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Weißt du noch, was ich in unserem Fitness-Raum zu dir gesagt habe, nachdem du mich geküsst hattest?«, fragte Keenan, griff hinter sie, hob sanft ihren Zopf an und zog ihn über ihre Schulter nach vorn.
»Ich …«, Rachel schluckte und versuchte es noch einmal. »Ich weiß nicht mehr – was hast du denn gesagt?«, fragte sie heiser und strengte sich an, sein Gesicht durch die Schatten zu erkennen. Sie konnte gar nichts sehen, deshalb senkte sie den Blick und schaute wie betäubt zu, als er energisch den Verschluss öffnete, ihre Haarspange einsteckte und dann behutsam die freien Haarenden um seine Finger schlang.
»Ich sagte, dass ich die Sache zu Ende bringen würde, wenn wir beim nächsten Mal diesen Punkt erreichen.«
»Und wir … wir stehen nun an diesem Punkt?«
Langsam und mit so sanfter Präzision, dass Rachel bis in die Zehen ein Prickeln verspürte, ging Keenan daran, ihren Zopf zu entflechten.
»Dieser Punkt liegt hinter uns, Rachel.«
Ihre Haut zog sich erwartungsvoll zusammen.
Der Zopf löste sich langsam, und seine Hand wanderte nach oben.
Das Atmen machte ihr Mühe.
Und als seine Finger schließlich ihren Nacken erreichten, umfasste er ihren Kopf, neigte sich über sie und näherte sich ihren Lippen, ohne sie zu küssen und sie zu berühren. Er ging nur so nahe an sie heran, dass jeder Nerv ihres Körpers zum Leben erwachte.
»Zieh mir eins mit deiner Taschenlampe über, Rachel, oder küss mich.«
Die Taschenlampe fiel polternd zu Boden.
Sarah stockte der Atem, ihr Blick haftete unverwandt an der Buchseite, während ihre Körperhaare sich sträubten. »Tu es nicht, Rachel«, flüsterte sie. »Wenn du mit ihm ins Bett gehst, gibt es kein Zurück mehr. Er wird mehr fordern, als du zu geben gewillt bist. Tu es nicht!«
Aber Rachel tat es, gleich im nächsten Satz, als sie sich Keenan Oakes an den Hals warf und ihn mit der Kraft einer Leidenschaft küsste, die sich nicht länger leugnen ließ. »Jetzt hast du es getan«, murmelte Sarah, als sie ihr eigenes Haar über die Schulter zog und es zu einem Pferdeschwanz flocht, während sie mit schreckensweiten Augen weiterlas. Allmächtiger, Keenan nahm sie gleich hier, an die Wand gepresst! Und Rachel ließ es nicht nur zu, sie drängte zur Eile!
Er schob ihr die Jeans bis zu den Knöcheln hinunter, während sie ihm gleichzeitig die Hose abstreifte. Er hob sie hoch und drückte sie wie zuvor an die Wand. Rachel schlang die Beine um ihn. Der Schock, dass nun nichts mehr zwischen ihnen war, raubte ihr schier den Atem.
Nichts als herrliche, bebende Glut.
Er positionierte sie höher, hielt plötzlich inne. Seine festen Armmuskeln zuckten, er schloss die Augen und sog keuchend die Luft ein.
Rachel spürte, wie er um Beherrschung kämpfte.
Das wollte sie nicht. Sie grub ihre Nägel in seine Haut, damit er sie anblickte, und starrte im Mondlicht in sein flächiges Gesicht, in seine dunkelblauen Augen, aus denen primitives urzeitliches Verlangen blitzte.
»Es ist nichts Verbotenes, wenn man eingeladen wird«, eröffnete sie ihm mit einem koketten Lächeln. »Oder muss ich auch diesen Punkt näher erläutern?«
Ein Schaudern durchlief ihn und erschütterte sie beide.
Rachel verschob ihr Becken und ließ sich tiefer gleiten, bis sie die Spitze seines Schafts an den feuchten Falten ihrer Öffnung spürte.
Und noch immer zügelte er sich.
»Ich hatte schon immer etwas für Höhlenmenschen übrig«, flüsterte sie.
Seine Augen glühten bei ihrer Anspielung auf ihre erste Begegnung, seine Nüstern blähten sich, und seine Hände gruben sich in ihre Schenkel. Er fluchte hitzig und rüde und packte eine Handvoll ihres Haares, als er einen Unterarm an der Wand hinter ihr abstützte und ihren Mund mit einem harten und verzehrenden Kuss gefangen nahm. Er ließ den Kuss auf ihre Wange wandern, dann auf ihre Kehle und begrub sein Gesicht an der Beuge ihres Halses und stieß zu, vorwärts, aufwärts, und hörte nicht auf, bis sie …
»Sarah! Sarah!«
»Was?«, stieß Sarah hervor und blickte ungehalten auf. Dann schnappte sie nach Luft und drückte sich das geöffnete Buch an die Brust. »Was wollen Sie hier? Das ist mein Zimmer. Und wo ist Ihr Hemd?«, quiekste sie, als Alex ans Fußende ihres Bettes trat.
»Was lesen Sie denn da?«, fragte er und blickte mit einer hochgezogenen Braue auf das Buch, das ihre Brust bedeckte. »Ich habe nach Ihnen gerufen und habe so laut angeklopft, dass ich Tote hätte aufwecken können.«
Sarah konnte ihren Blick nicht von seiner Brust losreißen – auch nicht, als sie spürte, wie ihr die Röte in die Wangen stieg. Er war … er … Herrgott, wie breit seine Schultern waren. Seine muskulöse Brust war leicht behaart, und sein Bauch war so flach, dass …
»Kommen Sie zu sich, Sarah«, sagte er und trat einen Schritt nach vorn, so dass er direkt neben ihr stand. Er schwenkte die Hand vor ihrem Gesicht, dann bückte er sich und blickte sie aus zusammengekniffenen Augen an. »Wie viele, Whiskeys haben Sie sich genehmigt?«
»W-warum suchen Sie mich?«, flüsterte sie und zwang sich, von seinem Waschbrettbauch in sein ernstes Gesicht zu blicken.
Er richtete sich auf. »Oben ist kein einziges der Betten gemacht, und die Matratzen sind mit irgendeinem bröseligen lila Zeug bestreut.«
Sarah versuchte, sich auf seine Worte zu konzentrieren, nicht auf die Tatsache, dass er in fast nackter Pracht vor ihr aufragte, bis sie plötzlich die Bedeutung seiner Worte erfasste. »Ach, das habe ich ganz vergessen. Als alle abreisten, habe ich die Betten abgezogen, damit die Matratzen atmen können, und dann habe ich sie mit Lavendelblüten bestreut, damit sie gut riechen.«
Sein Gesicht, das anzusehen sie sich zwang – damit sie nicht auf seine Brust starrte –, verriet Fassungslosigkeit. »Sie lassen das Bettzeug atmen und wollen, dass es nach Lavendel duftet? Was soll das?«
»Es ist üblich, Matratzen einige Male im Jahr zu lüften«, erklärte sie und erwiderte seinen unfreundlichen Blick. Wo, ach wo war nur ihre Decke? Zu verlegen, um sie zu suchen, konnte Sarah nur hoffen, dass sie unter ihrem Buch steckte und ihr nicht bis zur Taille hinuntergerutscht war. Sie errötete so heftig, dass sie befürchtete, ihr hauchdünnes Nachthemd würde sie verraten. »Ich wollte die Gelegenheit nutzen, weil alle fort waren.«
»Und wo soll ich jetzt schlafen?«
»Ach … ich mache ein Bett zurecht.«
Er rührte sich nicht, so dass sie nicht einmal den Versuch unternahm, endlich aufzustehen. Stattdessen starrten sie einander an, bis Sarahs Blick wieder zu seiner Brust glitt. Sofort riss sie ihre Augen los und stellte fest, dass auch er den Blick gesenkt hatte … Und sie bezweifelte, dass er ihr Buch betrachtete.
»Sie haben ein Doppelbett«, sagte er ganz leise und sah sie mit glänzenden – oder wohl eher vom Whiskey glasigen – Augen an. »Vielleicht könnten Sie mir ja etwas vorlesen, bis ich einschlafe? Ich glaube nicht, dass ich noch die Kraft habe, wieder diese Treppe zu erklimmen.«
Sarah drückte ihr Buch noch fester an ihre Brüste. Was würde Rachel Foster jetzt tun? Ihm ihr Buch nachwerfen? Ihn, falls nötig, die Treppe hinaufschleifen?
Nein, dachte Sarah mit einem mentalen Kopfschütteln. Eine kluge, lebensfrohe, selbstsichere Heldin würde vermutlich zur Seite rutschen und Platz machen, wenn ein gutaussehender Mann mit blitzenden blauen Augen ihr einen so provozierenden Antrag machte. Außerdem, wozu war der Mann in seinem Zustand überhaupt noch in der Lage? Er hatte eine halbe Flasche Whiskey intus, er war erschöpft von den zwei Wochen, in denen er um sein Leben gerannt war, und er hatte gesagt, dass er nichts wie schlafen wolle.
War sie denn so verklemmt, dass sie ihn nicht auf der Decke neben sich liegen haben konnte? Fang so an, wie du fortfahren willst, rief sie sich ständig in Erinnerung. Nun, sie wollte ganz sicher nicht, dass Alex Knight sie für einen Angsthasen hielt – und schon gar nicht für ein prüdes spätes Mädchen. Vielleicht war es ja der Whiskey, der ihr Mut machte, oder aber Rachel Foster gab es ihr ein. Jedenfalls drehte Sarah sich ganz plötzlich um, strich die Decke glatt und klopfte auf das Bett neben sich.
Alex Knight rührte sich nicht. Sarah nahm eines der Kissen, das sie stützte, und legte es für ihn zurecht, wobei sie sich noch immer das Buch an die Brust presste, und klopfte wieder auf das Bett, ohne ihn anzusehen.
»Sie wissen, was Sie da tun, Lady?«
Was würde Rachel jetzt sagen? »Aber sicher«, erwiderte Sarah, wobei sie lässig mit einer Schulter zuckte. »Wenn Sie sogar zu müde sind, um die Treppe zu erklimmen, sagt das meiner Meinung nach alles. Da Sie mindestens dreißig Zentimeter länger sind als die Couch, kommt diese nicht in Frage. Sie liegen auf der Decke, und ich beschränke mich auf meine Hälfte des Bettes«, erklärte sie und klopfte wieder auf das Bett.
Als er sich noch immer nicht rührte, fühlte Sarah sich plötzlich ganz als Herrin der Lage. War sie wirklich imstande, diesen Mann zum Einlenken zu bewegen, indem sie einfach bluffte? Verdammt, sich wie eine Heldin zu benehmen konnte einem schwer zu Kopfe steigen.
Sie schenkte Alex ein Lächeln, das Rachel stolz gemacht hätte. »Ich verspreche, dass ich die Situation nicht ausnutzen werde, Mr. Knight, falls Ihnen das Sorgen bereitet.«
Der Blick, mit dem Alex sie bedachte, hätte Sarah in die Flucht schlagen sollen, sie aber lächelte noch strahlender. Die Schatten der Nachttischlampe ließen seinen finsteren Blick eher grotesk als bedrohlich wirken, als Alex schließlich auf die Decke kroch. Er ließ sich neben ihr nieder und verschränkte die Hände seufzend über seinem flachen Bauch.
Sarah lag völlig reglos da, als sie die Wärme und das Gewicht seines Körpers spürte, der sich, nur durch die dünne Decke getrennt, an sie drückte. Ich kann das, ich kann das, wiederholte sie insgeheim immer wieder, bis ihr rasendes Herz sich so weit beruhigt hatte, dass sie unauffällig ein Stück von ihm wegrutschen konnte.
»Widmen Sie sich getrost wieder Ihrer Lektüre, aber lesen Sie laut vor«, sagte Alex und schloss die Augen, als er sich mit einem erneuten Seufzer tiefer in die Matratze sinken ließ. »Ich mag Ihre Stimme.«
Sie konnte unmöglich die Szene vorlesen, die er gerade unterbrochen hatte. Rachel und Keenan hatten es getan!
»Ich … hm … ich habe gerade das erste Kapitel gelesen, denn ich habe erst heute mit dem Buch angefangen«, erklärte sie, markierte die Seite und blätterte rasch zum ersten Kapitel zurück.
»Was für ein Buch ist das?«
»Ein … ein Spannungsroman, bei dem es um ein Geheimnis geht. Die Autorin lebt hier in Maine. Schauplatz ist die hiesige Küste.«
Sie sah zu ihm hinüber und bemerkte, dass Alex die Augen einen Spalt weit geöffnet hatte und sie anblickte. »Sie mögen Spannung und Geheimnisse?«
Sie schüttelte den Kopf. »Es geht eher um das Geheimnis einer Frau. Ein Stück Romantik ist auch mit dabei.«
Er verzog den Mund zu einem Lächeln und öffnete ein Auge, als er eine Braue hochzog. »Was Scharfes? Gekeuche und Gefummel?«
Sarah zügelte das Rot, das ihr am Hals hochstieg. »Es ist etwas Geheimnisvolles«, wiederholte sie. Sie blickte in das Buch und fing an vorzulesen, ehe er noch etwas hinzufügen konnte: »Auf ihren Stock gestützt humpelte Rachel Foster die Stufen der Bibliothek hinunter und ging zu ihrem Wagen, um schnellstmöglich nach Hause zu kommen und sich ein ausgedehntes heißes Schaumbad zu gönnen. Das angeknackste Knie war fast verheilt …«, las Sarah leise im Rhythmus des Textes vor.
Sie kam bis zu Seite zwölf, als Alex’ regelmäßige Atemzüge ihr verrieten, dass er eingeschlafen war. Sie hielt im Lesen inne und lächelte. Grundgütiger Gott, sie hatte es geschafft; sie hatte einen echten, lebendigen Mann und keinen Romanhelden in ihrem Bett! Da er eingeschlafen war, fühlte sie sich sicher, und die paar Drinks, die sie sich genehmigt hatte, hatten ihr offensichtlich so viel Courage eingeflößt, dass sie sich nicht hatte ins Bockshorn jagen lassen. Jetzt musste sie nur dafür sorgen, dass sie bei Tagesanbruch aus dem Bett und fertig angezogen war, um ihn zu wecken, damit er seine Familie begrüßen konnte.
Sarah blätterte in ihrem Roman zu der Stelle zurück, an der sie unterbrochen worden war, als sie so herzhaft gähnen musste, dass sie sich fast den Kiefer verrenkte. Seufzend klappte sie das Buch zu und steckte es in die Stoffhülle, mit der sie ihre scharfen Romane immer schützte, damit niemand sah, was sie las. Sie legte das Buch auf den Nachttisch und löschte das Licht.
Vorsichtig kroch sie unter der Decke an den Rand des Bettes und schlief nach einem neuerlichen Gähnen mit einem selbstzufriedenen Lächeln ein.
Ihre Muskeln waren wie Blei, ihr benommener Kopf voller farbloser Bilder. Sarah spürte nur vage, dass sie in jenem ätherischen Bereich zwischen bewusstem Wachsein und Tiefschlaf dahintrieb, einem Bereich, in dem surreale Dimensionen sich auf eine Weise materialisierten, dass Träume real erschienen.
Sie erlebte Rachels und Keenans leidenschaftliche Liebesszene von Neuem, wobei ihre lebhafte Phantasie die Leerstellen ausfüllte, nachdem sie zu lesen aufgehört hatte. Nur war es nicht Keenan Oakes, den ihr Traum heraufbeschwor, sondern der nicht minder eindrucksvolle Alex Knight. Und es war nicht Rachel Foster, die kühn seinen Körper streichelte, es waren vielmehr Sarahs Finger, die durch sein daunenweiches Brusthaar strichen.
Das war das Schöne, das Sichere an Träumen, befand Sarah, als sie sich über ihren Traumhelden beugte und mit den Lippen seine Brust berührte. Eine warme Woge erfasste sie, als sein Schaudern sie ermutigte, ihre Finger über seine Schultern zum Nacken gleiten zu lassen, während sie ihn voll auf den Mund küsste.
Seine Arme umschlossen sie in einer glühenden Umarmung, und seine Zunge verlockte sie, die Lippen zu öffnen. Ihre eigene Leidenschaft brach sich mit pulsierender Energie Bahn, so dass der wohlige Schmerz in der Magengrube sie dazu trieb, die Beine intim um ihn zu schlingen, als er sie auf den Rücken rollte und sie mit seinem Körper bedeckte. Seine große, pulsierende Männlichkeit drückte durch seine Hose an ihren Schlüpfer, und Sarah hielt den Atem an.
Rachel war doch schon nackt und hatte Keenan aus seinen Jeans geholfen … oder? Gleich nachdem sie die Taschenlampe hatte fallen lassen?
Starke, tastende Finger glitten unter Sarahs Nachtgewand zu dem Gummizug um ihre Taille und zogen ihr langsam das Höschen über die Hüften. Ach ja, jetzt fiel es ihr ein: Keenan hatte Rachel beim Ausziehen geholfen.
Sarah zog ihr Höschen so weit herunter, dass sie es mit den Zehen ganz abstreifen konnte. Ihr Traumheld hatte mit seiner Hose zu kämpfen, kam dann aber sofort zwischen ihre Schenkel. Sarah schlang die Beine wieder um ihn und warf den Kopf mit einem hingerissenen Aufstöhnen in den Nacken, als er durch das Nachthemd hindurch an einer ihrer Brustwarzen sog. Er hielt ihre unruhigen Hände fest und drückte sie ans Kissen, als er noch näher rückte – diesmal stöhnte sie, als es sie wie ein Schock traf, dass nun nichts mehr zwischen ihnen war.
Nur herrliche, bebende Glut.
Er erstarrte plötzlich, seine angespannten Armmuskeln zuckten.
»Es ist nichts Verbotenes, wenn man eingeladen wird«, flüsterte Sarah.
Ein Schauer durchlief ihn, erschütterte sie beide, und Sarah hob ihr Becken so weit, bis sie die heiße Spitze seines Schafts spürte, der in die feuchten Falten ihrer Öffnung eindrang.
Er nahm ihren Mund in einem heißen, verzehrenden Kuss in Besitz, dann glitten seine Lippen zu ihrem Hals. Er stieß zu, zog sich zurück …
Sarahs erstauntes Stöhnen weckte sie vollends auf, und sie konnte Alex Knight nur mit großen Augen anstarren, als der sich ähnlich erschrocken aufrichtete. Allmächtiger, es war kein Traum! Sie hatte wirklich Sex mit Alex!
Nun, beinahe. War er denn wirklich wach? Konnte ein … Konnte ein Mann tatsächlich im Schlaf?
»Nein, nicht aufhören«, stieß sie heiser hervor und grub zur Bekräftigung ihre Finger in seine Schultern. »Bring es zu Ende!«, rief sie verzweifelt, als sie ihm ihre Hüften entgegenhob und ihr ganzer Körper sich danach sehnte, ihn in sich zu spüren.
Ein Grollen entrang sich den Tiefen seiner Brust, als er ihre Barriere durchstieß. Sarah empfand einen Moment des Unbehagens, und dann war er voll und tief in ihr. Sie rührte sich nicht und wagte nicht zu atmen, bis er sich in einem Rhythmus zu bewegen begann, der Sarah in Wogen sich steigernder Leidenschaft wiegte.
Grundgütiger Himmel, ja! Wie gut sich das anfühlte, so wundervoll erfüllt zu sein. Sarah begegnete seinen Stößen mit winzigen, zustimmenden Stöhnlauten, wobei jeder Nerv ihres Körpers sich auf ihre Empfindungen konzentrierte und jeder Wonneschauer sie mit seiner Intensität überraschte.
Ihr Inneres krampfte sich zusammen, als sie etwas spürte – etwas Erstaunliches, das ihr Begriffsvermögen überstieg. Dann aber verharrte Alex plötzlich in völliger Reglosigkeit, und Sarah schlug die Augen auf und sah, dass er den Kopf zurückgeworfen hatte und seine Muskeln angespannt hervortraten, als er sich dem pulsierenden Höhepunkt hingab.
Er brach seufzend auf ihr zusammen, und Sarah richtete ungläubig zwinkernd den Blick zur Decke. Das war es? Es war vorüber?
Nun, er war offensichtlich fertig.
Aber sie hatte doch erst angefangen. Sie war fast so weit gewesen, es endlich zu erleben. Erfüllung. Der große Knall. Verdammt, er konnte doch noch nicht fertig sein!
Sarah stieß ihn an die Schultern. »Ich kann nicht atmen.«
Alex rollte sich ächzend auf die Matratze, zog sie jedoch mit sich, bis sie an seine Seite geschmiegt dalag. Er strich ihr das Haar aus dem Gesicht und küsste leicht – um nicht zu sagen flüchtig – ihre Stirn, ehe er mit einem tiefen, befriedigten Seufzer den Kopf zurücksinken ließ.
Sarah starrte an seiner rasch fallenden und sinkenden Brust vorbei. Würden sie jetzt kuscheln? Mit ihrem bis zu den Achselhöhlen hochgeschobenen Nachthemd, während seine Hitze ihre Brüste und Schenkel versengte und ihr Körper prickelte vor … vor …? O Gott, was hatte sie getan?
Sie hatte mit ihrem Mann geschlafen.
Und eine Ehe vollzogen, die sie beide nicht wollten!
»Tut mir leid«, murmelte er plötzlich. »Irgendwie hast du mich überrumpelt.« Er tätschelte ihre nackte Pobacke. »Lass mir eine Minute Zeit. Dann kümmere ich mich um dich.«
Er wollte sich kümmern … Meine Güte, ja war ihm denn gar nicht klar, was sie da getan hatten! Er war noch immer im Halbschlaf, noch immer betrunken – oder möglicherweise beides.
»Ich … hm … ich muss ins Bad«, murmelte sie, entzog sich seiner Umarmung und glitt vom Bett.
Er unternahm den halbherzigen Versuch, sie aufzuhalten. »Beeil dich«, flüsterte er, als er sie nicht festhalten konnte.
»Aber sicher«, sagte sie und tastete sich durch die Finsternis zum Bad, huschte hinein und schloss leise die Tür hinter sich. Sie wagte nicht einmal, Licht zu machen – aus Angst vor dem, was sie im Spiegel sehen würde.
Welcher Irrsinn hatte sie dazu getrieben, Alex in ihr Bett einzuladen, und welcher Teufel hatte sie geritten, ihn zu streicheln? Sie hatte ihn tatsächlich angefleht, bis zum Äußersten zu gehen.
Sarah schlug die Hände an ihre fieberheißen Wangen. Wie sollte sie ihm am Morgen gegenübertreten? Was konnte sie zu ihrer Rechtfertigung vorbringen? Entschuldige, Alex, ich wollte dich wirklich nicht verführen. Als frustrierte Jungfrau von neunundzwanzig Jahren war ich bloß scharf auf eine fixe Affäre?
Und Grady. Wie sollte sie das alles je Grady erklären?
Sarah richtete sich gerade auf und ballte die Hände zu Fäusten. Sie würde Grady gar nichts erklären, weil sie schlichtweg keiner Menschenseele anvertrauen würde, was sie getan hatte. Und Alex musste ihr Stillschweigen versprechen.
Ihm konnte ebenso wenig daran gelegen sein, dass nach außen drang, was sich zwischen ihnen abgespielt hatte. Schließlich hatte sie ihn eigentlich nicht in ihr Bett gezerrt, und sie hatte ihm den Whiskey auch nicht eigenhändig eingeflößt, oder?
Sarah hörte, dass sich im angrenzenden Raum etwas bewegte; unter der Badezimmertür war Licht zu sehen. War Alex wach? Er schien im Schlafzimmer herumzugehen.
Sarah machte Licht im Bad, dann zog sie rasch ihr Nachthemd zurecht, um ihre Blößen zu bedecken.
Das Geräusch, das sie gleich darauf vernahm, ließ darauf schließen, dass die Schranktür aufgerissen wurde. Was machte er da? Sie hörte Kleiderhaken klirren, dann polterte etwas gegen die Wand. Sie drehte den Türknauf und öffnete die Tür. Nur mit seiner Hose bekleidet stand Alex da und warf ihren Koffer auf das zerwühlte Bett.
»Zieh dich an«, sagte er, ohne sie anzusehen, offensichtlich zu sehr damit beschäftigt, ihre Sachen von den Kleiderbügeln zu nehmen. »Verschwinde von hier.«
»Wie bitte?«, fragte Sarah entgeistert, als er ihre Klamotten auf den geschlossenen Koffer fallen ließ.
Sie blieb abrupt stehen, als er sich blitzschnell zu ihr umdrehte. Und zum ersten Mal hatte Sarah tatsächlich Angst vor ihm. Er schien hellwach und völlig nüchtern und so zornig, dass ihm zuzutrauen war … jemanden zu töten. Wie hatte dieser Mensch sich in wenigen Augenblicken von einem verschlafenen, befriedigten Kuschelbären in ein feuerspeiendes Ungeheuer verwandeln können?
Sarah warf einen Blick zu der Tür, die zur Küche führte, doch Alex ging hin und knallte sie zu, um sich davor in Positur zu bringen.
Sofort wich sie an die Wand ihres Schlafzimmers zurück und streckte abwehrend die Hände aus. »Es … es ist nicht, wie du denkst. Ich habe geträumt, Alex. Ich … ich habe dich für jemanden anderen gehalten.« Sie schenkte ihm ein zögerliches Lächeln, das ihm vermitteln sollte, dass sie nicht den Verstand verloren hatte. »Am besten, wir vergessen das alles einfach. Ich werde den Rest der Nacht auf der Couch verbringen.«
»Geträumt?«, wiederholte er ganz leise mit einem Ton, in dem sich Zorn und Unglauben mischten. »Du hast gedacht, ich sei ein anderer?« Er trat einen Schritt auf sie zu. »Wir sollen so tun, als wäre nichts gewesen?« Jetzt war er so laut, dass er fast schrie. »Verdammt noch mal, du warst noch Jungfrau!«
Sarah schob ihr Kinn vor. »Na und? Was kümmert es dich. Sieh mal«, setzte sie rasch hinzu, als er abermals einen Schritt auf sie zukam. »Niemand braucht zu wissen, dass ich Jungfrau war. Und niemand braucht zu wissen, dass wir miteinander geschlafen haben.«
Mit einer Miene, die ausdrückte, dass sie Unsinn redete, verschränkte er die Arme vor der Brust. »Aber was wird aus deinem Plan, wenn wir nicht alle Welt wissen lassen, dass unsere Ehe vollzogen wurde?« Sein Kopfnicken galt dem zerwühlten Bett. »Hast du nicht deshalb diese kleine Verführung inszeniert?«
Sarah war fassungslos. »Schon wieder! Du unterstellst mir einen Plan.« Sie deutete mit dem Finger unsicher auf ihn. »Ich will mit dir nicht verheiratet sein! Ich war mit Gradys Plan nur einverstanden, weil man dich für tot gehalten hat.«
»Aber ich bin nicht tot. Wie sieht dein Plan jetzt aus, Sarah?«
»Ich habe keinen Plan«, fuhr sie ihn an, ging an ihre Kommode und zog eine Schublade auf, aus der sie eine Jacke und eine Hose nahm. Es war verdammt hart, sich in einem Nachthemd verteidigen zu müssen. Und da es eine beruhigende Wirkung auf sie zu haben schien, wenn sie ihm den Rücken zudrehte, ging Sarah wieder dazu über, so zu tun, als würde er nicht existieren.
Doch sie fuhr herum, als er weitere Sachen aus dem Schrank holte und sie aufs Bett warf. »Pack deinen Kram. Du verschwindest hier.«
»Du kannst mich doch nicht hinauswerfen!«
Er nickte. »Das kann ich sehr wohl – und das werde ich auch tun! Du kannst ins Hotel in Greenville ziehen. Grady wird kommen und dich aufsuchen …« Er blickte zur Zimmerdecke, dann sah er wieder sie an. »Samstag. Er wird am Samstag oder Sonntag kommen, nachdem wir schön und in ganz familiärem Rahmen unser Wiedersehen gefeiert haben.«
»Aber es ist tiefe Nacht.«
»Unsere Fahrzeuge haben Scheinwerfer. Such dir eine Karre aus.«
Verdutzt stammelte sie: »Aber … aber … der Truthahn. Ich muss ihn um sechs ins Rohr tun. Und alle anderen Speisen – alles ist nur halb fertig.«
Er klappte den Koffer auf und machte sich daran, ihre Sachen hineinzustopfen. »Lady, Sie sind so gut wie draußen. Ich traue Ihnen nicht so weit über den Weg, wie man spucken kann. Ich werde mit meinem Vater ein langes, freundliches Gespräch führen, und ich möchte dabei mit ihm allein sein.«
»Aber Delaney und Tucker. Sie werden es nicht verstehen!«
Er deutete mit einem ihrer Kleidungsstücke auf sie. »Lassen Sie meine Kinder aus dem Spiel oder Sie werden es bereuen, dass Sie je geboren wurden.«
Sarah drehte sich zur Kommode um. Heiliger Himmel, er war übergeschnappt! Aus persönlicher Erfahrung wusste sie, wie wütend Männer werden konnten, wenn sie meinten, manipuliert worden zu sein – besonders von einer Frau. Und sie würde lieber den Rest der Nacht damit verbringen, den kalten, dunklen Wäldern zu trotzen, als dem Zorn dieses Mannes ausgesetzt zu sein.
Sarah zog also einen Großteil ihrer Unterwäsche und Socken heraus, ging ans Bett und ließ sie in den Koffer fallen, ohne ihn dabei eines Blickes zu würdigen. Sie lief noch einige Male hin und her und stopfte alles, was sie nur unterbringen konnte, in den Koffer und in den Rucksack, der neben der Kommode gelegen hatte.
Die ganze Zeit über spürte sie Alex’ dunkle, anklagende Augen auf sich, und erst als sie den Koffer zuschnappen ließ und den Reißverschluss des Rucksacks zuzog, griff er sich die zwei Gepäckstücke und ging damit zur Tür hinaus. »Sie haben zwei Minuten Zeit«, sagte er und stakste in die Küche. »Dann verpasse ich Ihnen einen Tritt, dass Sie hier rausfliegen, und zwar egal, was Sie am Leibe tragen.«
Sarah nahm die Sachen, die sie beiseitegelegt hatte, lief zur Badezimmertür und schloss sie. Doch das Anziehen erwies sich als schwierig, da sie heftig zitterte. Als sie sich vorbeugte und versuchte, in ihr Höschen zu schlüpfen, bemerkte sie das Blut an ihrem Schenkel. In dem Moment verlor sie den spärlichen Rest ihrer Fassung, und sie fing lautlos an zu weinen.
Wie hatte alles nur so schrecklich, so grässlich schiefgehen können? Vor noch nicht einmal zwölf Stunden hatte sie sich emsig in der Küche zu schaffen gemacht und Vorbereitungen für das Thanksgiving-Essen getroffen; es sollte für die Familie zu einem besonderen Erlebnis werden.
Nun ja, es handelte sich ja nicht wirklich um ihre Familie, oder?
Sarah fuhr in ihre Jeans und zog den Reißverschluss hoch, dann ging sie ans Bett und setzte sich, um sich die Socken anzuziehen. Ihr Buch lag auf dem Nachttisch, und sie griff danach, um es mit aller Kraft an die Wand zu werfen. »Alles deine Schuld, Rachel Foster!«, zischte sie. »Du hast mir diesen Blödsinn in den Kopf gesetzt. In der realen Welt gibt es keine Helden; und Klugheit und Selbstsicherheit bringen eine Frau bloß in Schwierigkeiten!«
»Die Zeit ist um«, brüllte Alex durch die Tür.
»Sofort!«, rief Sarah zurück und wischte sich mit dem Handrücken das Gesicht ab. »Ich ziehe gerade meine Socken an!«
Sie stand auf, atmete tief durch, öffnete hoch erhobenen Hauptes die Tür und durchschritt die Küche. An der bereits geöffneten Hintertür hielt sie inne, zog Jacke und Stiefel an, nahm Rucksack und Koffer und schob die Drahtgittertür auf, ohne sich umzublicken. Die Tür fiel hinter ihr zu, als die Innentür geschlossen wurde, und Sarah überlief es eiskalt, als sie hörte, wie der Riegel vorgeschoben wurde.
Sie stand da und blinzelte in die schwarze Nacht, bis sich ihre Augen allmählich an die Dunkelheit gewöhnt hatten und sie die Umzäunung des Hofes ausmachen konnte. Sie sah die vier Pick-ups, die neben dem Maschinenschuppen parkten, dann stieg sie die Verandastufen hinunter und ging in Richtung Zufahrt. Am Waldrand blieb sie stehen, zog den Reißverschluss ihrer Jacke bis ans Kinn hinauf, schulterte den Rucksack und hob den Koffer hoch, bevor sie dann die acht Meilen nach Oak Grove in Angriff nahm.