Kein Betreff

Arschloch!

 

Zwei Tage später

Betreff: Nette Post von Emmi

Hallo Emmi! Das ist ein herrliches Gefühl, von einer anstrengenden Seminarreise aus dem mit Reizen nicht gerade reich gesegneten und auch farblich eher bescheidenen Bukarest im perverserweise auch dort so genannten Frühling (Schneestürme, Frostschübe) nach Hause zu kehren, sofort den Computer anzuwerfen, die Mailbox zu öffnen, im Dickicht von 500 gnadenlosen Mitteilern entbehrlicher bis erbärmlicher Botschaften vier E-Mails von der für ihre Sprachbegabung, Ausdrucksweise und Punkteprogramme hoch geschätzten Frau Rothner vorzufinden, sich wie ein rumänischer Graupelbär im fortschreitenden Auftauungsprozess darauf zu freuen, endlich ein paar nette, gefühlvolle, witzige, herzenswarme Sätze lesen zu können. Man öffnet euphorisch die erste E-Mail, und worauf stößt man mit beiden Augen gleichzeitig? Auf: ARSCHLOCH! – Danke für die Begrüßung!

Emmi, Emmi! Sie haben sich da wieder schöne Sachen zusammengereimt. Ich muss Sie aber enttäuschen: Mich stört es überhaupt nicht, dass Sie »glücklich vergeben« sind. Ich hatte nie vor, Sie näher kennen zu lernen, näher als es im elektronischen Briefaustausch möglich ist. Ich wollte auch nie wissen, wie Sie aussehen. Ich mache mir aus den Texten, die Sie mir schreiben, mein eigenes Bild von Ihnen. Ich bastle mir meine eigene Emmi Rothner. Ich habe Sie in den Grundzügen noch immer so vor mir, wie Sie mir schon zu Beginn unseres Kontakts begegnet sind, egal, ob Sie dreimal tragisch verheiratet, fünfmal glücklich geschieden oder täglich munter aufs Neue »noch frei« und in den Samstagnächten ausschweifend ledig sind.

Ich stelle allerdings mit Bedauern fest, dass der Kontakt mit mir Sie offensichtlich aufreibt. Und überdies wundert mich schon eines: Warum liegt einer glücklich verheirateten, von Männern alles andere als frustrierten, ironisch-witzigen, über den Dingen stehenden, charmanten, selbstbewussten Frau mit Schuhgröße 37 (und unbestimmten Alters) so viel daran, sich mit einem fremden, manchmal mürrischen, beziehungsgeschädigten, krisenanfälligen, wenig humorvollen Professorentyp so intensiv über so viel Persönliches zu unterhalten? Was sagt eigentlich Ihr Mann dazu?

 

Zwei Stunden später

RE:

Das Wichtigste zuerst: Graupelbär Leo is back from Bukarest! Willkommen. Verzeihen Sie das »Arschloch«, aber es lag einfach auf der Hand. Wie kann ich wissen, dass ich es mit einem außerirdisch veranlagten Mann zu tun habe, der nicht enttäuscht ist, wenn er erfährt, dass seine treue und ehrgebieterisch sarkastische Schreibpartnerin schon vergeben ist? Dass ich es mit einem Mann zu tun habe, der sich lieber »seine eigene Emmi Rothner bastelt«, als die echte kennen lernen zu wollen. Wenn ich Sie diesbezüglich wenigstens ein bisschen provozieren darf: So gut Sie in Ihren kühnsten Fantasien auch basteln, lieber Leo Sprachpsychologe, an die echte Emmi Rothner kommen Sie damit nicht heran.

Fühlen Sie sich provoziert? Nein? Hab ich mir gedacht. Ich fürchte, es ist eher umgekehrt: Sie provozieren mich, Leo. Sie haben eine unorthodoxe, aber äußerst zielstrebige Art, sich bei mir immer spannender zu machen: Sie wollen gleichzeitig alles und nichts von mir wissen. Sie bekunden, je nach Tagesverfassung, Ihr »wahnsinniges Interesse« und Ihr fast schon pathologisches Desinteresse an mir. Und das regt mich abwechselnd auf und an. Momentan gerade wieder: an. Ich gestehe es. Aber vielleicht sind Sie ja so ein einsamer, verklemmter, streunender, grauer (rumänischer) Graupelwolf, der einer Frau nicht in die Augen schauen kann. Einer, der massive Angst vor wirklichen Begegnungen hat. Der sich ständig seine Fantasiewelten schaffen muss, weil er sich in den gegenständlichen, lebbaren, greifbaren, realen Umgebungen nicht zurechtfindet. Vielleicht sind Sie ein waschechter Frauenkomplexler. Ach, da würde ich jetzt gerne Marlene fragen. Haben Sie zufällig eine aktuelle Telefonnummer von ihr, oder die vom spanischen Piloten? (War ein Scherz, bitte nicht wieder drei Tage beleidigt sein.) Nein Leo, ich hab einfach einen Narren an Ihnen gefressen. Ich mag Sie. Sehr sogar! Sehr, sehr, sehr! Und ich kann einfach nicht glauben, dass Sie mich nicht sehen wollen. Das heißt nicht, dass wir uns tatsächlich sehen sollten. Sollen wir natürlich nicht! Aber ich würde zum Beispiel schon gerne wissen, wie Sie aussehen. Es würde vieles erklären. Ich meine, es würde erklären, wieso Sie so schreiben, wie Sie schreiben. Weil Sie dann nämlich so aussehen, wie jemand aussieht, der so schreibt wie Sie. Und ich würde verdammt gerne wissen, wie jemand aussieht, der so schreibt wie Sie. Das würde es dann erklären. Apropos erklären: Ich will hier eigentlich nicht von meinem Mann reden. Sie können gern über Ihre Frauen reden (falls es solche nicht nur in der Mailbox gibt). Ich kann Ihnen auch gute Ratschläge geben, ich kann mich hervorragend in Frauen hineinfühlen, ich bin nämlich eine. Aber mein Mann ... Schön, ich sage es Ihnen: Wir haben eine wunderbare, harmonische Beziehung mit zwei Kindern (die er freundlicherweise mitgebracht hat, um mir Schwangerschaften zu ersparen). Wir haben an sich keine Geheimnisse voreinander. Ich hab ihm erzählt, dass ich mich mit einem »netten Sprachpsychologen« öfters per E-Mail unterhalte. Er hat gefragt: Willst du ihn kennen lernen? Ich hab geantwortet: Nein. Er sagt darauf: Was soll das dann? Ich: Gar nichts. Er: Ah so. – Das war’s. Mehr wollte er von mir nicht wissen, mehr wollte ich ihm nicht sagen. Mehr möchte ich über ihn nicht reden. Okay?

So, lieber Graupelbär, nun zu Ihnen: Wie sehen Sie aus? Sagen Sie’s mir. Bitte!!! Alles Liebe, Ihre Emmi.

 

Am nächsten Tag

Betreff: Test

Liebe Emmi, ich kann mich Ihren Kalt-warm-Bädern auch nur schwer entziehen. Wer zahlt uns eigentlich die Zeit, die wir hier miteinander (ohne einander) versitzen? Und wie bringen Sie das mit Ihrem Beruf und Ihrer Familie unter einen Hut? Vermutlich hat jedes Ihrer beiden Kinder noch mindestens drei Streifenhörnchen oder Ähnliches. Wo nehmen Sie da die Muße her, sich so intensiv und akribisch mit fremden Graupelbären zu beschäftigen?

Sie wollen also unbedingt wissen, wie ich aussehe? Gut, ich stelle jetzt eine Behauptung auf und schlage Ihnen ein Spiel vor, zugegeben, ein verrücktes Spiel, aber Sie sollen mich auch von einer anderen Seite kennen lernen. Also: Ich wette, ich finde unter, sagen wir, zwanzig Frauen sofort die eine und einzige Emmi Rothner heraus, während Sie unter ebenso vielen Männern den echten Leo Leike niemals erraten würden. Wollen wir es auf diesen Test ankommen lassen? Wenn Sie ja sagen, können wir uns einen entsprechenden Modus überlegen. Angenehmen Vormittag, Leo.

 

50 Minuten später

RE:

Aber sicher machen wir das! Sie sind ja ein echter Abenteurer! Vorweg meine Bedenken, Sie dürfen mir das aber nicht übel nehmen: Ich rechne damit, dass Sie mir optisch überhaupt nicht gefallen, lieber Leo. Und die Chance dafür ist groß, denn mir gefallen Männer prinzipiell nicht, sieht man von wenigen (zumeist schwulen) Ausnahmen ab. Umgekehrt – na ja, da sage ich jetzt lieber nichts dazu. Sie bilden sich ja ein, mich sofort zu erkennen. Dann werden Sie wohl eine Vorstellung haben, wie ich aussehe. Wie war das damals? »42 Jahre alt, klein, zierlich, quirlig, kurze dunkle Haare.« Da wünsche ich Ihnen jetzt schon viel Erfolg beim Erkennen! Also wie machen wir es? Schicken wir uns je zwanzig Bilder, darunter das eigene? Lieber Gruß, Emmi.

 

Zwei Stunden später

AW:

Liebe Emmi, ich schlage vor, dass wir uns persönlich begegnen, ohne es zu wissen, also so, dass wir in der Masse von Menschen verwechselbar bleiben. Wir könnten zum Beispiel das Große Messecafé Huber in der Ergeltstraße wählen. Das kennen Sie bestimmt. Dort trifft laufend sehr gemischtes Publikum ein. Wir wählen eine Zeitstrecke von zwei Stunden, vielleicht an einem Sonntagnachmittag, und innerhalb dieser Zeit sind wir beide anwesend. Durch das ständige Auf und Ab und das dichte Gedränge im Salon wird nicht auffallen, dass wir uns gegenseitig zu entdecken versuchen.

Was Ihre mögliche Enttäuschung betrifft, wenn ich Ihren optischen Wünschen nicht entspreche, so meine ich, dass wir das Geheimnis um unser Äußeres ja auch nach der Begegnung nicht preisgeben müssen. Interessant ist, ob und woran einer den anderen zu erkennen glaubt, nicht, wie wir beide tatsächlich aussehen, meine ich. Ich sage noch einmal: Ich will nicht wissen, wie Sie aussehen. Ich will Sie nur erkennen. Und das werde ich. Übrigens halte ich meine früher einmal geäußerte Personenbeschreibung nicht mehr aufrecht. Sie sind für mich (trotz Ehemann und Kindern) etwas jünger geworden, Frau Emma Rothner.

Und noch etwas: Ich freue mich sehr, dass Sie immer wieder aus alten E-Mails von mir zitieren. Das bedeutet, dass Sie sie offensichtlich aufgehoben haben. Das ist schmeichelhaft.

Was halten Sie von meiner Idee der Begegnung? Alles Liebe, Leo.

 

40 Minuten später

RE:

Lieber Leo, ein Problem gibt es schon: Wenn Sie mich erkennen, wissen Sie, wie ich aussehe. Wenn ich Sie erkenne, weiß ich, wie Sie aussehen. Sie aber wollen gar nicht wissen, wie ich aussehe. Und ich habe die Befürchtung, dass Sie mir nicht gefallen werden. Ist das dann das Ende unserer spannenden gemeinsamen Geschichte? Oder anders gefragt: Wollen wir uns plötzlich so dringend erkennen, damit wir uns nicht mehr schreiben müssen? – Dafür wäre mir der Preis meiner Neugierde zu hoch. Da lieber anonym bleiben und bis ans Lebensende Post vom Graupelbären bekommen. Bussi, Emmi.

 

35 Minuten später

AW:

Das haben Sie lieb gesagt! Ich mache mir wegen unserer Begegnung keine Sorgen. Sie werden mich nicht erkennen. Und ich habe eine so klare Vorstellung von Ihnen, dass sich diese nur bestätigen kann. Sollte mein Bild von Ihnen (entgegen all meiner Erwartungen) allerdings nicht stimmen, dann werde ich Sie ohnehin nicht identifizieren. Dann kann ich mein Fantasiebild aufrechterhalten. Ebenfalls Bussi, Leo.

 

Zehn Minuten später

RE:

Meister Leo, das macht mich wahnsinnig, dass Sie so sicher sind zu wissen, wie ich aussehe! Das ist ziemlich impertinent von Ihnen. So, das hat auch einmal gesagt werden müssen. Eine Frage noch: Wenn Sie dieses konturenscharfe Fantasiebild von mir betrachten, Leo, gefalle ich Ihnen da wenigstens?

 

Acht Minuten später

AW:

Gefallen, gefallen, gefallen. Ist das wirklich so wichtig?

 

Fünf Minuten später

RE:

Ja, das ist total wichtig, Herr Moraltheologe. Zumindest für mich. Ich mag 1.) Gefallen finden. Und ich mag 2.) gefallen.

 

Sieben Minuten später

AW:

Reicht es nicht, wenn Sie 3.) sich selbst gefallen?

 

Elf Minuten später

RE:

Nein, dafür bin ich viel zu unbescheiden. Außerdem gefällt man sich ein bisschen leichter, wenn man anderen gefällt. Sie wollen 4.) vermutlich nur Ihrer Mailbox gefallen, stimmt’s? Die ist geduldig. Dafür müssen Sie nicht einmal Zähne putzen. Haben Sie übrigens noch welche? Oder ist das auch nicht so wichtig?

 

Neun Minuten später

AW:

Endlich habe ich wieder für die Anregung von Emmis Blutkreislauf gesorgt. Um das Thema vorläufig abzuschließen: Das Fantasiebild von Ihnen gefällt mir außerordentlich gut, sonst würde ich nicht so oft daran denken, liebe Emmi.

 

Eine Stunde später

RE:

Sie denken also oft an mich? Das ist schön. Ich denke auch oft an Sie, Leo. Vielleicht sollten wir uns wirklich nicht treffen. Gute Nacht!

 

Am nächsten Tag

Betreff: Prost

Hallo Leo, verzeihen Sie die späte Störung. Sind Sie zufällig online? Trinken wir ein Glas Rotwein? Jeder für sich allein natürlich. Es ist schon mein drittes Glas, müssen Sie wissen. (Wenn Sie prinzipiell keinen Wein trinken, dann lügen Sie mich bitte an und sagen Sie, Sie trinken gerne ab und zu ein Glas oder eine Flasche Wein, also alles mit Maß und ohne Ziel. Ich kann nämlich zwei Arten von Männern nicht ausstehen: Betrunkene und Asketen.)

RE:

Ein viertes trinke ich noch, bevor ich bewusstlos werde. Ihre letzte Chance für heute.

 

RE:

Schade. Sie haben was versäumt. Ich denke an Sie. Gute Nacht.

 

Am nächsten Tag

Betreff: Schade

Liebe Emmi, das tut mir wirklich Leid, dass ich unsere romantische Mitternachtseinlage vor dem jeweiligen Computer versäumt habe. Ich hätte sofort ein Glas mit Ihnen, auf Sie und gegen die virtuelle Anonymität getrunken. Hätte es auch Weißwein sein dürfen? Ich trinke lieber weiß als rot. Nein, ich muss Sie zum Glück nicht anlügen: Ich bin weder oft betrunken noch immer ein Asket. Also zehnmal eher bin ich betrunken als ein Asket, zehnmal eher und zwanzigmal öfter. Marlene zum Beispiel (erinnern Sie sich?), Marlene hat keinen Tropfen Alkohol getrunken. Sie hat ihn nicht vertragen. Und was noch schlimmer war: Sie hat keinen Tropfen Alkohol vertragen, den ich getrunken habe. Verstehen Sie? Das sind so die Dinge, wo man beginnt, emotionell gegeneinander zu leben. Zum Trinken gehören immer zwei oder keiner.

Also, wie gesagt: Ewig schade, dass ich Ihr verlockendes Angebot gestern Nacht nicht annehmen konnte. Ich bin leider viel zu spät nach Hause gekommen. Auf ein anderes Mal, Ihr Online-Trinkkamerad in spe, Leo.

 

20 Minuten später

RE:

Viel zu spät nach Hause gekommen? Leo, Leo, wo treiben Sie sich in der Nacht herum? Sagen Sie bloß, da kündigt sich eine Marlene-Nachfolgerin an. Wenn das der Fall ist, müssen Sie mich umgehend und im Detail über diese Frau informieren, damit ich sie Ihnen ausreden kann. Meine Intuition sagt mir nämlich, dass Sie sich momentan nicht binden sollten, Sie sind noch nicht bereit für die nächste Beziehung. Sie haben ohnehin mich. Und Ihre Fantasievorstellung von mir kommt Ihrem Frauenideal sicher näher als irgendeine dahergelaufene Bekanntschaft aus einer vermutlich in rotem Plüsch gehaltenen Bar (für einsame graupelbärige Professorentypen) um zwei Uhr nachts, oder wie spät es auch immer war. Also bleiben Sie künftig bitte daheim, trinken wir ab und zu gegen Mitternacht simultan ein Glas Wein aufeinander (ja, es darf ausnahmsweise auch Weißwein sein). Und danach sind Sie müde und gehen schlafen, damit Sie am nächsten Tag wieder fit für neue E-Mails an Ihre Fantasiegöttin Emmi Rothner sind. Machen wir es so?

 

Zwei Stunden später

AW:

Liebe Emmi, ach, ist das angenehm, wieder einmal so einen richtig bezaubernden Ansatz einer Eifersuchtsszene erleben zu können. Ich weiß schon: Das war natürlich italienisch konstruiert, aber ich habe es trotzdem genossen. Was meine Frauenbekanntschaften anbelangt, so schlage ich vor, dass wir es so halten wie mit Ihrem Ehemann und den beiden Kindern und deren sechs Streifenhörnchen. Dies alles gehört einfach nicht hierher! Uns zwei gibt es hier nur für uns zwei. Wir werden so lange in Kontakt bleiben, bis einem von uns die Luft ausgeht oder die Lust vergeht. Ich glaube nicht, dass ich es sein werde. Schönen Frühlingstag, Ihr Leo.

 

Zehn Minuten später

RE:

Da fällt mir gerade ein: Was ist aus unserem Verabredungs-und Erkennungsspiel geworden? Wollen Sie nicht mehr? Muss ich mir wegen dieser übernächtigten Plüschbar-Tussi wirklich Sorgen machen? Also, wie wäre es mit übermorgen, Sonntag, 25.3., ab 15 Uhr im überfüllten Großen Messecafé Huber? Machen wir es! Emmi.

 

20 Minuten später

AW:

Doch, liebe Emmi. Gerne werde ich Sie erkennen. Allerdings ist mein kommendes Wochenende schon verplant. Ich fliege morgen Abend für drei Tage nach Prag, ganz »privat« sozusagen. Aber am nächsten Sonntag können wir unserem Gesellschaftsspiel gerne frönen.

 

Eine Minute später

RE:

PRAG MIT WEM???

 

Zwei Minuten später

AW:

Nein, Emmi, wirklich nicht.

 

35 Minuten später

RE:

Okay, wie Sie wollen (oder nicht wollen). Kommen Sie mir dann aber nicht mit Liebeskummer zurück! Prag ist wie geschaffen für Liebeskummer, vor allem Ende März: Alles grau in grau, und am Abend isst man in einem Lokal, das mit dem dunkelsten braunen Holz der Welt verkleidet ist, vor den Augen eines unterbeschäftigten depressiven Kellners, der aufgehört hat zu leben, nachdem er bei einem Staatsbesuch Breschnjew bedient hat, weiße Knödel und trinkt braunes Bier. Danach geht gar nichts mehr. Warum fliegen Sie nicht nach Rom? Da kommt Ihnen der Sommer entgegen. Also ich würde mit Ihnen nach Rom fliegen.

Unser Erkennungsspiel wird übrigens noch warten müssen. Ich bin ab Montag eine Woche Skifahren. Selbstverständlich sage ich Ihnen, meinem vertrauten Schreibkumpanen, mit wem: mit einem Stück Ehemann und zwei Stück Kindern. (Und ohne Streifenhörnchen!) Auf Wurlitzer passen die Nachbarn auf. Wurlitzer ist unser fetter Kater. Er sieht aus wie ein Wurlitzer, hat aber nur eine Platte drauf. Und er hasst Skifahrer, deshalb bleibt er daheim. Ich wünsche Ihnen einen wunderschönen Abend. Emmi.

 

Fünf Stunden später

RE:

Sind Sie schon zu Hause oder noch in der Dingsa-Plüschbar? Gute Nacht, Emmi.

 

Vier Minuten später

AW:

Ich bin schon zu Hause. Ich habe darauf gewartet, dass mich Emmi endlich kontrolliert. So, jetzt kann ich in Ruhe schlafen gehen. Da ich morgen zeitig unterwegs bin, wünsche ich Ihnen und Ihrer Familie jetzt schon eine angenehme Skiwoche. Gute Nacht. Wir lesen uns! Leo.

 

Drei Minuten später

RE:

Tragen Sie einen Pyjama? Gute Nacht, E.

 

Zwei Minuten später

AW:

Schlafen Sie vielleicht nackt? Gute Nacht, L.

 

Vier Minuten später

RE:

Hey, Meister Leo, das war ja richtiggehend erotisch gefragt. Hätte ich Ihnen gar nicht zugetraut. Um diese plötzlich aufkeimende knisternde Spannung zwischen uns nicht zu zerstören, verzichte ich besser darauf, Sie zu fragen, wie Ihr Pyjama aussieht. Also gute Nacht und schönes Prag!

 

50 Sekunden später

AW:

Also schlafen Sie nackt?

 

Eine Minute später

RE:

Er will es wirklich wissen! Sagen wir, exklusiv für Ihre Fantasiewelt, lieber Leo: Das kommt darauf an, neben wem. Und nun genießen Sie Prag zu zweit! Emmi.

 

Zwei Minuten später

AW:

Zu dritt! Ich reise mit einer guten alten Freundin und ihrem Lebensgefährten. Leo. (Ich drehe jetzt ab.)

Fünf Tage später