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ZU VIELE KÖCHE

Der Beste. Nein, Nerron konnte sich nicht erinnern, sich jemals zuvor so gut gefühlt zu haben. Er hatte Jacob Reckless um seine Beute gebracht und ihn wie einen Anfänger gedemütigt!

Nicht mal das Prinzlein konnte seine Laune verderben, obwohl Louis überall herumerzählte, dass ihnen durch Nerrons Schuld ein albischer Spion entkommen war, nachdem er, Louis, ihm eine tadellose Jungfrau gebracht hatte. Er hatte sich einen ganzen Tag lang geweigert, sich auf den Weg nach Vena zu machen, und stahl sich seither mit jedem Mädchen davon, das seine diamantenen Knöpfe beeindruckten. Der Wassermann verbrachte die Nächte damit, Scheunen und Bauernhäuser nach ihm zu durchsuchen, und musterte seinen königlichen Schützling inzwischen mit solcher Abneigung, dass Nerron sich nicht gewundert hätte, Louis eines Morgens ertränkt in einem Pferdetrog zu finden. In dem Reisejournal, das Lelou unermüdlich vollkritzelte, kam all das natürlich nicht vor. Stattdessen berichtete er von jeder Burg, an der sie vorbeigekommen waren, jeder vereisten Straße und jedem Bergwichtel, der sie mit Steinen beworfen hatte. Nerron begutachtete sein Geschreibsel jeden Abend (der Käfer hatte zum Glück eine sehr leserliche Handschrift) und schlief darüber ein.

Ja, es war alles bestens.

Trotz Louis.

Trotz Lelou.

Trotz Eaumbres Fischgeruch.

Bald würden sie in Vena sein, er würde das Herz finden, Louis die Hand abnehmen und einen Toast zum Gedenken an Reckless aussprechen.

Sie übernachteten in einem Gasthaus in Bavaria, und Vena war nur noch eine Tagesreise entfernt, als Nerron klar wurde, dass die letzte Etappe der Jagd vielleicht doch nicht ganz so glatt verlaufen würde.

Er wachte davon auf, dass er kühles Metall an der Kehle spürte. Neben seinem Bett stand Louis und presste ihm mit elfenstaubvernebeltem Blick den Säbel an den Hals.

»Du hast mich belogen, Goyl«, knurrte er und hielt einen Täuschbeutel hoch, den Nerron als den von Reckless erkannte, obwohl er reichlich von dem heißen Gewürzwein getrunken hatte, den man in Bavaria in jedem Gasthaus ausschenkte.

Nerron musste nur Lelous Käfergesicht hinter Louis’ Ellbogen hervorlugen sehen, um zu begreifen, wer das Prinzlein auf die Spur des Beutels gebracht hatte.

»Es ist der Kopf!«, stellte Lelou mit vorwurfsvoller Stimme fest. »Er hat mir einen Schlag versetzt. Und er schreit.«

»Wahrscheinlich hat er dich verflucht«, sagte Nerron, während er Louis’ Säbel zur Seite stieß.

Lelou wurde blass um die spitze Nase, aber Louis beugte sich drohend über Nerrons Bett.

»Du hast versucht, mich zu betrügen, Goyl. Wie lange hast du den Kopf schon?«

»Er wollte ihn Euch zeigen.« Der Wassermann war eine dunkle Silhouette in der offenen Tür. »Der Goyl hat mich gefragt, wo er Euch finden kann, aber Ihr wart nicht in Eurem Bett.«

Das war die schlechteste Lüge, die Nerron je gehört hatte, aber durch das Flüstern des Wassermanns klang sie wie die bedeutsamste Wahrheit.

»Ich arbeite für Euren Vater«, sagte Nerron, während er Louis den Täuschbeutel aus den Fingern zog. »Habt Ihr das vergessen? Ich folge nur seinen Anweisungen. Der Kopf bleibt bei mir. Außer Ihr lasst Euch von mir beibringen, wie Ihr Euch gegen seine Flüche schützt.«

Lelou verbarg sich immer noch hinter Louis’ Rücken.

Na warte, Käfer. Ich werde dir jeden Bergwichtel, der uns noch über den Weg läuft, auf den dünnen Hals jagen.

Louis strich über die Klinge seines Säbels, als malte er sich aus, wie sie durch Goylhaut schnitt. »Also gut. Behalte den Kopf. Fürs Erste.«

Eaumbre stand immer noch in der Tür.

Lelou hatte vielleicht den Verdacht, dass Nerron log. Der Wassermann wusste es.

Nerron ging zu Eaumbres Kammer, sobald er hinter Lelous Tür sein Heuschreckenschnarchen und in Louis’ Zimmer das Kichern eines Mädchens hörte.

Eaumbre lag auf seinem Bett und goss sich eine Schüssel Wasser über die schuppige Brust.

»Was ist der Preis?«, fragte Nerron.

»Das wird sich zeigen«, flüsterte der Wassermann.