20
Teufel noch mal, wer verführt hier nun wen?«, murmelte Alex, als er durch den Schnee zu seinem Auto stapfte. Sarah hatte ihn doch tatsächlich geküsst. Keine schüchternen, zaghaften Küsse, sondern richtige – wie Frauen sie gaben, wenn sie mit einem Mann schlafen wollten. Fast hätte er ihr den Gefallen getan, doch hätte dies seinen sorgsam durchdachten Plan durchkreuzt.
Oder er war ein Dummkopf, weil er auf ihre unbewusste Aufforderung nicht eingegangen war.
Alex riss die Tür seines Trucks auf, rutschte auf den Sitz und starrte die Schneeschicht auf der Windschutzscheibe an. Unbewusst war das Schlüsselwort. Sarah war sich der Signale sicher nicht bewusst, die sie ausgeschickt hatte. Sie war zu naiv. Sie mochte wissen, wie ihr Lächeln auf einen Mann wirkte, was jedoch die Wirkung ihrer Küsse betraf, war sie ahnungslos.
Außerdem hatte ihr Kuss von nicht viel Erfahrung gezeugt. Wenn eine Frau die meiste Zeit damit zubrachte, Küsse abzuwehren, hatte sie nicht viel Gelegenheit zum Üben. Er grinste. Jede Wette, dass sie sich bei einem gewissenhaften Lehrer als sehr gelehrig erweisen würde.
Alex drehte den Zündschlüssel, um vorzuglühen, dann drehte er weiter. Er hörte, wie der Anlasser mit lautem Heulen protestierte – doch der Motor sprang nicht an. Er ließ zuerst den Schlüssel los, dann drehte er ihn erneut. Es folgte ein kreischendes Heulen. Was zum Teufel war da los?
Er löste die Motorhaubensperre, stieg aus, hob die Haube hoch und starrte auf den Motor. Warum war er nicht angesprungen? Er fummelte an ein paar Kabeln herum, plötzlich stieg ihm ein Geruch in die Nase – etwas, das er in der Nähe eines Pick-ups nicht hätte riechen dürfen. Es roch so süß wie in der Küche, wenn seiner Mutter etwas angebrannt war. Er kletterte wieder hinters Lenkrad, drehte den Zündschlüssel, um die Elektronik einzuschalten, und griff nach dem Funkmikro.
»North Woods Zwei ruft North Woods Eins«, sagte er. »Dad, Ethan, Paul, ist einer von euch draußen?«
Er ließ das Mikro los und wartete. »Ich bin da«, sagte Grady und gleich darauf: »Ethan und Paul ebenfalls.«
»Seid ihr draußen beim Holzeinschlag?«
»Ja«, war Grady durch das statische Knistern zu hören. »Und wir sitzen hier fest, weil wir nach der Frühstückspause keinen einzigen Motor starten konnten. Die Pick-ups springen nicht an, auch nicht der Entaster, der Holztransporter und von den Skiddern auch keiner.«
Alex starrte durch die Windschutzscheibe in den Schnee. »Verdammt, jemand hat Zucker in unseren Treibstoff getan! Wurden alle Fahrzeuge aufgetankt?«
»Ja«, sagte Grady. »Pauls Mustang ist der einzige Benziner. Er überlegt, ob er nach Hause laufen und ihn holen soll.«
Alex schnaubte. »Er braucht bis nach Hause drei Stunden, und du weißt, dass der Mustang es bei diesem Schnee nicht schafft. Ruf Tate an.«
»Hab ich versucht. Tate ist an einer Unfallstelle, fünfzig Meilen von hier. Und Daniel ist den ganzen Tag über in Dover am Gericht«, erklärte Grady. »Ich habe die Werkstatt angerufen. Jason ist schon unterwegs und holt uns.«
»Und was dann?«, fragte Alex.
»Zu Hause werde ich telefonisch versuchen, uns vorübergehend einen fahrbaren Untersatz zu verschaffen.« Nach einigem Zögern sagte er: »Und dann muss ich mich nach neuen Motoren umsehen.«
»Schick jemanden, der uns hier abholt«, bat Alex.
»Warum? Ihr könnt euch getrost Zeit lassen, da man ohnehin nichts tun kann und sich nur verrückt macht.«
»Wo war unser Tanklaster geparkt?«, fragte Alex.
»Gleich neben dem Maschinenschuppen. Jemand muss beobachtet haben, dass unsere Maschinen im Wald bewacht werden, und hat sich deshalb unseren Dieselvorrat auf dem Hof vorgenommen.« Kurzes Schweigen trat ein. »Das bedeutet, dass es doch kein Lausbubenstreich war. Den Treibstoff mit Zucker zu versetzen ist ein berechneter Schachzug. Es muss irgendwann gestern passiert sein, während du mit Sarah im Krankenhaus warst und bevor wir nach Hause gekommen sind.«
Alex starrte durch die offene Wagentür auf den Schnee, der immer mehr wurde. Verdammt, sie hatten es mit einer organisierten Bande ausgewachsener Männer und nicht mit ein paar dummen Jungs zu tun. Aber Schmuggler? Sehr unwahrscheinlich. Hier in der Gegend passierte nicht viel – gerade mal, dass eine Ehefrau mit dem Ehemann einer anderen durchbrannte.
Alex seufzte und schaltete wieder das Mikro ein. »Sarah und ich bleiben über Nacht hier. Warte ab, ob John etwas entdeckt.«
»Mach ich«, versicherte Grady ihm. »Wir holen euch morgen gleich in der Früh. Lass dich bei deinen Plänen nicht stören, ja? Sarah bedeutet uns allen mehr als ein paar ruinierte Motoren.«
Na ja. »Okay«, sprach Alex ins Mikro. »Ich melde mich heute Abend, um zu hören, ob es was Neues gibt. Denk an deinen Blutdruck, ja?«, sagte er im Befehlston. »Ein störrischer Patient ist mehr, als ich bewältigen kann.«
Grady lachte. »Sarah kann ganz schön laut werden.«
»Und sie kann Krallen zeigen«, schoss Alex zurück. »Ende«, sagte er, unterbrach die Verbindung und klemmte das Mikro in seine Halterung, nachdem er Gradys »Ende« gehört hatte.
Alex rutschte wieder aus dem Pick-up und klappte die Motorhaube mit einem dumpfen Geräusch fest zu. Dann schlug er seinen Jackenkragen hoch und starrte durch den fallenden Schnee zum Haus, ehe er zu den Rauchsäulen schaute, die aus den zwei Kaminen aufstiegen.
Dieses rasant eskalierende Rätsel wurde bedrohlich, und zwar just zu einer Zeit, da er sich auf Sarah konzentrieren musste. Alex stapfte zurück zum Haus, stampfte sich den Schnee von den Stiefeln, ehe er die Tür gerade noch rechtzeitig öffnete, um Sarah zu ertappen, wie sie auf ihre Matratze kroch. Sie streckte sich aus und faltete die Hände über ihrem Bauch.
»Muss ich dir Fesseln anlegen?«, fragte er und ließ die Jacke von seinen Schultern gleiten. »Wenn das Knie heilen soll, musst du es schonen.«
»Es fühlt sich schon viel besser an und ist fast ganz abgeschwollen«, gab sie zurück. »Du warst nicht lange genug draußen, um den Schnee aus der Zufahrt zu räumen, und ich habe nicht gehört, dass der Pick-up angesprungen ist.«
»Weil er nicht anspringen kann«, sagte er und ließ sich in einen Sessel fallen. »Kannst du mit einer Waffe umgehen, Sarah? Hast du jemals eine Flinte oder einen Revolver abgefeuert?«
Sie stützte sich auf einen Ellbogen. »Nein. Warum?«
Alex zuckte mit den Schultern. »Ach, nur so. Ich sollte dir beibringen, wie man schießt, wenn du hier draußen leben willst. Man weiß nie, wann einem eine Waffe nützlich ist.«
»Wozu?«, fragte sie beunruhigt. »Ich würde niemals jemanden erschießen.«
Alex grinste. »Das wirst du auch nicht müssen. Jeder, der eine Waffe in der Hand einer Frau sieht, ergreift schleunigst die Flucht. Aber ein lauter Schuss verschreckt auch jeden Bären, der hier herumläuft.« Er beugte sich vor und stützte die Ellbogen auf seine Knie. »Du musst mit einer Waffe sicher umgehen können, Sarah, das dient deinem und meinem Seelenfrieden.«
»Na schön.« Sie streckte sich. »Ich werde es lernen. Wieso hat sich das Auto nicht starten lassen?« Sie setzte sich wieder auf. »Heißt das, dass wir hier festsitzen? Funktioniert wenigstens die Funkverbindung?«
»Ich habe gerade mit Grady geredet. Im Wald gibt es Probleme, deshalb können sie uns nicht gleich abholen kommen. Keines der Fahrzeuge und der Arbeitsgeräte ist einsatzfähig.«
»Wie das? Motoren gehen doch nicht alle gleichzeitig kaputt.«
»Doch – wenn man Zucker in den Treibstoff schüttet und dieser sich festsetzt.«
»Aber wir sind heute doch gefahren. Unser Pick-up hat funktioniert.«
»Weil der Zucker noch nicht seine Wirkung tun konnte. Beim Anlassen breitet sich der verunreinigte Treibstoff im Motor aus und bildet einen Zuckerbelag auf den Zylindern. Wird der Motor abgeschaltet und kühlt ab, verhärtet sich die Zuckerschicht.«
»Kann man die Zylinder ersetzen?«
Er schüttelte den Kopf. »Nein. Der Zucker hat sich im ganzen Motor und Treibstoffsystem verteilt und schafft eine Bindung, so fest wie geschweißt. Es ist billiger, wenn man einen neuen Motor einbaut.«
»In allen drei Autos?«
»Und in unseren Arbeitsgeräten. Wir haben gestern alle aufgetankt, deshalb sind alle kaputt.« Er stand auf und rieb die Hände aneinander. »Wie wäre es jetzt mit einem Lunch?« Er wechselte das Thema, denn schließlich wollte er ihr keine Angst machen.
Sekundenlang gab Sarah keine Antwort, und ihre Miene verriet, dass sein Themenwechsel sie nicht interessierte, doch dann seufzte sie. »Ich wollte schon meine Nägel anknabbern«, erwiderte sie. »Was gibt es denn?«
»Den restlichen Eintopf von gestern«, sagte er und lachte, als sie dramatisch stöhnte. »Und zum Auftunken Toast von heute Morgen.«
Alex ging an die Rezeption und kramte in der Proviantkiste herum. Er lächelte, als er etwas fand, das ihr Interesse sicher wecken würde. »Ach, das hätte ich fast vergessen. Gestern ist Post gekommen; ich habe sie einfach zu den Lebensmitteln gelegt, damit ich auch bestimmt nicht vergesse, sie dir zu geben.«
»Ich habe Post? Von wem denn?«
Alex nahm die beiden Briefe und las die Absender. »Einer ist von einer Anwaltsfirma in Machias, der andere von einer Galerie in New York.«
»Ach, der ist von Marthas Anwälten. Sie müssen Brian Banks gefunden haben.« Alex sah, dass sie sich wieder aufgesetzt hatte. »Mach ihn auf und lies ihn mir vor. Schau mal, ob Brian gefunden wurde und er mich auszahlen möchte.«
Alex öffnete den Umschlag und wollte den Brief herausschütteln. Es flatterte ein Scheck zu Boden. Er hob ihn auf, stieß einen lautlosen Pfiff aus, als er den Betrag sah, dann entfaltete er den Brief, um ihn zu lesen.
»Na?«, fragte Sarah.
»Man hat Brian gefunden«, sagte er. »Und er schickt dir einen Scheck über fünfzigtausend Dollar als Anzahlung für deine Haushälfte.«
»Fünfzigtausend?«, quiekste sie.
Alex sah zu ihr hin. »Wie viel ist dein Besitz eigentlich wert?«
Er sah ihr Achselzucken. »Eineinviertel Millionen Dollar, inzwischen vielleicht eineinhalb. Die letzte Schätzung erfolgte vor fünf Jahren, nach Rolands Tod.«
»So viel?«, sagte Alex erstaunt und öffnete vorsichtig den zweiten Umschlag.
»Wie du bin ich reich an Land, aber arm an Bargeld«, hörte er sie sagen, als er den nächsten Brief überflog. »Die Hotelpension selbst ist nicht so viel wert, aber die neun Morgen erstklassiges Uferland, das dazugehört, schon. Inselgrundstücke sind rar, und je entlegener, desto besser für reiche Städter«, erklärte sie. Alex blickte auf, als er sah, dass sie eine Handbewegung machte. »Den anderen Brief kannst du mir geben«, sagte sie mit einer fordernden Geste. »Er ist unwichtig. Ich werde ihn lesen, sobald ich wieder sehen kann.«
»Zu spät, Sonnenschein«, erwiderte Alex und ließ sich in dem Sessel zu ihren Füßen nieder. »Ich habe ihn bereits aufgerissen. Ich dachte, du willst, dass ich dir beide vorlese.«
Alex runzelte die Stirn, als Sarah sofort den Kopf senkte und an ihrem Handverband zupfte.
»Der Umschlag der Galerie enthält einen Scheck über viertausend Dollar sowie eine Nachricht von Clara Barton, die besagt, dass sie damit rechnet, deine anderen Quilts für das Doppelte zu verkaufen. Sie hat eine interessierte Kundin, die bereits zweimal nachgefragt hat.«
Diesmal blieb ein Freudenschrei aus. Sarah zupfte weiter an ihrem Verband.
»Was ist ein Quilt?«
»Ein kleiner Wandbehang aus Patchwork, den man an die Wand hängt, anstatt ihn aufs Bett zu legen.« Ihr Haar verbarg ihr Gesicht vor ihm.
»Und wie ist ein Quilt beschaffen, der achttausend Dollar wert ist?«
»Er sieht aus wie ein Gemälde und besteht aus unzähligen, winzigen, per Hand zusammengenähten Stoffstücken.«
Alex fiel der Quilt ein, den er in Sarahs Schachtel auf dem Dachboden entdeckt hatte. »Der Quilt, der den Rosenstrauß darstellt, den ich dir geschenkt habe, ist ein Wandbehang? Und er ist Tausende von Dollar wert?«
Sie nickte, noch immer am Verband zupfend.
Alex lächelte. »Dann bist du aber eine talentierte Künstlerin, wenn deine Arbeiten so viel Geld einbringen! Warum bist du vor Freude nicht ganz aus dem Häuschen? Wie Martha Stewart sagen würde: Ist das nicht eine feine Sache?«
Wieder nickte sie stumm.
»Sarah?«
Sie straffte die Schultern, ihr Kinn hob sich. »Ich habe Talent«, erklärte sie. »Und wenn ich mehr Zeit in diese Arbeiten investieren wollte, könnte ich gut davon leben.«
»Und warum tust du es dann nicht?«, fragte er neugierig.
So rasch, wie sie sich aufgeregt hatte, beruhigte sie sich auch wieder. »Als ich das erste Mal mit der Post einen Scheck bekam und auf diese Weise Roland zeigte, dass ich zu unserem Einkommen einen Beitrag leisten kann, ist er ausgerastet. Es war das einzige Mal, dass ich vor ihm richtig Angst hatte.«
»Aber warum?«
»Männer, die vor der Welt als Machos dastehen möchten, wollen nicht, dass ihre Frauen mehr Geld verdienen als sie selbst. Ich glaube auch, er hatte Angst, ich könnte ihn verlassen, wenn ich finanziell unabhängig bin. Er hat dann meine Stoffe hinaus auf den Rasen geschleppt und alles angezündet.«
»Verstehe«, sagte Alex leise, obwohl er seine Empörung kaum zu zügeln vermochte. »Der Anruf, der letzte Woche kam, als ich noch daniederlag und du in dein Zimmer gelaufen bist, um dranzugehen, war von Clara Barton? Und ich sollte nicht wissen, dass du mit dem Verkauf deiner Quilts gutes Geld verdienst. Aber warum nicht? Du hattest doch auch keine Bedenken, mit der Eröffnung der Lodge Geld zu verdienen.«
Sie zuckte die Schultern. »Ich weiß nicht. Die Lodge ist etwas anderes. Roland hatte nie ein Problem damit, dass ich einen Gastbetrieb führte.«
Zu gern hätte Alex diesen Roland Banks fünf Minuten für sich allein gehabt. »Wofür ist dann dieser Scheck, wenn nach Rolands Tobsuchtsanfall mit deinen Handarbeiten Schluss war?«
»Ich habe Clara kurz nach meiner Heirat kennengelernt, als sie eines Sommers in meiner Pension wohnte. Sie sah einen meiner Quilts und fragte, ob sie ihn mit nach New York nehmen und in ihrer Galerie verkaufen dürfe. Das war das Stück, an dem sich Rolands Wut entzündete, als sie mir den Scheck dafür schickte. Ich habe dann weiter an meinen Quilts gearbeitet, sie aber auf dem Dachboden versteckt. Als Roland ertrank und zwei verregnete Sommer in Folge mich in Geldnöte brachten, habe ich Clara ein paar Quilts geschickt.« Sie wies mit einem Nicken auf seine Hand. »Das ist für den fünften, den sie für mich verkauft hat. Die anderen brachten nur zwei- und dreitausend Dollar ein. Sie machen den Großteil meiner Ersparnisse aus und sind als Kapital für meine Lodge gedacht.«
Alex machte noch immer die Tatsache zu schaffen, dass Sarah seine Reaktion auf ihr redlich verdientes Geld gefürchtet hatte. »Umso besser, dass du jetzt über zwölftausend Dollar verfügst. Nein, warte. Es sind ja zweiundsechzigtausend«, sagte er, wobei er den Scheck von Brian Banks herumschwenkte.
Er stand auf, ging zu Sarah und drückte ihr die Schecks und Briefe in die unversehrte Hand. »Meinen Glückwunsch, Sarah. Ich bin sehr stolz auf dich!«
»Danke«, flüsterte sie.
In der Absicht, einen kleinen Imbiss vorzubereiten, ging Alex wieder zur Proviantkiste, griff nach einer Packung Cracker, einer Dose Käse und einem Beutel Peperoni. Er tat die Peperoni auf einen Cracker, legte ein Stück Käse darauf, deckte alles mit einem zweiten Cracker zu und drückte es flach. So fabrizierte er mindestens ein Dutzend Häppchen, die er auf einem Pappteller arrangierte. Dann griff er sich ihr Medizinfläschchen, bevor er zu ihrer Matratze eilte.
Wie versprochen löste er den Verband über einem Auge. »Du solltest deine Vitamintablette für die Schwangerschaft mit dem Essen einnehmen«, sagte er und reichte ihr eine hellrosa Tablette, an der ein Pferd hätte ersticken können. »Und die Schmerztablette wirkt besser, wenn man etwas im Magen hat«, setzte er hinzu, zerbrach eine in zwei Hälften und reichte ihr eine. »Und dein Antibiotikum«, schloss er und gab ihr auch dieses. »Ich bringe dir Sprudel zum Nachtrinken.« Er sprang auf und ging zur Theke.
»Schneit es noch immer?«, fragte sie in gedämpftem Ton.
»Ja. Und es wird stürmischer. Es könnte sein, dass wir hier nicht nur wegen des Motorschadens festsitzen, sondern auch noch eingeschneit werden.« Er reichte ihr das Getränk und nahm dann Platz.
Sie umfasste sein Handgelenk. »Es tut mir leid, Alex. Ich habe vorhin unüberlegt reagiert. Ich weiß, dass du nicht wie Roland bist.« Sie lächelte zaghaft. »Ich gehe davon aus, dass du dir deiner Männlichkeit so sicher bist, dass du eine finanziell unabhängige Frau akzeptierst.«
»Auch bei männlichen Männern kann das Ego arge Dämpfer bekommen«, meinte er seufzend und tippte auf seine Wange. »Die beste Heilung für ein angeschlagenes Ego ist ein Kuss.« Er hielt ihr seine Wange hin. »Er lindert den Schmerz.«
Sie berührte sein Gesicht, dann neigte sie sich vor, um ihn sanft auf die Stelle zu küssen, die sie berührt hatte. »Schon besser?«, hauchte sie.
»Ein wenig schon. Und wenn der Schmerz sich wieder meldet, brauche ich noch einen«, neckte er sie. »Und jetzt iss schön brav, bevor dich diese halbe Tablette wieder umwirft.«
Alex legte Holz im Kamin nach, während sie aß, schürte das Feuer im Herd am anderen Ende des Zimmers, nahm dann das Buch, in dem er vorher gelesen hatte, und fing an, laut vorzulesen.
»Ich glaube, ich schlafe jetzt lieber«, erklärte Sarah, ehe er noch einen Absatz zu Ende gelesen hatte.
»Aber jetzt wird es interessant«, wandte er ein. »Willow Foster hat sich in die Toilette einer Kneipe eingesperrt und klettert aus dem Fenster.«
»Du solltest dir meine Hütten ansehen.«
»Draußen stürmt es.«
»Du hast Stiefel, Hut und Handschuhe. Sei ein Naturbursche wie Paul Bunyan und trotze dem Sturm.«
»Paul Bunyan war Holzfäller. Du musst mehr auf die Einzelheiten achten.« Er ging zu ihr und zog ihr die Decke hinauf. Dann verband er auch das andere Auge. »Werden deine gebrochenen Finger dich später, wenn sie geheilt sind, hindern, wieder Quilts zu machen?«
»Nein. Der Arzt sagte, ich hätte mir die Finger gar nicht geschickter brechen können. Es handelt sich nur um haarfeine Brüche an den Stellen, wo ich gegen das Armaturenbrett geprallt bin. Drehbrüche hätten operiert werden müssen.«
»Umso besser.« Er gab ihr einen Kuss auf die Wange. »Träum süß, Sonnenschein.«