Weißdornbüsche erhoben. Alle Befehlshaber waren anwesend, während sich Dutzende von rangniederen Männern um uns drängten, um unseren Diskussionen zuzuhören. Meurig wies natürlich jegliche Schuld weit von sich. Hätte man ihm mehr Männer gegeben, behauptete er, wäre es nie dazu gekommen.

»Außerdem«, sagte er, »und vergebt mir, wenn ich Euch darauf hinweise – obwohl ich es für einen Punkt halte, der auf der Hand liegt und keinerlei Erklärung benötigt –, daß ein Heer, das Gott ignoriert, niemals den Sieg davontragen kann.«

»Und warum hat Gott dann uns ignoriert?« wollte Sagramor wissen.

Arthur beschwichtigte den Numidier. »Was geschehen ist, ist geschehen«, sagte er. »Wir müssen uns überlegen, was wir jetzt tun wollen.«

Aber das hing von Aelle ab, nicht von uns. Er hatte den ersten Sieg errungen, obwohl ihm das Ausmaß seines Triumphes möglicherweise nicht bewußt war. Wir waren meilenweit auf sein Gebiet vorgedrungen, und uns drohte der Hungertod, wenn wir sein Heer nicht in eine Falle locken, es überwältigen und dadurch in ein Gebiet ausbrechen konnten, dessen Vorräte noch nicht vernichtet worden waren. Unsere Späher brachten uns Rotwild, und gelegentlich stießen sie auf ein paar Rinder oder Schafe; aber derartige Delikatessen waren selten und reichten bei weitem nicht aus, um das verlorene Mehl und Dörrfleisch zu ersetzen.

»Er muß doch sicher London verteidigen, oder?« warf Cuneglas ein.

Sagramor schüttelte den Kopf. »In London leben lauter Britannier«, antwortete er. »Die Sachsen mögen dort nicht leben. Er wird uns London überlassen.«

»In London gibt es bestimmt Proviant«, meinte Cuneglas.

»Aber wie lange wird der reichen, Lord König?« fragte Arthur. »Und wenn wir ihn mitnehmen – was tun wir dann?

Wollen wir ewig einfach umherziehen und hoffen, daß Aelle angreifen wird?« Nachdenklich starrte er zu Boden; sein langes, schmales Gesicht war hart geworden. Aelles Taktik war jetzt nicht mehr zu verkennen: Der Sachse würde uns immer weitermarschieren lassen, seine Männer würden uns stets voraus sein, um alles Eßbare auf unserem Weg zu vernichten, und wenn wir geschwächt und entmutigt waren, würden die Sachsenhorden über uns herfallen. »Wir müssen ihn«, sagte Arthur schließlich, »zu uns heranlocken.«

Meurig blinzelte hektisch. »Und wie?« fragte er in einem Ton, der andeuten sollte, Arthur mache sich lächerlich. Die Druiden in unserer Begleitung, Merlin, Iorweth und zwei weitere aus Powys, saßen in einer Gruppe neben dem Rat und hörten zu. Merlin, der sich einen Ameisenhaufen zum Sitz erkoren hatte, forderte nun unsere Aufmerksamkeit, indem er seinen Druidenstab hob. »Was tut Ihr, wenn Ihr etwas Wertvolles begehrt?« fragte er sanft.

»Ich nehm’s mir«, antwortete Agravain grimmig. Agravain war der Befehlshaber von Arthurs Reitern und ermöglichte es Arthur dadurch, das gesamte Heer zu führen.

»Und wenn Ihr etwas Wertvolles von den Göttern begehrt«, ergänzte Merlin seine Frage, »was tut Ihr dann?«

Agravain zuckte die Achseln, und auch von uns anderen konnte keiner darauf eine Antwort geben.

Merlin erhob sich, so daß seine hochgewachsene Gestalt die Ratsversammlung überragte: »Wenn Ihr euch etwas wünscht«, erklärte er mit einfachen Worten, als wäre er unser Lehrer und wir seine Schüler, »müßt Ihr etwas dafür geben. Ihr müßt ein Opfer darbringen, etwas opfern. Das, was ich mir von allem auf der Welt am innigsten wünschte, war der Kessel, also bot ich mein Leben als Opfer dar, und mein Wunsch wurde mir erfüllt; hätte ich dafür aber nicht meine Seele geboten, wäre mir der Wunsch nicht gewährt worden. Wir müssen also etwas opfern.«

Meurig fühlte sich in seinem Christentum beleidigt und konnte der Versuchung nicht widerstehen, den Druiden zu reizen. »Euer Leben vielleicht, Lord Merlin? Das hat das letzte Mal doch auch geklappt.« Er lachte und forderte seine überlebenden Priester mit einem Blick auf, in sein Gelächter einzustimmen.

Aber das Lachen erstarb, als Merlin mit seinem schwarzen Stab auf den Prinzen wies. Er hielt den Stab ganz still, die Spitze nur wenige Zoll von Meurigs Gesicht entfernt, und hielt ihn so noch lange, nachdem das Lachen ganz verstummt war. Immer weiter hielt Merlin den Stab, bis sich das Schweigen ins Unerträgliche dehnte. Agricola, der das Gefühl hatte, seinem Prinzen helfen zu müssen, räusperte sich, aber ein kurzes Zucken des schwarzen Stabes erstickte jeden Protest. Meurig wand sich voll Unbehagen, schien aber kein Wort herausbringen zu können. Er errötete, zwinkerte nervös und zappelte. Arthur krauste die Stirn, äußerte sich jedoch nicht. Nimue lächelte voll Vorfreude auf das Schicksal des Prinzen, während wir anderen schweigend warteten und einige von uns vor Furcht erzitterten. Und noch immer rührte Merlin sich nicht, bis Meurig die Anspannug nicht mehr ertragen konnte.

»War doch nur ein Scherz!« Vor Verzweiflung schrie er es fast heraus. »Ich wollte Euch nicht kränken.«

»Habt Ihr etwas gesagt, Lord Prinz?« erkundigte sich Merlin interessiert. Er tat, als hätten ihn Meurigs angstvolle Worte aus einem Traum gerissen, und senkte den Stab. »Ich muß mit offenen Augen geträumt haben. Was sagte ich gerade? Ach ja, ein Opfer. Haben wir nicht etwas, was uns besonders kostbar ist, Arthur?«

Arthur überlegte ein paar Sekunden. »Wir haben Gold«, antwortete er, »Silber, meine Rüstung.«

»Tand«, gab Merlin geringschätzig zurück.

Eine Zeitlang herrschte Schweigen, dann meldeten sich Männer außerhalb des Kriegsrats zu Wort. Einige lösten Torques von ihrem Hals und schwenkten sie in der Luft. Andere erboten sich, ihre Waffen zu opfern, ein Mann rief sogar den Namen von Arthurs Schwert Excalibur. Von den Christen kam kein einziger Vorschlag, denn dies war ein heidnischer Vorgang. Sie hatten nichts weiter anzubieten als ihre Gebete; aber ein Mann aus Powys schlug vor, einen Christen zu opfern, und erntete dafür lauten Jubel. Meurig errötete abermals.

»Manchmal denke ich«, sagte Merlin, als keine Vorschläge mehr kamen, »daß ich dazu verdammt bin, unter Idioten zu leben. Ist denn die ganze Welt verrückt außer mir? Kann nicht ein einziger armer, blinder Narr unter Euch sehen, was ganz eindeutig das Kostbarste ist, das wir besitzen? Nicht einer?«

»Proviant«, sagte ich.

»Aha!« rief Merlin erfreut. »Gut gemacht, du armer, blinder Narr! Proviant, Ihr Idioten!« Er spie dem Rat die Beleidigung ins Gesicht. »Aelles Pläne fußten auf der Überzeugung, daß es uns an Proviant mangelt, also müssen wir ihm das Gegenteil beweisen. Wir müssen Proviant verschwenden, wie die Christen ihre Gebete verschwenden, müssen ihn bis in den leeren Himmel hinauf verstreuen, müssen ihn vergeuden, wegwerfen, müssen ihn« – er hielt inne, um auf das nun folgende Wort eine besondere Betonung zu legen – »opfern.«

Er wartete, ob sich eine Stimme des Protestes erheben würde, aber niemand äußerte ein Wort. »Sucht Euch hier in der Nähe einen Platz«, wandte Merlin sich an Arthur, »auf dem Ihr Aelle die Schlacht anbieten wollt. Zeigt Euch nicht zu stark, denn Ihr wollt ja nicht, daß er sich dem Kampf verweigert. Ihr müßt ihn in Versuchung führen, vergeßt das nicht, und Ihr müßt ihn glauben machen, daß er Euch besiegen kann. Wie lange wird er brauchen, seine Streitkräfte zur Schlacht zu sammeln?«

»Drei Tage«, antwortete Arthur. Er nahm an, daß Aelles Männer sich innerhalb des Ringes, der uns begleitete, weit verteilt hatten, und daß es die Sachsen mindestens zwei Tage kosten würde, diesen Ring zu einem kompakten Heer zusammenzuziehen, sowie einen weiteren Tag, um es in Schlachtordnung aufzustellen.

»Ich werde zwei Tage brauchen«, sagte Merlin. »Also backt Euch genug hartes Brot, um fünf Tage knapp zu überstehen«, befahl er. »Keine großzügigen Rationen, Arthur, denn es muß

ein echtes Opfer für uns sein. Dann sucht Euch Euer Schlachtfeld und wartet. Alles andere überlaßt Ihr mir, aber ich brauche Derfel mit einem Dutzend seiner Männer, um einige schwere Arbeiten zu verrichten. Und gibt es unter uns welche«

– er hob die Stimme, damit ihn alle Männer, die den Rat umringten, deutlich verstehen konnten – »die sich aufs Holzschnitzen verstehen?«

Er wählte sechs Mann aus. Zwei kamen aus Powys, einer trug den Falken von Kernow auf seinem Schild, die übrigen stammten aus Dumnonia. Sie erhielten Äxte und Messer, aber nichts zum Schnitzen, bis Arthur sein Schlachtfeld gefunden hatte.

Er fand es auf einer weiten Heide, die zu einer runden, von einem Gehölz aus Eiben und Mehlbeerbäumen gekrönten Kuppe anstieg. Der Hang war an keiner Stelle steil, aber wir würden dennoch den Vorteil der höheren Position genießen. Hier pflanzte Arthur seine Banner auf, und rings um die Banner errichteten wir mit Ästen, die wir im Gehölz schnitten, ein paar Unterstände. Unsere Speerkämpfer sollten einen Kreis um die Banner bilden und Aelle dort, so hofften wir jedenfalls, entgegentreten. Das Brot, das uns am Leben erhalten sollte, während wir auf die Sachsen warteten, wurde in Torföfen gebacken.

Merlin wählte seinen Platz im Norden der Heide. Dort gab es eine Wiese, einen Ort, wo Krüppelerlen und dichtes Gras einen kleinen Bach säumten, der auf die ferne Themse zumäanderte. Meine Männer erhielten Befehl, drei Eichen zu fällen, die Stämme von Ästen und Rinde zu befreien und anschließend drei Gruben zu schaufeln, in die die Eichen wie Säulen gesetzt werden sollten, nachdem er zuvor seinen sechs Schnitzern befohlen hatte, die Stämme in drei abstoßend häßliche Götzenbilder zu verwandeln, Iorweth half Nimue und Merlin, und die drei genossen diese Aufgabe, denn sie erlaubte ihnen, sich höchst grausige, abschreckende Gestalten auszudenken, die keinerlei Ähnlichkeit mit irgendeinem hatten, den ich kannte, aber das war Merlin gleichgültig. Die Götzen, erklärte er, seien nicht für uns, sondern für die Sachsen, also fertigte er mit seinen Holzschnitzern drei Horrorfiguren mit Tierfratzen, Frauenbrüsten und männlichen Genitalien. Als die Säulen fertig waren, hielten die Männer mit ihren anderen Arbeiten inne und stellten die drei Stämme in die entsprechenden Gruben, während Merlin mit seinen Holzschnitzern die Erde um sie herum festtrat, bis die Säulen endlich senkrecht standen.

»Der Vater« – Merlin hüpfte vor den Idolen umher – »der Sohn und der Heilige Geist!« rief er lachend.

Mittlerweile hatten meine Männer vor den Gruben einen riesigen Holzstoß aufgeschichtet, auf den wir nunmehr alles häuften, was von unserem Proviant übrig war. Wir schlachteten die letzten Ochsen und hievten ihre schweren Kadaver auf den Haufen, so daß das frische Blut durch die Holzschichten tropfte, und auf die Ochsen schichteten wir alles, was sie zuvor gezogen hatten: Dörrfleisch, Dörrfisch, Käse, Äpfel, Korn und Bohnen, und oben auf diesen kostbaren Proviant legten wir die Kadaver von zwei kürzlich gefangenen Hirschen und einem frisch geschlachteten Widder. Der Schafskopf mit seinen beiden Hörnern wurde abgeschnitten und an die mittlere Säule genagelt.

Die Sachsen beobachteten uns bei der Arbeit. Sie warteten am anderen Bachufer und schickten am ersten Tag gelegentlich ein paar Speere zu uns herüber, gaben sich jedoch nach den ersten erfolglosen Störmanövern damit zufrieden, uns einfach zuzusehen und abzuwarten, was da für seltsame Dinge im Gange waren. Ich spürte, daß ihre Zahl zunahm. Am ersten Tag hatten wir unter den fernen Bäumen höchstens ein Dutzend Mann gesehen, am zweiten Abend dagegen brannten hinter der grünen Laubwand mindestens zwanzig Lagerfeuer.

»Jetzt«, sagte Merlin an jenem Abend, »werden wir ihnen ein Schauspiel bieten!«

In zwei Kochtöpfen holten wir von der niedrigen Hügelkuppe der Heide Feuer, trugen es zu dem riesigen Holzstoß und stießen es tief in das Gewirr der Zweige. Das Holz war grün, aber wir hatten haufenweise trockenes Gras und zerbrochene Zweige in die Mitte gestopft, so daß das Feuer gegen Abend hell aufloderte. Die Flammen warfen einen unheimlichen Schein auf unsere primitiven Götzen, der Rauch wallte in einer dicken Säule empor, die in Richtung London trieb, und der Duft von gebratenem Fleisch wehte aufreizend zu unserem hungrigen Lager hinüber. Als das Feuer knisterte und in sich zusammenfiel, schickte es explodierende Funkensäulen in die Luft, während die Tierkadaver in dieser starken Hitze zuckten und sich wanden, weil die Flammen ihre Sehnen schrumpfen und ihre Schädel platzen ließen. Schmelzendes Fett zischte in der Glut, flammte weißglühend auf, so daß schwarze Schatten auf die drei gräßlichen Götzen fielen. Die ganze Nacht hindurch loderte das Feuer. Es verbrannte unsere letzte Hoffnung, Lloegyr ohne Sieg verlassen zu können, und bei Tagesanbruch beobachteten wir, wie die Sachsen

hervorgekrochen kamen, um die rauchenden Aschenreste zu untersuchen.

Dann warteten wir. Ganz und gar passiv waren wir allerdings nicht. Unsere Reiter trabten gen Osten, um die Straße nach London auszukundschaften, und kamen mit Berichten über Horden marschierender Sachsen zurück. Andere von uns schnitten Holz und begannen neben dem ausgeplünderten Gehölz auf der Hügelkuppe eine Halle zu bauen. Zwar brauchten wir dort keine Halle, aber Arthur wollte den Eindruck erwecken, daß wir tief in Lloegyr einen Stützpunkt errichteten, von dem aus wir Aelles Territorium heimsuchen konnten. Falls wir Aelle damit überzeugten, würde ihn das zweifellos zu einer Schlacht provozieren. Wir legten die Anfänge eines Erdwalls an, da uns jedoch die entsprechenden Werkzeuge fehlten, brachten wir nur einen armseligen Versuch zustande, obwohl auch dieser der Täuschung förderlich gewesen sein muß.

Wir waren ausreichend beschäftigt, aber das verhinderte nicht, daß unser Heer sich in zwei erbitterte Fraktionen teilte. Einige Männer, wie etwa Meurig, waren der Ansicht, daß wir von Anfang an eine falsche Strategie verfolgt hatten. Es wäre besser gewesen, erklärte Meurig nun, wenn wir drei oder mehr kleinere Heere ausgesandt hätten, um die Sachsenfestungen an der Grenze zu stürmen. Wir hätten angreifen und provozieren müssen, statt dessen wurden wir in dieser selbsterdachten Falle mitten in Lloegyr nur immer hungriger.

»Vielleicht hat er ja recht«, gestand mir Arthur am dritten Morgen.

»Nein, Lord«, protestierte ich heftig, und um meinen Standpunkt zu unterstreichen, zeigte ich nach Norden auf die dicke Rauchwolke, die uns verriet, daß sich auf der anderen Bachseite immer mehr Sachsen versammelten.

Arthur schüttelte den Kopf. »Aelles Heer ist hier, das stimmt« sagte er, »aber das muß nicht heißen, daß er angreifen wird. Sie werden uns beobachten, doch wenn er klug ist, wird er uns hier versauern lassen.«

»Wir könnten ihn angreifen«, schlug ich vor.

Er schüttelte den Kopf. »Ein Heer durch Baumbestand und über einen Bach zu führen ist ein sicheres Rezept für eine Katastrophe. Das ist unser letzter Ausweg, Derfel. Betet einfach darum, daß er heute kommt.«

Aber er kam nicht. Fünf Tage waren nun vergangen, seit die Sachsen unsere Vorräte vernichtet hatten. Morgen würden wir nur noch Krumen zu essen haben, in zwei weiteren Tagen wären wir ausgehungert, und in drei Tagen müßten wir der Niederlage ins gräßliche Auge sehen. Arthur tat unbesorgt und achtete nicht auf das, was die Schwarzseher im Heer befürchteten; und als die Sonne an jenem Abend über dem fernen Dumnonia unterging, winkte mir Arthur, zu ihm auf die allmählich wachsende Mauer unserer primitiv konstruierten Halle zu steigen. Ich kletterte an den Holzbalken empor und zog mich mit einem Klimmzug auf die Oberkante der Mauer hinauf. »Seht«, sagte er und zeigte nach Osten, wo ich ganz hinten am Horizont eine weitere graue Rauchsäule entdeckte. Und unter diesem Rauch lag, beleuchtet von schrägen Sonnenstrahlen, eine Stadt, die größer war als alle, die ich jemals gesehen hatte, größer als Glevum oder Corinium, größer sogar als Aquae Sulis. »London«, sagte Arthur mit Ehrfurcht in der Stimme. »Hättet Ihr jemals daran geglaubt, die Stadt zu sehen?«

»Doch, Lord.«

Er lächelte. »Mein zuversichtlicher Derfel Cadarn.« Er saß

auf der Mauer, hielt sich an einer unbehauenen Säule fest und starrte unentwegt auf die Stadt. Hinter uns, im hölzernen Rechteck der Halle, waren die Pferde des Heeres untergebracht. Die armen Tiere waren jetzt schon hungrig, denn es gab wenig Gras auf der dürren Heide, und wir hatten kein Futter für sie mitgebracht. »Seltsam nicht wahr«, fuhr Arthur fort, den Blick immer noch auf London gerichtet, »daß

Lancelot und Cerdic jetzt schon eine Schlacht hinter sich haben könnten, ohne daß wir etwas davon erfahren.«

»Betet, daß Lancelot den Sieg errungen hat«, gab ich zurück.

»Das tue ich, Derfel, das tue ich.« Mit den Fersen schlug er gegen die halbfertige Mauer. »Welch eine günstige Gelegenheit für Aelle!« sagte er plötzlich. »Er könnte hier die besten Krieger Britanniens niedermachen. Bis Jahresende könnten seine Männer unsere Hallen besetzt halten. Ein Spaziergang wäre es für sie zum Severn-Meer. Alles dahin. Ganz Britannien! Aus und vorbei.« Er schien den Gedanken belustigend zu finden. Dann wandte er sich um und blickte auf die Pferde hinab. »Die könnten wir natürlich noch essen«, sagte er. »Ein bis zwei Wochen würde uns ihr Fleisch schon am Leben erhalten.«

»Lord!« protestierte ich gegen seinen Pessimismus.

»Keine Angst, Derfel.« Er lachte. »Ich habe unserem alten Freund Aelle eine Nachricht geschickt.«

»Ach, wirklich?«

»Sagramors Frau, Malla heißt sie. Was für seltsame Namen diese Sachsen haben. Kennt Ihr sie?«

»Ich habe sie gesehen, Lord.« Malla war eine

hochgewachsene Frau mit langen, muskulösen Beinen und Schultern, die breit wie ein Faß waren. Sagramor hatte sie Ende des vergangenen Jahres gefangengenommen, und sie hatte sich mit einer Passivität in ihr Schicksal gefügt, die sich in ihrem flachen, so gut wie leeren, von goldfarbenen Haaren umrahmten Gesicht widerspiegelte. Außer diesem Haar gab es nichts an Malla, das besonders attraktiv gewesen wäre, und dennoch war sie irgendwie anziehend: ein großes, starkes, robustes Geschöpf, mit einer gelassenen Grazie und einem Verhalten, das nicht weniger wortkarg war als das ihres numidischen Liebsten.

»Sie gibt vor, uns entkommen zu sein«, erklärte Arthur, »und eben jetzt, in diesem Augenblick, müßte sie Aelle verraten, daß

wir den kommenden Winter hier zu verbringen gedenken. Lancelot werde sich uns mit weiteren dreihundert Speeren anschließen, und wir brauchten ihn auch hier, weil eine Menge von unseren Männern durch Krankheiten geschwächt seien, obwohl wir unsere Vorratsgruben mit gutem Proviant gefüllt hätten.« Er lächelte. »Sie tischt ihm endlosen Unsinn auf, das heißt, ich hoffe es wenigstens.«

»Aber vielleicht verrät sie ihm auch die Wahrheit«, gab ich deprimiert zurück.

»Mag sein.« Er klang unbesorgt. Jetzt beobachtete er, wie eine Reihe von Männern mit Schläuchen Wasser aus einer Quelle heraufholten, die am Fuß des Südhangs sprudelte.

»Aber Sagramor vertraut ihr«, ergänzte er, »und ich habe schon vor langer Zeit gelernt, Sagramor zu vertrauen.«

Ich machte das Zeichen gegen das Böse. »Ich würde meine Frau nicht in ein feindliches Lager gehen lassen.«

»Sie hat sich freiwillig gemeldet«, entgegnete Arthur. »Die Sachsen würden ihr nichts zuleide tun, sagt sie. Wie es scheint, ist einer der Häuptlinge ihr Vater.«

»Hoffen wir, daß sie ihn nicht genauso liebt wie Sagramor.«

Arthur zuckte die Achseln. Er war dieses Risiko eingegangen, und jetzt darüber zu diskutieren, würde die Gefahr nicht bannen. Er wechselte das Thema. »Ich möchte Euch in Dumnonia haben, wenn all das hier vorüber ist.«

»Von Herzen gern, Lord. Wenn Ihr mir versprecht, daß

Ceinwyn nichts geschehen wird«, antwortete ich, und als er meine Befürchtungen mit einer Handbewegung abzutun versuchte, stieß ich nach. »Ich habe Geschichten von einem Hund gehört, der getötet und dessen blutiges Fell einer verkrüppelten Hündin umgehängt wurde.«

Arthur wandte sich um, schwang die Beine über den Wall und ließ sich in die behelfsmäßigen Ställe fallen. Er schob ein Pferd zur Seite und winkte mir, ihm zu folgen, da uns dort niemand sehen oder hören konnte. Er war zornig. »Erzählt mir noch einmal, was Ihr gehört habt!« befahl er.

»Ein Hund wurde getötet«, sagte ich, als ich

hinuntergesprungen war, »und sein blutiges Fell wurde einer verkrüppelten Hündin umgehängt.«

»Und wer hat das getan?« wollte er wissen.

»Jemand, der mit Lancelot befreundet ist«, antwortete ich, weil ich den Namen seiner Gemahlin nicht preisgeben wollte. Mit der Hand schlug er so hart gegen die primitive Holzwand, daß die Pferde daneben erschraken. »Meine Gemahlin«, sagte er, »ist mit König Lancelot befreundet.« Ich schwieg. »Genau wie ich«, forderte er mich heraus, aber ich schwieg immer noch. »Er ist ein stolzer Mann, Derfel, und hat das Königreich seines Vaters verloren, weil ich meinen Eid nicht gehalten habe. Ich bin ihm etwas schuldig.« Die letzten Worte klangen eiskalt.

Ich begegnete dieser Kälte ebenso eisig. »Wie ich hörte, wurde die verkrüppelte Hündin Ceinwyn genannt.«

»Genug!« Abermals schlug er gegen die Wand. »Gerüchte!

Nichts als Gerüchte! Niemand leugnet, daß das, was Ihr und Ceinwyn getan habt, nicht überall gebilligt wird, Derfel. Ich bin kein Narr, aber ich werde mir Euren Unsinn nicht anhören!

Guinevere zieht diese Gerüchte förmlich an. Die Menschen ärgern sich über sie, jede Frau, die schön ist, die klug ist, die eine eigene Meinung hat und sich nicht scheut, sie auszusprechen, fordert den Groll ihrer Mitmenschen heraus; aber wollt Ihr wirklich behaupten, daß sie einen so widerlichen Zauber gegen Ceinwyn einsetzen würde? Glaubt Ihr das wirklich?«

»Ich würde es lieber nicht glauben«, antwortete ich.

»Guinevere ist meine Gemahlin!« Er hatte zwar die Stimme gesenkt, aber sein Ton war immer noch erbittert. »Ich habe keine anderen Gemahlinnen, ich hole keine Sklavinnen zu mir ins Bett, ich gehöre ihr, und sie gehört mir, Derfel, und ich werde nicht dulden, daß etwas gegen sie gesagt wird. Nichts!«

Das letzte Wort schrie er förmlich heraus, und ich fragte mich, ob er an die schmutzigen Beleidigungen dachte, die ihm Gorfyddyd im Lugg Vale ins Gesicht geschleudert hatte. Gorfyddyd hatte behauptet, bei Guinevere gelegen zu haben, und hatte weiterhin behauptet, eine ganze Legion anderer Männer habe das ebenfalls getan. Ich dachte an Valerins Liebesring mit dem eingeritzten Kreuz und Guineveres Symbol, schob diese Erinnerung jedoch beiseite.

»Ich habe den Namen Eurer Gemahlin nicht erwähnt, Lord«, gab ich ihm ruhig zu bedenken.

Er starrte mich an, und sekundenlang dachte ich, er würde mich schlagen. Dann schüttelte er den Kopf. »Sie kann sehr schwierig sein, Derfel. Es gibt Zeiten, da wünschte ich, sie zeigte nicht immer gleich Verachtung, aber ich kann mir nicht vorstellen, ohne ihren Rat zu leben.« Er hielt inne und schenkte mir ein reuiges Lächeln. »Ich kann mir nicht vorstellen, ohne sie zu leben. Sie hat keine Hunde getötet, Derfel, sie hat keine Hunde getötet. Vertraut mir doch! Diese Göttin, die sie anbetet, Isis, verlangt keine Opfer, jedenfalls nicht in Gestalt von Lebewesen. In Form von Gold, o ja!« Er grinste; auf einmal war er wieder guter Laune. »Isis verschlingt das Gold geradezu.«

»Ich glaube Euch, Lord«, versicherte ich, »aber das heißt nicht, daß Ceinwyn in Sicherheit ist. Dinas und Lavaine haben sie ebenfalls bedroht.«

Er schüttelte den Kopf. »Ihr habt Lancelot gekränkt, Derfel. Das kann ich Euch nicht verübeln, denn ich weiß, was Euch dazu getrieben hat, aber könnt Ihr ihm verübeln, daß er Euch grollt? Und Dinas und Lavaine dienen Lancelot, und es ist nur recht, wenn Männer den Groll ihres Herrn teilen.« Er hielt inne. »Wenn dieser Krieg vorüber ist, Derfel«, fuhr er dann fort, »werden wir Versöhnung feiern. Wir alle. Wenn ich das Heer meiner Krieger zu Brüdern mache, wird zwischen uns allen Frieden herrschen. Das gilt für Euch, Lancelot und alle anderen. Und bis es soweit ist, Derfel, schwöre ich Euch, Ceinwyn zu schützen. Auf mein Leben, wenn Ihr das wollt. Ihr könnt die Eidesformel bestimmen, Derfel. Ihr könnt jedweden Preis verlangen, den Ihr wollt, mein Leben, das Leben meines Sohnes sogar, denn ich brauche Euch, Dumnonia braucht Euch. Culhwch ist ein guter Mann, aber er kann Mordred nicht bändigen.«

»Kann ich das?«

»Mordred ist eigensinnig.« Arthur ignorierte meine Frage.

»Aber was können wir von ihm erwarten? Er ist Uthers Enkel, in seinen Adern fließ das Blut von Königen, und wir wollen nicht, daß er eine Memme wird, aber er braucht Disziplin. Er braucht eine starke Hand. Culhwch glaubt, es reiche aus, wenn er ihn schlägt, aber das macht ihn nur noch widerborstiger. Ich möchte, daß Ihr und Ceinwyn ihn großzieht.«

Ich schüttelte mich. »Ihr macht die Heimkehr für mich immer verlockender, Lord.«

Er krauste die Stirn über meine Ironie. »Vergeßt niemals, Derfel, daß wir geschworen haben, Mordred den Thron zu sichern. Deswegen bin ich nach Britannien zurückgekommen. Das ist meine oberste Pflicht in Britannien, und alle, die mir Treue geschworen haben, sind diesem Eid ebenfalls verschworen. Keiner hat behauptet, daß es leicht werden würde, aber wir werden es schaffen. In neun Jahren werden wir Mordred auf Caer Cadarn zum König ausrufen. An jenem Tag, Derfel, werden wir alle von unserem Eid entbunden, und ich bete zu jedem Gott, der mich erhören will, daß ich an jenem Tag Excalibur an die Wand hängen und nie wieder kämpfen werde. Aber bis dieser wundervolle Tag kommt, werden wir, so schwer es uns auch fallen mag, unserem Eid treu bleiben. Versteht Ihr das?«

»Ja, Lord«, sagte ich demütig.

»Gut.« Arthur schob ein Pferd beiseite. »Aelle wird morgen kommen«, verkündete er voll Zuversicht, während er davonging. »Also schlaft gut.«

Die Sonne sank über Dumnonia und übergoß es mit rotem Feuer. Im Norden stimmten unsere Feinde Kampfgesänge an, während wir an unseren Lagerfeuern von der Heimat sangen. Unsere Wachen spähten ins Dunkel hinein, die Rosse wieherten. Merlins Hunde heulten, und einige von uns schliefen.

Bei Morgengrauen entdeckten wir, daß Merlins drei Säulen während der Nacht umgestürzt worden waren. Ein sächsischer Zauberer, die Haare mit Dung zu Stacheln geformt, der nackte Körper kaum verhüllt von den zerfetzten Resten eines Wolfsfells, das mit einem Band an seinem Hals befestigt war, tanzte wirbelnd auf der Stelle, an der die Säulen gestanden hatten. Beim Anblick des Zauberers war Arthur überzeugt, daß

Aelle jetzt seinen Angriff plante.

Wir ließen bewußt kein Zeichen der Kampfbereitschaft erkennen. Unsere Posten standen Wache, andere Speerkämpfer faulenzten auf dem vorderen Hügelhang, als erwarteten sie nichts weiter als einen weiteren ereignislosen Tag; doch hinter ihnen, im Schatten der Unterstände, unter den restlichen Mehlbeerbäumen und Eiben, und innerhalb der Mauern der halb errichteten Halle machten sich unsere Männer zur Schlacht bereit.

Wir zogen Schildgurte fest, schliffen Schwerter und Klingen, die ohnehin schon tödlich scharf waren, noch einmal und trieben die Speerspitzen fest auf ihre Schäfte. Wir berührten unsere Amulette, wir umarmten einander, wir aßen das wenige Brot, das uns noch geblieben war, und jeder bat seinen Gott, er möge uns diesen Tag überstehen lassen. Merlin, Iorweth und Nimue wanderten zwischen den Unterständen umher, berührten Klingen und verteilten getrocknete

Eisenkrautzweige, die uns zum Schutz dienen sollten. Ich legte meine Kampfmontur an. Ich hatte schwere, kniehohe Stiefel, auf die Eisenstreifen genäht waren, um meine Unterschenkel vor dem Speerstoß zu schützen, der unter dem Rand des Schildes hindurch geführt wird. Ich trug das Wollhemd, das aus Ceinwyns ungeschickt gesponnener Wolle gefertigt war, und darüber ein Lederwams, an das ich Ceinwyns kleine Goldbrosche gesteckt hatte, die all die langen Jahre hindurch mein schützender Talisman gewesen war. Über das Leder zog ich ein Kettenhemd, das ich im Lugg Vale einem gefallenen Häuptling aus Powys abgenommen hatte. Es war ein uraltes Hemd römischer Herkunft und mit einer

Geschicklichkeit geschmiedet worden, die heute kein Mensch mehr besitzt; oft fragte ich mich, welcher Speerkämpfer dieses knielange Hemd aus Eisenringen zuvor getragen haben mochte. Der powysische Krieger war darin gestorben, von Hywelbane mit einem Hieb durch den Kopf niedergemacht, doch ich vermutete, daß mindestens ein weiterer Besitzer des Kettenhemdes umgekommen sein mußte, während er es trug: denn seine Ringe hatten auf der linken Brustseite einen tiefen Riß. Das zerfetzte Geflecht war mit eisernen Kettengliedern grob repariert worden.

An der Linken trug ich Kriegerringe, denn sie schützten im Kampf die Finger; an der Rechten dagegen trug ich keine, denn die Eisenringe waren hinderlich, wenn man ein Schwert oder einen Speer fest packen wollte. An die Unterarme schnallte ich mir Armschienen. Mein Helm war aus Eisen und geformt wie eine schlichte Schüssel. Er war mit stoffgepolstertem Leder gefüttert, im Nacken hing eine Lasche aus Schweinsleder herab, die meinen Hals schützen sollte, und im Frühjahr hatte ich in Caer Sws einen Schmied beauftragt, an die Seiten zwei Wangenstücke zu nieten. Der Helm war von einem Eisenknauf gekrönt, an dem eine in den Wäldern von Benoic erjagte Wolfsrute hing. Ich gürtete mich mit Hywelbane, schob die Linke durch die Lederschlingen meines Schildes und hob meinen Kampfspeer. Der Speer war übermannshoch, der Schaft so dick wie Ceinwyns Handgelenk, die Spitze eine lange, schwere, blattförmige Klinge. Die Klinge war rasiermesserscharf, und die dicken Enden des Stahls waren glatt gerundet, damit die Klinge leichter aus dem Bauch oder der Rüstung eines Feindes gezogen werden konnte. Einen Mantel trug ich nicht.

Cavan kam in seiner Rüstung zu mir und kniete nieder.

»Wenn ich gut kämpfe, Lord«, fragte er mich, »darf ich dann einen fünften Zacken auf meinen Schild malen?«

»Ich erwarte von meinen Männern, daß sie gut kämpfen«, entgegnete ich. »Warum sollte ich sie für etwas belohnen, was ich ohnehin von ihnen erwarte?«

»Und wenn ich Euch eine Trophäe bringe, Lord?« gab er zurück. »Die Streitaxt eines Häuptlings? Oder Gold?«

»Bring mir einen sächsischen Häuptling, Cavan«, sagte ich,

»und du kannst dir hundert Spitzen an deinen Stern malen.«

»Fünf reichen schon, Lord«, entgegnete er.

Der Vormittag verging nur langsam. Jene von uns, die eine Metallrüstung trugen, schwitzten sehr stark in der Hitze. Von der anderen Seite des Baches aus, wo die Sachsen im Schatten der Bäume lagen, muß es so ausgesehen haben, als wäre unser ganzes Lager eingeschlafen oder von kranken, reglosen Männern bewohnt, aber auch diese Illusion konnte die Sachsen nicht unter den Bäumen hervorlocken. Die Sonne stieg höher. Unsere Späher, die leicht bewaffneten Reiter, die nur einen Köcher voll Wurfspeere bei sich trugen, trabten zum Lager hinaus. Da zwischen den Schildwällen einer Schlacht kein Platz für sie war, brachten sie ihre nervösen Rosse südwärts in Richtung Themse in Sicherheit. Von dort konnten sie schnell wieder zurückkehren, obwohl sie für den Fall, daß es zu einer Katastrophe kam, Befehl hatten, nach Westen zu reiten und die Nachricht von unserer Niederlage ins ferne Dumnonia zu tragen. Arthurs eigene Reiter legten ihre schweren Rüstungen aus Leder und Eisen an, und befestigten dann die klobigen Lederschilde, die die Brustpartie ihrer Reittiere schützen sollten, mit Riemen, die sie über den Widerrist der Pferde warfen.

Arthur, der sich mit seinen Reitern innerhalb der halbfertigen Halle verbarg, trug seine berühmte Schuppenrüstung, einen römischen Panzer aus Tausenden von winzigen Eisenplättchen, mit denen ein Lederhemd so besetzt worden war, daß sich die Plättchen wie Fischschuppen überlappten. Unter die eisernen waren Silberplättchen gemischt, so daß die Rüstung bei jeder Bewegung zu schimmern schien. Er trug einen weißen Mantel, und an seiner Hüfte hing Excalibur in der kreuzweise verzierten Zauberscheide, die ihren Träger vor allem Schaden schützen sollte. Hygwydd, sein Schildknappe, hielt seinen langen Speer bereit, seinen silbergrauen Helm mit der Helmzier aus Gänsefedern und den runden Schild mit dem spiegelnden Silberüberzug. In Friedenszeiten kleidete sich Arthur lieber bescheiden, im Krieg aber verbreitete er Glanz. Zwar zog er vor zu glauben, sein Ruf beruhe auf einer guten Regierung, aber die strahlende Rüstung und der polierte Schild verrieten, daß er sich keine Illusionen über die wahre Quelle seines Ruhms machte.

Culhwch, der früher mit Arthurs schweren Reitern geritten war, jetzt aber, genau wie ich, eine Horde Speerkämpfer führte, kam gegen Mittag zu mir und legte sich neben mich in den schmalen Schatten meines Unterstands. Er trug einen eisernen Brustpanzer, ein Lederwams und an den nackten

Unterschenkeln römische Beinschienen aus Bronze. »Der Hund kommt nicht«, knurrte er.

»Vielleicht morgen?« gab ich zurück.

Er schnaubte verächtlich; dann sah er mich ernst an. »Ich weiß, was Ihr sagen werdet, Derfel, aber ich werde Euch dennoch fragen, und bevor Ihr antwortet, möchte ich, daß Ihr folgendes bedenkt: Wer hat in Benoic an Eurer Seite gekämpft? Wer hat Schild an Schild mit Euch in Ynys Trebes gestanden? Wer hat sein Ale mit Euch geteilt und sogar zugelassen, daß Ihr das Fischermädchen verführt? Wer hat in Lugg Vale Eure Hand gehalten? Nun, das war ich. Denkt daran, wenn Ihr mir Eure Antwort gebt. Also, wieviel Proviant habt Ihr versteckt?«

Ich lächelte. »Keinen.«

»Ihr seid ein großer, sächsischer Sack voll nutzloser Innereien«, sagte er. »Das seid Ihr.« Er blickte Galahad an, der bei meinen Männern ruhte. »Habt Ihr vielleicht etwas zu essen, Lord Prinz?« erkundigte er sich.

»Ich habe meine letzte Brotkruste Tristan gegeben«, antwortete Galahad.

»Eine wahrhaft christliche Tat, eh?« fragte Culhwch verächtlich.

»Das hoffe ich«, entgegnete Galahad.

»Kein Wunder, daß ich ein Heide bin«, sagte Culhwch. »Ich brauche was zu essen. Mit leerem Bauch kann man keine Sachsen töten.« Finster musterte er meine Männer, aber keiner bot ihm etwas an, denn sie hatten einfach nichts anzubieten.

»Da werdet Ihr mir diesen kleinen Mistkerl Mordred also abnehmen?« fragte er mich, nachdem er jede Hoffnung auf einen Brosamen aufgegeben hatte.

»Das ist Arthurs Wunsch.«

»Es ist mein Wunsch!« versicherte er mir nachdrücklich.

»Hätte ich jetzt etwas zu essen, Derfel, ich würde Euch alles geben, wenn Ihr mir nur diesen Gefallen tut. Ich werde Euch diesen miesen, kleinen Bastard mit Handkuß überlassen. Soll er doch Euch das Leben schwermachen statt mir, aber ich warne Euch, Ihr werdet Euren Gurt auf seiner verdammten Haut in Fransen schlagen.«

»Es dürfte nicht gerade klug sein«, antwortete ich vorsichtig,

»meinen zukünftigen König zu verprügeln.«

»Es dürfte nicht gerade klug sein, aber es ist ein Vergnügen. Häßliche, kleine Kröte!« Er wandte sich um und spähte an dem Unterstand vorbei. »Was ist nur los mit diesen Sachsen? Haben sie keine Lust auf eine Schlacht?«

Die Antwort darauf erfolgte umgehend. Plötzlich drang ein tiefer, klagender Hornruf herüber, dann hörten wir den dumpfen Klang einer der großen Trommeln, welche die Sachsen in die Schlacht mitnahmen, und als wir alle gleichzeitig hinüberblickten, sahen wir Aelles Heer zwischen den Bäumen hinter dem Bach hervorbrechen. Eben noch hatten wir ein menschenleeres Gelände mit grünem Laub und Frühlingssonne vor uns gehabt, und plötzlich wimmelte es da drüben von Feinden.

Sie kamen zu Hunderten. Es waren pelzbekleidete, eisenbewehrte Männer mit Äxten, Hunden, Speeren und Schilden. Als Feldzeichen trugen sie mit Lumpen behängte Stierschädel auf langen Stangen mit sich, und ihre Vorhut bestand aus einer Truppe von Zauberern mit dungstacheligen Haaren, die vor dem Schildwall einhertanzten und uns ihre Flüche entgegenschleuderten.

Merlin und die anderen Druiden gingen den Hang hinab den Zauberern entgegen. Das heißt, sie gingen nicht, sondern hüpften wie alle Druiden vor der Schlacht auf einem Bein, hielten mit ihrem Stab das Gleichgewicht und streckten die freie Hand hoch in die Luft. Einhundert Schritt vor den ersten Zauberern blieben sie stehen und erwiderten deren Flüche, während unsere Christenpriester auf der Hügelkuppe standen, die Arme ausbreiteten, gen Himmel blickten und den Beistand ihres Gottes erflehten.

Wir anderen formierten uns zur Schlachtreihe. Agricola hielt mit seinen römisch uniformierten Truppen die linke Flanke, wir übrigen bildeten die Mitte, und Arthurs Reiter, die vorerst noch in der primitiven Halle warteten, würden schließlich den rechten Flügel bilden. Arthur setzte seinen Helm auf, kletterte mühsam auf Llamreis Rücken und breitete den Mantel über die Kruppe des Pferdes; dann nahm er von Hygwydd seinen schweren Speer und den glänzenden Schild entgegen. Sagramor, Cuneglas und Agricola führten die Fußsoldaten. Vorläufig – nur bis Arthurs Reiter kamen – übernahmen meine Männer die rechte Flanke der Reihe, wo ich entdeckte, daß wir vermutlich überflügelt wurden, denn die Reihe der Sachsen war wesentlich länger als die unsere. Sie waren uns zahlenmäßig überlegen. Die Barden werden Euch erzählen, es habe in jener Schlacht Tausende von diesem Ungeziefer gegeben, aber ich vermute, daß Aelle nicht mehr als sechshundert Mann hatte. Der Sachsenkönig verfügte natürlich über weit mehr Speerkämpfer als jene, die wir vor uns sahen, war aber wohl, genau wie wir, gezwungen gewesen, starke Garnisonen in seinen Grenzfestungen zurückzulassen. Immerhin bildeten auch sechshundert Speerkämpfer ein großes Heer. Und hinter dem Schildwall gab es noch einen fast ebenso großen Troß, zumeist Frauen und Kinder, die an der Schlacht selbst zwar nicht teilnahmen, mit Sicherheit aber darauf hofften, nach dem Kampf unsere Leichen fleddern zu können. Unsere Druiden kamen den Hang mühsam wieder

emporgehüpft. Über Merlins Gesicht strömte der Schweiß bis in die geflochtenen Zöpfe seines langen Bartes. »Keine Magie«, erklärte er uns, »diese Zauberer verstehen nichts von echter Magie. Für euch besteht keine Gefahr.« Er drängte sich zwischen unseren Schilden hindurch und begab sich auf die Suche nach Nimue. Die Sachsen marschierten langsam auf uns zu. Ihre Zauberer spien und kreischten, einige Männer befahlen ihren Untergebenen laut schreiend, die Reihe geradezuhalten, während andere uns mit Beschimpfungen überschütteten. Unsere Kriegshörner hatten begonnen, ihre Herausforderung hinauszuschmettern, und nun stimmten unsere Männer ihre Gesänge an. An unserem Ende des Schildwalls sangen wir den großen Kriegsgesang von Beli Mawr, ein triumphierendes Schlachtgeheul, das Männern Feuer ins Herz senkt. Zwei meiner Männer tanzten vor dem Schildwall; sie hüpften und sprangen über ihre Schwerter und Speere, die kreuzweise auf dem Boden lagen. Ich rief sie in die Reihe zurück, denn ich dachte, die Sachsen würden geradenwegs den flachen Hügel empormarschieren und damit einen überstürzten blutigen Zusammenstoß auslösen. Statt dessen machten sie einhundert Schritt von uns entfernt halt und richteten ihre Schilde zu einer geschlossenen Mauer aus lederverstärktem Holz aus. Sie verstummten, während ihre Zauberer in unsere Richtung pißten. Ihre riesigen Hunde bellten und zerrten an ihren Leinen, die Kriegstrommeln dröhnten, und gelegentlich ließ ein Horn seine traurige Klage hören; davon abgesehen aber verhielten sich die Sachsen still und hämmerten lediglich im Takt der schweren Trommelschläge mit den Speerschäften auf ihre Schilde.

»Die ersten Sachsen, die ich sehe.« Tristan war neben mich getreten und beobachtete das Sachsenheer, die Männer mit ihren dicken Fellpanzern, ihren Doppeläxten, Hunden und Speeren.

»Auch die sterben schnell«, sagte ich zu ihm.

»Mir gefallen die Äxte nicht«, gestand er und berührte schnell den eisenbewehrten Rand seines Schildes.

»Sie sind sehr schwerfällig«, versuchte ich ihn zu beruhigen.

»Ein Hieb, und sie sind nicht mehr zu gebrauchen. Seht zu, daß

Ihr ihn mit dem Schild auffangt und dann tief mit dem Schwert zustoßt. Das funktioniert immer.« Oder fast immer. Das Trommeln der Sachsen brach plötzlich ab, die feindliche Schlachtreihe öffnete sich in der Mitte, als Aelle persönlich erschien. Er blieb dort mehrere Sekunden lang stehen und sah uns an. Dann spie er aus und warf demonstrativ Speer und Schild auf die Erde, um uns zu zeigen, daß er mit uns reden wolle. Gleich darauf kam er auf uns zu: ein mächtiger, hochgewachsener, dunkelhaariger Mann in einem dicken, schwarzen Bärenpelz. Zwei Zauberer begleiteten ihn zusammen mit einem mageren, fast kahlköpfigen Mann, den ich für den Dolmetscher hielt.

Cuneglas, Meurig, Agricola, Merlin und Sagramor gingen ihm entgegen. Arthur hatte beschlossen, bei seinen Reitern zu bleiben, und da Cuneglas der einzige König auf unserer Seite des Schlachtfeldes war, war es richtig, daß er für uns sprach; er aber forderte die anderen auf, ihn zu begleiten, und winkte mich als seinen Dolmetscher zu sich. So kam es, daß ich Aelle zum zweiten Mal begegnete. Er war ein hochgewachsener Mann mit breiter Brust, einem flachen, harten Gesicht und dunklen Augen. Sein Bart war voll und schwarz, seine Wangen waren zernarbt, die Nase gebrochen, und an der rechten Hand fehlten ihm zwei Finger. Er trug Kettenhemd, Lederstiefel und einen Eisenhelm, auf dem zwei Stierhörner befestigt waren. An seiner Kehle und an den Handgelenken glänzte britannisches Gold. Das Bärenfell, das seine Rüstung bedeckte, muß

fürchterlich unbequem gewesen sein an diesem heißen Tag, aber der dicke Pelz konnte einen Schwertstreich genausogut abhalten wie eine Eisenrüstung. Finster funkelte er mich an.

»Ich erinnere mich an dich, du Wurm«, sagte er. »Ein sächsischer Abtrünniger.«

Ich neigte flüchtig den Kopf. »Seid gegrüßt, Lord König.«

Er spie aus. »Glaubst du, nur weil du höflich bist, wird dein Tod leicht sein?«

»Mein Tod hat nichts mit Euch zu tun, Lord König«, entgegnete ich. »Aber ich werde meinen Enkeln von dem Euren erzählen können.«

Er lachte und warf einen spöttischen Blick auf die fünf Heerführer. »Ihr seid zu fünft und ich bin allein! Und wo ist Arthur? Entleert er seinen Darm vor Angst?«

Ich nannte Aelle die Namen unserer Führer, dann übernahm Cuneglas den Dialog, den ich für ihn übersetzte. Er begann, wie üblich, mit der Aufforderung an Aelle, sofort zu kapitulieren. Wir wollten Gnade walten lassen, erklärte Cuneglas. Wir würden Aelles Leben verlangen, all seine Schätze, all seine Waffen, all seine Frauen und all seine Sklaven, doch seinen Speerkämpfern würden wir freien Abzug gewähren – ohne ihre rechte Hand.

Aelle lächelte, wie üblich, höhnisch über diese Forderung und zeigte uns dabei einen Mund voll faulender, verfärbtet Zähne. »Glaubt Arthur«, fragte er, »nur weil er in seinem Versteck bleibt, wüßten wir nicht, daß er mit seinen Pferden hier ist? Sag ihm, du Wurm, daß ich meinen Kopf heute nacht auf seinen Leichnam betten werde. Sag ihm, daß ich seine Gemahlin zu meiner Hure machen werde und daß sie, wenn ich mit ihr fertig bin, dem Vergnügen meiner Sklaven dienen wird. Und sag diesem schnauzbärtigen Narren« – er deutete auf Cuneglas – »daß dieser Ort von heute abend an Grab der Britannier genannt werden wird. Sag ihm«, fuhr er fort, »daß

ich ihm den Bart abschneiden und ein Spielzeug für die Katzen meiner Tochter daraus machen werde. Sag ihm, daß ich aus seinem Schädel eine Trinkschale machen und seinen Bauch meinen Hunden vorwerfen werde. Und sag diesem Dämonen da« – mit dem bärtigen Kinn zeigte er auf Sagramor – »daß

seine schwarze Seele heute in Thors Schrecken eingehen und sich auf ewig im Kreis der Schlangen winden wird. Und was den da angeht« – er blickte zu Agricola hinüber – »auf seinen Tod warte ich schon lange, und die Erinnerung daran wird mich in den bevorstehenden langen Nächten erheitern. Und sag diesem Schwächling« – er spie in Richtung Meurig aus – »daß

ich ihm die Eier abschneiden und ihn zu meinem Mundschenk machen werde. Sag es ihnen allen, du Wurm.«

»Er sagt nein«, erklärte ich Cuneglas.

»Aber er hat doch mehr gesagt als das!« beschwerte sich Meurig, der nur auf Grund seines Ranges anwesend war, voll Pedanterie.

»Das werdet Ihr nicht hören wollen«, sagte Sagramor müde.

»Jede Information ist wichtig«, protestierte Meurig.

»Was reden die da, du Wurm?« fragte mich Aelle, seinen eigenen Dolmetscher ignorierend.

»Sie besprechen, wer von ihnen das Vergnügen haben wird, Euch zu töten, Lord König«, antwortete ich.

Aelle spie aus. »Sag Merlin« – der Sachsenkönig warf dem Druiden einen Blick zu – »daß ich ihn nicht beleidigt habe.«

»Das weiß er bereits, Lord König«, sagte ich, »denn er spricht Eure Sprache.« Die Sachsen fürchteten Merlin und wollten ihn selbst jetzt nicht verärgern. Die beiden sächsischen Zauberer zischten ihm ihre Flüche zu, aber das war ihre Aufgabe, und Merlin scherte sich nicht darum. Ebensowenig schien er sich für die Besprechung zu interessieren, denn er starrte erhaben in die Ferne, obwohl er Aelle nach seinem Kompliment ein Lächeln zuteil werden ließ.

Ein paar Herzschläge lang starrte Aelle mich an. Schließlich fragte er mich: »Wie heißt dein Stamm?«

»Die Dumnonier, Lord König.«

»Davor, du Dummkopf! Deine Geburt!«

»Euer Volk, Lord«, sagte ich. »Aelles Volk.«

»Dein Vater?« wollte er wissen.

»Ich habe ihn nicht gekannt, Lord. Meine Mutter wurde von Uther gefangengenommen, als ich noch in ihrem Bauch war.«

»Und ihr Name?«

Sekundenlang mußte ich überlegen. »Erce, Lord König.«

Endlich fiel mir ihr Name ein.

Als er diesen Namen hörte, lächelte Aelle. »Ein guter sächsischer Name! Erce, Göttin der Erde und unser aller Mutter. Wie geht es deiner Erce?«

»Seit ich ein Kind war, habe ich sie nicht mehr gesehen, Lord, aber ich hörte, daß sie noch leben soll.«

Nachdenklich starrte er mich an. Meurig verlangte ungeduldig zu wissen, was wir da sprachen, beruhigte sich aber schließlich, als er von niemandem beachtet wurde. »Es ist nicht gut, wenn ein Mann seine Mutter ignoriert«, sagte Aelle schließlich. »Wie heißt du?«

»Derfel, Lord König.«

Er spie auf mein Kettenhemd. »Dann solltest du dich schämen, Derfel, deine Mutter zu ignorieren. Würdest du heute auf unserer Seite kämpfen? Für das Volk deiner Mutter?«

Ich lächelte. »Nein, Lord König, aber Ihr ehrt mich sehr.«

»Möge dein Tod leicht werden, Derfel. Aber sag diesem Dreck dort« – mit dem Kopf deutete er auf die vier bewaffneten Heerführer – »daß ich kommen werde, um ihre Herzen zu verschlingen.« Ein letztes Mal spie er aus, dann machte er kehrt und schritt zu seinen Männern zurück.

»Also, was hat er gesagt?« wollte Meurig wissen.

»Er hat mit mir über meine Mutter gesprochen, Lord Prinz«, antwortete ich. »Und mich an meine Sünden erinnert.« Gott helfe mir, aber an jenem Tag war mir Aelle sympathisch.

Wir gewannen die Schlacht.

Igraine wird wollen, daß ich Näheres erzähle. Sie wünscht sich große Helden, und die gab es, aber es waren auch Feiglinge dabei, und dann gab es Männer, die vor Angst ihre Hosen beschmutzten, aber trotzdem im Schildwall standhielten. Es gab Männer, die nicht töteten, sondern sich nur verzweifelt verteidigten, und es gab Männer, die die Dichter wieder einmal vor die Herausforderung stellten, neue Worte zu finden, um ihre Taten zu besingen. Es war, mit einem Wort, eine Schlacht. Freunde starben, Cavan gehörte zu ihnen, Freunde wurden verwundet, unter ihnen Culhwch, und andere Freunde, wie Galahad, Tristan und Arthur, überlebten unversehrt. Ich steckte einen Axthieb in die linke Schulter ein, und obwohl mein Kettenhemd den Schlag größtenteils abfing, brauchte die Wunde Wochen, um zu verheilen, und ich trage bis heute eine gezackte Narbe, die schmerzt, wenn es draußen kalt wird. Wichtig aber war nicht die Schlacht, sondern das, was anschließend geschah. Zunächst jedoch werde ich die Geschichte kurz berichten, weil meine liebe Königin Igraine darauf bestehen wird, daß ich von König Cuneglas’

Heldentaten schreibe, da Cuneglas der Großvater ihres Ehegemahls war.

Die Sachsen griffen uns an. Über eine Stunde brauchte Aelle, bis er seine Männer überreden konnte, gegen unseren Schildwall vorzugehen, und während der ganzen Zeit kreischten uns die dungstacheligen Zauberer ihre Flüche entgegen, dröhnten die Trommeln und kreisten in den Reihen der Sachsen die Aleschläuche. Viele von unseren Männern tranken Met, denn wir hatten zwar kaum noch etwas zu essen, aber der Met schien einem britannischen Heer niemals auszugehen. Mindestens die Hälfte der Männer in dieser Schlacht waren betrunken, aber so war es bei jeder Schlacht –

kaum etwas anderes ist so gut geeignet, den Kriegern Mut zu machen, damit sie den Versuch zum fürchterlichsten aller Manöver wagten, dem direkten Angriff auf einen wartenden Schildwall. Ich selbst blieb nüchtern, denn das tat ich immer, doch die Verlockung, etwas zu trinken, war stark. Einige Sachsen versuchten uns zu einem voreiligen Angriff zu provozieren, indem sie dicht an unsere Schlachtreihe herankamen und ohne Schilde und Helme umherstolzierten; doch das einzige, was sie für ihre Mühe erhielten, waren ein paar schlecht gezielte Speere. Einige Speere wurden zu uns zurückgeschleudert, aber die meisten schlugen harmlos gegen unsere Schilde. Dann wurden wir von zwei nackten Männern angegriffen, die durch Ale oder Magie in einen Blutrausch geraten waren. Culhwch erschlug den ersten, Tristan den zweiten. Wir bejubelten beide Siege. Die Sachsen, deren Zungen vom Ale gelöst worden waren, schrien uns Beschimpfungen zu.

Als Aelles Angriff begann, lief alles furchtbar falsch. Die Sachsen verließen sich darauf, daß ihre Kampfhunde unsere Reihe durchbrachen; aber Merlin und Nimue standen mit ihren eigenen Hunden bereit, nur waren das keine Hunde, sondern Hündinnen, und die meisten von ihnen waren läufig und machten die sächsischen Tiere rasend. Statt uns anzugreifen, jagten die riesigen Kampfhunde geradewegs auf die Hündinnen zu, und dann gab es ein wildes Knurren, Beißen, Bellen und Jaulen. Plötzlich waren überall sich paarende Hunde und andere Hunde, die die glücklicheren zu verdrängen suchten, aber kein einziger Hund biß einen Britannier, und die Sachsen, die auf dem Sprung gewesen waren, ihren tödlichen Angriff vorzutragen, ließen sich vom Mißerfolg ihrer Hunde aus dem Gleichgewicht bringen. Sie zögerten, während Aelle, der fürchtete, daß wir zuerst angreifen würden, sie brüllend vorwärts zu treiben trachtete, und so begannen sie gegen uns zu marschieren. Aber sie marschierten ungeordnet statt in einer disziplinierten Reihe.

Kopulierende Hunde jaulten, als sie zertrampelt wurden, dann krachten die Schilde mit jenem schrecklichen, dumpfen Lärm aufeinander, der durch die endlosen Jahre herüberhallt. Das ist der Schlachtenlärm, das Schmettern der Kriegshörner, das Geschrei der Männer, das splitternde, dumpfe Krachen von Schild auf Schild, und nach dem Zusammenprall die Schreie, als Speerspitzen die Lücken zwischen den Schilden fanden und Äxte sausend herabschwangen. An jenem Tag steckten die Sachsen am meisten ein. Die Hunde zwischen den

Schildwällen hatten ihre schnurgerade Aufstellung durcheinandergebracht, und überall, wo ihrem vorrückenden Schildwall das passiert war, fanden unsere Speerkampfer die Lücken und stießen in sie hinein, und die Reihen dahinter schoben sich in die Lücken und bildeten schildgewappnete Keile, die immer tiefer in die Sachsenmenge eindrangen. Cuneglas führte einen dieser Keile und wäre fast bis zu Aelle vorgedrungen. Ich selbst sah Cuneglas nicht beim Kampf, aber die Barden sangen später von seinen Taten, und er versicherte mir bescheiden, daß sie nicht allzusehr übertrieben. Ich wurde ziemlich früh verwundet. Mein Schild lenkte den Axthieb ab und fing den größten Teil der Schlagwucht auf; aber das Blatt traf dennoch meine Schulter und lahmte meinen linken Arm, obwohl mich die Wunde nicht daran hinderte, dem Axtkämpfer mit dem Speer die Kehle zu durchtrennen. Als dann das Gedränge der Männer zu dicht wurde, um den Speer zu benutzen, zog ich Hywelbane und stieß und hieb mit der Klinge in die stöhnende, schwankende Masse der Krieger. Das Ganze artete zu einem Schiebekampf aus, aber das geht bei allen Schlachten so, bis die eine Seite endlich nachgibt. Nichts als ein schweißtreibendes, heißes, dreckiges Geschiebe. Diesmal wurde der Kampf dadurch erschwert, daß die Sachsenreihe, die überall ungefähr fünf Mann tief war, unseren Schildwall überflügelte. Um einer Umzingelung vorzubeugen, hatten wir unsere eigene Reihe an den Enden nach hinten gezogen, so daß wir den Angreifern zwei kleinere Schildwälle präsentierten. Eine Zeitlang zögerten die beiden sächsischen Flanken noch, vielleicht weil sie hofften, die Männer im Zentrum würden zuerst durchbrechen. Dann kam ein sächsischer Häuptling an mein Ende der Reihe und beschämte seine Männer durch seinen Mut, bis sie endlich angriffen. Ganz allein stürmte er vorwärts, fegte mit seinem Schild zwei Speere beiseite und stürzte sich mitten in die kurze Reihe unseres Flügels. Dort starb Cavan, durchbohrt von einem Schwertstoß

des sächsischen Häuptlings, und der Anblick dieses tapferen Mannes, der unseren Flügelwall ohne fremde Hilfe durchbrach, veranlaßte seine Männer zu einem wilden, begeisterten Angriff.

In diesem Moment preschte Arthur aus der Halle hervor. Ich persönlich sah die Attacke nicht, aber hören konnte ich sie. Die Barden singen, das Donnern der Hufe seiner Rösser habe die Welt erschüttert, und tatsächlich schien die Erde zu beben, obwohl das vermutlich nur vom Dröhnen jener riesigen Pferde kam, denen man flache Eisenplatten unter die Hufe geschnallt hatte. Die kraftvollen Tiere prallten auf das ungeschützte Ende der sächsischen Schlachtreihe, und mit diesem schrecklichen Zusammenprall war die Schlacht eigentlich beendet. Aelle hatte angenommen, daß seine Männer unseren Wall mit den Hunden durchstoßen könnten und daß seine hinteren Reihen unsere Reiter mit ihren Schilden und Speeren abschrecken würden, denn er wußte recht gut, daß kein Pferd einen gut bewehrten Speerwall direkt angreift. Außerdem hatte man ihm gewiß erzählt, wie Gorfyddyds Speerkämpfer Arthur im Lugg Vale auf diese Art abgewehrt hatten. Aber die ungeschützte Flanke der Sachsen war beim Angriff in katastrophale Unordnung geraten, und Arthur hatte für sein Eingreifen den perfekten Zeitpunkt gewählt. Er wartete nicht ab, bis sich seine Reiter formierten, sondern sprengte einfach aus dem Schatten hervor, befahl seinen Männern, ihm zu folgen, und spornte Llamrei in vollem Tempo ins offene Ende der sächsischen Reihen.

Ich spie gerade einen bärtigen, zahnlosen Sachsen an, der mich über den Rand unserer beiden Schilde hinweg beschimpfte, als Arthur zuschlug. Sein weißer Mantel wehte hinter ihm her, die weißen Federn ragten hoch in die Luft, und sein glänzender Schild schlug das Feldzeichen des sächsischen Häuptlings herunter, einen blutbemalten Stierschädel, während er seinen Speer vorwärtsstieß. Er ließ den Speer im Bauch eines Sachsen stecken, riß Excalibur aus der Scheide und teilte Hiebe nach allen Seiten aus, während er tiefer in die Reihen des Feindes vordrang. Hinter ihm kam Agravain, der mit seinem Pferd entsetzte Sachsen auseinandertrieb, dann stürmten Lanval und die anderen mit Schwertern und Speeren durch die sich auflösenden Reihen der Feinde.

Aelles Männer zerbrachen wie Eier unter einem Hammer. Sie liefen davon. Ich glaube kaum, daß die Schlacht – begonnen von den Hunden, beendet von den Pferden – mehr als zehn Minuten dauerte, aber unsere Reiter brauchten über eine Stunde, bis sie mit dem Töten fertig waren. Unsere leichten Reiter, die brüllend über die Heide herbeigaloppiert kamen, richteten ihre Speere gegen den fliehenden Feind, während Arthurs schwere Schlachtrösser mitten zwischen die aufgelösten Kampfreihen sprengten und töteten, töteten, töteten. Die Speerkämpfer, begierig auf jedes kleinste bißchen Beute, hasteten hinter ihnen her.

Die Sachsen liefen wie die Hirsche. Um schneller fliehen zu können, warfen sie Felle, Rüstungen und Waffen von sich. Aelle versuchte noch einen Moment lang, sie aufzuhalten, dann mußte er einsehen, daß es aussichtslos war. Er warf sein Bärenfell ab, schloß sich seinen fliehenden Männern an und entkam gerade noch zwischen den Bäumen, bevor unsere leichten Reiter ihn erreichten.

Ich blieb bei den Verwundeten und Toten. Verletzte Hunde jaulten vor Schmerz. Culhwch hinkte mit blutendem Oberschenkel herum, doch da er nicht tödlich verwundet war, ignorierte ich ihn und kniete neben Cavan nieder. Ich hatte ihn noch nie weinen sehen, doch diese Schmerzen waren zu gräßlich, denn das Schwert des Sachsenhäuptlings war ihm mitten durch den Bauch gedrungen. Ich hielt seine Hand, wischte ihm die Tränen ab und erklärte ihm, er habe seinen Feind mit einem Gegenstoß niedergestreckt. Ob das zutraf, wußte ich nicht, und es war mir auch gleichgültig; ich wollte nur, daß Cavan es glaubte, deswegen versicherte ich ihm, er werde die Schwerterbrücke mit einem fünften Zacken an seinem Schild überqueren. »Du wirst der erste von uns sein, der in der Anderwelt eintrifft«, sagte ich, »deswegen bitte ich dich, uns einen Platz freizuhalten.«

»Das werde ich, Lord.«

»Und wir werden dir nachfolgen.«

Um einen Schrei zu unterdrücken, biß er die Zähne zusammen und bog den Rücken durch. Ich legte ihm den rechten Arm um den Hals und preßte meine Wange an die seine. Ich weinte. »Sag denen in der Anderwelt«, flüsterte ich ihm ins Ohr, »daß Derfel Cadarn dich als einen tapferen Mann grüßt.«

»Der Kessel«, keuchte er. »Ich hätte …«

»Nein«, fiel ich ihm ins Wort, »nein!« Dann stieß er einen wimmernden Laut aus und starb.

Ich blieb neben seinem Leichnam sitzen und wiegte mich wegen der Schmerzen in meiner Schulter und der Trauer in meiner Seele unablässig vor und zurück. Tränen rannen mir über die Wangen. Issa, der neben mir stand, wußte nicht, was er sagen sollte, also sagte er nichts. »Er wollte immer zum Sterben nach Hause zurückkehren«, sagte ich, »nach Irland.«

Und nach dieser Schlacht, dachte ich, hätte er das mit hohen Ehren und großem Reichtum tun können.

»Lord«, sagte Issa zu mir.

Ich dachte, er versuche mich zu trösten, aber ich wollte keinen Trost: Der Tod eines tapferen Mannes hat unsere Tränen verdient. Deswegen ignorierte ich Issa und hielt Cavans Leichnam im Arm, während seine Seele ihre letzte Reise zur Schwerterbrücke hinter Cruachans Höhle antrat.

»Lord!« wiederholte Issa, und irgend etwas in seinem Ton veranlaßte mich aufzublicken.

Wie ich sah, deutete er nach London, doch als ich mich in jene Richtung wandte, konnte ich nichts erkennen, weil mir vor Tränen alles vor den Augen verschwamm. Wütend wischte ich sie ab.

Da entdeckte ich, daß ein weiteres Heer auf dem Schlachtfeld erschienen war. Ein weiteres pelzverhülltes Heer unter Feldzeichen von Schädeln und Stierhörnern. Ein weiteres Heer mit Hunden und Äxten. Eine weitere sächsische Horde. Cerdic war gekommen.

Später wurde mir klar, daß all diese Listen, die wir erdacht hatten, damit Aelle uns angriff, und all das gute Essen, das wir verbrannt hatten, um ihn zum Angriff herauszufordern, verschwendet gewesen waren, denn der Bretwalda mußte gewußt haben, daß Cerdic kommen würde und daß er nicht kam, um gegen uns, sondern um gegen seinen sächsischen Mitkonkurrenten zu kämpfen. Tatsächlich hatte Cerdic den Wunsch, sich uns anzuschließen, und Aelle hatte erkannt, daß

seine beste Chance, die vereinigten Heere zu überleben, darin bestand, zuerst Arthur zu schlagen und sich anschließend mit Cerdic zu befassen.

Aelle verlor das Spiel. Arthurs Reiter besiegten ihn. Cerdic erschien zu spät, um in den Kampf einzugreifen, obwohl der verräterische Cerdic wenigstens einen Moment lang versucht gewesen sein muß, Arthur anzugreifen. Eine kurze, schnelle Attacke hätte uns niedergeworfen, ein Feldzug von einer Woche hätte Aelles auseinandergetriebenes Heer mit Sicherheit vernichtet, und dann wäre Cerdic Herrscher über das ganze südliche Britannien gewesen. Cerdic muß sich versucht gefühlt haben, aber er zögerte. Er hatte weniger als dreihundert Mann –

genug, um alles zu überwältigen, was an Britanniern auf dem niedrigen Heidehügel übrig war -; doch Arthurs Silberhorn schmetterte immer und immer wieder, und diese Hornrufe genügten, um so viele der schweren, bewaffneten Reiter aus dem Wald herbeizurufen, daß sie an Cerdics Nordflanke einen tapferen Auftritt inszenieren konnten. Cerdic war diesen riesigen Pferden in der Schlacht noch nie begegnet, und ihr Anblick ließ ihn lange genug innehalten, um Sagramor, Agricola und Cuneglas auf der Hügelkuppe einen Schildwall zusammenstellen zu lassen. Allerdings einen gefährlich kleinen Wall, denn die meisten von uns waren zu sehr damit beschäftigt, Aelles Krieger zu verfolgen oder sein Lager auf der Suche nach Eßbarem zu durchwühlen.

Wir auf der niedrigen Hügelkuppe machten uns zur Schlacht bereit, und die drohte gefährlich zu werden, denn unser hastig zusammengetrommelter Schildwall war wesentlich kleiner als Cerdics Schlachtreihe. Zu jenem Zeitpunkt wußten wir natürlich noch nicht, daß es sich um Cerdics Heer handelte, sondern vermuteten, daß es sich bei diesen neuen Sachsen um Aelles Verstärkung handelte, die zu spät zur Schlacht kam. Das Feldzeichen, das sie mit sich trugen – ein rot bemalter Wolfsschädel, an dem die gegerbte Haut eines Toten hing –, sagte uns nichts. Cerdics Banner bestand eigentlich aus zwei Pferdeschweifen, die kreuzweise an einem

Oberschenkelknochen auf einer Stange befestigt waren; doch seine Zauberer hatten dieses neue Symbol für ihn erdacht, das uns vorübergehend verwirrte. Weitere Männer, die nach der Verfolgung von Aelles besiegtem Restheer zurückkehrten, verstärkten unseren Wall, während Arthur seine Reiter auf den Hügel zurückführte. Auf Llamrei trabte er unsere Reihen ab, und ich erinnere mich, daß sein weißer Mantel voll Blutflecken und -streifen war. »Sie werden sterben wie die anderen!«

ermutigte er uns, als er, den blutigen Excalibur in der Hand, an unserem Wall entlangritt. »Sie werden sterben wie die anderen.«

Doch dann teilte sich diese neue sächsische Streitmacht, genau wie es Aelles Heer getan hatte, um ihre Führer durchzulassen, die nun auf uns zukamen. Drei von ihnen gingen zu Fuß, sechs dagegen kamen zu Pferde und zügelten ihre Tiere, um mit den anderen drei Schritt zu halten. Einer der Männer zu Fuß trug das grausige Wolfsschädelfeldzeichen, dann hob einer der Reiter ein zweites Banner, und ein verblüfftes Aufkeuchen ging durch unsere Reihen. Daraufhin riß Arthur sein Pferd herum und starrte entgeistert auf die sich nähernden Männer.

Denn dieses neue Banner zeigte einen Seeadler mit einem Fisch in den Klauen: Lancelots Feldzeichen. Und jetzt sah ich auch, daß Lancelot selbst zu den sechs Reitern gehörte. Er war prächtig gekleidet in seine weißemaillierte Rüstung und den Schwanenhelm. Neben ihm ritten Arthurs Zwillingssöhne Amhar und Loholt, ihnen folgten Dinas und Lavaine in ihren Druidengewändern. Ade, Lancelots rothaarige Geliebte, trug das Banner des silurischen Königs.

Sagramor war zu mir getreten und schaute mich an, um sich zu vergewissern, daß ich dasselbe sah wie er. Dann spie er verächtlich auf die Heide. »Ist Malla in Sicherheit?« fragte ich ihn.

»In Sicherheit und unverletzt«, gab er zurück, erfreut darüber, daß ich gefragt hatte. Er wandte sich zu dem näher kommenden Lancelot um. »Versteht Ihr, was da passiert?«

»Nein.« Das tat keiner von uns.

Arthur steckte Excalibur in die Scheide und wandte sich an mich. »Derfel!« rief er, weil er mich als Dolmetscher brauchte, und winkte die anderen Anführer zu sich. Lancelot löste sich aus der herannahenden Delegation und spornte sein Pferd freudig erregt unseren Hang empor.

»Verbündete!« hörte ich Lancelot rufen. Dann winkte er den Sachsen zu. »Verbündete!« rief er abermals und zügelte sein Pferd direkt neben Arthur.

Arthur schwieg. Er saß still auf seinem Pferd, während Lancelot Mühe hatte, seinen mächtigen Rappen zu bändigen.

»Verbündete!« sagte Lancelot ein drittes Mal. »Es ist Cerdic!«

setzte er erregt hinzu und deutete auf den Sachsenkönig, der gemächlich auf uns zugeschritten kam.

»Was habt Ihr getan?« fragte Arthur ruhig.

»Ich habe Euch Verbündete gebracht!« verkündete Lancelot munter. Sein Blick fiel auf mich. »Cerdic hat einen eigenen Dolmetscher«, sagte er wegwerfend.

»Derfel bleibt!« fuhr Arthur unvermittelt und mit furchtbarem Zorn in der Stimme auf. Dann fiel ihm ein, daß

Lancelot ein König war, und er seufzte. »Was habt Ihr getan, Lord König?« fragte er abermals.

Dinas, der mit den anderen Reitern vorausgeritten kam, war töricht genug, an Lancelots Stelle zu antworten. »Wir haben Frieden geschlossen, Lord!« sagte er mit seiner dunklen Stimme.

»Fort!« brüllte Arthur. Mit seinem Zorn erschreckte und verwirrte er das Druidenpaar. Die beiden hatten Arthur immer nur als gelassenen, geduldigen, friedliebenden Menschen erlebt und niemals vermutet, daß er einen so heftigen Zorn in sich bergen könnte. Dieser Zorn war zwar nichts gegen die Wut, von der er im Lugg Vale besessen war, als der sterbende Gorfyddyd seine Guinevere als Hure bezeichnete, war aber dennoch fürchterlich. »Fort!« schrie er Tanaburs’ Enkel an.

»Dieses Treffen ist nur für Lords. Und ihr ebenfalls!« Damit zeigte er auf seine Söhne. »Fort!« Er wartete, bis sich sämtliche Gefolgsleute Lancelots zurückgezogen hatten, und wandte sich dann wieder dem Silurierkönig zu. »Was habt Ihr getan?«

fragte er zum dritten Mal in verbittertem Ton.

Lancelot erstarrte vor beleidigter Würde. »Ich habe Frieden geschlossen«, antwortete er scharf. »Ich habe verhindert, daß

Cerdic Euch angreift. Ich habe getan, was ich konnte, um Euch zu helfen.«

»Ihr habt etwas anderes getan«, sagte Arthur mit zorniger Stimme, aber so leise, daß niemand von Cerdics näher kommendem Gefolge ihn hören konnte. »Ihr habt Cerdics Schlacht geschlagen. Wir haben Aelle fast vollständig besiegt, und was bedeutet das für Cerdic? Es bedeutet, daß er doppelt so mächtig ist wie zuvor. Das bedeutet es! Die Götter mögen uns helfen!« Damit warf er Lancelot seine Zügel zu – eine unterschwellige Beleidigung –, sprang vom Rücken seines Pferdes, zog seinen blutbesudelten Mantel zurecht und trat den Sachsen hoheitsvoll gegenüber.

Ich begegnete Cerdic zum ersten Mal, aber obwohl ihn alle Barden als einen Teufel mit gespaltenen Hufen und dem Biß

einer Schlange hingestellt hatten, war er in Wirklichkeit ein kleiner, zierlicher Mann mit schütterem, blondem Haar, das er aus der Stirn gekämmt und im Nacken zum Knoten geschürzt trug. Er war sehr hellhäutig, hatte eine breite Stirn, eine scharfe Nase und ein schmales, glattrasiertes Kinn. Seine Lippen waren schmal und seine Augen blaß wie morgendunstiges Wasser. Aelle konnte man jedes Gefühl vom Gesicht ablesen, aber bei Cerdic war ich auf den ersten Blick überzeugt, daß seine Selbstbeherrschung es ihm nicht gestatten würde, seine Gedanken zu verraten. Er trug einen römischen Brustpanzer, eine enge, karierte Hose aus Wolle und einen Umhang aus Fuchspelz. Er wirkte sauber und adrett, und ohne das Gold an Hals und Handgelenken hätte ich ihn für einen Schreiber gehalten. Nur seine Augen paßten nicht zum Bild eines Beamten, denn diesen Augen entging nicht das geringste, während sie selbst nichts verrieten. »Ich bin Cerdic«, stellte er sich mit sanfter Stimme vor.

Arthur trat einen Schritt beiseite, damit Cuneglas sich vorstellen konnte, dann verlangte Meurig, ebenfalls an der Konferenz teilzunehmen. Cerdic warf einen Blick auf die beiden Männer, stufte sie als unwichtig ein und richtete den Blick wieder auf Arthur. »Ich bringe Euch ein Geschenk«, sagte er und streckte die Hand nach dem Häuptling aus, der ihn begleitete. Der Mann zog einen Dolch mit goldenem Griff hervor, den Cerdic Arthur überreichte.

»Dieses Geschenk«, übersetzte ich Arthurs Erwiderung,

»sollte unserem Lord König Cuneglas zukommen.«

Cerdic legte die blanke Klinge in seine Linke und schloß die Finger darum. Sein Blick ließ Arthurs keine Sekunde los, und als er die Hand wieder öffnete, befand sich Blut auf der Klinge.

»Dieses Geschenk ist für Arthur bestimmt«, erklärte er. Arthur nahm es an. Er war ungewohnt nervös.

Möglicherweise befürchtete er, daß der blutige Stahl irgendeinen Zauber barg oder daß ihn die Annahme des Geschenks zum Komplizen von Cerdics Ambitionen machte.

»Sagt dem König«, wies er mich an, »daß ich kein Geschenk für ihn habe.«

Cerdic lächelte. Es war ein frostiges Lächeln, und ich stellte mir vor, daß so wohl ein Wolf auf ein verirrtes Lamm wirken müsse. »Sagt Lord Arthur, daß er mir das Geschenk des Friedens gemacht hat«, forderte er mich auf.

»Aber angenommen, ich wähle den Krieg?« fragte Arthur trotzig. »Hier und jetzt?« Er deutete auf die Hügelkuppe, wo sich noch mehr von unseren Speerkämpfern versammelt hatten, so daß sich ihre Anzahl mit Cerdics jetzt zumindest messen konnte.

»Sagt ihm«, befahl mir Cerdic, »daß dies nicht alle meine Männer sind.« Er wies auf seinen Schildwall, dessen Männer uns beobachteten. »Und sagt ihm auch, daß König Lancelot mir in Arthurs Namen Frieden gebracht hat.«

Als ich Arthur dies erklärte, sah ich in seiner Wange einen Muskel zucken. »In zwei Tagen«, befahl Arthur – es war ein Befehl, kein Vorschlag –, »treffen wir uns in London. Dort werden wir über unseren Frieden sprechen.« Er schob den blutigen Dolch in seinen Gurt, und als ich seine Worte übersetzt hatte, winkte er mich zu sich. Er wartete Cerdics Antwort nicht ab, sondern führte mich den Hang hinauf, bis wir außer Hörweite der beiden Delegationen waren. Hier nahm er erstmals Notiz von meiner Schulter. »Wie schlimm ist es mit Eurer Wunde?« erkundigte er sich.

»Sie wird heilen«, antwortete ich.

Er blieb stehen, schloß die Augen und atmete tief durch.

»Was Cerdic will«, erklärte er mir, als er die Augen wieder öffnete, »ist die Herrschaft über ganz Lloegyr. Aber wenn wir sie ihm überlassen, haben wir statt zwei schwächeren einen schrecklichen Feind gegen uns.« Schweigend ging er ein paar Schritte weiter, trat vorsichtig zwischen den Toten von Aelles Angriff hindurch. »Vor diesem Krieg«, fuhr er dann bitter fort,

»war Aelle mächtig und Cerdic lästig, aber nachdem wir Aelle besiegt haben, hätten wir uns gegen Cerdic wenden können. Nun ist es genau anders herum. Aelle ist geschwächt, Cerdic dagegen mächtig.«

»Dann sollten wir jetzt gegen ihn antreten«, sagte ich. Er sah mich aus müden, braunen Augen an. »Seid ehrlich, Derfel«, sagte er leise, »ohne zu prahlen. Werden wir diesen Kampf gewinnen?«

Ich musterte Cerdics Heer. Es war in dichten Reihen aufmarschiert und schlachtbereit, während unsere Männer erschöpft und hungrig waren; aber Cerdics Männer hatten Arthurs Reiter noch nicht erlebt. »Ich glaube, wir würden gewinnen, Lord«, sagte ich aufrichtig.

»Ich auch«, stimmte mir Arthur zu, »aber es würde ein schwerer Kampf werden, Derfel, und danach hätten wir mindestens einhundert Verwundete, die wir mit uns nach Hause zurücktragen müßten, und die Sachsen würden alle Garnisonen in Lloegyr zusammentrommeln, damit sie sich uns entgegenstellen. Möglich, daß wir Cerdic hier besiegen, aber wir würden niemals lebend nach Hause zurückkehren. Dafür sind wir viel zu tief drin in Lloegyr.« Bei dieser Vorstellung verzog er das Gesicht. »Und wenn wir uns noch weiter schwächen, indem wir gegen Cerdic kämpfen, glaubt Ihr, Aelle würde uns auf dem Heimweg keinen Hinterhalt legen?« Er wurde von plötzlich aufsteigendem Zorn geschüttelt. »Was hat sich Lancelot eigentlich gedacht? Ich kann mich nicht mit Cerdic verbünden! Er wird halb Britannien erobern, sich gegen uns wenden, und wir werden einen sächsischen Feind haben, der doppelt so schrecklich ist wie zuvor.« Er stieß einen seiner seltenen Flüche aus und rieb sich mit der behandschuhten Hand über das knochige Gesicht. »Nun ja, die Suppe ist verschüttet«, fuhr er verbittert fort, »aber wir werden sie dennoch auslöffeln müssen. Die einzige Lösung wäre, Aelle so viel Stärke zu lassen, daß er noch immer einschüchternd auf Cerdic wirkt, also nehmt Euch sechs von meinen Reitern und sucht ihn mir. Sucht ihn, Derfel, und macht ihm dieses verdammte Ding zum Geschenk.« Damit reichte er mir Cerdics Dolch. »Aber reinigt ihn zuvor«, sagte er gereizt. »Und sein Bärenfell könnt Ihr ihm auch mitbringen. Agravain hat es gefunden. Gebt ihm das als zweites Geschenk und sagt ihm, er soll nach London kommen. Sagt ihm, ich schwöre ihm eidlich Sicherheit, und sagt ihm, das sei seine einzige Chance, ein Stück Land zu behalten. Ihr habt zwei Tage, Derfel.«

Ich zögerte – nicht, weil ich anderer Meinung war, sondern weil ich nicht begriff, warum Aelle nach London kommen sollte. »Weil ich«, antwortete Arthur müde, »nicht ruhig in London verweilen kann, solange Aelle in Lloegyr frei herumläuft. Er mag sein Heer hier verloren haben, aber er hat genügend Garnisonen, um ein neues aufzustellen – und während wir uns noch aus der Verstrickung mit Cerdic lösen, könnte er halb Dumnonia in Schutt und Asche legen.« Er wandte sich um und starrte böse zu Lancelot und Cerdic hinunter. Ich dachte schon, er werde wieder fluchen, aber er stieß nur einen resignierten Seufzer aus. »Ich werde Frieden schließen, Derfel. Die Götter wissen, daß es nicht der Friede ist, den ich wollte, aber wir sollten ihn dennoch in angemessener Form schließen. Und jetzt geht, mein Freund, geht.«

Ich blieb noch lange genug, um sicherzustellen, daß Issa sich gebührend um die Verbrennung von Cavans Leichnam kümmern und das Schwert des toten Iren in einem See versenken würde. Dann ritt ich auf den Spuren des geschlagenen Heeres gen Norden.

Während Arthur, dessen Traum von einem Narren zunichte gemacht worden war, nach London marschierte.

Ich hatte lange davon geträumt, London zu sehen, doch selbst in meinen wildesten Phantasien hätte ich mir nicht vorstellen können, wie die Stadt wirklich war. Ich hatte gedacht, sie wäre wie Glevum, ein bißchen größer vielleicht, aber immer noch ein Ort, an dem hohe Gebäude einen zentralen, offenen Platz umstanden, während sich weiter hinten Straßen und Gassen drängten, und das Ganze von einem Erdwall umgeben war. Aber in London gab es sechs dieser offenen Plätze, alle mit eigenen Säulenhallen, Arkadentempeln und Palästen aus Backstein. Die gewöhnlichen Häuser, die in Glevum und Durnovaria niedrig und strohgedeckt waren, ragten hier zwei oder drei Stockwerke hoch auf. Einige dieser Häuser waren im Laufe der Jahre eingestürzt, aber viele hatten noch ihr Ziegeldach, und die Leute stiegen immer noch die steilen Holztreppen hinauf. Da die meisten unserer Männer noch nie eine Treppe in einem Haus gesehen hatten, waren sie an ihrem ersten Tag in London wie aufgeregte Kinder losgerannt, um herauszufinden, wie die Welt vom obersten Stock aus wirkte. Schließlich war eins dieser Häuser unter ihrem Gewicht zusammengebrochen, und Arthur hatte weiteres

Treppensteigen verboten.

Die Festung von London war größer als Caer Sws, dabei war diese Festung lediglich die nordwestliche Bastion des Stadtwalls. Es gab Dutzende von Kasernen in der Festung, jede größer als eine Festhalle und jede aus kleinen, roten Backsteinen erbaut. Neben der Festung lagen ein Amphitheater, ein Tempel und eins der zehn Badehäuser der Stadt. Natürlich gab es derartige Dinge auch in anderen Städten, aber hier war alles höher und größer. Durnovarias Amphitheater war eine Anlage aus grasbewachsener Erde, aber ich hatte es immer für höchst eindrucksvoll gehalten – bis ich die Arena in London sah, die mühelos fünf Amphitheater wie das von Durnovaria hätte aufnehmen können. Der Wall um die Stadt war aus Steinen statt aus Erde, und obwohl Aelle die Mauern hatte verfallen lassen, waren sie doch ein recht einschüchterndes Hindernis. Jetzt saßen Cerdics triumphierende Männer dort oben. Cerdic hatte die Stadt erobert, und seine Totenkopfbanner auf den Wällen verkündeten, daß er sie zu halten gedachte.

Auch am Flußufer stand eine Mauer, die zunächst als Schutz gegen die sächsischen Piraten gedient hatte. Öffnungen in dieser Mauer führten zu Kais, und eine Lücke ging auf einen Kanal hinaus, der ins Zentrum eines großen Gartens führte, um den herum ein Palast erbaut worden war. Damals gab es immer noch Büsten und Statuen in diesem Palast, lange geflieste Korridore sowie eine weite Säulenhalle, in der die römischen Herrscher, wie ich vermutete, früher zum Regieren zusammengekommen waren. Jetzt lief Regenwasser an den bemalten Wänden herab, die Bodenfliesen waren zerborsten, und der Garten war ein wuchernder Unkrautwald; aber ein Schatten des ursprünglichen Glanzes war noch vorhanden. Das galt übrigens für die ganze Stadt. Keins der Badehäuser in der Stadt funktionierte noch. Die Becken waren zerbrochen und leer, die Heizöfen kalt, die Mosaikböden unter dem Einfluß

von Frost und Unkraut zerborsten. Die Steinstraßen waren zu schlammigen Wegen verkommen, und doch war die Stadt trotz dieses Verfalls noch immer kraftvoll und prächtig. Ich fragte mich, wie es in Rom wohl aussehen mochte. Galahad hatte mir erzählt, daß London im Vergleich zu Rom ein Dorf sei und daß

Roms Amphitheater zwanzigmal so groß sei wie Londons Arena, aber das konnte ich nicht glauben. Ich konnte ja kaum an London glauben, obwohl es direkt vor meinen Augen lag. Es sah aus wie das Werk von Riesen.

Da Aelle die Stadt nie gemocht hatte und auch nicht dort leben wollte, waren die einzigen Einwohner eine Handvoll Sachsen und jene Britannier, die Aelle als Herrscher akzeptiert hatten. Einigen dieser Britannier ging es noch immer gut. Die meisten waren Kaufherren, die mit Gallien Handel trieben; ihre prächtigen Häuser lagen am Fluß, während ihre Speicher von eigenen Wällen und Speerkämpfern bewacht wurden. Aber der größte Teil der übrigen Stadt war verlassen. Es war ein dahinsiechender Ort, eine Stadt, die den Ratten überlassen worden war, eine Stadt, die einstmals den Titel Augusta getragen hatte. Das Prächtige London hatte man sie genannt, und auf dem Fluß hatten dicht an dicht die Masten der Galeeren gestanden. Jetzt war es eine Geisterstadt. Aelle kam mit mir zusammen nach London. Ich hatte ihn einen halben Tagesmarsch nördlich der Stadt entdeckt. Er hatte in einem römischen Fort Zuflucht gefunden, wo er ein neues Heer aufzustellen versuchte. Anfangs mißtraute er meiner Nachricht. Er schrie mich an, beschuldigte uns, ihn mit Hexerei besiegen zu wollen, drohte sogar, mich und meine Eskorte zu töten; aber ich war so vernünftig gewesen, geduldig abzuwarten, bis sich sein Zorn legte, und nach einer Weile beruhigte er sich. Cerdics Dolch warf er zornentbrannt von sich, freute sich aber, sein dickes Bärenfell

zurückzubekommen. Ich glaube nicht, daß ich mich je in ernsthafter Gefahr befand, denn ich spürte, daß er mich mochte. Als sein Zorn verraucht war, legte er mir tatsächlich den schweren Arm um die Schultern und ging mit mir auf den Wällen auf und ab. »Was will Arthur wirklich?« fragte er mich.

»Frieden, Lord König.« Das Gewicht seines Armes tat meiner verletzten Schulter weh, aber ich wagte nicht zu protestieren.

»Frieden!« Er spie das Wort heraus wie einen Bissen fauliges Fleisch, aber ohne jene Verachtung, die er bei Arthurs Friedensangebot vor Lugg Vale zur Schau getragen hatte. Damals war Aelle stärker gewesen und konnte es sich leisten, einen höheren Preis zu fordern. Jetzt war er gedemütigt worden und wußte es. »Wir Sachsen«, sagte er, »sind nicht für den Frieden geschaffen. Wir nähren uns vom Getreide unserer Feinde, wir kleiden uns in ihre Wolle, wir vergnügen uns mit ihren Weibern. Was hätte ein Frieden uns zu bieten?«

»Die Chance, Eure Stärke zurückzugewinnen, Lord König, sonst wird Cerdic sich von Eurem Getreide ernähren und sich in Eure Wolle kleiden.«

Aelle grinste. »Und die Weiber würde er ebenfalls wollen.«

Er hatte den Arm von meiner Schulter genommen und blickte nordwärts über die Felder. »Ich werde Land abtreten müssen«, knurrte er mißmutig.

»Aber wenn Ihr den Krieg wählt, Lord König«, gab ich zu bedenken, »wird der Preis höher sein. Ihr werdet Arthur und Cerdic gegen Euch haben und letztlich vielleicht sogar ganz ohne Land dastehen – bis auf das Gras auf Eurem Grab.«

Er wandte sich um und warf mir einen listigen Blick zu.

»Arthur will den Frieden nur, damit ich für ihn gegen Cerdic kämpfe.«

»Selbstverständlich, Lord König«, antwortete ich. Er lachte über meine Aufrichtigkeit. »Und wenn ich nicht nach London mitkomme«, fuhr er fort, »werdet Ihr mich wie einen Hund jagen.«

»Wie einen mächtigen Keiler, Lord König, dessen Hauer noch gefährlich scharf sind.«

»Ihr redet, wie Ihr kämpft, Derfel. Also gut.« Er befahl seinen Zauberern, einen Umschlag aus Moos und Spinnweben zu machen, den sie mir auf die verletzte Schulter legten, während er Rat hielt. Die Beratung dauerte nicht lange, denn Aelle war sich im klaren darüber, daß er kaum eine Wahl hatte. Also marschierte ich am folgenden Morgen die römische Straße entlang, die in die Stadt führte. Er bestand darauf, eine Eskorte von sechzig Speerkämpfern mitzunehmen. »Ihr mögt Cerdic trauen«, sagte er zu mir, »aber er hat noch nie ein Versprechen gegeben, das er auch gehalten hat. Sagt das Arthur.«

»Sagt Ihr es ihm, Lord König.«

In der Nacht vor den Verhandlungen mit Cerdic trafen sich Aelle und Arthur in aller Heimlichkeit und diskutierten über ihren eigenen, separaten Frieden. Aelle gab eine Menge auf. Er gab die weiten Landstriche an seiner Westgrenze auf und erklärte sich einverstanden, das gesamte Gold zurückzugeben, das Arthur ihm im Jahr zuvor gebracht hatte, und darüber hinaus noch etliches Gold mehr. Dafür sicherte Arthur ihm vier ganze Jahre des Friedens zu sowie seine Unterstützung, falls Cerdic am folgenden Tag nicht in die Bedingungen einwilligte. Als der Friede geschlossen war, umarmten sie sich; doch als wir später zu unserem Lager vor der Westmauer der Stadt zurückkehrten, schüttelte Arthur bedrückt den Kopf. »Man sollte einem Feind niemals von Angesicht zu Angesicht gegenübertreten«, riet er mir, »jedenfalls nicht, wenn man weiß, daß man ihn eines Tages vernichten muß. Entweder das, oder die Sachsen müssen sich unserer Herrschaft beugen, und das werden sie niemals tun. Niemals.«

»Vielleicht doch.«

Er schüttelte den Kopf. »Sachsen und Briten, Derfel, passen nicht zusammen.«

»Ich passe zu Euch, Lord«, widersprach ich.

Er lachte. »Aber wenn Eure Mutter nicht in Gefangenschaft geraten wäre, Derfel, wärt Ihr als Sachse aufgewachsen und dientet jetzt vermutlich in Aelles Heer. Ihr wärt ein Feind. Ihr würdet die Götter der Feinde anbeten, Ihr würdet ihre Träume träumen, und Ihr würdet unser Land begehren. Sie brauchen eine Menge Raum, diese Sachsen.«

Aber wir hatten wenigstens Aelle festgenagelt, und am Tag darauf kamen wir in dem großen Palast am Fluß mit Cerdic zusammen. An jenem Tag schien die Sonne und funkelte auf dem Kanal, wo der Gouverneur von Britannien einst sein Flußboot verankert hatte. Die glitzernden Sonnenstäubchen kaschierten den Schmutz, den Schlamm und den Unrat, die den Kanal jetzt verstopften, doch nichts konnte den Gestank dieser Abwässer überdecken.

Cerdic wollte zunächst eine Ratsversammlung einberufen, und während er diskutierte, kamen wir Britannier in einem Raum zusammen, der über der Flußmauer lag und aufs Wasser hinausging, so daß die Decke, an der sich seltsame Wesen, halb Frau, halb Fisch, tummelten, mit schimmerndem Licht betupft war. Um sicherzustellen, daß man uns nicht belauschte, wurde jede Tür und jedes von unseren Speerkämpfern bewacht. Lancelot war auch erschienen und hatte Dinas und Lavaine mitbringen dürfen. Die drei Männer behaupteten immer noch, ihr Friedensschluß mit Cerdic sei ein kluger Schachzug gewesen, aber Meurig war der einzige, der sie darin bestärkte. Wir anderen waren angesichts ihres mürrischen Trotzes sehr zornig. Arthur hörte sich unsere Proteste ein Weilchen an und unterbrach uns dann mit den Worten, daß man mit Streit über Vergangenes keine Probleme lösen könne. »Was geschehen ist, ist geschehen«, sagte er, »aber wir brauchen noch eine Sicherheit.« Er sah Lancelot an. »Schwört mir«, sagte er, »daß

Ihr Cerdic keine Versprechungen gemacht habt.«

»Ich habe ihm Frieden gebracht«, betonte Lancelot, »und ihm vorgeschlagen, Euch beim Kampf gegen Aelle zu unterstützen. Das ist alles.«

Merlin saß am Fenster über dem Fluß. Er hatte eine der streunenden Palastkatzen auf den Schoß genommen und streichelte sie. »Was hat Cerdic verlangt?« erkundigte er sich freundlich.

»Aelles Unterwerfung.«

»Das ist alles?« fragte Merlin, ohne seine Zweifel zu verbergen.

»Das ist alles«, versicherte Lancelot, »weiter nichts.« Wir alle beobachteten ihn: Arthur, Merlin, Cuneglas, Meurig, Agricola, Sagramor, Galahad, Culhwch und ich. Keiner von uns sagte ein Wort, wir alle beobachteten ihn schweigend. »Er hat wirklich nichts weiter verlangt!« beteuerte Lancelot, aber für mich wirkte er dabei wie ein Kind, das faustdicke Lügen auftischt.

»Wie bemerkenswert«, sagte Merlin gelassen, »daß ein König so geringe Forderungen stellt.« Damit begann er die Katze zu necken, indem er ihre Pfoten mit einem seinen Bartzöpfe kitzelte. »Und was wolltet Ihr?« fragte er, immer noch sehr sanft.

»Arthurs Sieg«, behauptete Lancelot.

»Weil Ihr dachtet, Arthur könne ihn nicht allein erringen?«

fragte Merlin, weiterhin mit der Katze spielend.

»Ich wollte ganz sichergehen«, erwiderte Lancelot. »Ich wollte doch nur helfen!« Suchend sah er sich nach Verbündeten um, fand aber niemanden außer dem jugendlichen Meurig. »Wenn Ihr keinen Frieden mit Cerdic wollt«, fuhr er schmollend fort, »warum kämpft Ihr dann nicht jetzt mit ihm?«

»Weil Ihr, Lord König, meinen Namen benutzt habt, um diesen Waffenstillstand zu besiegeln«, erklärte Arthur ihm geduldig. »Und weil unser Heer jetzt viele Tagesmärsche von zu Hause entfernt ist und seine Männer an unserem Weg lauern. Wenn Ihr keinen Frieden geschlossen hättet«, fuhr er immer noch höflich fort, »wäre die Hälfte seines Heeres jetzt an der Grenze, um Eure Männer zu beobachten, und ich könnte nach Süden marschieren und die andere Hälfte angreifen. Aber so?« Er zuckte die Achseln. »Was wird Cerdic heute von uns verlangen?«

»Land«, antwortete Agricola energisch. »Das ist alles, was die Sachsen wollen. Immer nur Land, Land und noch mehr Land. Die sind nicht eher glücklich, bis sie jedes letzte Zipfelchen Land auf der Welt besitzen, und dann werden sie nach anderen Welten suchen, um deren Land ebenfalls unter den Pflug zu nehmen.«

»Er wird sich mit dem Land zufriedengeben müssen, das er Aelle abgenommen hat«, sagte Arthur. »Von uns wird er keins bekommen.«

»Wir sollten ihm etwas abnehmen«, meldete ich mich zum ersten Mal zu Wort. »Das Land, das er im letzten Jahr gestohlen hat.« Dabei handelte es sich um eine schöne Flußlandschaft an unserer südlichen Grenze, ein fruchtbares, üppiges Terrain, das sich von den Hochmooren bis zum Meer erstreckte. Dieses Land hatte Melwas gehört, dem belgischen Vasallenkönig, den Arthur zur Strafe nach Isca verbannt hatte. Der Verlust des Territoriums traf uns hart, denn dadurch gelangte Cerdic in die Nähe der reichen Landgüter um Durnovaria, und seine Schiffe waren nur wenige Minuten von Ynys Wit entfernt, der großen Insel unmittelbar vor unserer Küste, die die Römer Vectis genannt hatten. Seit einem Jahr überfielen Cerdics Sachsen nun Ynys Wit immer wieder gnadenlos, und die Bewohner der Insel baten Arthur dauernd um mehr Speerkämpfer, um ihre Besitzungen zu verteidigen.

»Dieses Land sollten wir zurückfordern«, bestätigte Sagramor. Er hatte Mithras für die gesunde Rückkehr seiner jungen Sächsin gedankt, indem er im Londoner Tempel des Gottes ein erobertes Schwert niederlegte.

»Ich möchte bezweifeln, daß Cerdic Frieden geschlossen hat, um Land abzugeben«, warf Meurig ein.

»Und wir sind nicht ausgezogen, um Land abzugeben«, gab Arthur sehr verärgert zurück. »Bitte, vergebt mir«, fuhr Meurig fort, und ein leises Aufstöhnen ging durch den Raum, weil er unbedingt weiterdiskutieren wollte, »aber ich dachte, Ihr hättet gesagt, nicht wahr, daß Ihr den Krieg nicht weiterführen könnt. Weil wir so weit von zu Hause entfernt sind. Und dennoch wollt Ihr für einen Landstreifen unser aller Leben aufs Spiel setzen? Ihr werdet mich hoffentlich nicht für einfältig halten« –

hier kicherte er, um zu zeigen, daß er einen Scherz gemacht hatte – »aber ich begreife nicht, warum wir das einzige Risiko eingehen müssen, das einzugehen wir uns nicht leisten können.«

»Durchaus möglich, Lord Prinz«, gab Arthur ruhig zurück,

»daß wir schwach sind. Aber wenn wir unsere Schwäche zeigen, werden wir hier sterben. Wenn wir heute vormittag zu Cerdic gehen, haben wir nicht vor, auch nur eine einzige Ackerfurche abzugeben. Wir werden unsere Forderungen stellen.«

»Und wenn er sich weigert?« fragte Meurig entrüstet.

»Dann wird es für uns ein schwieriger Rückzug werden«, räumte Arthur gelassen ein. Er schaute durch ein Fenster, das auf den Innenhof führte. »Wie es scheint, sind unsere Feinde für uns bereit. Wollen wir gehen?«

Merlin scheuchte die Katze von seinem Schoß und nahm seinen Stab zu Hilfe, um aufzustehen. »Es stört Euch doch nicht, wenn ich nicht mitkomme?« fragte er. »Ich bin zu alt, um einen Tag voller Verhandlungen durchzustehen. All dieses großmäulige Gerede und dieser Zorn.« Er klopfte sich die Katzenhaare vom Gewand und wandte sich dann plötzlich an Dinas und Lavaine. »Seit wann«, fragte er sie mißbilligend,

»tragen Druiden Schwerter und dienen Christenkönigen?«

»Seit wir beschlossen haben, das zu tun«, antwortete Dinas. Die Zwillinge, die fast so hochgewachsen waren wie Merlin, aber wesentlich kräftiger, forderten ihn mit ihren starren Blicken heraus.

»Wer hat euch zu Druiden gemacht?« fragte Merlin.

»Dieselbe Macht, die Euch zum Druiden gemacht hat«, sagte Lavaine.

»Und welche Macht ist das?« fragte Merlin. Als die Zwillinge nicht antworteten, lachte er höhnisch. »Wenigstens wißt ihr, wie man Drosseleier legt. Wie ich vermute, lassen die Christen sich von diesem Trick beeindrucken. Könnt ihr auch Wein in Blut verwandeln und Brot in Fleisch?«

»Wir benutzen unsere Magie und auch die ihre«, gab Dinas zurück. »Wir leben nicht mehr im alten Britannien, sondern in einem neuen Britannien, mit neuen Göttern. Wir verschmelzen ihre Magie mit der alten. Ihr könntet von uns lernen, Lord Merlin.«

Merlin äußerte seine Meinung über diesen guten Rat, indem er ausspie. Dann stelzte er ohne ein weiteres Wort aus dem Raum. Dinas und Lavaine zeigten sich nicht beunruhigt wegen seiner Feindseligkeit. Sie hatten wirklich ein

außergewöhnliches Selbstvertrauen.

Wir folgten Arthur in die große Säulenhalle hinunter, wo wir, wie Merlin vorausgesagt hatte, großtaten, posierten, einander niederschrien und beschwatzten. Anfangs waren es Aelle und Cerdic, die den größten Lärm machten, während Arthur sich immer wieder als Mittler zwischen den beiden betätigte. Aber selbst Arthur konnte nicht verhindern, daß Cerdic sich auf Aelles Kosten an Land bereicherte. Er behielt London und gewann das Themsetal sowie weite, fruchtbare Landstriche nördlich der Themse hinzu. Aelles Königreich schrumpfte um ein Viertel, doch er verfügte immer noch über ein Königreich, und das verdankte er einzig Arthur. Aber er bedankte sich nicht, sondern marschierte, als die Diskussionen beendet waren, schnurstracks zum Raum hinaus und verließ London noch am selben Tag wie ein großer, verwundeter Keiler, der sich in seine Höhle zurückzieht.

Es war Nachmittag, als Aelle abzog. Mit mir als Dolmetscher brachte Arthur nunmehr die Frage des Belgenlandes, das Cerdic im Jahr zuvor an sich gerissen hatte, zur Sprache, und er verlangte die Rückgabe des Landes auch noch, nachdem wir anderen längst aufgegeben hätten. Er drohte nicht, er wiederholte seine Forderung einfach immer wieder, bis Culhwch einschlief, Agricola gähnte und ich es müde war, Cerdics ablehnenden Entgegnungen die Schärfe zu nehmen. Und noch immer stieß Arthur nach. Er spürte, daß Cerdic Zeit brauchte, um die neuen Territorien zu sichern, die er Aelle abgenommen hatte, und drohte, Cerdic keine Ruhe zu lassen, bis die Flußlandschaften zurückgegeben waren. Cerdic konterte, indem er drohte, in London gegen uns zu kämpfen, aber Arthur erklärte schließlich, daß er bei einem solchen Kampf Aelles Hilfe suchen würde, und Cerdic wußte, daß er gegen unsere vereinten Heere nicht ankommen konnte. Es war fast dunkel, als Cerdic endlich nachgab. Er erklärte zähneknirschend, er werde das Problem mit seinem persönlichen Rat besprechen. Also weckten wir Culhwch, verließen den Innenof und traten durch ein kleines Tor in der Flußmauer auf einen Kai hinaus, wo wir zusahen, wie die Themse dunkel vorüberfloß. Die meisten von uns sagten wenig, Meurig jedoch belehrte Arthur gereizt, es sei Zeitverschwendung, unmögliche Forderungen zu stellen; aber als Arthur sich weigerte, mit ihm zu streiten, verstummte auch der Prinz. Sagramor saß mit dem Rücken an der Mauer und strich unaufhörlich mit dem Schleifstein über seine Schwertklinge. Lancelot stand mit den silurischen Druiden ein Stück von uns entfernt: drei hageren, hochgewachsenen, gutaussehenden Männer, die vor lauter Stolz fast steif wirkten. Dinas starrte zu den in Dunkelheit versinkenden Bäumen am anderen Flußufer hinüber, während sein Bruder mir lange, nachdenkliche Blicke zuwarf.

Eine Stunde warteten wir, dann kam Cerdic endlich ans Flußufer herunter. »Meldet Arthur folgendes«, befahl er mir ohne einleitende Worte. »Ich traue keinem von euch, ich mag keinen von euch und wünsche mir nichts sehnlicher, als euch alle zu töten. Aber ich werde ihm die belgischen Ländereien abtreten – unter einer Bedingung: daß Lancelot zum König über dieses Land erhoben wird. Nicht zum Vasallenkönig«, setzte er hinzu, »sondern zum König mit allen Rechten eines unabhängigen Königtums.«

Ich starrte dem Sachsen in die graublauen Augen. Seine Bedingung überraschte mich so sehr, daß ich kein Wort herausbrachte, nicht einmal, um seine Worte zu bestätigen. Es war plötzlich alles so klar: Lancelot hatte einen Handel mit dem Sachsen geschlossen, und Cerdic hatte diese geheime Übereinkunft hinter einem ganzen Nachmittag verächtlicher Ablehnungen versteckt. Dafür hatte ich natürlich keine Beweise, aber ich wußte genau, daß es so war, und als ich den Blick von Cerdic wandte, entdeckte ich, daß Lancelot mich erwartungsvoll ansah. Er sprach kein Sächsisch, aber er wußte genau, was Cerdic soeben zu mir gesagt hatte.

»Sagt es ihm!« befahl mir Cerdic.

Ich übersetzte für Arthur. Agricola und Sagramor spien angewidert aus, und Culhwch ließ ein kurzes, verärgertes Lachen hören, aber Arthur sah mir ein paar Sekunden lang tiefernst in die Augen, bevor er mir resigniert zunickte.

»Einverstanden«, sagte er.

»Ihr werdet diese Stadt bei Tagesanbruch verlassen«, verlangte Cerdic unvermittelt.

»Wir werden in zwei Tagen abziehen«, gab ich zurück, ohne Arthur zu fragen.

»Einverstanden«, sagte Cerdic und wandte sich ab. So schlossen wir Frieden mit den Sachsen.

Es war nicht der Friede, den Arthur sich gewünscht hatte. Er hatte gedacht, wir könnten die Sachsen so sehr schwächen, daß

ihre Schiffe nicht mehr über das Germanische Meer kämen und daß wir in ein bis zwei Jahren den Rest aus Britannien vertrieben haben würden. Aber es herrschte Frieden.

»Das Schicksal ist unerbittlich«, sagte Merlin am folgenden Morgen zu mir. Ich traf ihn in der Mitte des römischen Amphitheaters, wo er den Blick langsam von den nackten Steinbänken wandte, die im Kreis rings um die Arena emporstiegen. Er hatte vier meiner Speerkämpfer mitgenommen, die am Rand der Arena saßen und ihn beobachteten, obwohl sie genausowenig wie ich wußten, was von ihnen verlangt werden würde. »Sucht Ihr immer noch das letzte Kleinod?« fragte ich ihn.

»Es gefällt mir hier wirklich gut«, antwortete er, meine Frage ignorierend. Er wandte sich wieder ab, um die Arena einer weiteren Inspektion zu unterziehen. »Wirklich gut.«

»Ich dachte, Ihr haßt die Römer.«

»Ich? Die Römer hassen?« fragte er mit vorgetäuschter Empörung. »Ich bete darum, Derfel, daß meine Lehren der Nachwelt nicht durch das fehlerhafte Sieb dessen übermittelt werden, was du dein Gehirn zu nennen beliebst. Ich liebe die gesamte Menschheit!« behauptete er großspurig. »Und selbst die Römer sind durchaus akzeptabel, solange sie in Rom bleiben. Ich habe dir erzählt, daß ich einmal in Rom war, nicht wahr? Es wimmelt dort von Priestern und Lustknaben. Sansum würde sich da sofort heimisch fühlen. Nein, Derfel, die Römer haben zwar den Fehler gemacht, zu kommen und alles zu verderben, aber nicht alles, was sie hier getan haben, war schlecht.«

»Sie haben uns das hier hinterlassen«, sagte ich und wies auf die zwölf Sitzreihen sowie den hochgelegenen Balkon, von dem aus die römischen Herren die Vorgänge in der Arena zu beobachten pflegten.

»Ach bitte, erspar mir Arthurs langweilige Vorträge über Straßen, Gerichte, Brücken und Strukturen.« Letzteres spie er fast heraus. »Struktur! Was ist die Struktur von Gesetzen, Straßen und Festungen, wenn nicht ein Zaum? Die Römer haben uns gezähmt, Derfel. Sie haben Steuerzahler aus uns gemacht und gingen dabei so schlau vor, daß wir tatsächlich glaubten, sie täten uns einen Gefallen! Früher einmal wandelten wir mit den Göttern, waren wir ein freies Volk, dann aber haben wir unseren dämlichen Schädel ins Joch der Römer gesteckt und wurden zu Steuerzahlern.«

»Und was haben die Römer dann getan, was so gut war?«

fragte ich ihn geduldig.

Er grinste wölfisch. »Sie haben diese Arena mit Christen vollgestopft, Derfel, und dann die Hunde auf sie gehetzt. In Rom, wohlgemerkt, haben sie es richtig gemacht und Löwen benutzt. Auf lange Sicht haben die Löwen allerdings verloren.«

»Ich hab’ mal ein Bild von einem Löwen gesehen«, berichtete ich voll Stolz.

»Na, das ist ja faszinierend!« sagte Merlin, ohne sein Gähnen zu unterdrücken. »Erzähl mir bitte alles darüber.« Nachdem er mich derart zum Schweigen gebracht hatte, lächelte er. »Ich habe sogar einen lebendigen Löwen gesehen. Es war ein ziemlich unscheinbares, schäbiges Ding. Vermutlich hat man es falsch ernährt. Vielleicht hat man es mit Mithrasjüngern gefüttert statt mit Christen! Das war natürlich in Rom. Ich hab’

ihm mit meinem Stab einen Stoß versetzt, aber der Löwe hat nur gegähnt und sich einen Flohstich gekratzt. Ein Krokodil habe ich da auch gesehen, aber das war tot.«

»Was ist ein Krokodil?«

»Etwas Ähnliches wie Lancelot.«

»König der Belgen«, ergänzte ich bissig.

Merlin lachte. »Das war schlau, meinst du nicht auch? Er hat Siluria gehaßt, und wer kann ihm das verdenken? All diese tristen Leute in ihren langweiligen Tälern. Ganz und gar nicht Lancelots Geschmack. Aber das Belgenland wird ihm gefallen. Da scheint die Sonne, es gibt überall römische Gutshöfe und vor allem ist er nicht weit von seiner lieben Freundin Guinevere entfernt.«

»Ist das wichtig?«

»Sei nicht so phantasielos, Derfel.«

»Ich weiß nicht, was das heißen soll.«

»Es heißt, mein unwissender Krieger, daß Lancelot sich Arthur gegenüber verhält, wie es ihm beliebt. Er nimmt sich, was er will, er tut, was er will, und das alles kann er unbeschadet tun, weil Arthur diese lächerliche Eigenschaft besitzt, die man Gewissen nennt. Darin ist er überaus christlich. Kannst du eine Religion verstehen, die einem Schuldgefühle einflößt? Eine wahrhaft absurde Idee, aber Arthur würde einen sehr guten Christen abgeben. Er glaubt, daß er sich mit einem Eid verpflichtet hat, Benoic zu retten, und als ihm das nicht gelang, hatte er das Gefühl, Lancelot im Stich gelassen zu haben. Und solange das schlechte Gewissen an Arthur nagt, so lange wird Lancelot tun und lassen können, was ihm beliebt.«

»Mit Guinevere auch?« fragte ich, neugierig gemacht durch seine Bemerkung über Lancelot und Guineveres Freundschaft, eine Bemerkung, hinter der mehr als nur eine Andeutung schmutziger Gerüchte steckte.

»Ich erkläre niemals, was ich nicht genau weiß«, entgegnete Merlin von oben herab. »Aber ich nehme an, daß Arthur Guinevere langweilt, und das wundert mich nicht. Sie ist eine kluge Frau und will kluge Menschen um sich haben, aber so sehr wir alle Arthur auch lieben, er ist kein komplizierter Mensch. Die Dinge, die er sich wünscht, sind rührend simpel: Gesetze, Gerechtigkeit, Ordnung, Sauberkeit. Er wünscht sich aufrichtig, daß alle glücklich sind, und das ist schlechthin unmöglich. Guinevere ist nicht annähernd so simpel. Du natürlich schon.«

Ich ignorierte diese Beleidigung. »Und was wünscht sich Guinevere?«

»Daß Arthur König von Dumnonia wird, natürlich, und daß

sie die eigentliche Herrscherin von Britannien wird, indem sie ihn beherrscht. Aber bis das geschieht, Derfel, wird sie sich so gut wie möglich amüsieren.« Er blickte ein wenig boshaft drein

– offenbar war ihm etwas eingefallen. »Wenn Lancelot König der Belgen wird«, sagte er vergnügt, »wirst du schon sehr bald erleben, daß Guinevere erklärt, sie wolle ihren neuen Palast in Lindinis nun doch nicht mehr. Dann wird sie sich etwas suchen, was näher bei Venta liegt. Warte nur ab, du wirst sehen, daß ich recht behalte.« Bei dieser Vorstellung kicherte er. »Sie waren beide ja so schlau«, setzte er bewundernd hinzu.

»Guinevere und Lancelot?«

»Sei nicht so beschränkt, Derfel! Wer, in aller Welt, hat von Guinevere geredet? Ich meine natürlich Cerdic und Lancelot. Das war ein äußerst gerissenes Stück Diplomatie. Arthur übernimmt das Kämpfen, Aelle gibt den größten Teil seines Landes auf, Lancelot schnappt sich ein weit angenehmeres Königreich, und Cerdic verdoppelt die eigene Macht und erhält als Nachbar an der Küste Lancelot statt Arthur. Klug eingefädelt! Wie gut es die Bösen doch immer treffen! Das gefällt mir.« Er lächelte. Dann wandte er sich um, weil aus einem der beiden Tunnel, die unter den Bänken hindurch in die Arena führten, Nimue auftauchte. Mit aufgeregter Miene eilte sie über den überwucherten Rasen. Ihr goldenes Auge, vor dem sich die Sachsen so sehr fürchteten, glänzte in der Morgensonne.

»Derfel!« rief sie. »Was macht Ihr mit dem Stierblut?«

»Bring ihn nicht durcheinander«, warnte Merlin. »Er ist heute vormittag noch dümmer als sonst.«

»Bei Mithras«, fuhr sie aufgeregt fort. »Was macht Ihr da mit dem Blut?«

»Gar nichts«, antwortete ich bestürzt.

»Sie mischen es mit Hafer und Fett«, sagte Merlin, »und machen Pudding davon.«

»Sag’s mir!« verlangte Nimue.

»Das ist geheim«, erklärte ich verlegen.

Merlin lachte höhnisch. »Geheim? Geheim? ›O großer Mithras!‹« donnerte er mit einer Stimme, die von den aufsteigenden Bankreihen widerhallte, »›der sein Schwert an den Berggipfeln schärft, dessen Speerspitze in den Tiefen des Ozeans geschmiedet wurde, und dessen Schild die hellsten Sterne überstrahlt, höre uns an!‹ Soll ich weitermachen, mein lieber Junge?« fragte er mich. Er hatte die Anrufung zitiert, mit der wir unsere Versammlungen einleiteten und die eigentlich zu unseren geheimen Ritualen gehörte. Verächtlich wandte er sich von mir ab. »Sie haben eine Grube, liebe Nimue«, erklärte er, »die mit einem Eisenrost abgedeckt ist. Das arme Tier ergießt sein Leben in die Grube, sie tauchen alle ihre Speere in das Blut, betrinken sich und sind überzeugt, etwas Bedeutendes geleistet zu haben.«

»Das dachte ich mir«, sagte Nimue. Dann lächelte sie. »Es gibt keine Grube.«

»Ach, mein liebes Mädchen!« sagte Merlin bewundernd.

»Mein liebes Mädchen! Auf! An die Arbeit!« Er eilte davon.

»Wo wollt Ihr hin?« rief ich ihm nach, aber er wedelte nur mit der Hand, während er weiterlief und meine

herumlungernden Speerkämpfer zu sich winkte. Ich folgte ihm dennoch, und er machte keine Anstalten, mich daran zu hindern. Wir gingen durch den Tunnel und gelangten auf eine jener seltsamen Straßen mit hohen Gebäuden hinaus. Dann wandten wir uns westwärts zu der großen Festung, welche die nordwestliche Bastion der Stadtmauer bildete. Unmittelbar neben dem Fort, direkt an der Stadtmauer, lag ein Tempel. Ich folgte Merlin hinein.

Es war ein wunderschönes Gebäude, langgestreckt, dunkel, schmal und hoch. Die bemalte Decke wurde von einer Doppelreihe von je sieben Säulen getragen. Der Schrein wurde jetzt offenbar als Speicher benutzt, denn auf einer Seite des Mittelgangs türmten sich Wollballen und Lederhäute; doch einige Anhänger schienen noch immer hier zu beten, denn an einem Ende des Gebäudes stand eine Statue des Mithras mit seiner seltsamen weichen Mütze, und vor den kanellierten Säulen waren kleinere Statuen aufgestellt. Ich nahm an, daß

jene, die hier beteten, Nachkommen der römischen Siedler waren, die in Britannien geblieben waren, als die Legionen abzogen, und wie es schien, hatten sie die meisten Götter ihrer Vorfahren, darunter auch Mithras, inzwischen aufgegeben, denn die kleinen Opfergaben, die aus Blumen, Lebensmitteln und erloschenen Binsenfackeln bestanden, lagen nur vor drei Götterbildern. Zwei davon waren elegant geschnitzte römische Götter, aber das dritte war britannisch: ein glatter, phallischer Stumpf aus Stein mit einer brutalen, glotzäugigen Fratze im oberen Teil. Nur diese Statue war mit altem, getrocknetem Blut bedeckt, während die einzige Opfergabe vor der Mithrasstatue jenes Sachsenschwert war, das Sagramor zum Dank für Mallas Rückkehr hierhergebracht hatte. Draußen schien die Sonne, doch das einzige Licht im Tempel fiel durch ein großes Loch im Dach, wo es keine Ziegel mehr gab. Im Tempel hätte es eigentlich dunkel sein müssen, denn Mithras war in einer Höhle geboren, und wir beteten im Dunkel einer Höhle zu ihm. Merlin stieß seinen Stab immer wieder auf die Fliesen des Tempelbodens und entschied sich schließlich für eine Stelle am Ende des Schiffs, unmittelbar unterhalb der Mithrasstatue.

»Taucht ihr hier eure Speere ein, Derfel?« fragte er mich. Ich trat in jenen Seitengang, in dem die Felle und Wollballen gestapelt waren. »Hier«, verkündete ich, indem ich auf eine flache Vertiefung wies, die halb unter einem der Stapel verborgen war.

»Mach dich nicht lächerlich!« fuhr Merlin mich an. »Das hat irgend jemand später gemacht! Glaubst du wirklich, du müßtest die Geheimnisse deiner armseligen Religion schützen?«

Wieder stieß er den Stab auf den Boden neben der Statue. Dann versuchte er es an einer wenige Fuß entfernten Stelle und entschied, daß die beiden Stellen unterschiedlich klangen, also klopfte er ein drittes Mal zu Füßen der Statue. »Hier graben!«

befahl er meinen Speerkämpfern.

Bei diesem Sakrileg lief es mir kalt über den Rücken. »Sie dürfte nicht hier sein, Lord.« Ich deutete auf Nimue.

»Noch ein einziges Wort von dir, Derfel, und ich werde dich in einen lahmen Igel verwandeln. Hebt die Steine auf!« fuhr er meine Männer an. »Setzt eure Speere als Hebel ein, ihr Dummköpfe. Los doch! Packt an!«

Ich hockte neben dem britannischen Götterbild, schloß die Augen und betete zu Mithras, er möge mir das Sakrileg vergeben. Dann betete ich, daß Ceinwyn in Sicherheit und das Kind in ihrem Leib noch am Leben sein möge, und während ich noch für mein ungeborenes Kind betete, wurde scharrend die Tempeltür aufgestoßen, und schwere Stiefel hallten auf dem Steinboden. Als ich die Augen öffnete und mich umwandte, sah ich, daß Cerdic den Tempel betreten hatte. Er war mit zwanzig Speerkämpfern gekommen, mit seinem Dolmetscher und, weit überraschender, mit Dinas und Lavaine. Während der Sachsenkönig langsam den Mittelgang entlangschritt, rappelte ich mich auf und berührte meinen Glücksbringer, die Knochen in Hywelbanes Griff. »Dies ist meine Stadt«, verkündete Cerdic leise, »und alles innerhalb ihrer Mauern gehört mir.« Eine Weile starrte er Merlin und Nimue an, dann blickte er zu mir herüber. »Sagt ihnen, sie sollen erklären, was sie hier tun«, befahl er mir.

»Sag dem Idioten, er soll abziehen und sich den Kopf in einem Eimer abkühlen«, fuhr Merlin mich an. Er sprach gut Sächsisch, zog es aber vor, so zu tun, als verstehe er kein Wort.

»Das da ist sein Dolmetscher, Lord«, warnte ich Merlin und zeigte auf den Mann neben Cerdic.

»Dann kann ja er dem König sagen, er soll sich den Kopf in einem Eimer abkühlen«, schlug Merlin vor.

Das tat der Übersetzer, und auf Cerdics Gesicht flammte ein gefährliches Lächeln auf.

»Lord König«, begann ich in dem Versuch, den Schaden, den Merlin angerichtet hatte, ungeschehen zu machen, »mein Lord Merlin möchte nur den Tempel wiederherstellen.«

Cerdic dachte über diese Behauptung nach, während er sich unsere Arbeit ansah. Meine vier Speerkämpfer hatten die Pflastersteine hochgehebelt und eine feste Schicht Sand und Schotter freigelegt. Sie waren gerade dabei, diese Schicht herauszuschaufeln. Darunter wurde eine Plattform aus geteertem Holz sichtbar. Der König starrte in die Grube und bedeutete meinen Männern, sie sollten weitermachen. »Aber wenn Ihr Gold findet«, sagte er zu mir, »so ist es meins.« Ich begann für Merlin zu übersetzen, doch Cerdic unterbrach mich mit einer Geste. »Er spricht unsere Sprache«, sagte er und sah Merlin an. »Sie haben es mir erzählt«, fügte er mit einer Kopfbewegung in Richtung der silurischen Druiden hinzu. Ich schaute die üblen Zwillinge an, dann wieder Cerdic. »Ihr pflegt einen seltsamen Umgang, Lord König«, meinte ich.

»Auch nicht seltsamer als Ihr«, gab Cerdic mit einem Blick auf Nimue und ihr goldenes Auge zurück. Die nahm ihr Auge heraus und ließ ihn den furchtbaren Anblick der leeren Höhle spüren, aber Cerdic machte sich nichts aus dieser Drohung. Statt dessen bat er mich, ihm zu erzählen, was ich über die verschiedenen Gottheiten im Tempel wußte. Ich entsprach seinem Wunsch, so gut ich konnte, aber es war recht offensichtlich, daß es ihn gar nicht interessierte. Er schaute Merlin an und fiel mir ins Wort. »Wo ist der Kessel, Merlin?«

wollte er wissen.

Merlin warf den Druidenzwillingen einen mörderischen Blick zu und spie auf den Boden. »Verborgen«, bellte er. Die Antwort schien Cerdic nicht weiter zu überraschen. Er schlenderte an der Grube vorbei und hob das Sachsenschwert auf, das Sagramor Mithras geopfert hatte. Prüfend ließ er die Klinge durch die Luft sausen und schien zufrieden festzustellen, wie gut sie in der Hand lag. »Dieser Kessel«, fragte er Merlin, »besitzt er große Macht?«

Da Merlin schwieg, antwortete ich an seiner Statt. »So sagt man, Lord König.«

»Genug Macht, um Britannien von uns Sachsen zu

befreien?«

Cerdic starrte mich mit seinen blassen Augen an.

»Darum beten wir, Lord König«, gab ich zurück.

Dies entlockte ihm ein Lächeln. Er wandte sich wieder an Merlin. »Was verlangt Ihr für den Kessel, alter Mann?«

Merlin warf ihm einen wütenden Blick zu. »Eure Leber, Cerdic.«

Cerdic trat dicht an Merlin heran und starrte dem Druiden direkt in die Augen. Ich entdeckte keinerlei Furcht in Cerdic. Merlins Götter waren nicht die seinen. Aelle mochte sich vor Merlin fürchten, aber Cerdic hatte noch nie unter der Magie des Druiden leiden müssen, deswegen war Merlin für Cerdic nichts weiter als ein alter, britannischer Priester mit einem viel zu hoch bewerteten Ruf. Plötzlich streckte er die Hand aus und packte einen der schwarz umwickelten Zöpfe von Merlins Bart.

»Ich biete Euch einen hohen Goldpreis, alter Mann«, sagte er.

»Ich habe meinen Preis genannt«, antwortete Merlin. Er wollte von Cerdic zurücktreten, aber der König packte den Bartzopf des Druiden noch fester.

»Ich werde Euch Euer Gewicht in Gold zahlen«, sagte Cerdic.

»Eure Leber«, verlangte Merlin statt dessen.

Cerdic hob die Sachsenklinge, begann mit der Schneide schnell zu sägen und trennte so den Bartzopf ab. Dann trat er zurück. »Spielt nur mit Eurem Kessel, Merlin von Avalon«, sagte er und warf das Schwert beiseite, »doch eines Tages werde ich Eure Leber darin kochen und sie meinen Hunden vorwerfen.«

Mit schneeweißem Gesicht starrte Nimue den König an. Merlin war zu schockiert, um sich rühren oder ein Wort herausbringen zu können, während meine vier Speerkämpfer nur dastanden und glotzten. »Macht weiter, ihr Dummköpfe!«

fuhr ich sie an. »An die Arbeit!« Ich war zutiefst erschüttert. Noch nie hatte ich gesehen, daß Merlin gedemütigt wurde, und hatte es auch nie sehen wollen. Ja, nicht mal für möglich gehalten hätte ich es.

Merlin rieb sich den verstümmelten Bart. »Eines Tages, Lord König«, sagte er ruhig, »werde ich mich dafür rächen.«

Cerdic zuckte die Achseln über diese schwächliche Drohung und kehrte zu seinen Männern zurück. Den abgeschnittenen Bartzopf gab er Dinas, der sich dankend dafür verneigte. Ich spie aus, denn mir war klar, daß die beiden Silurier von jetzt an sehr viel Böses bewirken konnten. Es gab wenig, was bei der Zusammenstellung eines Zauberfluchs so wirkungsvoll war wie die abgeschnittenen Haare oder Nägel eines Feindes; und um zu verhindern, daß diese Dinge in böswillige Hände fallen, sorgen wir alle gewissenhaft dafür, daß sie verbrannt werden. Mit einer Haarlocke kann selbst ein Kind Böses bewirken.

»Soll ich Euch den Zopf zurückholen, Lord?« fragte ich Merlin.

»Sei nicht albern, Derfel«, antwortete er müde und wies auf Cerdics zwanzig Speerkämpfer. »Glaubst du, du könntest sie alle töten?« Er schüttelte den Kopf; dann lächelte er Nimue zu.

»Siehst du, wie weit wir hier von unseren Göttern entfernt sind?« sagte er, um seine Hilflosigkeit zu erklären.

»Grabt!« fauchte Nimue meine Männer an, obwohl das Graben inzwischen erledigt war und sie versuchten, den ersten der dicken Holzbalken hochzustemmen. Cerdic, der offensichtlich in den Tempel gekommen war, weil Dinas und Lavaine ihm erzählt hatten, Merlin suche nach einem Schatz, befahl dreien seiner eigenen Speerkämpfer, den meinen zu helfen. Die drei sprangen in die Grube, rammten ihre Speere unter den Rand des Balkens und drückten ihn langsam, ganz langsam hoch, bis meine Männer ihn packen und herausziehen konnten.

Bei der Grube handelte es sich um die Blutgrube der Mithrasjünger, den Ort, an dem das Leben des sterbenden Stiers in Mutter Erde versickerte, doch irgendwann war diese Grube geschickt mit Holz, Sand, Kies und Stein getarnt worden. »Das geschah«, erklärte mir Merlin außer Hörweite von Cerdics Leuten, »als die Römer abzogen.« Wieder rieb er sich den Bart.

»Lord«, begann ich unbeholfen, bedrückt von der Demütigung, die ihm widerfahren war.

»Keine Sorge, Derfel.« Beruhigend berührte er meine Schulter. »Meinst du, ich sollte Feuer von den Göttern herabbefehlen? Bewirken, daß sich die Erde auftut und ihn verschlingt? Eine Schlange aus der Geisterwelt

hierherkommandieren?«

»Ja, Lord«, antwortete ich voller Elend.

Mit noch leiserer Stimme sagte er: »Magie befiehlt man nicht herbei, Derfel, man benutzt sie, und hier gibt es keine, die man benutzen könnte. Deswegen brauchen wir die Kleinodien. An Samhain, Derfel, werde ich die Kleinodien zusammenholen und den Kessel aufdecken. Wir werden Feuer entzünden, und dann einen Zauber wirken, der den Himmel kreischen und die Erde stöhnen läßt. Das verspreche ich dir. Mein ganzes Leben habe ich diesem Moment gewidmet, und er wird die Magie nach Britannien zurückbringen.« Er lehnte sich an die Säule und strich sich die Stelle, an der sein Bart abgeschnitten worden war. »Unsere Freunde aus Siluria«, sagte er, zu den schwarzbärtigen Zwillingen hinüberblickend, »glauben anscheinend, sie könnten mich herausfordern, aber der gestohlene Zopf vom Bart eines alten Mannes ist nichts gegen die große Macht des Kessels, Derfel. Der abgeschnittene Zopf kann nur mir allein schaden, aber der Kessel wird ganz Britannien erschüttern, und diese beiden Hochstapler werden auf den Knien gekrochen kommen und um Gnade winseln. Aber bis dahin, Derfel, bis dahin mußt du zusehen, wie unsere Feinde erfolgreich sind. Die Götter ziehen sich immer weiter zurück. Sie werden schwach, und wir, die wir sie lieben, werden ebenfalls schwach, aber das wird nicht immer so sein. Wir werden sie zurückrufen, und die Magie, die in Britannien jetzt so schwach ist, wird so stark und dicht sein wie jener Nebel auf Ynys Mon.« Wieder berührte er meine verletzte Schulter. »Das verspreche ich dir.«

Cerdic beobachtete uns. Zwar konnte er uns nicht hören, doch seine Miene verriet Belustigung. »Er wird sich das nehmen, was in dieser Grube liegt, Lord«, murmelte ich.

»Ich bete darum, daß er seinen Wert nicht erkennt«, gab Merlin leise zurück.

»Die beiden werden ihn erkennen, Lord«, sagte ich mit einem Blick auf die beiden weißgekleideten Druiden.

»Das sind Verräter und Schlangen«, zischelte mir Merlin leise zu, während er Dinas und Lavaine beobachtete, die jetzt näher an die Grube herangetreten waren. »Aber selbst, wenn sie behalten, was wir hier finden, werde ich immer noch elf der dreizehn Kleinodien besitzen, Derfel, und ich weiß, wo das zwölfte zu finden ist. Seit tausend Jahren hat kein Mensch in Britannien eine so große Macht auf sich vereint.« Er stützte sich auf seinen Stab. »Dieser König wird leiden müssen, das versichere ich dir.«

Der letzte Holzbalken wurde aus dem Loch geholt und donnernd auf die Bodenfliesen geworfen. Die schwitzenden Speerkämpfer wichen zurück, während Cerdic und die silurischen Druiden langsam vortraten und in die Grube blickten. Cerdic schaute ziemlich lange hinab. Dann begann er laut zu lachen. Sein Lachen hallte von der hohen, bemalten Decke wider und lockte seine Speerkämpfer an den Rand der Grube, wo sie in sein Lachen einstimmten. »Feinde, die so großen Glauben in schlichten Müll setzen, gefallen mir«, sagte Cerdic. Damit stieß er seine Speerkämpfer beiseite und winkte uns zu sich. »Kommt her und seht, was Ihr entdeckt habt, Merlin von Avalon.«

Mit Merlin trat ich an den Rand der Grube. Was ich dort sah, war ein Durcheinander von altem, dunklem, nassem Holz, ein wirrer Haufen Zunder, teils verfault aufgrund der Feuchtigkeit, die in eine Ecke der gepflasterten Grube gesickert war, und im übrigen so alt und zerbrechlich, daß er innerhalb von Sekunden aufgeflammt und zu Asche verbrannt wäre. »Was ist das?«

fragte ich Merlin.

»Wie es scheint«, antwortete Merlin mir auf sächsisch,

»haben wir am falschen Platz gesucht. Kommt mit«, sagte er wieder auf britannisch, während er meine Schulter berührte.

»Ich habe nur unsere Zeit verschwendet.«

»Aber nicht die unsere«, sagte Dinas rauh.

»Ich sehe ein Rad«, erklärte Lavaine.

Langsam wandte sich Merlin zurück. Sein Gesicht wirkte verwüstet. Er hatte versucht, Cerdic und die silurischen Zwillinge irrezuführen, und seine Täuschung war gescheitert.

»Zwei Räder«, sagte Dinas.

»Und eine Deichsel«, setzte Lavaine hinzu. »In drei Teile zerschnitten.«

Wieder starrte ich auf das schmutzige Durcheinander, und wieder sah ich nichts als Holzreste. Auf einmal entdeckte ich jedoch, daß einige Teile gebogen waren, und daß man, wenn man die gebogenen Teile ineinanderfügte und sie mit den vielen kurzen Stäben verband, tatsächlich zwei Räder erhielt. Unter den Trümmern der Räder lagen einige dünne Platten und ein langer Schaft, so dick wie mein Handgelenk, aber so lang, daß er in drei Stücke zerbrochen worden war, damit er in die Grube paßte. Außerdem war ein Achsgelenk zu erkennen, mit einem Schlitz in der Mitte, in das eine lange Messerklinge paßte. Dieser Holzhaufen war das, was von einem kleinen, antiken Streitwagen übriggeblieben war, einem Wagen, wie er einst Britanniens Krieger in die Schlacht getragen hatte.

»Modrons Streitwagen«, sagte Dinas ehrfürchtig.

»Modron«, sagte Lavaine, »die Mutter der Götter.«

»Deren Streitwagen«, ergänzte Dinas, »Himmel und Erde verbindet.«

»Und Merlin will ihn nicht«, sagte Dinas verächtlich.

»Dann werden wir eben den Streitwagen mitnehmen«, verkündete Lavaine.

Cerdics Dolmetscher hatte nach besten Kräften versucht, dies alles seinem König verständlich zu machen, doch Cerdic ließ

sich offensichtlich von diesem traurigen Haufen zerbrochener und faulender Holzstücke nicht beeindrucken. Dennoch befahl er seinen Speerkämpfern, die Bruchstücke einzusammeln und in einen Umhang zu packen, den Lavaine zusammenraffte. Nimue zischte ihnen einen Fluch entgegen, Lavaine aber lachte sie einfach aus. »Wollt Ihr mit uns um den Streitwagen kämpfen?« fragte er mit einer Handbewegung zu Cerdics Speerkämpfern hinüber.

»Ihr könnt Euch nicht ewig hinter den Sachsen verstecken«, sagte ich. »Es wird die Zeit kommen, da Ihr kämpfen müßt.«

Dinas spie in die leere Grube. »Wir sind Druiden, Derfel. Ihr könnt uns nicht einfach das Leben nehmen, ohne Eure eigene Seele und jede Seele, die Ihr liebt, zu ewigem Schrecken zu verdammen.«

»Ich kann Euch töten!« Nimue spie sie an.

Dinas starrte sie an und streckte ihr dann die Faust entgegen. Nimue spie auf die Faust, um das Böse darin abzuwenden, aber Dinas drehte sie nur um, öffnete sie und zeigte ihr ein Drosselei. Er warf es ihr zu. »Damit könnt Ihr Eure Augenhöhle füllen, Weib!« sagte er verächtlich, wandte sich ab und folgte seinem Bruder und Cerdic zum Tempel hinaus.

»Es tut mir leid, Lord«, sagte ich zu Merlin, als wir allein waren.

»Was tut dir leid, Derfel?« gab er zurück. »Glaubst du etwa, du hättest zwanzig Speerkämpfer besiegen können?« Seufzend rieb er sich den gestutzten Bart. »Siehst du, wie sich die Mächte der neuen Götter wehren? Aber solange wir den Kessel besitzen, besitzen wir die Macht. Komm mit!« Er streckte den Arm nach Nimue aus – nicht um bei ihr Trost zu finden, sondern weil er sie als Stütze brauchte. Als er mit ihr den Mittelgang entlangging, wirkte er auf einmal sehr alt und müde.

»Was sollen wir tun, Lord?« fragte mich einer meiner Speerkämpfer.

»Macht euch bereit, wir gehen«, gab ich zurück. Ich beobachtete Merlins gebeugten Rücken. Der Verlust seines Bartzopfes, dachte ich, ist eine größere Tragödie für ihn, als er zugeben will. Aber ich tröstete mich damit, daß er noch immer den Kessel von Clyddno Eiddyn besaß. Seine Macht war immer noch groß, aber in diesem gebeugten Rücken und den schlurfenden Schritten lag etwas unendlich Trauriges. »Wir gehen«, sagte ich abermals.

Am folgenden Tag marschierten wir ab. Zwar waren wir noch immer hungrig, aber wir gingen nach Hause. Und hatten –

wenigstens annähernd – Frieden geschaffen.

Unmittelbar nördlich des zu Ruinen zerfallenen Calleva, auf einem Territorium, das früher Aelle gehört hatte und nunmehr wieder uns gehörte, fanden wir den Tribut. Aelle hatte sich an die Abmachung gehalten.

Kein einziger Posten hielt dort Wache, wo am Wegrand Berge von Gold auf uns warteten: Becher, Kreuze, Ketten, Barren, Broschen und Torques. Wir hatten keine Möglichkeit, das Gold zu wiegen, und sowohl Arthur als auch Cuneglas argwöhnten, daß nicht der ganze Tribut bezahlt worden war, auf den man sich geeinigt hatte. Aber es war genug. Es war ein Schatz.

Wir packten das Gold in Mäntel, legten die schweren Bündel auf die Rücken der Schlachtrösser und zogen weiter. Arthur ging mit uns, und je mehr wir uns der Heimat näherten, desto besser wurde seine Laune, obwohl die Enttäuschung noch immer zu spüren war. »Erinnert Ihr Euch an den Eid, den ich hier in der Nähe geschworen habe?« fragte er mich, kurz nachdem wir Aelles Gold eingesammelt hatten.

»Ich erinnere mich, Lord.« Der Eid war in der Nacht geschworen worden, nachdem wir Aelle im vergangenen Jahr eine große Menge ebendieses Goldes übergeben hatten. Mit dem Gold hatten wir Aelle damals bestochen, damit er sich von unserer Grenze zurückzog und sich auf Ratae stürzte, die Festung von Powys. Arthur hatte in jener Nacht geschworen, daß er Aelle töten werde. »Statt dessen unterstütze ich ihn jetzt«, sagte er wehmütig.

»Cuneglas hat Ratae zurückerhalten«, wandte ich ein.

»Aber der Schwur ist nicht gehalten worden, Derfel. So viele gebrochene Eide.« Er spähte zu einem Sperber empor, der vor einer weißen Wolkenwand einhersegelte. »Ich habe Cuneglas und Meurig vorgeschlagen, sich Siluria zu teilen, und Cuneglas meinte, Ihr könntet König seines Anteils werden. Wäre Euch das recht?«

Ich war so verblüfft, daß ich kaum antworten konnte. »Wenn Ihr es wünscht, Lord«, brachte ich schließlich heraus.

»Nun, eigentlich nicht. Ich möchte, daß Ihr Mordreds Vormund werdet.«

Mit dieser Enttäuschung im Herzen legte ich einige Schritte zurück. »Es könnte sein, daß es Siluria nicht gefällt, geteilt zu sein«, wandte ich ein.

»Siluria wird tun, was ihm befohlen wird«, entgegnete Arthur energisch. »Und Ihr werdet mit Ceinwyn in Mordreds Palast in Dumnonia leben.«

»Wenn Ihr es so wollt, Lord.« Plötzlich hatte ich gar keine Lust, Cwm Isafs bescheidene Freuden aufzugeben.

»Kopf hoch, Derfel«, sagte Arthur. »Ich bin kein König, warum also solltet Ihr einer sein?«

»Ich bedaure nicht den Verlust eines Königreichs, Lord, sondern den Einzug eines Königs in meinem Haus.«

»Ihr werdet schon mit ihm fertig werden, Derfel. Ihr werdet stets mit allem fertig.«

Am Tag darauf teilten wir das Heer. Sagramor hatte unsere Reihen bereits verlassen, um mit seinen Speerkämpfern die neue Grenze zu Cerdics Königreich zu schützen, und nun schlugen wir übrigen getrennte Wege ein: Arthur, Merlin, Tristan und Lancelot zogen nach Süden, während Cuneglas und Meurig westwärts in ihre Heimat zurückkehrten. Ich umarmte Arthur und Tristan und kniete vor Merlin nieder, um ihn um seinen Segen zu bitten, den er mir gnädig erteilte. Er selbst hatte während des Rückmarschs ein wenig von seiner alten Kraft zurückgewonnen, konnte jedoch die Tatsache nicht verbergen, daß ihn die Demütigung im Mithrastempel hart getroffen hatte. Er mochte zwar noch den Kessel besitzen, doch seine Feinde besaßen einen Zopf aus seinem Bart. Er würde seine gesamte Magie aufbieten müssen, um ihre Zaubersprüche abwehren zu können. Er umarmte mich, ich küßte Nimue, dann sah ich ihnen traurig nach, bevor ich Cuneglas nach Westen folgte. Ich wollte nach Powys, um meine Ceinwyn wiederzusehen, und brachte sogar einen Anteil von Aelles Gold mit nach Hause, doch als Triumph vermochte ich dies nicht zu empfinden. Wir hatten Aelle besiegt und den Frieden gesichert, die eigentlichen Sieger dieses Feldzugs aber waren Cerdic und Lancelot. Nicht wir.

In jener Nacht rasteten wir in Corinium, doch leider störte ein Mitternachtsgewitter meine Nachtruhe. Das Unwetter tobte weit unten im Süden, aber der ferne Donner war so heftig, und die Blitze, die an den Wänden des Innenhofs flackerten, in dem ich schlief, waren so grell, daß ich von ihnen geweckt wurde. Ailleann, Arthurs ehemalige Geliebte und die Mutter seiner Zwillinge, die mir Unterkunft geboten hatte, kam mit besorgter Miene aus ihrem Schlafgemach. Ich wickelte mich in meinen Mantel und ging mit ihr zum Stadtwall, wo ich die Hälfte meiner Männer antraf, die ebenfalls den fernen Aufruhr beobachteten. Auch Cuneglas und Agricola standen auf den Wällen, nur Meurig nicht, denn er weigerte sich, dem Wetter irgendeine Vorbedeutung zuzumessen.

Wir wußten es jedoch besser. Gewitter sind Botschaften der Götter, und dieses Gewitter war ein gewaltiger Ausbruch. Kein Regentropfen fiel in Corinium, und keine Sturmböen blähten unsere Mäntel, aber weit entfernt im Süden, irgendwo in Dumnonia, geißelten die Götter das Land. Blitze rissen die Dunkelheit aus dem Himmel und stießen ihre gezackten Dolche in die Erde. Donner rollte unaufhörlich, Schlag um Schlag, und bei jedem nachhallenden Ausbruch flackerten die Blitze, blendeten uns und spien ihr gezacktes Licht durch die erschauernde Nacht.

Issa stand dicht neben mir. Die fernen Feuerkeile beleuchteten sein ehrliches Gesicht. »Ist jemand gestorben?«

»Das wissen wir nicht, Issa.«

»Sind wir verflucht, Lord?« fragte er mich.

»Nein«, antwortete ich mit einer Zuversicht, die ich nicht unbedingt empfand.

»Aber ich habe gehört, daß Merlin der Bart abgeschnitten wurde.«

»Nur ein paar Haare«, entgegnete ich wegwerfend, »mehr nicht. Warum fragst du?«

»Wenn Merlin keine Macht besitzt, Lord, wer dann?«

»Merlin besitzt Macht«, suchte ich ihn zu beruhigen. Und ich besaß ebenfalls Macht, denn bald würde ich Mordreds Champion sein und auf einem großen Landgut wohnen. Ich würde den Knaben selbst formen, während Arthur das Königreich des Knaben formen würde.

Dennoch machte ich mir Sorgen wegen des Donners. Und ich hätte mir noch größere Sorgen gemacht, wenn ich gewußt hätte, was er bedeutete. Denn in jener Nacht war tatsächlich Unglück über uns gekommen. Zwar hörten wir erst drei Tage später davon, dann aber wurde uns endlich bewußt, warum der Donner gesprochen und der Blitz zugeschlagen hatte. Er hatte auf dem Tor eingeschlagen, in Merlins Halle, wo die Winde um seinen hohlen Traumturm tosten. Dort hatte der Blitz in unserer Stunde des Sieges den hölzernen Turm in Brand gesteckt, und die Flammen hatten bis in die Nacht hinein gelodert, gesengt und geheult. Und als die Glut am frühen Morgen vom Regen des abziehenden Gewitters bespritzt und gelöscht worden war, gab es in Ynys Wydryn keine Kleinodien mehr. Es gab keinen Kessel mehr in der Asche, nur einen leeren, unausgefüllten Raum in Dumnonias brandvernarbtem Herzen.

Die neuen Götter schienen zurückzuschlagen. Oder die silurischen Zwillinge hatten mit Hilfe des abgeschnittenen Zopfes aus Merlins Bart einen mächtigen Zauber gewirkt, denn der Kessel war verschwunden, und mit ihm alle Kleinodien. Ich zog gen Norden, zu meiner Ceinwyn.