam es immer so vor, als würdest du mich ablehnen. Ich hatte keine Ahnung, dass du mich überhaupt beachtet hast.«
»Wie hätte ich dich nicht beachten können? Also wirklich, Libby, du bist schön, du bist intelligent, und du bist teuflisch sexy. Jeder Mann, der richtig im Kopf ist, würde dich anstarren. Ich dachte damals nur noch nicht an etwas Dauerhaftes.«
»Du meinst, du hast meine ganze Familie für einen Haufen Scharlatane gehalten.«
»Ja, das schon. Wie hast du dich jemals damit abfinden können, dass du fähig bist, Energien auf irgendeine Weise zu manipulieren, ohne eine wissenschaftliche Erklärung dafür finden zu wollen? Ich hätte Tag für Tag Experimente angestellt, bis ich es herausgefunden hätte.«
»Nicht, wenn du damit aufgewachsen wärst und es für dich zum normalen Alltag gehört hätte. Meine Familie besitzt diese Gaben schon seit Generationen. Keiner macht sich Gedanken darüber, wie wir es tun, es ist uns ganz selbstverständlich. Wir müssen nur schon in unserer Kindheit lernen, die Gaben zu akzeptieren und sie unter Kontrolle zu halten. Das ist nicht allzu leicht, und daher geht das Staunen über unsere Gaben manchmal beim Erlernen ihrer Handhabung verloren.«
»Du solltest das Gefühl haben, etwas ganz Besonderes zu sein mit deiner speziellen Begabung.«
Libby drehte sich in seinen Armen um, lehnte sich an ihn und blickte über das Meer hinaus. »Die meiste Zeit nicht. Die meiste Zeit nehmen wir das, was wir tun, als selbstverständlich hin, als einen Teil unseres Lebens, über den wir uns keine Gedanken machen. In unserer Kindheit war das anders, wir haben uns als Außenseiter gefühlt, als Sonderlinge.« Sie blickte zu ihm auf. »Wahrscheinlich so, wie du dich gefühlt hast, als dir klar geworden ist, dass du auf einer vollkommen anderen Ebene gedacht und gelernt hast als die meisten Menschen. «
Er rieb sein Kinn auf ihrem Kopf. »Als Heranwachsender war ich ziemlich eingebildet. Ich glaube, ich hatte Komplexe und habe mich ständig von allen angegriffen gefühlt.«
»Du bist rechthaberisch und eine Spur arrogant.«
»Ich bin nicht rechthaberisch, ich habe Recht. Und du brauchst mich als Schutz vor all den Forderungen, die du an dich selbst stellst.«
»Ach ja?« Sie lachte leise. »Die Arroganz hat das Wort.«
»Nein, eben nicht. Wünschst du dir denn keine Familie? Kinder? Kompromissbereitschaft ist eine gute Sache, Libby.«
»Und du sagst mir, wie der Kompromiss aussieht?«
Er zuckte die Achseln. »Einer muss es ja tun, Libby.«
Sie löste sich aus seinen Armen, drehte sich zu ihm um und sah ihn finster an. »Ist dir schon mal aufgegangen, dass es mir bisher prima gelungen ist, mein Leben selbst in die Hand zu nehmen, ohne dass mir jemand sagt, was ich zu tun habe?«
»Ich habe nicht geglaubt, dass ich damit durchkomme, aber ich dachte, ich kann es ja mal versuchen.«
Sein schiefes Grinsen ging ihr nahe. Libby schüttelte den Kopf. Traurigkeit lauerte in den Tiefen seiner Augen. Sie war immer da. Niemand außer ihr schien sie zu sehen, noch nicht einmal Tyson selbst, aber sie verflog nie. Etwas tief in ihrem Innern reagierte darauf, und sie verspürte das Bedürfnis, diesen Ausdruck von Einsamkeit und Schmerz auszulöschen und durch etwas ganz anderes zu ersetzen. »Jemand muss dich unter seine Fittiche nehmen, Ty. Warum also nicht ich?«
»Komm, lass uns das Haus ansehen.«
»Das kommt gar nicht in Frage. Wenn ich mit dir dort hineingehe, wirst du versuchen, mich zu verführen, und ich werde jedes Mal schwach, wenn du mich küsst.«
»Ich werde dich verführen, ob im Haus oder hier draußen, also können wir es auch gleich an einem warmen Ort tun.« Seine Stimme war rauer geworden und stellte an sich schon eine Verführung dar.
Ein Schauer durchzuckte Libby, und ihr Körper reagierte augenblicklich. Er würde sich nicht sehr anstrengen müssen. Sie hatte das Gefühl, ihn schon ihr ganzes Leben lang begehrt zu haben. Nachts, wenn sie alleine war, träumte sie von diesem einen Mann und malte sich in tausend Varianten aus, wie sie ihm gefallen könnte. Ihn für sich haben könnte. Selbst dann, wenn sie sich wegen einer eingebildeten Kränkung oder einer unbedachten Bemerkung von ihm in den Schlaf geweint hatte, hatte sie immer noch davon geträumt, dass seine Hände ihren Körper streichelten und sein Mund sich ihrer Lippen bemächtigte.
Tyson stöhnte, als er sie in seine Arme riss. »Du kannst mich nicht so ansehen und von mir erwarten, dass ich dich nicht beim Wort nehme.« Das unverhohlene Verlangen auf ihrem Gesicht war sein Untergang. Er führte sie den Pfad hinab und ließ ihr keine Zeit zum Nachdenken, sondern küsste sie immer wieder, gab ihr glühende, erotische, erregende Küsse, während er die Lederjacke von ihren Schultern stieß, die unbemerkt auf den Weg fiel und dort liegen blieb.
Er öffnete die Tür und stieß Libby ins Haus, folgte ihr und presste sie an die Rückwand der Eingangshalle, hielt sie in seinen Armen gefangen und verschlang ihre Lippen mit seinem Mund. Es mochte sein, dass Libby sein Geld nicht wollte, aber seine Küsse wollte sie ganz entschieden, und es gab andere Mittel und Wege, um sicherzustellen, dass sie ihn nicht verlassen wollte. Er hatte die heutige Nacht, um sie davon zu überzeugen, dass sie zu ihm gehörte, und er hatte die Absicht, jede Minute voll und ganz auszunutzen. Er würde dafür sorgen, dass sie keinen klaren Gedanken fassen konnte, bis sie so tief mit ihm verbunden war, dass sie für immer bei ihm bleiben würde.
Hinter ihnen schwang die Tür zu, und er hatte Libby ganz für sich allein. Wie lange hatte er auf diesen Moment gewartet? Jahre. Er hatte Libby schon viel zu lange begehrt, und seine Selbstbeherrschung schwand rapide. Ihr Mund war eine dunkle, heiße, feuchte Höhle. Er brauchte ihre Haut unter sich, von Kopf bis Fuß, und er wollte, dass ihr Körper sich seinem öffnete und ihn begehrte. Er konnte sich an keinen einzigen Menschen in seinem ganzen Leben erinnern, der ihm allein gehört hatte, und er wollte Libby. Diese eine Frau. Mehr verlangte er nicht, und mehr würde er auch nicht nehmen. Nur dieses eine Geschenk wollte er für sich haben.
»Ich kann nicht atmen, Ty«, flüsterte sie an seinen Hals, und ihre Finger gruben sich in seine Schultern. »Ich bekomme wirklich keine Luft mehr.«
»Du brauchst nicht zu atmen, Libby. Ich werde für dich atmen«, antwortete er in seinem Heißhunger auf sie. Er brauchte sie dringend, und er war darauf angewiesen, dass sie bereit war, alles für ihn zu tun – sogar ihn zu behalten, damit er mehr von ihr bekam. Bei Gott, er brauchte sie, so einfach war das. So sah die Realität aus. Er hatte sich vor dem Rest der Welt an einen dunklen Ort zurückgezogen, an dem ihn nichts berühren konnte, bis Libby aufgetaucht war. Sie war sein Reisepass, sein Sonnenschein, sein einziger Weg aus der Einzelhaft in dem Verlies, das sein Leben war. Libby mit ihrem erotischen Mund, ihren sinnlichen Augen und ihrer köstlichen Haut, die danach lechzte, berührt zu werden. Wenn er sie heute Nacht nicht bekam, würde er es nicht überleben.
Er hielt sie weiterhin mit seinem Mund auf ihrem an die Wand gepresst, während er seine Jacke zur Seite warf und es schaffte, aus seinem Hemd herauszukommen. Seine Fähigkeit, einen klaren Gedanken zu fassen, war schnell im Schwinden begriffen. So viele Empfindungen drängten sich ihm auf. Er hatte Sex immer als eine Wissenschaft aufgefasst, die eingehende anatomische Kenntnisse erforderte, und auch da wollte er der Klassenbeste sein. Es drehte sich alles nur um die richtigen Stellen, die richtigen Berührungen, und es war eine Frage von Geschicklichkeit und Kunstfertigkeit, aber vor allem eine Frage der Kontrolle. Aber bei Libby war alles ganz anders.
»Sag nicht ja, wenn du vorhast, wieder wegzugehen, Libby. So funktioniere ich nicht.« Seine Stimme war barsch und gepresst, obwohl er ihr gerade die Bluse über den Kopf zog, um sie fortzuschleudern. Er wartete ihre Antwort nicht ab, sondern suchte mit der Glut seines Mundes bereits ihre Kehle und hakte gleichzeitig den Verschluss ihres BHs auf. Er ließ seine Handflächen von ihrer Taille nach oben gleiten, um sie auf ihre kleinen Brüste zu legen, und schloss die Augen, um noch besser auskosten zu können, wie ihre samtweiche Haut sich anfühlte. Sie fühlte sich noch zarter an, als er es sich jemals vorgestellt hatte.
Nichts, was er je zuvor getan hatte, hatte ihn auf seine Reaktion auf diese Frau vorbereitet. Sein Verlangen ließ sein Herz heftig pochen und seinen Körper beben, und seine Lunge schien keine Luft aufnehmen zu wollen. Irgendwie gelang es Libby, seine eiserne Kontrolle zu zerschmettern. Er drückte eine Spur von Küssen von ihrem Hals bis zu ihrem Brustansatz, ehe er die Augen öffnete.
»Du bist so verflucht schön«, sagte er. »Tritt dir die Schuhe von den Füßen und sieh zu, dass du aus deiner Jeans rauskommst. Beeil dich, Baby, ich verglühe.«
Es stand nicht in Libbys Macht, sich dem Befehlston seiner rauen, gierigen Stimme oder der Intensität zu widersetzen, die in den Tiefen seiner Augen brannte. Seine Hände bewegten sich so sicher über ihren Körper, ohne jedes Zögern und ohne jede Zurückhaltung, besitzergreifend und gebieterisch, als wüsste er genau, was er tat und wohin er sie führen würde.
Sie konnte ihren Blick nicht von seinen Augen abwenden, während es ihr gelang, aus ihren Schuhen zu kommen, und ihre Hände auf ihre Jeans sanken. Sie pochte bereits vor Verlangen nach ihm, und ihre Lust hatte jeden Punkt überschritten, den sie bisher je erreicht hatte. Sie wollte sich ihm nur noch hingeben, sich ganz und gar den Genüssen überlassen, die sein Mund, seine Zähne, seine Zunge, seine Hände und sein Körper ihr verschaffen konnten. Sie wollte ihn nahezu verzweifelt für sich haben.
Ohne den Blick von seinen Augen abzuwenden schälte sie sich langsam aus ihrer Jeans und Unterwäsche, stieg heraus und ließ alles auf den Boden fallen. Libby reckte ihr Kinn in die Luft, als seine blauen Augen sich abwandten, um ihren nackten Körper zu inspizieren. Sein Blick glitt über ihre kecken kleinen Brüste zu ihrer schmalen Taille und dem flachen Bauch und noch tiefer, bis sie sah, wie seine Augen auf ihrer Wanderung stillhielten, sein Atem abrupt stockte und seine Zunge über plötzlich trockene Lippen fuhr. Begeistert sah sie den Schauer, der seinen Körper durchzuckte, und die Lust, die seine Augen verdunkelte, als er sah, dass sie überall weich und zart war.
Ty zog seine Stiefel und Socken aus und warf sie ein gutes Stück weit weg. »Und jetzt meine Jeans, Libby.«
Sie konnte ihren Blick nicht von seinen Augen lösen, während sie tat, was er gesagt hatte. Jede Berührung ihrer Finger, wenn sie die Ausbuchtung des Stoffs streiften, sandte einen weiteren Schauer der Lust durch ihn. Ihr ganzer Körper prickelte und pulsierte vor Leben und nahm nichts außer ihm wahr. Langsam zog sie den Reißverschluss seiner Jeans hinunter und steckte dann beide Hände in den Hosenbund und zog.
Es kostete sie einige Mühe, die Jeans an ihm herunterzuziehen, und während sie das tat, ertappte sie sich dabei, dass sie voller Ehrfurcht seine gewaltige Erektion anstarrte. Der Atem strömte aus ihrer Lunge, und ein leises Stöhnen kam über ihre Lippen. Sein Schaft reagierte sofort freudig darauf. Libby richtete sich langsam auf, lehnte sich wieder an die Wand und gestattete ihrem Blick, Zentimeter für Zentimeter über seinen nackten Körper zu gleiten.
»Ich möchte deine Hände auf mir spüren«, sagte er. »Jetzt, Libby. Schling deine Finger um mich.«
Seine Stimme war so heiser und so rau, dass ihr ein Schauer über den Rücken lief. Sie nahm seinen Hodensack in beide Hände, ließ ihre Finger in einer ausgiebigen Liebkosung über ihn gleiten, den dicken Schaft ertasten und ihre Fingerspitzen mit der prallen Eichel spielen. Er fasste sich erstaunlich heiß an.
Bei ihrer ersten Berührung verlor er jede Kontrolle und senkte seinen Mund mit einem Stöhnen purer Fleischeslust auf ihre Brustwarze. Ein ersticktes Stöhnen entrang sich ihr, als ihr Körper sich ihm entgegenbog und eine Hand ihn weiterhin streichelte, während die andere sich in sein Haar grub. Sein Atem ging jetzt abgehackt. Seine Zunge streichelte sie, während er an ihrer Brustwarze saugte und ihr ein Keuchen der Lust entrang.
Seine Hand glitt an der Innenseite ihres zarten Schenkels hinauf und seine Knöchel streiften den empfindlichen Hügel zwischen ihren Beinen. Sie war so feucht und so bereit und dabei hatte er noch gar nicht angefangen.
Tyson hob sie mühelos auf seine Arme und legte sie auf den Teppich vor dem Kamin, streckte sich neben ihr aus und legte seine Hand auf ihren vollendeten zarten Hügel. Seine Berührung ließ ihren Körper heftig zucken, und ein leiser Aufschrei entwich ihr. Er beugte sich über sie, um den nächsten Laut ihrer Erregung mit seinen Lippen aufzufangen, als er langsam einen Finger in ihrer einladenden feuchten Öffnung versinken ließ.
Er liebte ihren Mund und dass sie so sinnlich wirken konnte, um dann von einem Moment auf den anderen zu schmollen oder zu lachen. Er zog mit seinen Zähnen an ihrer Unterlippe, fuhr die Konturen mit der Zunge nach und sog dann wieder zart daran, als sie leise stöhnte. Mehr als alles andere erregte es ihn, ihr Mienenspiel zu beobachten, wenn nackte Gier und reine Leidenschaft sich abwechselten. Und das galt ihm. Alles nur ihm.
Libby konnte ihren Blick nicht von den ausgeprägten Furchen in Tysons Gesicht losreißen. Dieser Ausdruck hätte für alle Zeiten in Stein gemeißelt werden sollen, reine Sinnlichkeit und ein heimliches Versprechen ungeahnter Lüste. Er fuhr mit seiner Zunge über ihre Brustwarze, eine Stichflamme, die durch ihre Haut zu dringen schien, um geradewegs zu ihren Lenden zu eilen. Ihre Muskeln spannten sich eng um seine Finger. Er bedeckte ihren Bauch abwechselnd mit Küssen, dem Schnellen seiner Zunge und zärtlichen Bissen, bis sie sich unter seinen Lippen hin und her warf, weil sie glaubte, diese Lust sei nahezu unerträglich.
Er stieß ihre Schenkel auseinander und legte seinen Kopf dazwischen. Libby schien keine Luft mehr zu bekommen. Er beobachtete sie mit glühendem Blick und fuhr sich erst mit der Zunge über die eigenen Lippen, bevor er sie berührte. Sein sinnlicher Gesichtsausdruck ließ ihren Puls rasen.
»Ty, ich glaube nicht, dass ich das aushalte.«
Sein kleines Lächeln war durchtrieben. »Ich glaube, du wirst in meinen Armen bersten und zersplittern, Libby. Überlass dich einfach nur mir.«
Es ging ihm also um Kontrolle. Er sagte ihr, dass er die Kontrolle an sich reißen wollte. Libby schloss die Augen, und ihre Finger gruben sich in den dicken Teppich, als er den Kopf senkte und ihren empfindsamen Hügel leckte. Ihr ganzer Körper bewegte sich ruckartig. Zum Teufel mit der Selbstbeherrschung. Libby Drake würde zu den bösen Mädchen überwechseln. Nichts hatte je so gut getan. Nichts hatte ihr jemals so sehr das Gefühl gegeben, am Leben zu sein, schön zu sein, begehrt zu werden und sexy zu sein. Oder, genauer gesagt, niemand hatte ihr dieses Gefühl gegeben. Als sie mit Tyson zwischen ihren Schenkeln nackt auf dem dicken Teppich ausgestreckt dalag, gab sie sich der reinen Schönheit purer Empfindungen hin.
Tyson hauchte auf ihren bebenden Körper, und seine Zunge glitt noch einmal in einer langen streichelnden Bewegung über sie, bog sich, rollte sich zusammen und liebkoste sie, tauchte tief in sie ein, und dann hörte sie sich seinen Namen rufen, als er fest an ihr saugte, seine Zunge sich tief in sie stach und sich an ihrer empfindlichsten Stelle scheuerte. Sie konnte nicht still liegen, sondern warf sich unter ihm hin und her. Ihre Lunge brannte aus Mangel an Luft, während ihr Körper sich immer mehr anspannte und straffte und sich auflud, bis sie glaubte, sie würde explodieren.
»Tyson!« Sie packte mit einer Faust sein dunkles Haar und riss daran. »Du bringst mich um.«
»Keine Sorge, Baby, es ist alles in Ordnung«, ermunterte er sie. »Ich möchte, dass du bereit für mich bist.« Seine Finger gruben tief und stießen auf Gold, und sie bäumte sich auf, und ihr Rücken wölbte sich, als Wellen von Orgasmen sie von Kopf bis Fuß erschütterten.
Tyson veränderte augenblicklich seine Lage, zwängte sich zwischen ihre Beine und stieß sich tief in ihre seidige Scheide. Ihre Muskeln packten fest zu und verwehrten ihm beinah den Einlass, obwohl sie so glitschig war; doch sie gaben nach, als er tiefer vordrang und sich einen Weg durch die engen heißen Falten bahnte. Er traf auf einen unerwarteten Widerstand, und dann versank er in ihr und hielt einen Moment lang ganz still, um die Wonne auszukosten, die es ihm bereitete, endlich in Libby Drake zu sein.
Er stützte sich auf seine Arme und beugte den Kopf zu ihr hinunter, um den süßen Geschmack ihres Mundes zu finden. Seine Hüften schlugen einen harten, schnellen Rhythmus an, als er den Kopf hob, um die Lust auf ihrem Gesicht zu sehen. Leidenschaft breitete sich mit der Wucht und der Hitze eines Feuersturms in seinem Körper aus. Kein Brand, den er je bekämpft hatte, war ihm so heiß erschienen.
Ihre Nägel gruben sich in seine Schulter, als sie zwischendurch den Kopf hob, um eine Reihe von Küssen auf seine Brust zu pressen. Jede Berührung trieb ihn dem Wahnsinn noch näher entgegen. Ihre Finger und ihr seidiges Haar streiften seine Haut. Ihre Blicke trafen sich, und ihre Augen waren glasig und von sinnlichem Verlangen verschleiert, aber es leuchtete auch noch etwas anderes darin, was die Feuersbrunst außer Kontrolle geraten ließ und seine Seele versengte. Er wagte zwar nicht zu glauben, dass sie ihn lieben könnte, aber sie empfand etwas für ihn, was nicht nur pure Lust war, und das genügte ihm.
»Du bist so eng, Libby, und so verdammt heiß.«
Nichts im Leben, nicht einmal seine erotischsten Phantasien, hatte ihn darauf vorbereitet, an Libbys Körper teilzuhaben. Wieder keuchte sie seinen Namen, und dieses hilflose kleine Flehen um Erlösung ließ den letzten Faden seiner Selbstbeherrschung zerreißen. Er packte ihre Hüften mit seinen Armen und hielt sie still, während er immer wieder tief in sie eintauchte und die Leidenschaft wie Donner in seinen Ohren dröhnte. Er spürte, wie sie um ihn herum zuckte und ihn fest umklammerte, und ihre leisen Schreie vermischten sich mit seinem eigenen erstickten Aufschrei. Die Empfindungen setzten irgendwo in seinen Zehen ein und fegten mit einer solchen Wucht durch seinen Körper, dass er es durchaus für möglich hielt, er könnte diese Lust nicht überleben.
Libby grub ihre Nägel in seinen Rücken, um sich an dem einzigen Anker festzuhalten, der in Reichweite war, als ihr Körper den Höhepunkt der Ekstase erlebte und die Erde davonwirbelte. Sie lag unter ihm und hatte das Gefühl, ihr Herz könnte ihren Brustkorb sprengen, aber das war ihr ganz egal. Eine Zuckung nach der anderen erschütterte sie, und sie klammerte sich an Tyson. Sie war schockiert darüber, dass sie so schnell so viel empfinden konnte, dass ihr ungeschulter Körper mit derart heftigen Orgasmen reagieren konnte. Sie war Ärztin. Wie oft hatte sie Frauen den tröstlichen Rat erteilt, es könnte eine Weile dauern, bevor man einen Orgasmus hätte – oder gar multiple Orgasmen.
Sie fuhr mit ihren Fingern durch sein Haar, kleine zärtliche Liebkosungen, die dazu gedacht waren, ihm die Ungeheuerlichkeit dessen, was sie empfand, zu übermitteln.
Tyson hob den Kopf und stützte sich auf, um sich leichter zu machen. »Vielleicht hast du dir gewünscht, dass ich langsamer vorgehe, Libby. Aber glaub mir, ich hatte keine Chance.«
Libby blickte lächelnd zu ihm auf. »Ich glaube, wir können uns darauf einigen, dass es für ein erstes Mal ziemlich gut gelaufen ist. Na ja, vielleicht sind die Hautabschürfungen auf meinem Rücken ja doch schlimmer, als es mir im Moment vorkommt.«
Er strich ihr das Haar aus dem Gesicht und ließ seine Finger auf ihrer Haut liegen. »Du siehst sehr zufrieden aus. Schläfrig, aber zufrieden. Ich finde es wunderschön, dass ich deinem Gesicht diesen Ausdruck gegeben habe.«
»Ich schätze, der Teppich hat ziemlich gelitten.«
»Ich besorge einen neuen«, sagte er und rollte sich gemeinsam mit ihr herum, so dass sie jetzt mit ihrem Kopf an seiner Schulter auf ihm lag. »Ich möchte dich nicht zerquetschen.«
Libby schloss die Augen und liebte das Gefühl, seine Arme um sich, seinen Körper unter sich und seine Beine mit ihren verschlungen zu spüren. Sie sah sich im Zimmer um, denn das hatte sie bisher noch gar nicht getan. Es war riesig. Der Fußboden war aus hellem Holz, damit er den Sonnenschein einfing, der durch die verglaste Wand auf der Meerseite strömen würde. Die Aussicht war spektakulär. Draußen strömten die Wellen auf den felsigen Strand unter der Klippe, ein beschwichtigendes Rauschen, dessen Klang sie mit der Zeit einschlafen ließ.
Tyson hielt sie in seinen Armen. Im Vergleich zu ihm wirkte sie so zart und zerbrechlich. Sein Körperbau war wesentlich kräftiger, und er war eindeutig gut ausgestattet. Er hatte gefürchtet, er könnte ihr wehtun, doch sie war begierig auf ihn gewesen und überhaupt nicht furchtsam. Nie hatte er geglaubt, Libby Drake könnte eines Tages nackt auf ihm liegen und ihren Mund im Schlaf an seine Brust pressen. Oder ihr Körper könnte sich mit restloser Hingabe unter ihm winden. Er ließ sie eine halbe Stunde schlafen, bevor er sich behutsam unter ihr herauswand und einen Waschlappen suchte, um sie beide zu säubern. Er wollte sie schon wieder. Vielleicht war es ihm bestimmt, für den Rest seines Lebens die meiste Zeit mit einem Steifen rumzulaufen.
Libby erwachte von seinen Küssen. Sanften, liebevollen, zärtlichen Küssen. Sie erwiderte sie, lächelte und schlang ihm die Arme um den Hals. »Es ist wunderbar, so geweckt zu werden. «
»Du hast mir gefehlt.«
Sie lachte, und ihre Augen glitzerten. »Wie viel Zeit ist vergangen, etwa eine ganze Stunde?«
Das Wissen, dass sie über seine Bemerkung lachen würde, bereitete ihm heimliches Vergnügen. »Ich schiele schon, so lange habe ich dich angestarrt.«
Sie schmiegte sich an ihn und streifte seinen Mund mit ihren Lippen, bevor sie sich von ihm löste. »Wo ist das Bad?«
Er deutete in die Richtung. Libby stellte erstaunt fest, dass es ihr überhaupt nicht peinlich war, splitternackt vor ihm herumzulaufen – sie genoss es sogar, seine Blicke auf sich zu fühlen. Als sie zurückkam, lief sie bewusst an ihm vorbei ans Fenster, wo der Mondschein auf sie fallen konnte, während sie aufs Meer hinausschaute.
Seine Augen begannen zu glühen. Ein Raubtier auf Beutefang. »Du bringst mich um, Lib. Ich kann dich nicht anschauen, ohne steif zu werden.«
Libby lachte leise und fühlte sich zum ersten Mal in ihrem Leben sexy. Das war ein Gefühl, an das sie sich mühelos hätte gewöhnen können. »Ach, wirklich?« Sie gestattete es ihrem Blick, über seinen Körper zu gleiten, um ihn zu necken, ihn zu provozieren. Sie gab sich kokett. Dabei hatte sie sich noch nie kokett gegeben. Sie wusste noch nicht einmal, wie man flirtete.
Er kam auf sie zu wie ein Tiger, stürzte sich auf sie und drehte sie um, bis sie gegen die Glasscheibe gepresst war. Beide Hände legten sich von hinten auf ihre Brüste, und seine Erektion, die bereits beachtlich war, presste sich gegen ihr Hinterteil. »Ja, wirklich«, antwortete er und senkte seinen Kopf auf ihre Schulter, um sie mit zarten Bissen zu necken, die ihr Schauer über den Rücken laufen ließen. Er übte Druck aus und bog sie langsam nach vorn, um ihre Wirbelsäule mit Küssen und Bissen zu traktieren.
Sie presste ihre Handfläche gegen das Glas, um Halt zu finden, und sah Ty über ihre Schulter an. Sein Gesicht war von Leidenschaft und Lust gezeichnet, und in seinen Augen stand ein solches Begehren, dass es ihr den Atem verschlug und sie feucht wurde. »Du kannst mich unmöglich schon wieder wollen.«
»Du bist so wunderschön, Libby«, antwortete er. Er liebte es, sie vor dem Hintergrund des hochflorigen weißen Teppichs nackt zu sehen, während die Glasscheibe, an der sie lehnte, funkelte. Er hatte den Strom im Haus noch nicht anstellen lassen, aber sie brauchten kein Licht. Im Mondschein waren ihre Rundungen klar zu erkennen, und die Wolken warfen faszinierende Schatten auf ihre zarte, einladende Haut. Ihr Haar war eine Kaskade aus mitternachtsschwarzer Seide. Er streichelte die Rundung ihres Hinterns, die Innenseite ihrer Schenkel und ließ seine Hand dahin gleiten, wo er sie bereits glitschig und aufnahmefähig vorfand. »Genau das wollte ich sehen, Baby«, sagte er beifällig mit heiserer Stimme.
Er liebte die Male der Besitznahme, die er auf ihrer Haut erkennen konnte. Male, die er hinterlassen hatte. Seine Frau. Wie sie auf ihn reagierte und wie sie ihn ansah und ihre atemlosen kleinen Schreie, wenn er sie mit seinen Fingern streichelte. All das war ganz erstaunlich für ihn, eine wunderbare neue Welt, in der er für den Rest seines Lebens verweilen wollte.
Sie stöhnte laut, und ihre Hüften pressten sich an ihn. Er stieß zwei Finger in sie und streichelte sie. Ihre Scheide war heiß und seidenweich, und ihre Muskeln spannten sich so fest um ihn, dass seine Lust umso größer wurde. Langsam hob er seine Hand, um ihren Geschmack von seinen Fingern zu lecken.
Libby konnte den Blick nicht von ihm abwenden. Jede seiner Berührungen und jeder seiner Blicke waren so unglaublich intensiv. Tyson war von Natur aus zielstrebig. Wenn er forschte, war er von ganzem Herzen dabei. Sie hätte wissen müssen, dass er ein gründlicher und dominanter Liebhaber sein würde. Er wollte ihr Lust bereiten, aber nicht nur das, sondern schiere Ekstase, und er machte sich mit derselben Zielstrebigkeit ans Werk wie sonst auch.
Sie beobachtete sein Gesicht, als er ihre Hüften umfasste und in sie eindrang. Er fühlte sich an wie ein Brandmal, als er mit erlesener Vorsicht Zentimeter für Zentimeter in ihren Körper eindrang. Sie hätte am liebsten vor Lust laut aufgeschrien, und ihr Körper zitterte unter seinen liebkosenden Händen. Seine Finger zogen an ihren Brustwarzen und sandten kleine Elektroschocks direkt in ihre heiße, enge Scheide.
Libby erwiderte keuchend jeden seiner kräftigen Stöße. Als sie sicher war, dass sie in Flammen aufgehen würde, bewegte er sich nur noch ganz langsam und brachte sie damit fast um den Verstand, aber nur, um ein zweites Mal Tempo zuzulegen und seine Besitzansprüche zu behaupten. Jeder Muskel und jede Zelle ihres Körpers schienen in Bereitschaft zu sein und um Erlösung zu flehen, doch er hielt sie an genau diesem Punkt in der Schwebe, bis sie sicher war, die intensive Lust keinen Moment länger ertragen zu können.
Etwas Finsteres schlich sich in ihr Gemüt ein und schob sich vor die leuchtenden Farben und die erotische Seligkeit, die sie durchströmte. Nicht mehr als eine transparente Rauchfahne, doch sie bekam Gänsehaut. Sie öffnete die Augen und sah aus dem Fenster in den dichten Schleier der Dunkelheit, in den das Haus gehüllt war. Tysons Finger bohrten sich in ihre Hüften, und er zog sie an sich und sandte Glutschwaden durch ihren Körper, bis es ihr den Atem verschlug und sie keinen zusammenhängenden Gedanken mehr fassen konnte.
Aber da war es wieder. Etwas bewegte sich an all der Lust vorbei durch ihr Gemüt, ein verzerrter Schatten, der immer größer wurde. Sie wollte Atem holen und sich einen Moment Zeit nehmen, bis sie wieder bei Sinnen war, doch es war zu spät. Ihr Körper verriet sie, und ihr Orgasmus durchzuckte sie mit solcher Wucht, dass sie fast zu Boden gefallen wäre und gezwungen war, sich an der Glasscheibe festzuhalten, um einen Sturz zu verhindern. Hinter ihr gruben sich Tysons Finger tief in ihr Fleisch, während er sich in sie ergoss, und sein kehliger Schrei durch das Zimmer hallte. Einen Moment lang kam es Libby so vor, als könnte sie den Himmel berühren.
Sie keuchte, als er sie in seine Arme zog und sie nach hinten bog, damit sein Mund ihre empfindliche Brust erreichen konnte. Ihre Augen schlossen sich, und sie gab sich dem Taumel der Lust hin, der sie in den Himmel trug. Der Schatten bewegte sich wieder, verstellte die Sicht auf den Himmel und ließ sie so hart auf die Erde prallen, dass sie die Augen aufriss und wild um sich sah.
Libby löste sich eilig von Tyson und nahm Wogen der Feindseligkeit wahr, abscheulichen Hass, ein dunkles böswilliges Wesen, das ihnen zusah. Ihnen durch die Glasscheibe zusah. Wer auch immer sich dort draußen aufhielt, hatte gesehen, mit welcher Wildheit und Gier Tyson sie genommen hatte, und war in einen der ansonsten wunderbarsten Momente ihres Lebens eingedrungen. Die Vorstellung machte sie krank. Dieses wunderschöne intime Erlebnis war von jemandem zerstört worden, der so hässlich und so andersartig war, dass sie von der Glaswand zurückwich und sich schützend eine Hand auf die Kehle legte.
»Dort draußen ist jemand, Ty. Er kann uns sehen.« Sie streckte zitternd die Hände nach ihm aus, um ihn mit sich zu ziehen, während sie noch weiter zurückwich. »Wir sollten den Sheriff verständigen.«
»Bist du ganz sicher?« Seine Stimme war gesenkt, aber er strahlte beherrschte Wut aus.
Sie nickte. »Ich fürchte mich wirklich, Ty. Geh bloß nicht zu nah ans Fenster. Was ist, wenn er bewaffnet ist?«
Er zog sie in den Schutz seiner Arme und verbarg sie mit seinem Körper vor der Sicht. »Ich lasse nicht zu, dass uns etwas passiert, Libby.«
»Ich kann seinen Hass spüren.«
»Wer ist es?«
Sie schüttelte den Kopf. »Ich weiß es nicht. Ich kann dir nichts weiter sagen, nur, dass er männlich ist und mir … uns den Tod wünscht. Bitte, ruf den Sheriff an.«
»Ich habe das Telefon noch nicht anstellen lassen.« Er sammelte ihre Kleidungsstücke auf und reichte sie ihr. Sie waren am hinteren Ende des Zimmers, und er bezweifelte, dass jemand sie sehen konnte. »Zieh dich an.«
»Er hat uns gesehen.«
»Vielleicht nicht. Er kann nicht die ganze Zeit dort gewesen sein, denn sonst hättest du dich unbehaglich gefühlt.« Tyson stieg in seine Jeans. »Oder etwa nicht?«
»Ich weiß es nicht.« Sie unterdrückte ein kleines Schluchzen. Ihr Körper glühte noch immer. Sie fühlte sein Brandmal an Stellen, von deren Existenz sie nichts geahnt hatte. Köstlich wunde Stellen, die jetzt noch von einem Übermaß an Lust pochten und pulsierten, und doch könnte es einen Zeugen dieser herrlichen, vollkommenen, intimen Augenblicke geben. »Ich habe in den letzten Stunden nur gefühlt und nicht gedacht, Ty.«
Er nahm ihr Kinn und zwang sie, in seine aufgebrachten, wutentbrannten Augen zu sehen. »Was wir miteinander haben, kann uns niemand wegnehmen, Libby. Hast du verstanden? Ich habe heute Nacht Liebe mit dir gemacht. Von mir aus können sie es nennen, wie sie wollen, aber das, was du erlebt hast, war ich, der dir so viel ich kann von mir selbst abgegeben hat.« Er nahm ihr Gesicht in die Hände und hielt es still, um sie zu küssen, bevor er sein Hemd über den Kopf zog. »Verstehst du, was ich sage? Er nimmt dich mir nicht weg, weder durch den Versuch, uns zu demütigen oder uns in Verlegenheit zu bringen, noch dadurch, dass er einem von uns etwas antut. Und mich persönlich interessiert es nicht die Bohne, ob uns jemand zusammen sieht, Libby.«
Libby war schockiert über die unerfreuliche Wahrheit, die sie in seinem Gesicht sah. Sie zog ihre Jeans an. Aus irgendeinem Grund wirkte sein brodelnder Zorn beruhigend auf sie. Sie bewerkstelligte sogar ein kleines Lächeln. »Ich bin da etwas schamhafter.«
Er wischte ihr die Tränen mit den Daumen aus dem Gesicht. »Das ist auch gut so, wenn es um andere Männer geht. Ich teile ungern.«
»Glaubst du, jemand versucht, uns umzubringen, Ty?«
»Bisher nicht, Baby. Bleib ganz ruhig. Ich gehe als Erster aus dem Haus …«
»Nein!« Libby schüttelte den Kopf. »Das kommt gar nicht in Frage.«
»Ich hole das Motorrad und bringe es zur Haustür, und wir verschwinden auf der Stelle. Ich denke gar nicht daran, mich wie eine Ratte im Käfig gefangen halten zu lassen. Ich gehe durch die Hintertür aus dem Haus und arbeite mich vorsichtig bis zu meinem Motorrad vor.«
»Ich weiß nicht, wo er ist.«
»Du hast gesagt, er hätte uns beobachtet. Wenn das stimmt, muss er sich vor dem Haus aufgehalten haben, vielleicht oben auf dem Aussichtspunkt. Und wenn er bewaffnet wäre, hätte er seine Waffe in dem Moment zum Einsatz bringen sollen.«
Sie grub ihre Finger in seinen Ärmel, weil sie ihn zurückhalten wollte. Sie war an die Rückwand gelehnt, wo der Beobachter sie bestimmt nicht sehen konnte. Jetzt schloss sie die Augen und bemühte sich, wieder ruhig zu werden, um mehr von der Energie aufzuschnappen, die der unsichtbare Mann ausstrahlte.
Die Energie zerstreute sich bereits. Wer auch immer es gewesen war, der Mann war fort, und die Böswilligkeit, die er zurückgelassen hatte, löste sich schnell auf. Libby atmete langsam aus. »Er ist fort.«
Tyson zog die Stirn in Falten. »Bist du sicher? Glaubst du wirklich, dass jemand hier war?«
»Lass uns gehen. Ich will nach Hause. Meine Schwestern werden vor Sorge außer sich sein.«
»Ich dachte, ihr besäßet telepathische Kräfte.« Tyson riss die Tür auf und lugte hinaus. Er wusste nicht, was er davon halten sollte. Ob Libby sich selbst Angst eingeredet hatte oder nicht. Aber sie schien ihrer Sache so sicher gewesen zu sein und ihre Angst erschien ihm so echt.
»Elle besitzt sie, nicht ich. Und sie kann mich im Moment nirgendwo finden.« Libby sah sich um. »Siehst du irgendwo meine Jacke?«
»Sie liegt noch genau da, wo ich sie hingeworfen habe …« Ty ließ seinen Satz abrupt abreißen, als sein Blick auf den Gehweg fiel, wo er ihr die Jacke von den Schultern gezogen hatte. Eine Adrenalinbombe explodierte in seinem Körper und brauchte dringend ein Ventil.
Die Jacke lag vollkommen zerfetzt da, mehrfach mit einem Messer durchstochen, verstümmelt und zerstückelt.