Betreff: S.W.
Scheißwetter heute, stimmt’s? Lg, E.
Drei Minuten später
AW:
1.) Regen 2.) Schnee 3.) Schneeregen Mfg, Leo.
Zwei Minuten später
RE:
Sind Sie noch beleidigt?
50 Sekunden später
AW:
War ich nie.
30 Sekunden später
RE:
Oder unterhalten Sie sich nicht gern mit verheirateten Frauen?
Eine Minute später
AW:
Oh doch! Mich wundert aber mitunter, warum sich verheiratete Frauen so gern mit völlig fremden Männern wie mir unterhalten.
40 Sekunden später
RE:
Haben Sie da mehrere in Ihrer Mailbox? Der wievielte Bruchteil Ihrer Marlene-Verarbeitungstherapie bin ich eigentlich?
50 Sekunden später
AW:
Schön, Emmi, Sie kommen langsam wieder in Form. Sie sind mir vorhin fast ein bisschen antriebsschwach, kleinlaut und schüchtern vorgekommen.
RE:
Lieber Leo, im Ernst, was mir ein Bedürfnis ist, Ihnen mitzuteilen: Meine Sieben-Punkte-E-Mail vom vergangenen Montag tut mir aufrichtig Leid. Ich habe sie ein paar Mal durchgelesen und muss gestehen: Sie klingt wirklich ekelhaft, wenn man sie leise liest. Das Problem ist, dass Sie nicht wissen können, wie ich bin, wenn ich so etwas sage. Würden Sie mich dabei sehen, könnten Sie mir gar nicht böse sein. (Bilde ich mir zumindest ein.) Glauben Sie mir: Ich bin alles andere als frustriert. Enttäuschungen mit Männern haben sich bei mir in den natürlichen Grenzen derselben gehalten. Das heißt: Natürlich gibt es begrenzte Männer. Aber ich hab Glück gehabt. Mir geht es verdammt gut, was das betrifft. Mein Zynismus ist mehr Sport und Spiel als Ärger und Abrechnung.
Im Übrigen weiß ich das sehr zu schätzen, dass Sie mir von Marlene erzählt haben. (Wobei mir gerade auffällt, dass Sie mir eigentlich gar nichts von Marlene erzählt haben. Was ist/war sie für eine Frau? Wie sieht sie aus? Was hat sie für eine Schuhgröße? Was trägt sie für Schuhe?)
Eine Stunde später
AW:
Liebe Emmi, seien Sie mir bitte nicht böse, aber mir ist nicht danach, Ihnen von Marlenes Schuhgeschmack zu erzählen. Am Strand ging sie meistens barfuß, so viel will ich Ihnen gerne mitteilen. Ich muss jetzt aufhören, ich krieg Besuch. Angenehmen Tag noch, Leo.
Drei Tage später
Betreff: Krise
Lieber Leo, eigentlich hatte ich mir fest vorgenommen, die nächste E-Mail von Ihnen zu bekommen – und nicht selbst zu schreiben. Ich hab zwar nicht Sprachpsychologie studiert, aber in meinem Kopf reimen sich da zwei Dinge zusammen. 1.) Ich habe Ihnen zwischen den Zeilen verraten, dass ich nicht nur verheiratet, sondern sogar glücklich verheiratet bin. 2.) Sie reagieren darauf mit der lustlosesten Antwort seit dem viel versprechenden Beginn unserer virtuellen Zweisamkeit vor mittlerweile mehr als einem Jahr. Und danach melden Sie sich gleich überhaupt nicht mehr. Kann es sein, dass Sie das Interesse an mir verloren haben? Kann es sein, dass Sie das Interesse an mir verloren habe, weil ich vergeben bin? Kann es sein, dass Sie das Interesse an mir verloren haben, weil ich noch dazu »glücklich vergeben« bin? Wenn das der Fall ist, dann seien Sie wenigstens »Manns genug«, mir das zu sagen. Mit freundlichen Grüßen, Emmi.
Am nächsten Tag