7
Die verletzten argentinischen Soldaten zu täuschen war einfach gewesen. Diese Männer sahen, was sie sehen wollten. Etwas völlig anderes wäre es aber, an den Reservetruppen unten im Tal vorbeizukommen und zu einem der Helikopter zu gelangen.
Juan dachte kurz nach und wurde vom Stöhnen der Verletzten inspiriert. »Okay«, sagte er. »Zurück zum Truck, aber bewegt euch, als ob ihr verletzt wäret. Murph, lehn dich an Jerry, und du, Mike, tu so, als würde ich dir helfen.«
Sie schleppten sich den Berg hinauf, als wären sie Opfer des Unfalls, und bewegten sich dabei zwar steif und mühsam, waren jedoch überraschend schnell. Cabrillo ließ die Männer auf die Ladefläche des alten Pick-ups steigen, während er sich selbst hinters Lenkrad setzte. Ehe er in den ersten Gang schaltete, holte er ein Klappmesser aus der Tasche. Die Schneide war so scharf wie ein Skalpell, und als er sie am Haaransatz quer über seine Stirn zog, spürte er keinen Schmerz, sondern nur, wie das Blut zu fließen begann, in seine Augen tropfte und sich einen Weg durch den Schmutz und die Schmiere suchte, die in seinem Gesicht klebte.
Er sah durch das Heckfenster, so dass seine Männer erkennen konnten, was er getan hatte. Sie begriffen augenblicklich, und als er den Truck auf Reisegeschwindigkeit beschleunigt hatte, sahen die drei Männer auf der Ladefläche aus, als kämen sie direkt aus einem Schlachthaus. Sie trafen auf einen bunt zusammengewürfelten Konvoi, der die Bergflanke heraufkam – vorwiegend Pick-ups, aber auch ATVs und ein Feuerwehrwagen, der Mitte der 1950er in Dienst gestellt worden war. Langsam näherte sich Juan dem Truck an der Spitze. Der Fahrer war Zivilist, aber neben ihm saß jemand in Uniform, ein Mann, den man unter anderen Umständen als attraktiv hätte bezeichnen können, dessen Miene jedoch wegen dem, was er gesehen hatte, abgespannt wirkte.
»Was ist passiert?«, rief er Juan durch das Führerhaus zu.
»Ein Holzlaster ist umgekippt, Sir«, erwiderte Juan. Er wischte sich Blut aus den Augen und verteilte es unauffällig auf seinem gesamten Gesicht, um seine Gesichtszüge noch besser zu verbergen. »Die Männer hinten wurden am schwersten verletzt.«
Wie auf ein Stichwort begannen Jerry, Mike und Mark mitleiderregend zu stöhnen.
»Die anderen haben nur leichte Verletzungen«, fuhr Juan fort. »Diese hier sollten schnellstens ausgeflogen werden.«
»Was ist mit Leutnant Jimenez und dem geborgenen Satellitenteil?«, fragte Major Espinoza.
»Er hat es dort, wo die Trucks umgekippt sind«, erwiderte Juan.
»Und wie schwer sind Ihre Verletzungen?«
»Ich kann fahren.«
Espinoza traf eine schnelle Entscheidung. »In Ordnung, dann bringen Sie diese Soldaten zum Helikopter und bestellen Sie meinem Piloten, er solle sie zu unserer vorgeschobenen Operationsbasis fliegen. Er soll seine Ankunft aber auf jeden Fall per Funk anmelden, damit Ärzte bereitstehen.«
»Ja, Major«, sagte Juan, als er die Insignien am Kragen des Mannes erkannte. Er nahm den Fuß von der Bremse und fuhr auf der engen Straße langsam an dem Konvoi vorbei. Seine gesamte Selbstbeherrschung war nötig, um ein Grinsen aus seiner Miene zu verbannen.
Ein paar Minuten später rollten sie ins Basislager. Hier unten, wo die Gestrüpphaufen brannten, war die rauchgeschwängerte Luft so dicht, dass man nicht mehr als dreißig Meter weit blicken konnte, und jeder Atemzug fühlte sich an, als inhaliere man Rasierklingen. Juan wusste, dass sie nur ein kleines Zeitfenster hatten, um ihre Flucht zu inszenieren. Sobald der argentinische Major begriff, dass er ausgetrickst worden war, würden die Reservetruppen wie die Scharen der Hölle den Berg herabgestürmt kommen. Er fuhr weiter in Richtung der geparkten Chopper.
Die Maschinen waren EC-135-Eurocopter, ein mittelgroßer Allzweckhubschrauber mit einer zehnjährigen Geschichte erfolgreicher Einsätze in nahezu allen Bereichen. Diese Exemplare waren abgerüstete Truppentransporter, deren Türen modifiziert worden waren, um dort Kaliber-.30-Türgeschütze installieren zu können. Bei einem der Hubschrauber stand eine hintere Abdeckklappe offen, der Pilot aber befand sich halb vergraben in den Eingeweiden der Maschine. Juan vermutete, dass er gerade dabei war, den Defekt zu reparieren, den Leutnant Jimenez erwähnt hatte.
Er hielt auf den zweiten Hubschrauber zu. Der Pilot dieses Vogels hatte ein Halstuch um Mund und Nase gebunden, um den Qualm so gut wie möglich aus der Luft zu filtern, und lümmelte sich schlafend in seinem Sitz. Cabrillo hatte eine Idee: Es war sicher besser, einen gut ausgebildeten Feind zu benutzen als einen amateurhaften Gefährten. Er betätigte die Hupe, die sich als einziges Teil des alten Vehikels entpuppte, in dem noch ein wenig Leben steckte.
Der Mann schreckte aus dem Schlaf und schob seine Sonnenbrille hoch. Er riss die Augen weit auf, als er all die blutigen Erscheinungen von dem alten Pick-up herabsteigen sah.
»Wir brauchen sofort einen Flug«, rief Juan dem Piloten zu und half Mike Trono, der sich wie Quasimodo persönlich vorwärtsbewegte.
»Nicht ohne die Genehmigung des Majors«, erwiderte der Pilot.
»Funken Sie ihn an«, verlangte Juan in scharfem Ton. »Er war es ja, der meinte, wir sollten sofort abfliegen. Aber lassen Sie schon mal die Turbinen an, damit wir keine Zeit verlieren.«
Der Pilot machte keinerlei Anstalten, die Turbinen des Eurocopters zu starten. Stattdessen griff er nach seinem Helm mit dem integrierten Kommunikationssystem. Cabrillo sah zum Berghang hinüber. Bei dem Qualm in der Luft war es schwierig, Genaueres zu erkennen. Es schien aber nicht so, als hätten die ersten Fahrzeuge des Rettungskonvois die Unfallstelle schon erreicht. Trotzdem entschied er, dass sie jetzt genug Zeit vergeudet hatten.
»Starten Sie die Maschinen sofort.« Das eisige Klirren in Juans Stimme reichte aus, um den Piloten zum Einlenken zu bewegen.
»Immer sachte, Amigo. Ich bringe Sie und Ihre Freunde schon von hier weg.« Er legte den Helm behutsam wieder auf den Kopilotensitz und schickte sich an, den Hubschrauber startbereit zu machen.
Juan drehte sich zu seinen Männern um. »Miguel«, sagte er, während er Mike Trono zunickte und dann auf das Cockpit deutete. Trono begriff sofort, dass Cabrillo wollte, dass er den Piloten überwachen sollte, für den Fall, dass er sie austricksen wollte. Der Pilot sollte auf jeden Fall denken, dass dies schwer verwundete und völlig verängstigte Kameraden waren, die dringend ärztliche Betreuung brauchten. Erst später würde er begreifen, dass er gekidnappt wurde.
Die restlichen Männer stiegen in den Heli und schnallten sich in den Leinensitzen an. Jerry legte die Energiezelle vorsichtig auf den Kabinenboden und fand einige Gummiseile, um sie vor dem Verrutschen zu sichern.
Im Cockpit startete der Pilot über einen Schalter die Turbinen. Einem großen Knall folgte sofort das ständig lauter werdende Heulen des Haupttriebwerks. Nach wenigen Sekunden stimmte auch der zweite Motor in den Lärm mit ein. Es würde länger als eine Minute dauern, bis die Maschinen die richtige Temperatur erreicht hätten, um das Getriebe zuzuschalten und die Rotoren anlaufen zu lassen.
Juan schaute den Berg hoch. Mittlerweile musste der Konvoi die verletzten Männer erreicht haben. Er fragte sich, wie lange es dann wohl noch dauern würde, bis der Major begriff, was wirklich geschehen war. Eine ganze Stunde, das wäre richtig schön, dachte Cabrillo sehnsüchtig, aber Tatsache war, dass der argentinische Offizier einen recht fähigen Eindruck machte. Eher könnten sie von Glück reden, wenn sie starteten, bevor sie beschossen wurden.
Ein metallisches Knarren ertönte, als sich die Rotoren in Bewegung setzten. Langsam erst, dann immer schneller peitschten sie die rauchgesättigte Luft. Eine blecherne Stimme drang aus dem Helmlautsprecher. Selbst bei dem Lärm, den der Hubschrauber machte, war der schneidende Tonfall des Sprechers klar zu hören.
Die Zeit ist um, dachte Juan.
Der Pilot gab Mike ein Zeichen, er solle ihm den Helm geben. Trono reagierte mit einem völlig leeren Blick. Es war der Blick eines Mannes, der so tief in seine Schmerzen verstrickt ist, dass es nichts mehr gab, was irgendeine Bedeutung für ihn hatte. Der Argentinier beugte sich herüber, um ihn zu ergreifen, da spürte er den kalten Stahl der Mündung von Juans Pistole in seinem Nacken.
»Lassen Sie ihn liegen, und starten Sie.«
»Was ist hier los?«
Mike ließ ganz plötzlich seine Verletzten-Maske fallen und richtete nun ebenfalls eine Automatik auf den Piloten.
»Mein Freund hier weiß auch, wie man dieses Ding steuert. Tun Sie, was wir wollen, und Sie kommen lebend aus der Sache heraus. Führen Sie mich hinters Licht, dann wird irgendein armer Teufel eine ganze Woche lang zu tun haben, Ihr Gehirn mit einem Wasserschlauch von den Kabinenwänden zu waschen. Comprende?«
»Wer sind Sie? Amerikaner?«
»Klinge ich amerikanisch?«, schoss Juan zurück. Wie jede andere große Sprache der Welt hatte das Spanische verschiedene Akzente und Dialekte, die regional genauso unterschiedlich und einmalig sind wie Fingerabdrücke. Cabrillo sprach auch Arabisch, und ganz gleich was er versuchte, er konnte einen saudischen Akzent nicht unterdrücken. Aber was das Spanische betraf, so war er ein großartiger Schauspieler. Er konnte den Adel aus Sevilla oder den Abschaum aus einem Slum in Mexico City perfekt imitieren.
Was der Pilot hörte, war die Stimme eines Mannes aus seiner eigenen Heimatstadt Buenos Aires. »Ich …«
»Nicht denken«, sagte Juan. »Nur fliegen. Bringen Sie uns nach Süden.«
Der Pilot verbrachte Mikrosekunden damit, seine Optionen durchzugehen. Die harten Augen, die auf ihn gerichtet waren, sagten ihm, dass es nur einen einzigen Ausweg gab. »Sí, sí. Ich fliege.«
Seine Hände huschten über die Kontrollen. Cabrillo blickte wieder den Hügel hinauf. Pick-Ups rasten die Holzstraße hinunter und wirbelten Staub auf, der sich mit dem Qualm in der verschmutzten Luft vermischte. Es würde noch nicht einmal knapp werden. Der Hubschrauber wäre mehr als einen Kilometer weit entfernt, wenn sich die Soldaten der Neunten Brigade bis auf Schussweite genähert hätten.
Jerry Pulaski rief Juans Namen.
Und rettete ihm damit das Leben.
Der Pilot des zweiten Choppers musste Major Espinozas Funkruf gehört haben. Er stand mit erhobener Pistole vor dem Eurocopter. Er hatte die Pistole gesehen, die Juan auf den Piloten gerichtet hatte, und sich ausgerechnet, dass von ihm die größte Gefahr ausging. Als er Jerrys Ruf hörte, wechselte der Argentinier das Ziel und feuerte zweimal. Von diesem Augenblick an liefen die Ereignisse in derart schneller Folge ab, dass es unmöglich war, sie noch chronologisch zu ordnen.
Während roter Nebel den Frachtraum füllte, fuhr Juan herum und fällte den Piloten mit zwei Schüssen in die Brust, die so kurz hintereinander fielen, dass sich die Treffer überlagerten. Der Mann fiel um, wo er gerade stand, ohne dramatische Gesten, ohne hollywoodtypische Verrenkungen. In der einen Sekunde glaubte er noch, ein Held zu sein, und schon in der nächsten lag er auf dem Boden – wie ein Bündel schmutziger Wäsche.
Mike Trono feuerte durch das Cockpit, als der Pilot nach der Tür griff, dann übernahm er selbst die Kontrollen. Er drehte am Gashebel, dann hob der Heli vom Boden ab. Während er sich zu drehen begann, setzte Trono das Gegenruder ein, und die Maschine stabilisierte sich.
Juan drehte sich um und rammte dem Piloten die Pistole hart genug gegen den Schädel, um die Haut aufzureißen. Blut rann von seinem Ohr herab. »Flieg diese Kiste, oder du darfst bei tausend Fuß aussteigen.«
Mikes Kugel war so dicht an den Augen des Piloten vorbeigerast, dass sie von der Hitze und von GSR brannten, aber er blinzelte durch den Schmerz und steuerte den Eurocopter. Während Trono ihm wieder Feuerschutz gab, wandte sich Juan zu Jerry Pulaski und Mark Murphy auf der Rückbank um. Mark beugte sich über Jerry, der zurückgesunken war und sich mit einem Arm den Bauch hielt. So leise, dass der Pilot ihn nicht hören konnte, fragte Cabrillo: »Wie schlimm?«
Der große Mann ging offenbar in den Schock. Sein Gesicht hatte sämtliche Farbe verloren. Er zitterte, als hätte er Schüttelfrost.
»Bauchschuss«, erwiderte Mark. »Beide Treffer. Auf so kurze Entfernung ist mit schlimmeren Schäden zu rechnen. Die Nieren, die Leber vielleicht.«
Juan wurde innerlich taub. Diese Wunden konnte man vielleicht in einem erstklassigen Trauma-Zentrum behandeln, aber das nächste war vielleicht fünfzehnhundert Kilometer entfernt. Hier draußen, im Dschungel, waren Pulaskis Überlebenschancen gleich null. Cabrillo blickte auf einen toten Mann, und die schmerzerfüllten Augen, die ihn ansahen, wussten es. »Bleib bei uns, Ski«, sagte Juan. Seine Worte klangen jedoch genauso leer wie das große schwarze Loch in seiner Brust.
»Ich gehe nirgendwohin«, log Jerry und schnappte zwischen den einzelnen Silben nach Luft.
Unten auf dem Boden erkannte Major Espinoza, dass seine Beute in dem Helikopter flüchtete, den er ihnen zur Verfügung gestellt hatte. Er befahl dem Holzfäller, der ihren Truck lenkte, anzuhalten. Espinoza stieß seine Tür auf und sprang auf die Erde. Er hatte nur eine Pistole bei sich, einen Colt .45 mit Elfenbeingriff, doch er zog ihn aus dem Holster und zielte damit auf den Chopper, kaum dass seine Füße den Boden berührt hatten. Er konnte beim besten Willen nicht hoffen, die Maschine zu treffen, doch er jagte die sieben Kugeln im Magazin der Waffe so schnell heraus, wie er den Abzug betätigen konnte, wobei seine Wut den Kugeln zusätzliche Flügel zu verleihen schien.
Die Männer auf der Ladefläche folgten seinem Beispiel und füllten den Himmel mit automatischem Feuer aus ihren Maschinenpistolen. Was ihnen an Reichweite fehlte, machten sie durch die schiere Masse der Projektile wett. Innerhalb von Sekunden rasten fast zweihundert Kugeln hinter dem Helikopter her, und die Männer schafften es, nachzuladen und noch eine zweite Salve auf die Reise zu schicken, ehe die ersten Kugeln den Helikopter wie ein Schwarm tollwütiger Wespen umschwirrten.
»Feindliches Feuer«, rief Mike vom Kopilotensitz aus, als er in dem wallenden Rauch die Blitze der Mündungsfeuer gewahrte.
Der Pilot zog den wendigen Hubschrauber instinktiv zur Seite, doch bei so vielen Kugeln in der Luft und so vielen, die weit an dem anvisierten Ziel vorbeigingen, war es unmöglich, allen auszuweichen. Neun-Millimeter-Projektile überschütteten den Eurocopter und stanzten knisternde Löcher in seine dünne Aluminiumhaut. Die meisten waren zwar harmlos, aber da gab es gelegentlich auch das Klirren von Kugeln, die die Motorgehäuse trafen und wer weiß was mit den empfindlichen Turbinen anrichteten. Der Chopper sackte plötzlich ruckartig ab. Juan verlor den Halt – und hätte er nicht im letzten Moment nach dem Türrahmen gegriffen, er wäre aus der Maschine gestürzt.
Jerry verlor seinen stummen Kampf gegen die Schmerzen, als die Vibrationen des Helis seinen Schwerpunkt verschoben, ihn über seinen blutenden Leib sacken ließen – und so bewirkten, dass die Kugelsplitter weiteres Gewebe zerrissen. Sein Schrei drang wie ein Messerstich in Juans Bewusstsein.
Cabrillo fand sein Gleichgewicht wieder und blickte in das Cockpit. Mike hatte den Hubschrauber unter Kontrolle, seine Blicke wanderten über die Instrumente und zum Himmel. Der argentinische Pilot hing zusammengesunken in seinem Sessel. Juan schob sich um die Rückenlehne des Sitzes, um die Wunden des Mannes besser inspizieren zu können. In der Plexiglasscheibe des Seitenfensters klaffte ein frisches Einschussloch dicht neben dem, das Trono kurz vorher mit seinem Schuss geschaffen hatte. Doch dieses sah aus, als stamme es von einer Kugel, die von unten nach oben geflogen war. Sie hatte den Piloten seitlich am Kopf getroffen, war durch seine Haut gepflügt und hatte wahrscheinlich auch Knochenmasse zertrümmert, war jedoch nicht in den Schädel eingedrungen.
Wie alle Kopfwunden blutete sie heftig. Juan schnappte sich einen zusammengeknüllten Lappen vom Kabinenboden zwischen den Sitzen, presste ihn auf die Wunde und hielt ihn dort fest, während er mit der anderen Hand nach hinten griff. Mark Murphy wusste sofort, was Cabrillo wollte, und reichte ihm eine Rolle Heftpflaster. Als verpackte er eine Mumie, wickelte Juan vier Bahnen Pflaster um den Kopf des Piloten, um den Blutfluss zu stoppen.
»Mike, bist du okay?«, fragte Juan auf Englisch. Die Notwendigkeit der Täuschung hatte sich verflüchtigt. Der Pilot würde für Stunden bewusstlos sein.
»Ja, aber wir haben Probleme.«
Cabrillo blickte nach hinten, wo sich Mark um Jerry Pulaski bemühte. »Als wüsste ich das nicht.«
»Wir verlieren Treibstoff, und entweder hat dieses Modell keine sich selbst verschließenden Tanks oder die Vorrichtung versagt. Hinzu kommt die steigende Motortemperatur, und dann glaube ich, dass wir auch noch eine gebrochene Ölleitung haben.«
Juan wandte sich nach achtern und lehnte sich aus dem Fenster, wobei er den Oberkörper gegen den mächtigen Wind stemmte, der gegen seinen Kopf und die Brust hämmerte. Dabei rauschte es in seinen Ohren, als befände er sich unter einem Wasserfall. Hinter dem Chopper schlängelte sich ein fettig schwarzer Rauchstreifen wie die sprichwörtlichen Brotkrumen durch den Himmel. Er reichte von der hinteren Rotorachse bis zu dem Punkt am Himmel, wo ein Projektil die Ölleitung durchschlagen hatte.
Die Argentinier würden keine Zeit vergeuden und sie mit allem verfolgen, was ihnen zur Verfügung stand. Der Qualm würde zwanzig oder dreißig Minuten lang am Himmel stehen, weil kein Wind blies und die Luft bereits mit Asche und Ruß überladen war.
»Ja, die Kiste qualmt ziemlich heftig«, berichtete er, als er sich wieder in das Cockpit zurückschwang. Nachdem er die Tür geschlossen hatte, brauchten sie nur noch laut zu sprechen, um sich zu verständigen, und nicht mehr so zu brüllen, wie sie es bisher getan hatten.
»Wie geht es Jerry?«, fragte Mike. Die beiden waren nicht nur Kampfgefährten, sondern auch die besten Freunde.
Juans Schweigen war Trono Antwort genug. Cabrillo fragte schließlich: »Schaffen wir es nach Paraguay?«
»Keine Chance. Der Tank dieses Vogels war nur halbvoll, als wir starteten, und davon haben wir bereits die Hälfte verloren. Wenn die Maschinen überhaupt durchhalten, schaffen wir, wenn wir Glück haben, vielleicht achtzig Kilometer. Was soll ich tun?«
Gedanken rauschten wie eine Lawine durch Juans Kopf. Dies war das, was er am besten konnte. Er erwog Optionen, berechnete Risiken und traf noch in der Zeitspanne, die ein normaler Mensch brauchte, um überhaupt die Frage zu verstehen, bereits eine Entscheidung. Die Faktoren, die er berücksichtigen musste, wogen schwer. Da waren der Erfolg der Mission, seine Pflichten gegenüber Mike und Mark, die Frage, ob Jerry noch am Leben wäre, wenn sie landeten, und was sie tun sollten, wenn er es wirklich schaffte. Letztlich lief es darauf hinaus, Jerrys Leben zu retten.
»Wir kehren um. Die Argies müssen medizinische Einrichtungen auf ihrer Basis haben, und der andere Chopper dürfte die Reichweite haben, um dorthin zu kommen.«
»Einen Teufel werdet ihr tun«, sagte Pulaski. Die Kraft zu reden fand er in seinem Zorn. »Ihr werdet nicht untergehen, nur weil ich nicht richtig auf Draht war, verdammt noch mal.«
Juan wandte sich zu Pulaski um. »Jerry, es ist die einzige Möglichkeit.«
»Mike, bring diese Schüssel zum RHIB«, rief Jerry an Cabrillo vorbei. »Chef, bitte, ich weiß, dass ich sterbe. Ich spüre, wie es näher und näher kommt. Werft euer Leben doch nicht für einen toten Mann weg. Ich bitte dich nicht, Juan. Ich flehe dich an. Ich will nicht mit dem Bewusstsein abtreten, dass ihr mich begleitet habt.«
Pulaski streckte eine Hand aus, die Juan ergriff. Das geronnene Blut auf seiner Handfläche klebte ihre Haut zusammen. Jerry fuhr fort: »Es ist nichts Edles darin, bei mir zu bleiben. Es ist reiner Selbstmord. Die Argies werden euch als Spione erschießen, nachdem sie euch gefoltert haben.« Er hustete und spuckte ein wenig Blut auf den Kabinenboden. »Ich habe eine Ex, die mich hasst, und ein Kind, das mich nicht kennt. Ihr seid meine Familie. Ich will nicht, dass ihr für mich sterbt. Ihr sollt für mich am Leben bleiben. Hast du verstanden?«
»Ich verstehe vor allem, dass du diesen Gedanken aus Braveheart abgekupfert hast«, sagte Juan. Seine Lippen lächelten. Seine Augen schafften es nicht.
»Das ist mein Ernst, Juan.«
Für Cabrillo blieb die Zeit für einen kurzen Moment stehen. Das rhythmische Hämmern des Rotors und das Heulen der Turbine verstummten. Er hatte Tod und Verlust kennengelernt. Seine Frau war durch einen alkoholisierten Verkehrsteilnehmer zu Tode gekommen – das war sie selbst gewesen. In seiner Zeit bei der CIA hatte er Agenten und Kontaktleute verloren, und die Corporation war auch schon vom Sensenmann heimgesucht worden … aber er hatte noch nie einen anderen Mann sterben lassen, damit er selbst weiterleben konnte.
Er griff in seine Tasche und reichte Mike das Hand-GPS. »Das RHIB ist bei Wegpunkt Delta.«
»Da gibt es keinen Platz zum Landen«, sagte Mike. »Du erinnerst dich doch, wie dicht der Dschungel dort war. Und diese Kiste kann ich unmöglich in den Fluss setzen, ohne uns alle umzubringen.«
»Mach dir wegen der Landezone keine Sorgen«, rief Mark Murphy nach vorne. »Ich hab das berücksichtigt.«
Cabrillo wusste, dass er sich auf den exzentrischen Mr. Murphy blind verlassen konnte.
»Wechsel den Kurs und gib Wegpunkt Delta ein.«
»Nicht Delta«, sagte Murph. »Echo.«
»Echo?«, fragte Juan.
»Vertrau mir.«
Der Navigationscomputer des Eurocopters war selbsterklärend, daher tippte Mike die Koordinaten des Hand-GPS ein und lenkte den Hubschrauber nach Südosten. Bisher hatte er den Chopper so ruhig und kontrolliert geflogen, wie man es ihn gelehrt hatte. Gomez Adams wäre stolz auf ihn gewesen.
»Es sieht so aus, als hätten wir genügend Sprit. Wenn auch knapp«, sagte er.
»Chef«, rief Mark. »An Steuerbord. Etwa drei Klicks hinter uns.«
»Was?«
»Ein Lichtreflex auf der Windschutzscheibe des anderen Choppers.«
Juan blickte aus dem Seitenfenster. Er sah nichts, zweifelte aber nicht an Marks scharfen Augen. Die Argentinier kamen um einiges schneller hinter ihnen her, als er angenommen hatte. Aber das hätte ihm klar sein müssen. Da ihr Heli Öl verbrannte, hatten sie nicht mehr das Tempo, um der anderen Maschine zu entkommen. Außerdem würde der argentinische Major alles aus seinen Hubschraubern prügeln, um seine Beute zurückzuholen.
»Mike«, rief er. »Hol aus der Kiste raus, was sie hergibt. Wir bekommen Gesellschaft.«
Die Turbinen wurden einen Tick lauter, aber sie klangen gar nicht gesund. Metall knirschte irgendwo im Motorgehäuse, und so war es sicher nur eine Frage der Zeit, ehe sie den Dienst quittierten.
Juan sah sich in der Kabine nach zusätzlichen Waffen um. Das an der Tür installierte Kaliber-.30-Maschinengewehr war zwar eine bessere Option als ihre H&K-Maschinenpistolen, aber auch nur dann, wenn sich der andere Heli von der Backbordseite näherte, wo das Gewehr stand. Er fand eine Medizintasche unter der Sitzbank sowie eine rote Plastikbox, die eine großkalibrige Signalpistole und vier kurze, dicke Patronen enthielt. Juan wusste, dass sein Szenario keinen Zufallstreffer mit einer Signalpatrone enthielt, daher ließ er sie auf der Sitzbank liegen.
»Mark, bastle mir ein Gurtgeschirr zusammen«, bat er, während er begann, das alte Browning-Maschinengewehr von seinem Kardangelenk abzumontieren.
Das Gewehr war ein dreißig Pfund schweres, knapp anderthalb Meter langes Altertümchen mit einem einzelnen Pistolengriff am Ende seines klobigen Verschlussgehäuses. Ein Gurt mit fünfzig Messingpatronen hing aus der Tür und erzeugte ein beinahe musikalisches Klingeln, wenn die Patronen gegeneinanderstießen. Er war mit der Waffe einigermaßen vertraut und wusste, dass ihre Zuverlässigkeit legendär war, sie aber auch einen Rückstoß hatte, der einem die Zähne ausschlagen konnte.
Juan zog sein Hemd aus. Er wickelte den Stoff um den sechzig Zentimeter langen Lauf der Browning und fixierte die Bandage mit dem restlichen Heftpflaster.
Unterdessen schlängelte sich Murph aus seinem Kampfgeschirr und knüpfte die Nylongurte zu einer langen Schlinge zusammen, die er an einen D-Ring dicht vor der Steuerbordtür hängte. Das andere Ende befestigte er auf der Rückseite von Cabrillos Kampfgeschirr. Aus den Gurten seines Rucksacks band er eine zweite Schlinge, die um Juans Fußgelenke geschlungen würde. Er würde das andere Ende festhalten, um zu verhindern, dass Juan in den Luftsog des Eurocopters stürzte.
»Ich sehe sie in meinem Spiegel«, meldete Mike aus dem Cockpit. »Wenn du irgendetwas tun willst, dann aber schnell.«
»Wie weit ist es noch?«, fragte Juan.
»Zwölf Kilometer bis Echo. Und damit du es weißt, ich sehe nichts als Urwald unter uns.«
»Ich sagte doch, vertraut mir«, fauchte Mark wütend zurück.
Juan blickte zu Pulaski hinüber. Er wusste, wäre er nicht angeschossen worden, hätten seine Männer miteinander gescherzt und sich nicht angeschnauzt. Jerrys Kopf pendelte hin und her, und wenn Mark ihn nicht angeschnallt hätte, wäre er auf den Kabinenboden gestürzt.
»Sie öffnen die Seitentür«, sagte Trono. »Okay, ich sehe einen Mann. Er hat eine Browning, genau wie wir. Er hat gefeuert! Er hat gefeuert!«
Da er daran gewöhnt war, unbewaffnete Zivilisten zu beharken, die aus ihren Dörfern flohen, hatte der Schütze viel zu früh geschossen. Drei Zahlen kamen nun ins Spiel. Mike sah die Mündungsblitze, die ihn mit Lichtgeschwindigkeit, also mit etwa dreihundert Millionen Metern pro Sekunde, erreichten. Die Kugeln näherten sich aus einem Kilometer Entfernung mit achthundertfünfzig Metern pro Sekunde. Der Nervenimpuls vom Gehirn zur Hand schaffte nur hundert Meter pro Sekunde. Aber er brauchte bloß einen Meter zurückzulegen. Eine Hundertstel Sekunde nach der ersten Salve drosselte Trono die Leistung, um an Höhe zu verlieren. Die Schwerkraft hatte mehr als eine Sekunde Zeit, den Helikopter erdwärts zu ziehen. Die Kette weißer Phosphorleuchtspurgeschosse raste ein gutes Stück über dem rotierenden Teller des Hauptrotors vorbei.
Juan nickte Mark zu. Murph zog die Steuerbordtür auf, bis sie an den Stoppern einrastete. Dann ergriff er das Ende der Schlinge um Cabrillos Fußgelenke.
Juan ließ seinen Oberkörper aus dem Helikopter fallen und federte nach, als er das Ende seines Halteseils erreichte. Der enorme Wind drückte ihn beinahe wieder in den Chopper zurück, doch er kämpfte mit jedem Muskel in seinen Beinen und seinem Rücken dagegen an.
Weil er von der Tür auf der rechten Seite nach achtern feuerte, musste er auf Verdacht schießen, wobei seine linke Hand den Abzug betätigte und die rechte seine Hemdbandage umklammerte. Dass die Patronenhülsen in die Kabine des Helis flogen, war nicht zu ändern.
Sein plötzliches Auftauchen hatte den argentinischen Piloten so überrascht, dass er sein Ausweichmanöver zu spät einleitete. Juan nutzte diese Sekunden und eröffnete das Feuer. Das Kaliber-.30-Gewehr bockte in seinen Armen wie ein Presslufthammer, und Hitze drang durch die Laufumhüllung und die Stoffbandage.
Es war ein Wunder, dass der flatternde Munitionsgurt keine Ladehemmung auslöste, als das Maschinengewehr vierhundert Kugeln pro Minute ausspuckte und eine metallene Wolke leerer Patronenhülsen hochschleuderte, die wie ein Messingregen auf den Kabinenboden prasselten.
Die transparente Plexiglas-Windschutzscheibe des schnell näher kommenden Helikopters wurde blind, als eine Kugel nach der anderen in sie einschlug und das Plastikmaterial mit Rissen durchzog, bis es fast weiß war. Der Pilot schwenkte in engem Bogen ab und machte den Fehler, nicht hinter dem gestohlenen Hubschrauber der Corporation zu kreuzen. So gab er Juan weitere Gelegenheit zu feuern. Er hatte keine Ahnung, ob die zweite Salve das Ziel traf, jedoch zwang sie den anderen Helikopter, einen kilometerlangen Bogen zu fliegen.
»Wir nähern uns der Landezone«, sagte Mike. Falls ihn die Aussicht beunruhigte, mit einem für ihn ungewohnten Eurocopter zu landen, war in seiner Stimme jedenfalls nichts davon zu hören. »Was zum Teufel …? Das ist ja unglaublich. Woher wusstest du das?«
Gut dreihundert Meter vom Wegpunkt Echo entfernt – dem vermodernden Wrack des Blimps – erstreckte sich eine Fläche, groß genug für eine Helikopterlandung, wo die Dschungelvegetation nur ein paar Zentimeter hoch war und vorwiegend aus jungen Büschen und schütterem Bodenbewuchs bestand.
»Als der Flying Dutchman abstürzte«, rief Mark zurück, »war sein Gassack aus Gummi in der Nähe heruntergekommen. Da er sich auf das Blätterdach legte, hat er für Schatten gesorgt, in dem die Pflanzen unter ihm allesamt eingingen. Nichts wuchs mehr dort, bis die Hülle vierzig oder fünfzig Jahre später zerfiel und sich auflöste. Und, voilà, eine natürliche Landezone ist entstanden.«
»Ganz schön clever«, sagte Juan mit nicht geringem Stolz. »Sogar für dich.«
»Schnall dich an«, warnte Mike.
Umgeben von dichtem Dschungel, der dreißig oder mehr Meter aufragte, kam die Lichtung schnell näher. Trono bremste den Eurocopter bei seinem Landeanflug, legte die Maschine erst nach links, dann zu weit nach rechts, ehe er auf die Mitte der fast freien Fläche zusteuerte. Er nahm Leistung weg, und der Chopper sank langsam zur Erde. Als ein plötzlicher Windstoß den Hauptrotor gegen die Mauer aus Bäumen zu schieben drohte, zog er einmal zu stark am Gashebel, und das vier Millionen Dollar teure Fluggerät setzte mit brutaler Härte auf. Sofort schaltete er die Maschinen aus. Sie liefen aus, aber der Rotor peitschte weiterhin das Gras auf und bewirkte so, dass die Bäume zu schwanken begannen, als fege ein Sturm über sie hinweg.
»Alle nichts wie raus«, kommandierte Juan. »Der andere Heli kommt jede Sekunde zurück.«
Mike löste seine Sicherheitsgurte, und Murph machte sich an Jerrys Gurten zu schaffen.
»Vergiss es. Ich geh nirgendwo mehr hin«, murmelte der große Pole. Sein Kinn war mit Blut bedeckt. Er hielt einen Gegenstand hoch, so dass die anderen ihn sehen konnten. Irgendwie hatte er es geschafft, einen Klumpen Semtex Plastiksprengstoff und einen bleistiftgroßen Zünder aus der Beintasche seines Kampfanzugs zu angeln. »Lasst mir noch einen letzten Schuss.«
»Ski?« In Mikes Augen lag ein verzweifeltes Flehen.
»Diesmal nicht, mein Freund. Ich schaffe es nicht mehr.«
»Verdammt, Jerry«, fluchte Juan. »Ich kann dich doch tragen. Bis zum Boot sind es nur drei Kilometer.«
Der Lärm des anfliegenden Helikopters senkte sich auf ihre kleine Lichtung herab.
»Ich bin nicht so gut im Abschiednehmen«, sagte Pulaski. »Geht einfach.«
»Ich kümmere mich darum, dass für deine Familie gesorgt wird.« Juan versuchte, dem Freund in die Augen zu schauen, schaffte es jedoch nicht. Er wuchtete sich das Tragegeschirr mit der Energiezelle auf die Schultern und sprang aus dem Chopper. Er nahm sich noch einen Moment Zeit, um den bewusstlosen Piloten unter einen Busch zu schleifen, und fand in kurzer Entfernung eine hinreichende Deckung. Er zielte mit der Maschinenpistole in die Richtung der näher kommenden Argentinier.
»Gib ihnen Saures, Jerr«, sagte Mark.
»Du auch, Kleiner.«
Tränen traten in Mike Tronos Augen.
»Goodbye«, sagte er und sprang aus dem Eurocopter.
Mit Hilfe von Cabrillos GPS machten sich die Männer zum RHIB auf den Weg. Das Plutonium war für Juan nur halb so schwer wie die Bürde der Schuld, die er fühlte, weil er Jerry zurückließ. Sie hatten ein halbes Dutzend Jahre lang Seite an Seite gekämpft und kannten jede heruntergekommene Hafenbar von Shanghai bis Istanbul. Niemals hätte er sich vorstellen können, dass er Jerry Pulaski in einem gottverlassenen Dschungel zurückließe, damit er sich selbst in die Luft sprengen konnte und so dem Rest des Teams eine Chance zur Flucht verschaffte.
Bei jedem Schritt musste er sich gegen den Drang wehren umzukehren.
Das Blätterdach über ihnen erstickte den Lärm des argentinischen Helikopters, konnte das Stakkato des Maschinengewehrfeuers jedoch nicht dämpfen, dass sie nach zehn Minuten Marsch hörten. Es schien eine Ewigkeit anzudauern, dass die Soldaten der Neunten Brigade ihre ohnmächtige Wut an dem gelandeten Heli ausließen.
Falls Jerry nicht bereits an seinen Verletzungen gestorben war, dürfte spätestens der allmählich nachlassende Kugelhagel tödlich gewesen sein. Juans Miene verhärtete sich, und er begann das Gewicht der gepolsterten Nylongurte zu spüren, die schmerzhaft in seine Schultern schnitten. Das Geschirr war für Jerrys breiteren Rücken angefertigt worden, daher hing die Energiezelle zu tief und unbequem.
Stille fünf Minuten verstrichen, während die Männer ihren Weg zum Fluss und zum Boot fortsetzten. Die Maschinenpistolen hatten die Dschungeltiere zum Verstummen gebracht, und der Wind drang nicht bis in den Halbdämmer dicht über dem Urwaldboden vor. Es war unheimlich, still, äußerst bedrückend.
Die Explosion, die dann erfolgte, war kein fernes Donnergrollen, sondern ein lautes Krachen, das wie ein Hammer zuschlug. Einen Moment später folgte eine zweite Explosion.
Sie wussten, was gerade geschehen war. Jerry hatte gewartet, bis Männer aus dem argentinischen Helikopter kletterten, und dann das C-4 gezündet. Der zweite Knall war die Explosion der letzten Reste Benzin und der Benzindämpfe, die noch in den Hubschraubertanks übrig geblieben waren. Wahrscheinlich gab es Überlebende unter den argentinischen Kommandosoldaten, aber sie würden sicher nicht mehr verfolgt werden.