KAPITEL 10

 

Die Rotröcke rückten in einer Linie von zwei Reihen vor. Die Soldaten breiteten sich aus, während sie marschierten, und Sergeants brüllten, die Reihen geschlossen zu halten. Die Infanterie musste die Linie der britischen Geschütze passieren, deren Kanoniere in einem ungleichen Artillerieduell arg litten. Der Feind feuerte Granaten ebenso wie Kanonenkugeln, und Sharpe zuckte zusammen, als eine Granate zwischen einem Ochsengespann explodierte, das hundert Yards hinter ihrem Geschütz angepflockt war.

Die verwundeten Tiere brüllten, und eines riss sich los und humpelte mit einem blutenden Bein auf die Madras-Infanterie zu. Ein britischer Offizier eilte herbei und erlöste das Tier mit einem Pistolenschuss von seinen Qualen. Die Sepoys traten vorsichtig über den zitternden Kadaver hinweg.

Colonel Harness, der sah, dass seine beiden kleinen Bataillonsgeschütze unweigerlich zerstört werden würden, wenn sie in Betrieb blieben, befahl seinen Kanonieren, aufzuprotzen und dem Regiment vorwärts zu folgen.

»Schnell, Jungs! Ich will euch dicht hinter mir haben!«

Die feindlichen Kanoniere, die gesehen hatten, dass sie den Kampf zwischen den Batterien gewonnen hatten, richteten ihre Geschütze auf die Infanterie. Sie feuerten jetzt auf siebenhundert Yards, viel zu weit für Kartätschen, doch eine Kanonenkugel würde im Nu eine Reihe in blutige Fetzen schießen.

Das Donnern der Geschütze wollte nicht enden, ein Schuss ging in den nächsten über, und das Ganze verursachte ein ohrenbetäubendes Crescendo der Gewalt.

Die feindliche Linie war in grauweißen Rauch eingehüllt, der ständig von Mündungsfeuer erhellt wurde. Manchmal legte eine Marathen-Batterie eine Pause ein, damit sich der Rauch lichten konnte, und Sharpe, zwanzig Schritte hinter dem General, der zur Rechten des 78. Regiments vorrückte, konnte sehen, wie die feindlichen Kanoniere ihre Geschütze wieder ausrichteten. Dann verschwand das Geschütz wieder in einer Wolke von Pulverrauch, und einen Augenblick später schlug eine Kugel in die Infanterie. Manchmal sauste sie über die Köpfe der Männer hinweg. Doch zu oft schlugen die schweren Geschosse in die Reihen und zerfetzten Männer in einem Sprühregen von Blut.

Sharpe sah den vorderen Teil einer halb zerschmetterten Muskete aus den Reihen der Highlander emporwirbeln. Das Stück drehte sich in der Luft, verfolgt vom Blut seines Besitzers, fiel dann und bohrte sich mit dem Bajonett in die Erde.

Ein sanfter Nordwind blies einen Streifen Pulverrauch aus der Mitte der feindlichen Linie fort, wo die Geschütze fast Achse an Achse standen. Sharpe beobachtete, wie Männer die Rohre stopften und dann zurückwichen. Er sah, wie der Rauch wieder aus dem Kanonenrohr wallte, und hörte das Kreischen eines Geschosses. Manchmal konnte Sharpe die dunkelrote Feuerzunge mitten im Pulverrauch und dann das Bleigrau einer Kugel in den Himmel stoßen sehen, und einmal sah er die verrückte Rauchspirale von einer Rakete, doch jedes Mal gingen die Schüsse weit daneben oder fielen zu kurz und hinterließen eine staubige Furche auf dem Boden.

»Die Reihen schließen!«, riefen die Sergeants.

»Aufschließen!«

Die Trommlerjungs schlugen den Takt zum Vorrücken. Voraus war eine Senke, und je eher die Angriffslinie in diesem sanften Tal war, desto eher würde sie außer Sicht der Kanoniere sein.

Wellesley blickte nach rechts und sah, dass Orrock seinen Vormarsch gestoppt hatte und dass das 74. Regiment, das sich rechts von Orrocks Männern formieren sollte, ebenfalls verharrte.

»Sagen Sie Orrock, dass er weitergehen soll. Er soll weiter vorrücken!«, rief der General Campbell zu, der an der Linie vorbeiritt. Sein Pferd galoppierte durch eine Pulverrauchwolke und sprang über eine gebrochene Protze hinweg, dann verlor Sharpe die Sicht auf den Adjutanten.

Wellesley trieb sein Pferd näher zum 78. Regiment, das sich jetzt vor den Sepoys befand. Die Highlander waren größer als die Männer der Madras-Bataillone, und ihre Schritte waren länger, als sie voraneilten, auf die Senke zu, wo sie nicht vom Bombardement erreicht werden konnten.

Eine Granate landete nahe der Grenadierkompanie zur Rechten der Linie des 78., und die Soldaten im Kilt sprangen zur Seite – alle bis auf einen Mann, der aus der Front rannte, als sich das Geschoss wie verrückt in einem Wirbel aus Rauch auf dem Boden drehte. Er rammte seinen rechten Schuh auf die Granate und schlug dann hart mit dem Kolben seiner Muskete auf den Zünder ein.

»Bleibt mir die Bestrafung jetzt erspart, Sergeant?«, rief er.

»Gehen Sie in die Reihe, John, in die Reihe!«, antwortete der Sergeant.

Wellesley grinste, dann zuckte er zusammen, als eine Kugel gefährlich nahe über seinen Hut zischte. Er blickte sich suchend nach seinen Adjutanten um und sah Barclay.

»Die Ruhe vor dem Sturm«, bemerkte der General.

»Und was für eine Ruhe, Sir.«

»Und was für ein Sturm«, antwortete ein Inder. Er war einer der Marathen-Führer, die mit den Briten alliiert waren und dessen Reiter die Kavallerie südlich des Flusses beschäftigt hielten. Drei solcher Männer ritten mit Wellesley, und einer hatte ein schlecht dressiertes Pferd, das nervös zur Seite scheute, wann immer eine Granate explodierte.

Major Blackiston, der Pionier in Wellesleys Stab, der den Befehl erhalten hatte, das Terrain nördlich der Armee zu erkunden, galoppierte jetzt hinter die vorrückende Linie zurück.

»Zerklüftetes Terrain oben beim Dorf, Sir, von Rinnen durchzogen«, meldete er. »Kein Platz zum Vorrücken.«

Wellesley stieß ein Brummen aus. Er hatte nicht vorgehabt, jetzt schon Infanterie in die Nähe des Dorfes zu schicken. So war Blackistons Meldung im Augenblick nicht nützlich. »Haben Sie Orrock gesehen?«

»Er machte sich Sorgen um seine beiden Geschütze, Sir. Kann sie nicht vorwärts bringen, weil alle Bedienmannschaften gefallen sind, aber Campbell hetzt sie weiter.«

Wellesley stellte sich in den Steigbügeln auf, um nach Norden zu schauen, und er sah Orrocks Vorhut endlich zügig davonmarschieren. Sie marschierte verdeckt, ohne ihre beiden kleinen Geschütze, machte Platz, damit die beiden Sepoy-Bataillone in die Linie kommen konnten. Das 74. Regiment verschwand jenseits davon in einer Bodenfalte.

»Nicht zu weit, Orrock, nicht zu weit«, murmelte Wellesley. Dann verlor er Orrocks Männer aus den Augen, denn sein Pferd folgte dem 78. Regiment in die Senke. »Wenn wir sie am Fluss festgenagelt haben«, fragte er Blackiston und wies zum Fluss Juah im Norden, »können sie dann entkommen?«

»Der Fluss ist außergewöhnlich seicht, befürchte ich, Sir«, antwortete Blackiston. »Ich bezweifle, dass sie mehr als eine Hand voll der Geschütze die Uferböschung hinabbringen können, aber Männer können leicht genug entkommen.«

Wellesley nahm es mit einem Brummen zur Kenntnis, gab seinem Pferd die Sporen und ließ den Pionier zurück.

»Er hat nicht mal gefragt, ob ich gejagt worden bin«, sagte Blackiston zu Barclay mit gespielter Empörung.

»Und? War es so, John?«

»Ja, das war es, verdammt. Zwei Dutzend der Bastarde auf diesen drahtigen kleinen Ponys haben mich gejagt. Sie wirken wie Kinder, die auf Hunden reiten.«

»Aber ohne Kugellöcher?«, fragte Barclay.

»Kein einziges«, sagte Blackiston bedauernd. Dann sah er Sharpes überraschten Blick. »Es geht um eine Wette, Sergeant«, erklärte der Pionier. »Wer von der ›Familie‹ des Generals mit den meisten Kugellöchern endet, gewinnt den Pot.«

»Soll ich zählen, Sir?«

»Sie ersetzen Fletcher, und er brauchte nicht mit einem Einsatz einzusteigen, denn er hatte behauptet, keinen Penny zu haben. Wir haben ihn aus Gutherzigkeit mitwetten lassen. Aber jetzt gibt es keine Schwindeleien mehr. Wir können nicht zulassen, dass sich jemand mit Säbeln Löcher in die Uniformen pickt, um Punkte zu machen.«

»Wie viele Punkte hat Fletcher bekommen, Sir?«, fragte Sharpe. »Schließlich ist sein Kopf weggeblasen worden.«

»Er ist natürlich disqualifiziert, weil er extrem fahrlässig war.«

Sharpe lachte. Blackiston Bemerkung war natürlich nicht lustig, doch er konnte das Lachen nicht unterdrücken. Wellesley drehte sich im Sattel um und blickte ihn finster an.

In Wahrheit kämpfte Sharpe gegen wachsende Furcht an. Im Moment fühlte er sich sicher genug, denn die linke Flanke des Angriffs befand sich jetzt im toten Winkel, und der feindliche Beschuss konzentrierte sich auf die Sepoy-Bataillone, die immer noch nicht das Tal erreicht hatten, doch Sharpe konnte das Kanonenfeuer hören, und alle paar Sekunden fiel ein Haubitzengeschoss ins Tal und explodierte mit flammendem Rauch. Bis jetzt hatten die Haubitzen keinen Schaden angerichtet, doch Sharpe konnte sehen, dass sich die kleinen Büsche unter ihren Einschlägen beugten, und er hörte, wie die Geschosse durch ihre Blätter schabten. Stellen von trockenem Gestrüpp hatten Feuer gefangen.

Er versuchte, sich auf die kleinen Dinge zu konzentrieren. Eine der Feldflaschen hatte einen eingerissenen Halteriemen, und so verknotete er ihn. Er bemerkte, dass die Ohren seiner Stute nervös spielten, und fragte sich, ob Pferde Furcht verspürten. Verstanden sie diese Art von Gefahr?

Er beobachtete die Schotten, die zwischen den Büschen und Bäumen vorrückten, ein prächtiger Anblick mit ihren Federmützen und Kilts. Sie sind weit von daheim entfernt, dachte er, und er war überrascht, dass er selbst kein Heimweh empfand, denn er wusste nicht, wo sein Zuhause war. Mit Sicherheit war es nicht London, obwohl er dort aufgewachsen war. England? Er nahm es an, aber was bedeutete ihm England? Nicht das, was es für Blackiston bedeutete, nahm er an.

Er dachte wieder an Pohlmanns Angebot und fragte sich, wie es sein würde, mit Schärpe und Säbel hinter dieser Linie von Marathen-Geschützen zu stehen und durch den Rauch zu beobachten, wie eine dünne Linie von rot berockten Feinden ins Grauen marschierte. Warum hatte er Dodds Angebot nicht angenommen? Er wusste, dass der wahre Grund nicht eine halb empfundene Hassliebe auf sein Land oder eine Aversion gegen Dodd gewesen war, sondern die Schärpe und der Offizierssäbel diejenigen waren, die ihm eine Heimkehr nach England ermöglichten und ihm die Möglichkeit gaben, auf die Männer zu spucken, die sein Leben erbärmlich gemacht hatten.

Doch es würde keine Schärpe und keinen Säbel geben. Sergeants wurden nicht zu Offizieren gemacht, jedenfalls nur selten, und er war plötzlich beschämt, weil er McCandless nie genauer in dieser Sache befragt hatte. Der Colonel hatte ihn jedenfalls nicht ausgelacht, als er das Thema angeschnitten hatte.

Wellesley hatte sich zu Colonel Harness umgewandt, um mit ihm zu sprechen. »Wir sollten eine Musketensalve zu den Geschützen schicken, Harness, das steht Ihnen frei. Das sollte uns Zeit geben, neu zu laden, aber sparen Sie sich die zweite Salve für ihre Infanterie auf.«

»Das habe ich bereits so vorgesehen«, antwortete Harness mit finsterer Miene. »Und ich werde keine Plänkler einsetzen, nicht an einem Sonntag.«

Für gewöhnlich marschierte die Leichte Kompanie dem Rest des Bataillons voraus und verteilte sich zu einer lockeren Linie, die auf den Feind feuerte, bevor der Hauptangriff erfolgte, aber Harness musste sich gesagt haben, dass er das Feuer der Leichten Kompanie lieber für die eine Salve reserviert halten würde, die er geplant hatte, um auf die Geschützmannschaften zu feuern.

»Es ist bald vorüber«, sagte Wellesley, ohne Harness’ Entscheidung, seine Leichte Kompanie in der Linie zu lassen, zu kritisieren, und Sharpe sagte sich, dass der General nervös sein musste, denn diese Äußerung war für Wellesley fast schon geschwätzig.

Wellesley musste das Gefühl haben, dass er seine Gefühle verraten hatte, denn seine Miene war jetzt düsterer denn je. Seine Hochstimmung war verschwunden, seit die feindliche Artillerie zu feuern begonnen hatte.

Die Schotten trampelten jetzt durch Stoppelfelder, und jeden Augenblick würden sie den Kamm des sanften Hügels überquert haben und wieder in Sicht der Kanoniere des Feindes sein. Als Erstes würden die Kanoniere die beiden Regimentsfahnen sehen, dann die Offiziere zu Pferde, dann die Linie der Federmützen und danach die ganze rote, weiße und schwarze Ansammlung eines Bataillons in Linie mit dem Blitzen ihrer aufgepflanzten Bajonette im Sonnenschein.

Und dann helfe uns Gott, dachte Sharpe, weil jedes verdammte Geschütz dort drüben jetzt neu geladen sein musste und nur auf sein Ziel wartete, und plötzlich krachte nur ein paar Schritte entfernt die erste Kanone, und die Kugel flog harmlos über die Köpfe der Männer hinweg.

»Dieser Mann hat zu früh gefeuert«, sagte Barclay. »Notieren Sie sich seinen Namen.«

Sharpe blickte nach rechts. Die nächsten vier Bataillone, alle Sepoys, waren jetzt im toten Winkel, während Orrocks Vorhut und das 74. Regiment zwischen den Bäumen nördlich des Tals verschwunden waren. Harness’ Schotten würden zuerst in Sicht kommen und für einen Moment die volle Aufmerksamkeit der Kanoniere beanspruchen. Einige der Highlander beeilten sich, als wollten sie die Feuertaufe schnell hinter sich bringen.

»Haltet eure Formation!«, brüllte Harness sie an. »Dies ist kein Wettlauf zur Taverne! Verdammt noch mal!«

Elsie. Sharpe erinnerte sich plötzlich an den Namen des Mädchens, das in der Taverne bei Wetherby gearbeitet hatte, nachdem er von Brewhouse Lane fortgelaufen war. Warum habe ich an die gedacht, fragte er sich, und er sah plötzlich vor seinem geistigen Auge den Schankraum, der in einer Winternacht von den nassen Mänteln der Männer dampfte. Elsie und die anderen Mädchen hatten Tabletts mit Ale zu den Tischen getragen, das Feuer hatte im Kamin geknackt, und der blinde Schäfer hatte sich betrunken, und die Hunde hatten unter den Tischen gelegen. Er stellte sich vor, mit Offiziersschärpe und Säbel in den verrauchten Schankraum zurückzukehren, und dann vergaß er alles über Yorkshire, als das 78. Regiment, mit Wellesleys Stab zur Rechten, vor den feindlichen Geschützen auf der Ebene auftauchte.

Sharpes erste Reaktion war Staunen darüber, wie nahe sie waren. Die Senke hatte sie bis auf hundertfünfzig Schritte an die feindlichen Geschütze herangebracht. Seine zweite Reaktion war Staunen darüber, wie prächtig der Anblick des Feindes war, denn seine Geschütze waren aufgereiht wie für die Inspektion, und hinter ihnen standen die Marathen-Bataillone in vier dichten Reihen unter ihren Fahnen, und gerade als er den Anblick in sich aufgenommen hatte und dachte, dass dies ihm den Tod bringen würde, verschwand die ganze Furcht einflößende Ansammlung der feindlichen Armee hinter einem breiten Schleier von Rauch wie hinter einer wallenden Nebelwand. Der Rauch drehte sich wie gequält, und alle paar Yards stach ein Flammenspeer durch den Nebel, während vor der Wolke Feldfrüchte vom explodierenden Pulver platt gedrückt wurden, als die schweren Kanonenkugeln durch die Reihen der Highlander schlugen.

Überall schien Blut zu sein, und getroffene Männer fielen in dem Gemetzel. Irgendwo keuchte ein Mann, aber keiner schrie. Ein Dudelsackpfeifer ließ sein Instrument fallen und rannte zu einem Gefallenen, dessen Bein abgerissen worden war. Alle paar Yards war ein Durcheinander von toten und sterbenden Männern und zeigte an, wo der Beschuss die Reihen des Regiments dezimiert hatte. Ein junger Offizier versuchte, sein Pferd zu beruhigen, dessen Augen voller Furcht aufgerissen waren, sodass das Weiße zu sehen war. Es scheute seitwärts und warf den Kopf auf.

Colonel Harness führte sein eigenes Pferd um einen Mann mit aufgeschlitztem Bauch herum, ohne ihm einen Blick zu schenken. Sergeants brüllten ärgerlich, dass die Reihen geschlossen werden mussten, als sei es die Schuld der Highlander, dass es Lücken in der Linie gab. Dann wirkte alles sonderbar still.

Wellesley wandte sich um und sprach zu Barclay, doch Sharpe konnte nichts hören, und dann erkannte er, dass es in seinen Ohren nach dem schrecklichen Krachen des Artilleriebeschusses klingelte.

Diomed setzte sich von ihm ab, und er zog das graue Pferd mit sich. Fletchers Blut war getrocknet und bildete eine Kruste auf Diomeds Flanke. Fliegen krochen über das Blut.

Ein Highlander fluchte entsetzlich, als seine Kameraden von ihm fortmarschieren. Er hockte auf allen vieren, und es war keine Verletzung zu sehen, doch dann blickte er zu Sharpe auf, keuchte eine letzte Verwünschung und sackte vornüber zusammen. Weitere Fliegen versammelten sich auf der klaffenden Bauchwunde. Ein anderer Mann kroch durch die Stoppeln des Feldes und zerrte seine Muskete am Riemen hinter sich her.

»Ruhig jetzt!«, rief Harness. »Zum Teufel mit eurer Hast! Es geht um keinen Wettlauf! Denkt an eure Mütter!«

»Mütter?«, fragte Blackiston.

»Aufschließen!«, rief ein Sergeant. »Schließt auf!«

Die Marathen-Kanoniere luden jetzt fieberhaft die Geschütze, doch diesmal mit Kartätschen. Der Rauch löste sich auf und wurde von der sanften Brise davongetragen, und Sharpe konnte die Schemen von Männern im Pulverrauch sehen, die Ansetzer in Läufe und Munition in Rohre rammten. Andere Männer brachten die vom Rückstoß zurückgeschleuderten Geschütze wieder in Position.

Wellesley nahm sein Pferd an die Kandare, um nicht zu weit vor die Highlander zu geraten. Nichts zeigte sich zu seiner Rechten. Die Sepoys waren immer noch im toten Winkel, und die rechte Flanke war zwischen den Bäumen im zerklüfteten Terrain im Norden verschwunden, sodass im Moment Harness’ Highlander ganz allein die Schlacht zu bestreiten schienen.

Sechshundert Mann gegen hunderttausend, doch die Schotten zögerten nicht. Sie ließen ihre Verwundeten und Gefallenen zurück und durchquerten das freie Terrain auf die Geschütze zu, die mit ihrem Tod geladen waren.

Der Dudelsackpfeifer begann wieder zu spielen, und die wilde Musik schien den Schritten der Highlander neuen Schwung zu verleihen. Sie marschierten in den Tod. Doch sie gingen in perfekter Ordnung und scheinbarer Ruhe.

Kein Wunder, dass man Lieder über die Schotten gemacht hat, dachte Sharpe. Er drehte den Kopf, als er Hufschlag hinter sich hörte, und er sah, dass Captain Campbell von seinem Botenritt zurückkehrte. Der Captain grinste Sharpe an. »Ich dachte, ich käme zu spät.«

»Sie kommen rechtzeitig. Sir, ganz rechtzeitig«, sagte Sharpe. Aber wozu?, fragte er sich.

Campbell ritt weiter zu Wellesley und erstattete ihm Bericht. Der General hörte zu und nickte ein paar Mal. Und dann feuerten die Geschütze voraus von Neuem, nur sporadisch diesmal. Jedes feindliche Geschütz feuerte, sobald es geladen war. Das Krachen war ohrenbetäubend, und die Kartätscheneinschläge sprenkelten das Feld vor den Schotten mit einer Unzahl von Explosionen, als sie den Boden pflügten und aufprallten, um Männer rücklings zu fällen. Jedes Geschoss war nun eine Kartätsche, ein Leinensack gefüllt mit Musketenkugeln und Metall- und Steinsplittern, und wenn es den Lauf verließ, riss die Kartätsche auseinander, um ihre Geschosse wie eine gigantische Ladung Entenschrot zu verbreiten.

Eine weiterte Kanone feuerte, dann eine andere, und jeder Beschuss ließ das Terrain vibrieren und schickte Schotten in die Ewigkeit oder führte zu einem weiteren Krüppel oder zu einem Patienten für den Chirurgen. Die Trommlerjungs spielten immer noch, obwohl einer humpelte, und bei einem anderen Blut auf seine Trommel tropfte. Der Dudelsackpfeifer spielte eine muntere Melodie, als sei dieser Marsch auf die feindliche Horde zu etwas zum Feiern, und einige der Highlander beschleunigten ihre Schritte.

»Nicht so hastig«, rief Harness. »Nicht zu hastig!« Das Breitschwert war in seiner Hand, und er war dicht hinter den beiden Reihen seiner Männer, als wolle er hindurchpreschen und die Klinge gegen die Kanoniere schwingen, die sein Regiment dezimierten. Eine Federmütze wurde von einer Kartätsche zerfetzt, doch der Mann darunter blieb unberührt.

»Ruhig jetzt!«, rief ein Major.

»Aufschließen! Aufschließen!«, brüllten die Sergeants, »Schließt die Reihen!«

Corporals, die dafür bestimmt waren, die Lücken zu schließen, eilten hinter die Reihen und zogen Männer nach links und rechts, um die Lücken zu schließen, die durch den Beschuss entstanden waren. Die Lücken waren jetzt größer, denn ein gut gezielter Kartätschenbeschuss konnte vier oder fünf Glieder hinmähen, während von einer Kanonenkugel nur ein einzelnes Glied ausgeschaltet werden konnte.

Vier Geschütze feuerten, ein fünftes, dann eine ganze Folge von Geschützen zusammen, und die Luft um Sharpe war mit Toben und Krachen erfüllt. Die Linie der Highlander schien sich in diesem Sturm der Gewalt zu verbiegen, doch obwohl Männer zurückblieben, Männer, die bluteten und sich übergaben und weinten und nach ihren Kameraden oder Müttern schrien, schlossen die anderen die Reihen und marschierten unerschütterlich weiter.

Weitere Geschütze feuerten, hüllten den Feind mit Rauch ein, und Sharpe konnte hören, wie der Kartätschenbeschuss das Regiment traf. Jeder Beschuss verursachte ein rasselndes Geräusch, als die Kugeln gegen Musketen prasselten – wie alle Infanteristen schützten die Highlander mit den breiten Kolben ihrer Waffen die Bauchgegend. Die Linie war jetzt kürzer, viel kürzer, und hatte fast das Ende der Rauchwand erreicht, die durch die feindlichen Geschütze entstanden war.

»Achtundsiebzigstes, halt!«, schrie Harness.

Wellesley zügelte sein Pferd. Sharpe blickte nach rechts und sah, dass die Sepoys in einer langen roten Reihe aus dem Tal kamen, eine durchbrochene Linie, denn die Lücken zwischen den Bataillonen und die Passage durch das Gestrüpp des Tals hatten den Verband der Sepoys auseinander gerissen, und als die Geschütze im nördlichen Teil der Marathen-Linie das Feuer eröffneten, ging der Zusammenhalt noch mehr verloren. Dennoch drängten die Sepoys wie die Schotten zu ihrer Linken in das Geschützfeuer.

»Legt an!«, rief Harness.

Die Schotten hoben ihre Musketen an die Schultern. Sie waren nur etwa sechzig Yards von den Geschützen entfernt, und selbst ein Gewehr mit glattem Lauf war treffsicher genug bei dieser Distanz.

»Feuert nicht zu hoch, ihr Hunde!«, warnte Harness. »Ich peitsche jeden aus, der zu hoch feuert! Feuer frei!«

Die Salve klang schwach im Vergleich zum Donnern der großen Geschütze, aber es war trotzdem ein Trost, und Sharpe stieß fast einen Freudenschrei aus, als die Highlander feuerten und ihre Salve über das Stoppelfeld peitschte. Die Kanoniere verschwanden. Einige mussten getötet worden sein, und andere duckten sich in den Schutz hinter ihren Kanonen.

»Laden!«, rief Harness. »Nicht trödeln. Neu laden!«

Jetzt zahlte sich der Ausbildungsdrill der Highlander aus, denn eine Muskete neu zu laden, erforderte Übung und wurde durch die Siebzehn-Zoll-Bajonette auf der Mündung noch erschwert, doch alle luden so schnell, wie sie es in den harten, langen Wochen daheim trainiert hatten. Sie luden, schoben die Ladestöcke wieder in die Ösen am Lauf und spannten den Hahn. »Spart euch diese Salve für die Infanterie auf!«, ermahnte sie Harness. »Jetzt vorwärts, Jungs, und killt die heidnischen Bastarde, wie es sich an einem Sonntag geziemt!«

Dies war Rache. Sie ließen ihrem Zorn freien Lauf. Die feindlichen Geschütze waren noch nicht neu geladen, ihre Mannschaften waren von der Salve hart getroffen worden, und es war keine Zeit geblieben, um die Rohre zu beschicken, bevor die Schotten über ihnen waren.

Einige der Kanoniere ergriffen die Flucht. Sharpe sah, dass ein berittener Marathen-Offizier sie aufzuhalten und mit der Breitseite seines Säbels zurück zu den Geschützen zu treiben versuchte, aber er sah auch ein Geschütz, ein bunt bemaltes Monster, direkt vor sich, das hastig von zwei Männern gestopft und abschussbereit gemacht wurde.

»Die Ladung werden wir bekommen«, murmelte Blackiston.

Das Geschütz feuerte, und der Rauch hüllte den Stab des Generals fast völlig ein. Für einen Augenblick sah Sharpe Wellesleys große Gestalt als Umriss vor dem blassen Rauch, dann konnte er nur Blut und den General fallen sehen. Die Hitze und die frei werdenden Gase zischten an Sharpe vorbei, nur einen Herzschlag, nachdem die Kartätschen die Luft um ihn füllten. Aber er war direkt hinter dem General und in seinem Schatten, und es war Wellesley, der die Ladung des Geschützes abbekommen hatte.

Oder genauer gesagt sein Pferd. Der Hengst war ein Dutzend Mal getroffen worden, während Wellesley keinen Kratzer hatte. Das große Pferd brach zusammen, und Sharpe sah, dass der General seine Füße aus den Steigbügeln stieß und sich aus dem Sattel hochschob, bevor das Pferd stürzte. Wellesleys rechter Fuß berührte den Boden zuerst, bevor das Gewicht des Hengstes auf sein Bein fallen konnte. Er sprang fort und taumelte leicht in seiner Hast. Campbell rannte zu ihm, doch der General winkte ihn fort.

Sharpe trieb seine Stute an und band Diomeds Zügel von seinem Gurt los. Sollte er den Sattel von dem toten Pferd nehmen? Er nahm es an, und so glitt er aus dem eigenen Sattel. Aber was, zum Teufel, sollte er mit der Stute und Diomed machen, während er den Sattel von dem toten Hengst losmachte?

»Vierhundert Guineen durch eine Kugel für einen Penny verloren«, sagte Wellesley sarkastisch und schaute zu, wie Sharpe den toten Hengst absattelte. Oder fast tot, denn das Tier zuckte und trat noch aus, während die Fliegen, vom frischen Blut anzogen, zum Festmahl schwirrten.

»Ich werde Diomed nehmen«, sagte Wellesley zu Sharpe und bückte sich, um zu helfen. Er zerrte Satteltaschen und Holster von dem sterbenden Pferd.

Dann ertönte ein barbarischer Schrei, und Wellesleys Kopf ruckte herum. Er sah, dass Harness’ Männer die Geschützlinie erreicht hatten. Der Schrei war eine Befreiung von all ihren Ängsten und eine schreckliche Ankündigung des Todes ihrer Feinde. Die Schotten fanden die Kanoniere, die auf ihrem Posten geblieben waren und sich hinter ihre Geschütze geduckt hatten, und sie zerrten sie hervor und stachen immer wieder mit ihren Bajonetten auf sie ein.

»Bastard«, schrie ein Mann und stieß sein Bajonett in einen bereits toten Kanonier. »Heidnischer schwarzer Bastard!« Er trat den Toten und stieß wieder mit dem Bajonett zu.

Colonel Harness tötete einen Mann und wischte die blutige Klinge an der schwarzen Mähne seines Pferdes ab.

»Zur Linie formieren!«, rief er. »Formiert euch zur Linie! Beeilung, ihr Spitzbuben!«

Einige Kanoniere waren vor den Schotten geflohen und hatten die Sicherheit der Marathen-Infanterie erreicht, die nur etwas über hundert Schritte entfernt war. Sie hätten angreifen sollen, dachte Sharpe. Während die Schotten blindlings auf die Kanoniere einhackten, hätte die Infanterie vorrücken sollen, doch stattdessen wartete sie auf das nächste Stadium des schottischen Angriffs.

Zu seiner Rechten feuerten immer noch Geschütze auf die Sepoys, doch das war eine separate Schlacht, die keine Beziehung zu dem Kampf hatte, in dem Sergeants Highlander von den toten und sterbenden Kanonieren wegschleppten und in ihre Reihen schoben.

»Da leben immer noch Kanoniere, Sir«, meldete ein Lieutenant Harness.

»Formieren!«, rief Harness und ignorierte den Lieutenant. Sergeants und Corporals schoben Männer in die Linie. »Vorwärts!«, befahl Harness.

»Beeilung, Mann«, sagte Wellesley zu Sharpe, jedoch nicht ärgerlich. Sharpe hatte den Sattel auf Diomeds Rücken gehoben und bückte sich jetzt unter dem Bauch des grauen Pferds, um den Sattelgurt stramm zu ziehen. »Er mag es nicht zu stramm«, sagte der General.

Sharpe schnallte den Gurt fest, und Wellesley nahm Diomeds Zügel von ihm entgegen und schwang sich ohne ein weiteres Wort in den Sattel. Der Uniformrock des Generals war blutbeschmiert, doch es war das Blut seines Pferdes, nicht sein eigenes.

»Gut gemacht, Harness!«, rief er dem Schotten zu, dann ritt er davon, und Sharpe band die Stute vom Zaumzeug des toten Pferdes los, schwang sich auf ihren Rücken und folgte dem General.

Drei Dudelsackpfeifer spielten jetzt für das 78. Sie waren weit von daheim entfernt unter dieser glühenden Sonne, und sie brachten die verrückte Musik von Schottlands Kriegen nach Indien. Und es war Verrücktheit. Das 78. Regiment hatte unter dem Geschützfeuer gelitten, und die Linie ihres Vorrückens war übersät von Toten, Sterbenden und Verwundeten, doch die Überlebenden formierten sich jetzt neu, um die Hauptschlachtlinie der Marathen anzugreifen. Sie waren wieder in zwei Reihen, hielten ihre blutigen Bajonette vorgereckt, und sie griffen Pohlmanns compoo auf der rechten Seite der feindlichen Linie an.

Die Highlander wirkten riesig mit ihren hohen Federmützen. Sie wirkten schrecklich, und das waren sie. Dies waren moderne Krieger aus einem harten Land, und sie rückten stumm vor. Auf die wartenden Marathen mussten sie wirken wie Kreaturen aus einem Albtraum, so furchtbar wie die Götter, die sich auf ihren Tempelwänden wanden. Doch die Marathen-Infanterie mit ihren blaugelben Röcken war genauso stolz. Sie waren Krieger, rekrutiert aus den martialischen Stämmen Nordindiens, und als sich die beiden schottischen Reihen näherten, hoben sie ihre Musketen.

Die Schotten waren zahlenmäßig schrecklich unterlegen, und für Sharpe hatte es den Anschein, dass sie alle unter der bevorstehenden Salve sterben mussten. Sharpe selbst war halb benommen, wie betäubt von dem Kampflärm, und seine Stimmung schwankte zwischen dem Hochgefühl über die schottische Tapferkeit und dem reinen Entsetzen über die Schlacht. Er hörte einen Hochruf und blickte nach rechts, um zu sehen, wie die Sepoys die Geschützstellungen angriffen. Er sah Kanoniere fliehen, und er sah, dass die Madras-Sepoys mit ihren Bajonetten in die Nachzügler stießen.

»Jetzt werden wir sehen, wie ihre Infanterie kämpft«, sagte Wellesley zu Campbell, und Sharpe erkannte, dass dies die wahre Entscheidung war, denn die Infanterie war alles. Die Infanterie wurde belächelt, weil sie weder den Glanz der Kavallerie noch die tödliche Macht der Artillerie hatte, doch es war die Infanterie, die Schlachten gewann.

Die Marathen warteten mit angelegten Musketen. Die Highlander, immer noch still, marschierten weiter. Noch neunzig Schritte, noch achtzig, und dann schwang der Säbel eines Offiziers bei den Marathen-Reihen hinab, und die Salve krachte. Sie klang zusammenhanglos für Sharpe, vielleicht, weil die meisten Männer nicht auf ein Kommandowort feuerte, sondern nachdem sie gehört hatten, dass ihr Nachbar abgedrückt hatte, und es war ihm nicht mal bewusst, dass eine Kugel dicht an seinem Kopf vorbeiging, weil er angespannt die Schotten beobachtete, von denen kein einziger Mann fiel. Die meisten mussten getroffen worden sein, denn er sah Lücken, wenn sich die Reihen öffneten, um an den Gefallenen vorbeizumarschieren, doch das 78. – oder was davon übrig war – war noch intakt, und Harness feuerte immer noch nicht, sondern ließ die Männer einfach weitermarschieren.

»Sie haben zu hoch gefeuert!«, frohlockte Campbell.

»Sie haben guten Drill, aber schlecht gefeuert«, bemerkte Barclay glücklich.

Noch siebzig Schritte, dann sechzig. Ein Highlander taumelte aus der Reihe und brach zusammen. Zwei andere Männer, die von Kartätschen verwundet worden waren, sich jetzt jedoch etwas erholt hatten, eilten von hinten nach vorne und bahnten sich ihren Weg in die Reihen.

»Halt!«, rief Harness plötzlich. »Legt an!«

Die Waffen mit ihren blutbefleckten Stahlklingen ruckten an die Schultern der Highlander, sodass die gesamte Linie eine Vierteldrehung nach rechts zu machen schien. Der Pulverrauch der Marathen lichtete sich, und die feindlichen Soldaten konnten die schweren Musketen der Schotten und den Hass in den Gesichtern dahinter sehen, und die Highlander warteten einen Herzschlag, sodass der Feind ebenso ihren Tod in den Mündungen der angelegten Musketen sehen konnte.

»Ihr feuert tief, ihr Bastarde, sonst müssen wir uns unterhalten«, grollte Harness. Dann holte er tief Luft. »Feuer!«, schrie er, und seine Highlander feuerten nicht hoch. Sie schossen tief, und ihre Kugeln schlugen in Bäuche und Oberschenkel.

»Und jetzt holt sie euch!«, rief Harness. »Kassiert die Bastarde!« Und die Highlander rannten mit ihren Bajonetten und schrillem Kriegsgeschrei, das so misstönend wie die nachlassende Musik ihrer Dudelsäcke klang, auf den Feind zu. Sie waren Killer, die zum Abschlachten losgelassen worden waren, und der Feind wartete nicht, bis sie über ihn kamen, sondern warf sich einfach herum und flüchtete.

In den hinteren Reihen der compoo hatte der Feind Platz, um die Flucht zu ergreifen, doch die vorderen Männer wurden durch die hinteren behindert und konnten nicht entkommen.

Ein schreckliches, verzweifeltes Wehklagen ertönte, als die Männer des 78. heranstürmten und ihre Bajonette sich in einer Orgie des Tötens hoben und senken. Ein Offizier führte einen Angriff auf eine Gruppe Fahnenträger, die verzweifelt versuchten, ihre Feldzeichen zu retten, doch die Schotten ließen sich nicht aufhalten.

Sharpe beobachtete, wie die Männer mit den Kilts über die Toten hinwegstapften und sich mit ihren Klingen auf die Lebenden stürzten. Die Fahnen fielen und wurden dann wieder von schottischen Händen angehoben. Ein Hochruf ertönte, und in diesem Moment hörte Sharpe einen weiteren und sah, dass die Sepoys den nächsten Abschnitt der feindlichen Linie angriffen und jetzt, gerade als die ersten Marathen-Soldaten vor den Schotten davongerannt waren, die benachbarten Bataillone vor den Sepoys flüchteten.

Die berühmte feindliche Infanterie war beim ersten Kontakt zusammengebrochen. Sie hatte die dünne Linie auf sich zukommen sehen, und sie musste angenommen haben, dass die roten Röcke noch roter vom schweren Artilleriefeuer wurden, doch die Linie hatte sich unter Beschuss nicht aufhalten lassen und war, getroffen und blutig, unaufhaltsam weitermarschiert. Die Marathen mussten geglaubt haben, dass solche Männer unbesiegbar waren. Die riesigen Schotten in ihren merkwürdigen Kilts hatten die Ersten in die Flucht geschlagen, doch die Sepoy-Bataillone aus Madras brachten jetzt für die Mitte und die rechte Seite der feindlichen Linie Tod und Verderben. Nur die Linke des Feindes hielt sich noch.

Die Sepoys töteten und verfolgten dann die Flüchtenden, die westwärts strömten.

»Haltet sie!«, rief Wellesley den nächsten Bataillonskommandeuren zu. »Haltet sie!«

Doch die Sepoys waren nicht aufzuhalten. Sie wollten einen geschlagenen Feind verfolgen, und sie strömten hinter ihm her und töteten.

Wellesley schwenkte mit Diomed ab. »Colonel Harness!«

»Sie wollen, dass ich hier eine Auffangstellung formiere?«, fragte der Schotte. Blut tropfte von seinem Säbel.

»Hier«, stimmte Wellesley zu. Die feindliche Infanterie mochte geflüchtet sein, aber eine halbe Meile entfernt war Kavallerie, und diese Reiter galoppierten jetzt los, um die ungeordneten britischen Verfolger anzugreifen. »Setzen sie unsere Geschütze ein, Harness.«

»Ich habe den Befehl bereits gegeben«, sagte Harness und wies auf seine beiden Geschützmannschaften, die sich beeilten, die beiden Sechspfünder in Stellung zu bringen. »Kompaniekolonne!«, brüllte Harness.

Die Schotten, vor einer Minute noch wie wild, rannten jetzt zurück in ihre Reihen. Das Bataillon stand keinem direkten Feind gegenüber. Denn es war weder Infanterie noch Artillerie in Schussweite, doch die entfernte Kavallerie war eine Bedrohung, und so formierte Harness sie in ihre zehn Kompanien, dicht zusammen, sodass sie einem Karree ähnelten. Die geschlossene Formation würde sich selbst gegen jede Kavallerieattacke verteidigen und genauso leicht eine Linie oder Angriffskolonne bilden.

Harness’ zwei Sechspfünder waren abgeprotzt und begannen jetzt, auf die Kavalleristen zu feuern, die – entsetzt über die Vernichtung ihrer Infanterie – verharrten, statt die Rotröcke anzugreifen. Britische und indische Offiziere galoppierten zwischen die Sepoys und befahlen sie zurück zu ihren Reihen, während Harness’ 78. wie eine Festung wirkte, in die sich die Sepoys zurückziehen konnten.

»Geistige Gesundheit ist anscheinend keine Voraussetzung für das Soldatentum«, sagte Wellesley ruhig.

»Sir?« Sharpe war der einzige Mann, der nahe genug beim General war, um zu hören, was er sagte, und er nahm an, dass die Worte an ihn gerichtet waren.

»Das geht Sie nichts an, Sharpe, das geht Sie nichts an«, sagte Wellesley, bestürzt, weil jemand mitgehört hatte. »Eine Feldflasche bitte.«

Es war ein guter Anfang, sagte sich der General, denn die rechte Seite von Pohlmanns Armee war vernichtet, und das hatte nur Minuten gedauert. Er beobachtete, wie die Sepoys zu ihren Reihen eilten und die ersten puckalees mit ihren riesigen Ladungen an Feldflaschen und Wasserschläuchen vom nahen Kaitna kamen. Er würde die Männer Wasser trinken lassen, dann konnte die Linie nach Norden ausgerichtet werden, und er konnte den Angriff auf Assaye zu Ende führen.

Der General zog Diomed herum, um das Terrain zu begutachten, über das seine Infanterie vorrücken musste, und gerade als er sich umwandte, brach die Hölle beim Dorf aus.

Wellesley runzelte die Stirn über die dichte Pulverrauchwolke, die plötzlich dicht bei den Mauern aus getrocknetem Schlamm erschienen war. Er hörte Musketensalven, und er konnte sehen, dass es der überlebende linke Flügel der Marathen war, der feuerte, nicht seine Rotröcke, und dass, noch bedrohlicher, eine Woge von Marathen-Kavallerie an der nördlichen Flanke durchgebrochen war und nun frei hinter Wellesleys kleiner Armee schwärmte.

Jemand hatte einen groben Schnitzer gemacht.

 

Die linke Flanke von William Dodds Regiment lag nur hundert Schritte vor den Schlammmauern von Assaye, wo die zwanzig Geschütze, die das Dorf verteidigten, dieser Flanke ein zusätzliches Maß an Sicherheit gaben. Vor den Kobras befanden sich sechs weitere Geschütze, zwei davon die langläufigen Achtzehnpfünder, die die Furt bombardiert hatten, während sich Dodds eigene kleine Batterie von Vierpfündern in der kleinen Lücke zwischen der rechten Flanke seiner Männer und dem benachbarten Regiment zusammendrängten.

Pohlmann hatte diese Anordnung seiner Geschütze vor der Infanterie angeordnet, doch Dodd erwartete, dass die Briten in Linie angriffen, und ein Geschütz, das gerade auf eine näher rückende Linie feuerte, konnte viel weniger Schaden anrichten als eines, das von seitwärts auf die gesamte Länge der Linie feuerte. Und so hatte er seine Kanonen weit an der Flanke aufstellen lassen, wo sie die größten Zerstörungen anrichten konnten.

Es war keine schlechte Position, wie Dodd fand. Vor seiner Linie waren hundert Yards offenes Terrain zum Töten, und danach fiel das Land in eine steile Rinne ab, die ostwärts führte. Ein Feind konnte sich der Rinne nähern, aber um Dodds Männer zu erreichen, musste er auf das flache Ackerland klettern, und dort würde er abgeschlachtet werden.

Eine Kakteenhecke umgab das Terrain zum Töten, und das würde dem Feind einige Deckung geben, doch es gab breite Lücken in dem stachligen Zaun. Wenn Dodd Zeit geblieben wäre, hätte er befohlen, die gesamte Hecke dem Erdboden gleichzumachen, doch die notwendigen Äxte dazu waren mit der Bagage meilenweit entfernt. Dodd gab natürlich Joubert die Schuld für die fehlenden Geräte.

»Warum sind sie nicht hier, Monsieur?«, hatte er gefragt.

»Ich habe nicht daran gedacht. Tut mir leid.«

»Es tut Ihnen leid? Es tut Ihnen leid, Schlachten zu gewinnen, Monsieur?«

»Ich werde die Äxte holen lassen«, sagte Joubert.

»Jetzt nicht!«, sagte Dodd. Er wollte keine Männer zum Bagagelager schicken, denn ihr Fehlen würde momentan sein Regiment schwächen, und er erwartete, jetzt jeden Moment angegriffen zu werden.

Er freute sich auf diesen Augenblick, denn der Feind würde sich einem vernichtenden Feuer aussetzen müssen, und Dodd blieb in den Steigbügeln stehen, um nach Anzeichen für den nahenden Feind Ausschau zu halten.

Weit im Osten war einige Kavallerie der Briten und der Company, aber diese Reiter blieben weit aus der Reichweite der Marathen-Geschütze. Andere Feinde mussten in der Reichweite von Pohlmanns Geschützen sein, denn Dodd hörte sie feuern und sah die Wolken von grauweißem Pulverrauch bei jedem Schuss wallen, doch diese Kanonade war weit südlich von ihm und breitete sich nicht an der Linie zu ihm aus, und allmählich dämmerte ihm, dass Wellesley Assaye absichtlich mied.

»Zur Hölle mit ihm!«, entfuhr es ihm laut.

»Monsieur?«, fragte Captain Joubert resigniert, denn er erwartete einen weiteren Tadel.

»Wir werden links liegen gelassen«, beschwerte sich Dodd.

Captain Joubert dachte, dass dies vermutlich ein Segen war. Der Captain hatte seinen mageren Sold in der Hoffnung gespart, sich in Lyon zur Ruhe zu setzen, und wenn General Wellesley sich dazu entschied, Captain Joubert zu ignorieren, war Captain Joubert äußerst glücklich darüber. Und je länger er in Indien blieb, desto attraktiver fand er ein Leben im Ruhestand in Lyon. Und Simone würde in Frankreich besser dran sein, dachte er, denn die Hitze in Indien war nicht gut für sie. Sie hatte sie ruhelos gemacht, Inaktivität hatte ihr Zeit verschafft zu grübeln, und eine denkende Frau hatte noch nie zu etwas Gutem geführt. Wenn Simone in Frankreich war, würde sie beschäftigt sein. Dort würde sie ausgiebig kochen, die Wäsche machen, einen Garten pflegen, sogar Kinder aufziehen. Diese Dinge waren nach Jouberts Meinung die Aufgabe von Frauen, und je eher er Simone von Indiens sündigen Verlockungen wegbringen konnte, desto besser.

Dodd stellte sich wieder in den Steigbügeln auf, um durch sein Fernrohr südwärts zu spähen. »Das Achtundsiebzigste«, brummte er.

»Monsieur?« Joubert wurde aus seinem glücklichen Tagtraum von einem Haus bei Lyon aufgeschreckt, wo seine Mutter Simone helfen konnte, eine muntere Schar von Kindern aufzuziehen.

»Das Achtundsiebzigste«, sagte Dodd von Neuem, und Joubert stellte sich in den Steigbügeln auf, um zu dem schottischen Regiment zu starren, das aus einer Bodensenke auftauchte, um gegen die Marathen-Linie zu marschieren.

»Und keine Unterstützung für sie?«, fragte Dodd verwundert.

Er hatte gerade den Verdacht, dass Boy Wellesley einen schlimmen Fehler gemacht hatte, als er die Sepoys aus dem Tal kommen sah. Die Angriffslinie sah sehr dünn und zerbrechlich aus, und er konnte sehen, wie Männer vom Artilleriebeschuss zurückgetrieben wurden.

»Warum kommen sie nicht hierher?«, fragte Dodd gereizt.

»Sie kommen, Monsieur«, antwortete Joubert und wies nach Osten.

Dodd drehte sich und starrte hin.

»Dank Gott, von dem aller Segen kommt«, sagte er leise. »Diese Narren!«

Denn der Feind kam nicht nur auf Dodds Stellung zu, sondern näherte sich in einer Kolonne von Halbkompanien. Die feindliche Infanterie war plötzlich am oberen Rand der Rinne aufgetaucht, doch auf Dodds Seite dieses Hindernisses, und es war klar, dass die Rotröcke in weitem Bogen von ihrer Stellung marschiert waren, denn sie waren weit entfernt vom Rest der angreifenden britischen Infanterie. Besser noch, sie hatten sich nicht zu einer Linie formiert.

Ihr Kommandeur musste sich gesagt haben, dass sie besser vorankamen, wenn sie in einer Kolonne vorrückten, und zweifellos wollte er sie vor seinem Angriff zu einer Linie formieren, doch die Männer zeigten noch kein Anzeichen darauf, Gefechtsformation anzunehmen.

Dodd richtete sein Fernrohr auf die Kolonne und war verwirrt. Die führende Halbkompanie bestand aus Soldaten des Königs in roten Uniformröcken, schwarzen Hüten und weißen Hosen, während die vierzig oder fünfzig Männer der Halbkompanie dahinter Kilts trugen, und die anderen fünf Halbkompanien waren allesamt Sepoys der East India Company.

»Es ist die Feldwache des Tages«, sagte er und verstand plötzlich die sonderbare Formation. Er hörte einen Ruf, als ein Geschütz-Captain befahl, dass seine Kanone auf die näher kommenden Männer ausgerichtet wurde, und Dodd rief hastig seinen Kanonieren zu, nicht zu feuern.

»Niemand feuert, Joubert!«, befahl Dodd. Dann gab er seinem Pferd die Sporen und ritt zum Dorf.

Die Infanteristen und Artilleristen, die das Dorf Assaye verteidigten, standen nicht unter Dodds Kommando, doch er gab ihnen trotzdem Befehle.

»Haltet euer Feuer!«, bellte er. »Nicht schießen! Warten! Warten!« Einige der Schützen aus Goa sprachen ein wenig Englisch, und sie verstanden ihn und gaben den Befehl weiter. Die Infanterie des Radschas auf den Mauern oberhalb der Geschütze waren nicht so schnell von Begriff, und einige dieser Männer eröffneten das Feuer auf die fernen Rotröcke, doch die Distanz war für ihre Musketen viel zu groß. Dodd ignorierte sie.

»Ihr feuert, wenn wir feuern, verstanden?«, rief er den Kanonieren zu, und einige von ihnen verstanden, was er vorhatte, und sie grinsten über seine Gerissenheit.

Er ritt zurück zu den Kobras.

Eine zweite britische Formation war etwa hundert Schritte hinter der ersten erschienen. Diese zweite Einheit war ein komplettes Bataillon Rotröcke, das in Linie vorrückte, und weil es schwierig war, dass eine ausgebreitete Linie so schnell vorrückte wie eine Kolonne von Halbkompanien, war sie hinter die Vorhut zurückgefallen, die unter völliger Missachtung von Assayes wartenden Verteidigern weiter zum Kakteenzaun vorgerückt war.

Es schien ein isolierter Angriff zu sein, weit vom Lärm im Süden entfernt, den Dodd jetzt ignorierte. Gott hatte Dodd eine Chance zum Sieg gegeben, und er spürte, wie die Erregung in ihm anstieg. Es war ein Segen, ein Gottesgeschenk. Er konnte nicht verlieren. Er zog seinen Säbel mit dem Elefantenkopf als Griff und – als ob er sich bedanken wollte – küsste die Stahlklinge.

Die erste Halbkompanie der Vorhut hatte die Kakteenhecke erreicht und verharrte, scheinbar nicht bereit, ihren selbstmörderischen Marsch auf die wartenden Marathen zu fortzusetzen. Artillerie an der Linie, die nicht unter Dodds Kontrolle war, hatte das Feuer auf die Kolonne eröffnet, doch die Marathen-Kräfte mit den weißen Röcken unmittelbar vor der Front der Kolonne verhielten sich ruhig, und der befehlshabende Offizier der Vorhut war anscheinend dadurch ermuntert und drängte seine Männer jetzt vorwärts.

»Warum nimmt er keine Gefechtsformation an?«, fragte sich Dodd laut und betete, dass es nicht geschehen würde, doch sobald die Halbkompanie aus Highlandern im Kilt durch eine Lücke im Kakteenzaun marschiert war, begann sie, sich auszubreiten, und Dodd wusste, dass sein Moment nahe war. Aber warte, sagte er sich, warte auf mehr Opfer.

Und die Sepoys stießen durch die Lücken in der Hecke vor, bis alle Männer der Vorhut vor dem stacheligen Zaun waren und ihre Offiziere und Sergeants sie auf das offene Terrain trieben, wo mehr Platz war, sodass sich die Halbkompanien zu einer Linie formieren konnten.

Captain Joubert befürchtete, dass Dodd das Kommando zur Feuereröffnung zu spät gab. Die zweite britische Formation war jetzt nahe bei der Hecke, und wenn sie erst durch die Lücken hindurch war, würde das zusätzliches Musketenfeuer bei dem Angriff geben.

Aber Dodd wusste, dass das Regiment viel Zeit brauchen würde, um sich durch die Hecke zu manövrieren, und er war nur wegen der drei- oder vierhundert Männer der Vorhut besorgt, die jetzt gerade achtzig Yards von der Linie der Geschütze entfernt und immer noch nicht richtig formiert waren. Seine eigenen Männer waren hundert Schritte hinter den Geschützen, aber jetzt befahl er sie vorwärts.

»Regiment vorrücken!«, brüllte er. »Im Geschwindschritt!«

Sein Übersetzer rief den Befehl, und Dodd beobachtete stolz, wie seine Männer prompt auf sein Kommando reagierten, als sie die in Stellung gebrachte Artillerie erreichten.

»Danke, Herr«, betete er.

Die Vorhut, sich plötzlich des Grauens bewusst, das sie erwartete, begann sich zu beeilen, als sie sich zu einer Linie ausbreitete, aber immer noch ließ Dodd nicht feuern. Stattdessen ritt er auf seinem neuen Pferd hinter die Reihen seiner Männer.

»Ihr feuert tief!«, sagte er zu seinen Kobras. »Haltet euer Feuer tief! Zielt auf ihre Oberschenkel!« Die meisten Soldaten feuerten hoch, und so würde ein Mann, der auf die Knie des Feindes zielte, wahrscheinlich seine Brust treffen.

Dodd legte eine Pause ein, um die Vorhut zu beobachten, die jetzt in doppelter Linie vorrückte. Dodd atmete tief durch. »Legt an. Feuer!«

Vierzig Geschütze und über achthundert Musketen zielten auf die Vorhut, und kaum ein Geschütz oder eine Muskete schoss daneben. Gerade war das Terrain vor der Hecke noch voller Soldaten, und im nächsten Augenblick war es ein Leichenfeld, gepeitscht von Metall und Feuer, und obwohl Dodd nichts durch den Pulverrauch sehen konnte, wusste er, dass die Linie der Rotröcke praktisch vernichtet war.

Die Salve war massiv gewesen. Zwei der Geschütze waren die Achtzehnpfünder-Belagerungsgeschütze gewesen, und Dodd bedauerte nur, dass sie mit Kanonenkugeln statt mit Kartätschen geladen gewesen waren, aber jetzt konnte er wenigstens mit Kartätschen neu laden lassen und so das britische Bataillon, das fast die Kakteenhecke erreicht hatte, übel zurichten lassen konnte.

»Laden!«, befahl Dodd seinen Männern. Der Rauch lichtete sich, und als er abzog, konnte er die Leichen der Feinde auf dem Boden sehen. Er sah zuckende, kriechende und sterbende Männer. Die meisten davon bewegten sich überhaupt nicht, obwohl ihr befehlshabender Offizier oder wenigstens der einzige Mann, der auf einem Pferd saß, wie durch ein Wunder noch lebte. Er drängte sein Pferd zurück durch die Hecke.

»Feuer!«, brüllte Dodd, und eine zweite Salve peitschte über das Leichenfeld, durch die Hecke und schlug in das Bataillon dahinter. Dieses Bataillon wurde noch schlimmer von der Artillerie bestraft, denn diese feuerte jetzt Kartätschen, und die Explosionen des Metalls rissen die Hecke auseinander und vernichteten die kleine Deckung der Rotröcke. Die kleinen Vierpfünder-Geschütze, die sonst winzige Kanonenkugeln abfeuerten, dienten jetzt als gewaltige Schrotflinten, um die Rotröcke mit Dodds improvisierten Kartätschen zu überziehen. Seine Sepoys stopften die Patronen in den Lauf und stießen ihre Ladestöcke nach. Das trockene Gras vor ihnen flackerte mit Hunderten blasser Flammen, wo das brennende Patronenpapier es in Brand gesetzt hatten.

»Feuer!«, rief Dodd wieder und sah, kurz bevor die Wolke von Pulverrauch seine Sicht verhüllte, dass der Feind zurückwich. Die Salve krachte, und die Luft war vom Gestank fauler Eier erfüllt.

»Laden!«, rief Dodd und bewunderte die Tüchtigkeit seiner Männer. Keiner war in Panik geraten, niemand hatte seinen Ladestock falsch gehandhabt. Soldaten wie ein Uhrwerk, dachte er, wie Soldaten sein sollten, während der Feind das Feuer nur sporadisch erwiderte. Zwei oder drei von Dodds Männern waren gefallen, und eine Hand voll war verwundet, doch sie hatten die führende britische Einheit vernichtet und trieben die nächste zurück.

»Regiment vorrücken!«, schrie er und lauschte, als sein Übersetzer den Befehl wiederholte.

Sie marschierten in Linie durch ihren eigenen Pulverrauch und dann durch die unzähligen toten und sterbenden feindlichen Männer der Vorhut. Soldaten bückten sich bei den Leichen, um ihnen Beute abzunehmen. Dodd trieb sie mit Schreien an weiterzugehen. Die Kriegsbeute konnte warten.

Sie erreichten die Reste der Kakteenhecke, wo Dodd die Männer anhalten ließ. Das britische Bataillon zog sich immer noch zurück, suchte offenbar die Sicherheit der Rinne.

 

»Feuer!«, rief Dodd, und die Salve seiner Männer stieß die Rotröcke noch weiter zurück. »Laden!« Die britische Linie zog sich jetzt schnell zurück, aber von Norden, vom Terrain beim Fluss, ritt Kavallerie nach Süden, um sich dem Gemetzel anzuschließen. Dodd wünschte sich, die Kavallerie würde sich heraushalten, denn er hatte die Vorstellung, dieses britische Bataillon hinab zur Landzunge zu treiben, wo die Flüsse zusammenflossen, sodass die letzten ihrer Männer in den Untiefen des Kaitna sterben würden, doch er wagte es nicht, eine weitere Salve zu feuern, weil er die Kavallerie treffen könnte.

»Weiter vorrücken!«, sagte er zu seinem Übersetzer. Er würde die Kavallerie ihren großen Moment haben lassen und dann mit dem Schlachten selbst weitermachen.

 

Der britische Bataillonskommandeur sah die Kavallerie und wusste, dass er den Rückzug stoppen musste. Seine Männer waren noch in Linie, einer Linie aus nur zwei Reihen, und Kavalleristen träumten davon, Infanterie in Linie anzugreifen.

»Formiert ein Karree!«, rief der befehlshabende Offizier, und die beiden Flügel der Linie zogen sich gehorsam zur Mitte zurück. Die jeweils äußeren Kompanien schwenkten nochmals ein, und so formierte die Einheit ein Viereck. Plötzlich sah sich die Kavallerie einer Feste von Rotröcken, Musketen und Bajonetten gegenüber. Die vorderen Reihen des Karrees knieten sich hin und stemmten ihre Musketen auf den Boden, während die hinteren ihre Musketen auf die nahenden Reiter anlegten.

Die Kavallerie hätte beim Anblick des Karrees abschwenken sollen, doch sie hatte das Massaker jenseits der Kakteenhecke gesehen und wollte mitmischen, und so legten sie ihre mit Wimpeln versehenen Lanzen an und hoben ihre tulwars, stießen Kriegsschreie aus und galoppierten geradewegs auf die Rotröcke zu. Und die Rotröcke ließen sie nahe herankommen, bevor der Befehl geschrien wurde und die Spitze des Karrees, das der Kavallerie am nächsten war, in Feuer und Rauch getaucht wurde und getroffene Pferde im Todeskampf schrill wieherten und verendeten.

Die überlebenden Reiter schwenkten zur Seite hin ab und mussten eine weitere tödliche Salve hinnehmen, als sie an den Seiten des Karrees vorbeiritten. Weitere Pferde taumelten und brachen Staub aufwirbelnd zusammen. Ein tulwar rutschte über den Boden, und sein Besitzer schrie auf, als sein Bein unter dem Gewicht seines sterbenden Pferdes eingeklemmt wurde.

»Laden!«, rief eine schottische Stimme innerhalb des Karrees, und die Rotröcke luden ihre Musketen.

Die Kavallerie preschte weiter in offenes Terrain und machte dort kehrt. Einige der Pferde waren jetzt ohne Reiter, andere waren blutig, aber alle galoppierten zurück auf das Karree zu.

»Lasst sie nahe herankommen!«, schrie ein berittener Offizier im Karree. »Lasst sie näher kommen! Wartet noch! Legt an! Feuer!«

Weitere Pferde brachen zusammen, und diesmal schwenkte die Kavallerie nicht ab, um an den Flanken des Karrees vorbeizugaloppieren, sondern sie gab ihren Pferden die Sporen und ritt außer Reichweite. Zwei Lektionen hatten sie Vorsicht gelehrt, doch sie ritten nicht weit weg, gerade weit genug, um außer Reichweite der Musketen der Rotröcke zu sein.

Die Anführer der Kavallerie hatten Dodds Regiment durch die Kakteenhecke kommen gesehen und wussten, dass ihre eigene Infanterie, in Linie angreifend, erst das Karree mit Musketenbeschuss sprengen musste, dann konnten die Reiter zurückkehren, um die Überlebenden zu erledigen und die großen, farbenprächtigen Fahnen zu erbeuten und als Trophäen vor Sindhias Füße zu legen.

 

Dodd konnte sein Glück kaum fassen. Zuerst hatte er die Einmischung der Kavallerie verabscheut, hatte angenommen, sie wollten ihm seinen Sieg stehlen, doch ihre beiden unnützen Angriffe hatten das feindliche Bataillon gezwungen, ein Karree zu bilden, und die Mathematik diktierte, dass ein Bataillon im Karree nur ein Viertel seiner Musketen gegen den Angriff einer Linie nutzen konnte. Und das britische Bataillon, das Dodd jetzt an den weißen Uniformaufschlägen als das 74. Regiment erkannte, war viel kleiner als Dodds Kobras. Es hatte vermutlich nur halb so viele Männer. Und zusätzlich zu Dodds Männern war ein ungeordnetes Regiment von der Infanterie des Radschas von Berar aus Assaye geströmt, um sich dem Gemetzel anzuschließen, während ein Bataillon von Duponts compoo, die auf Dodds rechter Flanke postiert war, ebenfalls angerückt war, um sich dem Töten anzuschließen.

Dodd ärgerte sich über die Anwesenheit dieser Männer und befürchtete, dass sie den Ruhm seines Sieges abschwächen könnten, doch er konnte kaum befehlen, dass sie wegbleiben sollten. Wichtig war einzig und allein, die Highlander vernichtend zu schlagen.

»Wir werden die Bastarde mit Salvenfeuer fertig machen«, sagte er seinen Männern und wartete darauf, dass seine Worte übersetzt wurden. »Und dann werden wir ihnen mit Bajonetten den Rest geben. Und ich will diese beiden Fahnen haben! Ich will, dass sie heute Nacht in Sindhias Zelt hängen!«

Die Schotten wartete nicht untätig auf den Angriff. Dodd konnte Männer in kleinen Gruppen aus dem Karree ausscheren sehen, und zuerst dachte er, sie plünderten die toten Kavalleristen, doch dann sah er, dass sie die Leichen von Männern und Pferden zurückschleiften, um einen niedrigen Wall zu bilden.

Die wenigen Überlebenden der Vorhut hatten sich zu den Schotten gerettet, die jetzt in einem schrecklichen Dilemma gefangen waren. Indem sie im Karree blieben, schützten sie sich vor jedem Angriff der Kavallerie, die sich immer noch im Süden herumtrieb, machten sich gleichzeitig jedoch zu einem leichten Ziel für die Musketen des Feindes. In der Linie dagegen konnten sie all ihre Musketen gegen die feindliche Infanterie einsetzen, aber sie machten sich selbst zum Köder für die Kavallerie.

Ihr befehlshabender Offizier entschied sich dafür, im Karree zu bleiben. Dodd nahm an, dass er das Gleiche tun würde, wenn er je so närrisch wäre, in die Falle zu gehen, wie es diese Dummköpfe getan hatten. Sie mussten immer noch erledigt werden, und das versprach schreckliche Arbeit, denn das 74. war ein berüchtigt hartes Regiment, doch Dodd hatte den Vorteil der zahlenmäßigen Überlegenheit und der Stellung, und er war überzeugt, dass er gewinnen musste.

Die Schotten waren da anderer Meinung. Sie duckten sich hinter ihrer Barrikade von Leichen und Pferdekadavern und schickten mörderisches Musketenfeuer zu den weiß berockten Kobras.

Ein einsamer Dudelsackpfeifer, der gegen den Befehl, sein Instrument in Naulniah zu lassen, verstoßen hatte, spielte im Zentrum des Karrees. Dodd konnte die Musik hören, den Musiker jedoch nicht sehen und eigentlich das Karree auch nicht, denn es war von dichtem Pulverrauch vernebelt. Der Rauch wurde von den Blitzen des Musketenfeuers erhellt, und Dodd glaubte zu hören, wie die schweren Kugeln in seine Männer schlugen.

Die Kobras rückten nicht länger vor, denn je näher sie dem tödlichen Rauch kamen, desto größer waren ihre Verluste. Sie verharrten fünfzig Yards vom Karree entfernt und ließen ihre eigenen Musketen sprechen. Sie luden und schossen und luden so schnell wie ihre Feinde, doch zu viele ihrer Kugeln waren vergeudet, weil sie die Barrikade der Leichen trafen. Alle vier Seiten des Karrees feuerten jetzt, denn das 74. war umzingelt. Im Westen feuerte Dodds Angriffslinie, im Norden die Infanterie des Radschas, während sie im Osten und Süden die Kavallerie in Schach hielt. Die Marathen-Reiter, die den Tod des schottischen Regiments förmlich rochen, ritten immer näher heran. Sie hofften, dass sie die Fahnen vor der Infanterie erbeuten konnten.

Dodds Kobras, zusammen mit dem Bataillon von Duponts compoo, begannen, sich an der südlichen Flanke des gefangenen Regiments zusammenzuziehen. Es sollte nur drei oder vier Salven dauern, um die Sache zu beenden, und danach konnten seine Männer mit dem Bajonett zur Tat schreiten. Seine Männer feuerten keine Salven mehr, sondern schossen, sobald ihre Musketen geladen waren. Dodd spürte ihre Aufregung und versuchte, sie zu zügeln.

»Verschwendet nicht euer Feuer!«, rief er. »Zielt tief!«

Dodd hatte nicht den Wunsch, durch den stinkenden Rauch einen Angriff zu führen, um dann vor einer geordneten Formation rachsüchtiger Highlander zu stehen, die mit aufgepflanzten Bajonetten wartete. Er mochte die Schotten nicht, aber er hatte ein gesundes Maß an Furcht vor ihnen, wenn sie mit kaltem Stahl kämpften. Dünnt die Bastarde erst aus, lasst sie bluten, und dann massakriert sie, dachte er, doch seine Männer waren zu erregt von der Aussicht auf den nahe bevorstehenden Sieg, um sich Sorgen zu machen, dass sie zu hoch schossen oder ihre Munition an der Barrikade der Leichen vergeudet wurde.

»Zielt tief!«, rief er wieder. »Zielt tief!«

»Es wird nicht mehr lange dauern«, sagte Joubert. Der Franzose wunderte sich, dass die Schotten immer noch kämpften.

»Es ist nicht leicht, Schotten zu töten«, sagte Dodd. Er trank einen Schluck aus seiner Feldflasche. »Ich hasse die Bastarde. Alles Prediger oder Diebe. Sie stehlen den Engländern die Jobs. Zielt tief!«

Ein Mann wurde nahe bei Dodd zurückgeworfen, und sein weißer Rock war voller Blut.

»Joubert?«, rief Dodd über die Schulter zu dem Franzosen.

»Monsieur?«

»Bringen Sie zwei der Regimentsgeschütze, geladen mit Kartätschen. Das wird das Ende der Bastarde sein.«

Zwei Ladungen von Kartätschen von den Vierpfündern würden große Lücken in das schottische Karree blasen, und Dodd konnte dann seine Männer in die Lücken führen und das sterbende Regiment von innen nach außen filetieren. Er wollte verdammt sein, wenn die Kavallerie die Fahnen erbeuten würde. Sie gehörten ihm! Es war Dodd gewesen, der diese Highlander zum Stillstand gebracht hatte, und er plante, die seidenen Banner zu Sindhias Zelt zu bringen und dort seine saftige Belohnung zu kassieren.

»Beeilen Sie sich, Joubert!«, rief er.

Dodd zog seine Pistole und feuerte über die Reihen seiner Männer hinweg in den Rauch, der das sterbende Karree verhüllte.

»Zielt tief!«, rief er. »Vergeudet nicht euer Feuer!«

Aber jetzt würde es nicht mehr lange dauern. Zweimaliger Beschuss mit Kartätschen, nahm er an, und dann würden die Bajonette ihm den Sieg bringen.

 

Major Samuel Swinton stand hinter dem westlichen Rand des Karrees, der auf die weiß berockte Infanterie blickte. Er hörte eine englische Stimme Befehle und Ermunterungen in die feindlichen Linien schreien, und obwohl Swinton selbst Engländer war, ärgerte er sich über den Akzent.

Kein englischer Bastard würde das 74. Regiment vernichten, nicht, solange Major Swinton das Kommando hatte. Er sagte seinen Männern, dass ein Engländer ihr Feind war, und das schien ihren Eifer anzustacheln.

»Haltet tief auf sie!«, rief er. »Feuert weiter!«

Die kniende erste Reihe hatte etwas Deckung durch ihre improvisierte Barrikade. Für die stehende zweite Reihe war ihr einziger Schutz der Rauch, der das Regiment vor den Feinden verbarg. Gott sei Dank hat der Feind keine Artillerie vorangebracht, dachte Swinton.

Musketenkugeln peitschten in das Karree. Viele davon, besonders die von Norden, fauchten über sie hinweg, doch das Regiment mit den weißen Röcken war besser ausgebildet, und ihr Musketenfeuer erzielte Wirkung, so viel, dass Swinton die innere Reihe der östlichen Seite abzog und sie der westlichen zufügte. Die Sergeants und Corporals schlossen die Reihe, als die feindlichen Kugeln Männer zurück in das blutige Innere des schrumpfenden Karrees schleuderten.

Der Major trat zwischen die schottischen Gefallenen und Verwundeten. Swintons Pferd war von drei Musketenkugeln tödlich getroffen worden, und der Major hatte ihm mit seiner Pistole den Gnadenschuss gegeben.

Colonel Orrock, der die Vorhut zuerst in die Katastrophe geführt hatte, hatte ebenfalls sein Pferd verloren. »Es war nicht meine Schuld«, beteuerte er dem Major immer wieder, und Swinton hätte dem Bastard am liebsten jedes Mal ins Gesicht geschlagen. »Ich habe Wellesleys Befehle befolgt!«, behauptete Orrock.

Swinton ignorierte den Narren. Gleich zu Beginn des Vorrückens hatte Swinton gespürt, dass die Vorhut zu weit nach rechts ging. Orrocks Befehle waren klar genug gewesen. Er hatte sich rechts halten sollen, somit den Platz schaffen sollen, damit sie in die Linie kamen, und dann geradeaus angreifen sollen, doch der Narr hatte seine Männer weiter nordwärts geführt, und Swinton, der versucht hatte, einen Bogen um die Vorhut zu schlagen, um an ihre rechte Seite zu gelangen, hatte nie eine Chance gehabt, in Position zu gelangen. Er hatte gesehen, wie der Adjutant des 74. mit Orrock gesprochen und gefleht hatte, dass der Colonel der East India Company voraus abschwenken würde, doch Orrock hatte den Mann arrogant abgewiesen und war weiterhin gen Assaye marschiert.

Swinton hatte dann eine Wahl gehabt. Er hätte Orrock ignorieren und seinen eigenen Angriff gerade ausrichten und die rechte Seite der Linie bilden können, die Wellesley vormarschieren ließ, doch die führende Halbkompanie von Orrocks Vorhut waren fünfzig Männer von Swintons eigenem Regiment, und der Major war nicht bereit zuzuschauen, wie diese fünfzig Männer von einem Narren geopfert wurden, und so war er der Vorhut auf ihrem falschen Kurs in der Hoffnung gefolgt, dass das Feuer seiner Männer Orrock retten konnte.

Es hatte nicht geklappt. Nur vier der fünfzig Männer der Halbkompanie hatte sich dem Regiment wieder anschließen können, der Rest war tot oder lag im Sterben, und jetzt schien das ganze 74. Regiment dem Untergang geweiht zu sein. Sie waren von Lärm und Rauch umgeben, von Feinden umzingelt, starben in ihrem Karree, doch der Dudelsackpfeifer spielte immer noch, und die Männer kämpften weiter, und das Regiment lebte immer noch, und die beiden Fahnen war hoch erhoben, obwohl die jetzt ausgefransten Rechtecke aus Seide zerfetzt und von Kugeleinschlägen durchlöchert waren.

Einem Fähnrich des Flaggentrupps schlug eine Musketenkugel ins linke Auge, und er stürzte lautlos zurück. Ein Sergeant packte die Fahnenstange und hielt sie in der einen Hand und mit der anderen eine Pike. Gleich, das war dem Sergeant klar, würde er mit der Pike kämpfen müssen. Das Karree würde mit einem Haufen blutiger Männer rund um die Fahnen enden, und der Feind würde über sie herfallen, und für einen Augenblick würde der Kampf Stahl gegen Stahl toben.

Der Sergeant nahm sich vor, die Fahne einem verwundeten Kameraden zu geben und zu versuchen, so viel Schaden wie möglich mit der scharfen Klinge an der Spitze seines Schaftes anzurichten. Es war ein Jammer zu sterben, aber er war Soldat, und niemand hatte eine Möglichkeit aufgetan, wie man ewig leben konnte, nicht einmal diese cleveren Bastarde in Edinburgh. Er dachte an seine Frau in Dundee und an seine Frau im Lager bei Naulniah, und er bedauerte seine vielen Sünden, denn es war nicht gut, wenn man mit schlechtem Gewissen zu seinem Gott ging, aber jetzt war es zu spät, und so packte er seine Pike fester, verbarg seine Furcht und entschloss sich, wie ein Mann zu sterben und ein paar andere Männer mit in den Tod zu nehmen.

Die Musketenkolben wurden von den Highlandern an ihre Schultern gedrückt. Sie bissen die Spitze von Patronen, und bei jedem Biss schmeckten sie salziges Schießpulver, sodass sie keinen Speichel mehr hatten, nur knochentrockene Kehlen, die nach Rauch stanken. Und die puckalees des Regiments waren weit entfernt, verloren irgendwo im Hinterland.

Die Schotten feuerten weiter, und die Pulverfunken aus der Pfanne brannten auf ihren Wangen, und sie luden und rammten den Ladestock in den Lauf, feuerten, und irgendwo jenseits des Rauchs krachte das feindliche Feuer und schlug in die Barrikade aus Leichen oder stieß einen Mann in einem Sprühregen von Blut zurück. Verwundete kämpften neben den Lebenden, die Gesichter vom Pulver geschwärzt, durstig und mit trockenem Mund und vom Rückstoß der Musketenkolben schmerzender Schulter. Und die weißen Kragen und Ärmelaufschläge ihrer roten Uniformröcke waren rot vom Blut der Männer, die gefallen waren oder jetzt starben.

»Aufschließen!«, riefen die Sergeants, und das Karree schrumpfte ein paar weitere Fuß, als sterbende Männer in die Mitte des Karrees zurückgezerrt wurden und die Lebenden die Reihen schlossen. Männer, die am Beginn des Tages fünf oder sechs Glieder auseinander gewesen waren, waren jetzt Nachbarn.

»Es war nicht meine Schuld!«, beteuerte Orrock.

Swinton hatte nichts dazu zu sagen. Es gab nichts zu sagen und nichts anderes zu tun, als zu sterben, und so hob er die Muskete eines Gefallenen auf, hängte sich die Patronenschachtel der Leiche um und drängte sich in die westliche Reihe. Der Mann zu seiner Rechten war betrunken, doch Swinton machte sich nichts daraus, denn der Mann kämpfte.

»Sie sind gekommen, um mal was Anständiges zu tun, Major?«, begrüßte der Betrunkene Swinton mit einem Grinsen.

»Ich bin gekommen, um etwas richtige Arbeit zu erledigen, Tam«, stimmte Swinton zu.

Er biss das Ende von einer Patrone ab, lud die Muskete, spannte, legte an und feuerte in den Rauch. Er lud neu, feuerte abermals und betete, tapfer zu sterben.

 

Fünfzig Yards entfernt beobachtete William Dodd die Rauchwolke vom schottischen Musketenfeuer. Sie wird kleiner, dachte er. Männer starben dort, und das Karree schrumpfte, doch es spuckte immer noch Feuer und Blei. Dann hörte er das Klirren von Ketten. Er wandte sich um und sah, dass die beiden Vierpfünder-Geschütze zu ihm gezogen wurden. Er würde jedes der Geschütze einmal Kartätschen feuern lassen, dann würde er seinen Männern befehlen, die Bajonette aufzupflanzen, und danach würde er sie über den Wall der Leichen mitten in den Rauch führen.

 

Und dann kam das Trompetensignal.

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