Kapitel 18

Ein paar Tage später verabschiedete sich Nip. Er ritt den unscheinbarsten Klepper, der in den Ställen der Harfnerhalle zu finden war.

»Laufen kann ich noch nicht, ich muss meine Zehen schonen«, erklärte er. Außerdem trug er neue Kleidung, die Silvina ihm besorgt hatte. Mit Sicherheit stammten die Sachen von einem Lehrling, der aus ihnen herausgewachsen war.

Mit vereinten Kräften drängten Silvina und Robinton ihm eine Pelzdecke auf, für den Fall, dass er einmal kein Quartier fand und im Freien biwakieren musste.

»Im Norden gibt es viele Menschen, die kein Dach über dem Kopf haben«, sinnierte Nip und streichelte andächtig den schönen Pelz. »Nach ein paar Nächten auf dem blanken Erdboden, sieht die Decke nicht mehr so fein aus.«

Nip meldete sich in unregelmäßigen Abständen. Fax machte lange nicht mehr mit irgendeinem dreisten Bubenstück von sich reden, und man dachte immer weniger an ihn. Was immer sich in seinen sechs Burgen abspielen mochte, drang nicht nach draußen, und die Wachsamkeit seiner Nachbarn ließ nach.

Robinton wusste nicht, woher Nip seine Informationen hatte, aber der pfiffige Kurier behauptete, Fax hätte mit Problemen innerhalb seiner sechs Burgen zu kämpfen. Alles Mögliche passierte. Mal stürzte eine höchst ergiebige Mine ein, mehrere große Trawler seiner Fischereiflotte kehrten nach einem Orkan nicht zurück.

Wertvolles Holz, das zum Ablagern gestapelt war, brannte ab, und Baumstämme, die flussabwärts zu den Sägemühlen trieben, kamen zerborsten und zersplittert an. Mehltau vernichtete seine Ernten.

Fax' Männer mussten sich um diese kleinen und großen Katastrophen kümmern, die aufgrund höherer Gewalt einzutreten schienen, jedenfalls ließ sich nie ein Schuldiger finden. Angeblich rebellierten die völlig überarbeiteten Pächter, doch diese Aufstände erstickte Fax im Keim. Die Übeltäter schickte er in die Minen, deren Familien warf er aus ihren Häusern. Aber die Brutalität, mit der seine Waffenknechte vorgingen, forderte auch Opfer in den eigenen Reihen. Es kam nicht selten vor, dass ein besonders grausamer Hauptmann oder Aufseher in einen Kampf verwickelt und getötet wurde.

Im Laufe der nächsten Planetenumdrehungen erlahmte sogar Groghes Aufmerksamkeit, obwohl er seine Grenzen weiterhin gut bewachen ließ. Tarathel starb – eines natürlichen Todes, wie Robinton vom Heiler der Burg Telgar erfuhr.

»Er hatte ein schwaches Herz, Meisterharfner«, erklärte der Heiler. »Ich selbst habe ihn behandelt. Er hat sich nie verziehen, dass der Weyrführer auf seinem Territorium zu Tode kam, während er dort als Gast weilte.«

Nach nur einstündiger Beratung bestimmte das Konklave Larad zum neuen Burgherrn. Larad war erst fünfzehn Planetenumdrehungen alt, und man suchte für ihn geeignete Mentoren aus. Schließlich entschied man sich für Vendross und den Harfner Falawny, einen ausgezeichneten Lehrer, den Robinton gut kannte.

Es gab einigen Wirbel, als Thella, Larads ältere Halbschwester, vor das Konklave trat und die Herrschaft der Burg für sich beanspruchte. Lord Tesner von Igen, der älteste der Burgherren, fand ihr Ansinnen unverschämt und ließ sie hinauswerfen. Die anderen Burgherren und Meister stimmten mit Tesner voll überein.

Während der anschließenden Feier hielt Robinton nach Thella Ausschau. Er wollte die Frau sehen, die den Mut besessen hatte, aufgrund ihres Geblüts Erbansprüche geltend zu machen, doch sie ließ sich nicht blicken. Später fragte er sich oft, was aus ihr geworden sein mochte, denn kurz nach diesem Vorfall verließ sie Burg Telgar.

Es gab die üblichen Feiern zur Sonnenwende, Versammlungen, und in seiner Eigenschaft als Meisterharfner war Robinton viel unterwegs. C'gan besuchte ihn häufig und war immer ein gern gesehener Gast. Jedes Mal brachte der blaue Reiter Camo Geschenke mit – ein Spielzeug oder süßes Gebäck aus der WeyrKüche. Er zeigte Camo sogar, wie man Flöte spielt.

»Es tut mir gut, mit dir zu sprechen, Robinton«, pflegte C'gan zu sagen. »Du bist der Einzige, der sich einen Schlangenschiss darum kümmert, was aus dem Weyr wird.« Oft schwärmte er wehmütig von den Zeiten, als F'lon noch Weyrführer war und die Drachenreiter auf Trab hielt. R'gul neigte dazu, den Weyr vor der Außenwelt abzuschütten und erlaubte es den Drachenreitern nur selten, Versammlungen zu besuchen, die nicht in Benden oder Nerat stattfanden.

»Er hat Angst, die Burgherren zu verärgern«, erklärte C'gan. »Besonders die von Benden oder Nerat. Diese Burgen erfüllen treu ihre Tributpflicht dem Weyr gegenüber – und auch Bitra lässt sich nicht lumpen, wenn Lord Sifer geruht, sich an seine Obliegenheiten zu erinnern.«

»Wie geht es F'lons Söhnen, F'lar und F'nor?« erkundigte sich Robinton. Er nahm sich vor, die nächste Versammlung in Nerat zu besuchen. Vielleicht traf er dort die beiden Jungen.

»Sie entwickeln sich prächtig. F'lar ist jetzt schon vernünftiger, als sein Vater es je war«, erwiderte C'gan. »Und sie glauben an die Wiederkehr der Fäden. Das weiß ich mit Bestimmtheit.« Dann seufzte er. »Im Weyr hat es noch mehr Verluste gegeben. Jora ist einfach nicht dazu geschaffen, als Weyrherrin zu fungieren. Sie ist viel zu träge. Ich fürchte, wenn der nächste Fädenfall einsetzt, sind wir gar nicht für den Kampf gerüstet.«

Robinton nickte verstehend. Am Ende des letzten Fädenfalls hatte es sechs Weyr mit insgesamt über dreitausend Drachen gegeben. Jetzt standen höchstens noch dreihundert zur Verfügung. Und nicht alle waren ausgebildet, gegen die Gefahr zu kämpfen. C'gan kam langsam in das Alter, in dem er für ein Geschwader eine Belastung darstellte. Eine Zeile aus dem Lied der Fragen kreiste in Robintons Kopf:

»Wo weilt ihr, Drachen? In anderen Welten?«

***

Doch Robinton hatte anderes zu tun, als sich um unbeantwortete Fragen zu kümmern. Viel Freude bereitete ihm Sebell, der große Fortschritte machte. Nicht mehr lange, und er würde vermutlich die Tische wechseln.

Nach einer Weile drangen mit beunruhigender Regelmäßigkeit Gerüchte über Fax an Robintons Ohren. Er behandelte seine Pächter schändlich, doch nur sehr wenigen gelang die Flucht.

Nip erstattete getreulich Bericht. Robinton erhielt sogar eine kurze Nachricht von Bargen, in der er ihm mitteilte, er wolle alles daransetzen, um Fax zu vertreiben und seine eigenen Ansprüche auf Burg Hochland geltend machen. Immerhin war er der legale Erbe.

Eines Nachts erschien Nip, völlig entkräftet, weil er beinahe ohne Pause von Nabol bis zur Harfnerhalle gerannt war.

»Fax plant etwas …« keuchte er, als er in Robintons Zimmer stürmte.

Der Harfner setzte Nip in den nächsten Sessel und schenkte ihm ein Glas Wein ein.

»Der Kerl ist raffiniert wie die Sünde«, fuhr Nip nach dem ersten Schluck fort. »Bei Nacht und Nebel brach er mit einer Horde Waffenknechte auf, und keiner weiß, wohin. Selbst seine eigenen Leute, die er in der Kaserne von Nabol zurückließ, tappen diesbezüglich im Dunkeln.«

»Ruatha!« schoss es Robinton blitzartig durch den Kopf.

»Du hast Recht!« bekräftigte Nip erschrocken. »Gib mir den schnellsten Renner, den ihr habt.«

»Ich komme mit.«

»Nein, Robinton. Ich bin es gewöhnt, mich quasi unsichtbar zu machen, und gleich zwei Reiter …«

»Ich komme mit!« Robinton zog sich dunkle Bekleidung an und warf Nip eine warme Jacke zu.

Aus der Küche holte Robinton Proviant, hinterließ eine Nachricht an Silvina und dann polterten er und Nip zur Tür hinaus. Ihr überstürzter Abgang scheuchte den Wachwher auf, der jämmerlich zu greinen anfing und an seiner Kette zerrte.

Sie weckten den Stallknecht und ließen ihn zwei Pferde satteln. Robinton ritt Big Black, und Nip einen feurigen Renner. Aus Rücksicht auf die schlafenden Bewohner der Halle ritten sie das erste Wegstück im Schritt, bis Nip auf den Kurierpfad deutete, der von der Hauptstraße abzweigte. Die Kurierpfade stellten immer die kürzeste Verbindung zu zwei Zielpunkten dar. Robinton wollte sich später beim Meister der Kurierstation dafür entschuldigen, dass sie mit ihren Rennern den Boden aufgewühlt hatten, und er hoffte, sie würden unterwegs keinem Eilläufer begegnen.

Dann drückte sie ihren Rennern die Fersen in die Flanken. Sie legten ein Tempo vor, das Robinton zu anderen Zeiten für gefährlich gehalten hätte, doch vor ihnen zog sich der Pfad wie ein schnurgerades bleiches Band dahin.

Am frühen Morgen überquerten sie den Roten Fluss. Und endlich lag vor ihnen die Festung Ruatha.

Zu Tode erschrocken betrachtete Robinton das grausige, vom fahlen Morgenlicht erhellte Bild. Von den Feuerhöhen baumelten noch die Stricke, an denen Fax und seine Spießgesellen in die Burg geklettert waren, ohne den Wachwher zu alarmieren. Robinton fragte sich, wo die Burgwache zu der Zeit gewesen war. Oder hatte man sie bestochen?

Auf dem steinigen Innenhof lagen Leichen verstreut. Blutige Schleifspuren zeigten, dass man die Toten aus der Burg die Treppe hinunter gezerrt hatte. Männer rannten aus dem Portal, beladen mit den kostbaren Kleidungsstücken und Möbeln, die Lady Adessa mitgebracht hatte. Robinton gewahrte ein Grüppchen verängstigter Leute, die man aus ihren Hütten holte und in die Viehpferche trieb.

Die Koppeln waren leer, und Robintons Verdacht, Fax hätte es auf Ruathas berühmte Rennerzucht abgesehen, schien sich zu bestätigen.

Robinton konnte den Blick von den im Hof liegenden Toten nicht abwenden. Er entdeckte mehrere Kinder darunter und dachte an die temperamentvolle, aufgeweckte Lessa. Sie mochte ungefähr neun, zehn Planetenumläufe alt sein. Vor Abscheu und Ekel wurde ihm schlecht.

Ihm fiel ein, dass sie Groghe warnen mussten. Desgleichen Larad und Oterel. Hier konnten er und Nip nichts mehr bewirken.

Auf ihren abgekämpften Rennern galoppierten sie zurück, bis sie an einen von Groghes Grenzposten gelangten. Sie schilderten den Patrouillen, was sich in Ruatha abspielte, und die Männer entzündeten die vorbereiteten Signalfeuer. Auf neuen, ausgeruhten Tieren ritten sie nach Burg Fort. Während Nip auf die Spitze des Trommelturms kletterte, weckte Robinton den Burgherrn.

»Fax hat Ruatha überfallen«, verkündete Robinton schwer atmend. Mittlerweile trommelte Nip wie ein Besessener die schreckliche Nachricht in die Welt hinaus.

»Was?« Entgeistert starrte Groghe Robinton an. »Das ist doch nicht möglich!«

»Es sieht ganz danach aus, als hätte er sämtliche Einwohner der Burg töten lassen, einschließlich der Kinder. Deine Grenzposten sind gewarnt. Die Signalfeuer brennen bereits.«

Groghes Gemahlin führte Robinton zu einem Stuhl und reichte ihm ein Glas Wein. »Ach du meine Güte, hoffentlich ist Lady Adessa nicht auch tot!« murmelte sie bestürzt. Ein Blick in Robintons Gesicht verriet ihr die Antwort. »Du hattest Recht, Groghe, dieser Fax ist gemeingefährlich! Man muss sich vor ihm fürchten.«

»Ich fürchte ihn nicht, Benoria, ich verachte diesen Halunken.« Groghe befestigte einen kräftigen Dolch an seinem Gürtel.

»Nein, Groghe, du wirst dich doch nicht mit diesem Schurken anlegen!« schrie sie entsetzt.

»Sich vor ihm zu verstecken, wäre das Verkehrteste, was man tun könnte, Benoria.«

»Du kannst nichts mehr retten, Groghe«, erwiderte Robinton kopfschüttelnd. »Ehe du Ruatha erreichst, ist Fax mit seiner Horde längst wieder unterwegs nach Nabol.«

»Aber die Wachen, die er mit Sicherheit in Ruatha zurücklassen wird, werden mich und meine Männer sehen, Meisterharfner. Es soll sie davon abhalten, die Grenzen zu meinem Hoheitsgebiet zu überschreiten.«

»Ich alarmiere die Harfnerhalle. Du solltest möglichst viele Männer mitnehmen«, schlug Robinton vor.

Unterwegs trafen sie Grodon, den derzeitigen Harfner von Burg Fort. Er wusste, was geschehen war und hatte sich bewaffnet.

Robinton packte ihn beim Arm. »Lauf zur Harfnerhalle. Jeder Geselle und Lehrling, jeder der reiten und ein Schwert tragen kann, soll sich auf einen Renner schwingen und Lord Groghe begleiten.«

»Es finden sich genug Männer, die nur darauf brennen, es Fax heimzuzahlen«, behauptete Grodon kühn. »Mittlerweile hat ja jeder die Trommelbotschaft gehört.«

Groghe machte derweil in der Burg mobil, und bald wimmelte es in den Korridoren und auf dem Innenhof von aufgeregten Männern und Frauen. Robinton besaß nicht mehr die Kraft, um sich der Truppe anzuschließen. Mit hängenden Schultern hockte er auf einem Stuhl und kämpfte dagegen an, dass er nicht im Sitzen einschlief.

Lady Benoria kümmerte sich um ihn und drängte ihn dazu, sich mit Wein zu stärken. »Bist du sicher, dass unter den Toten auch Kinder waren?« fragte sie ängstlich.

Er nickte. Nie würde er die leblosen kleinen Körper vergessen.

»Du musst dich jetzt ausruhen«, schlug Benoria vor. Leise entfernte sie sich, und gleich darauf nickte er ein.

Silvina rüttelte ihn wach. Gemeinsam mit Oldive schleppten sie ihn in die Harfnerhalle und legten ihn in sein Bett. Sebell ging mit einem Lichtkorb vor ihnen her und leuchtete die Treppen aus.

»Wo ist Nip?« fragte Robinton, während Silvina und Sebell ihm die Stiefel auszogen.

»Ließ sich einen frischen Renner geben und ritt davon. Dabei sah er aus, als könnte er jeden Augenblick vor Entkräftung zusammenbrechen«, erzählte Oldive.

»Ich gab ihm Proviant mit«, warf Sebell ein.

»Du bist ein tüchtiger Bursche«, murmelte Robinton dankbar. Er fragte sich, wohin Nip geritten sein mochte, doch zum Nachdenken war er viel zu müde. Als er den Kopf auf das Kissen legte, spürte er, dass seine Wangen nass waren. Fürsorglich deckte Silvina ihn zu. Ehe Robinton einschlummerte, dachte er daran, dass er die grausige Szene in Ruatha sein Leben lang nicht vergessen würde.

***

Fax versetzte das gesamte Land in Aufruhr. Die bedeutenderen Burgherren im Westen, der resolute Oterel, der junge Larad mit Vendross an seiner Seite sowie Lord Sangel von Süd-Boll, begaben sich nach Nabol, um gegen den Überfall auf Ruatha und die Ermordung eines ganzen Clans zu protestieren. Fax begegnete ihnen mit Hochmut und ohne die geringste Spur von Reue. Robinton und etliche seiner Meister hatten sich der Gesellschaft der Burgherren angeschlossen. In Ruatha hatte sich eine Tragödie abgespielt. Jeder, der aus dieser Blutslinie stammte, war kaltblütig umgebracht worden.

In der überfüllten Haupthalle von Nabol saß Fax, umgeben von seiner verächtlich dreinblickenden Soldateska. Gelangweilt hörte er sich an, was ihm die Burgherren zu sagen hatten. Danach schickte er sie fort und drohte, sie alle wegen Landfriedensbruchs mit dem Tod zu bestrafen, sollten sie sich noch bei Einbruch der Dunkelheit auf seinem Herrschaftsgebiet befinden.

Niemand zweifelte daran, dass er die Drohung wahr machen würde.

»Du bist weder der rechtmäßige Burgherr von Nabol, noch von Crom oder Ruatha. Was du besitzt, hast du dir durch Raubzüge angeeignet«, warf Lord Sangel ihm vor. »Wage noch einen einzigen Übergriff, und du wirst es mit unserer geballten Streitmacht aufnehmen müssen.«

Fax grinste höhnisch. »Wie ihr wollt. Seid ihr nur deshalb gekommen, um mir das zu sagen? Wenn dem so ist, dann trollt euch, aber schnell!«

Auf seinen Wink hin rückten seine Leibwachen gegen die Burgherren und Harfner vor.

»Gebt Obacht an der Tür«, rief Fax lachend. »Damit ihr euch in der Eile nicht gegenseitig tottrampelt.«

Sangel sah aus, als könnte er im nächsten Moment vor Wut platzen. Groghe schäumte vor Zorn. Oterel war kreidebleich geworden. Vendross blickte finster drein, und der junge Larad neben ihm setzte eine betont gelassene Miene auf. Doch alle schafften es, hoch erhobenen Hauptes und gemessenen Schrittes zur Tür zu gehen. Drunten im Hof warteten ihre Renner. Als ihre Reiter aufsaßen, scheuten manche Tiere und brachen seitwärts aus, weil die Erregung der Menschen sich auf sie übertrug. Big Black versuchte zu steigen und keilte nach jedem aus, der ihm zu nahe kam.

Unbehelligt durchquerte die kleine Abordnung Ruatha. Die Burgherren und Harfner wussten, dass Fax sie verfolgen ließ, und deshalb legten sie nur eine Pause ein, um ihre Reittiere zu tränken und im Sattel einen leichten Imbiss einzunehmen.

Nachdem sie den Roten Fluss passiert hatten, bemerkte Robinton sogleich eine Veränderung in der Atmosphäre. Menschen wie Tiere schienen erleichtert zu sein. Am anderen Ufer des Stroms pflanzten sich Fax' Männer auf, lachten brüllend und schrien den Davonreitenden wüste Beleidigungen hinterher.

Am nächsten Grenzposten machten sie Rast. Die Männer ließen ihrem aufgestauten Zorn freien Lauf und dachten laut darüber nach, ob es nicht besser gewesen wäre, Fax mit einer bewaffneten Horde aufzusuchen, um ihm zu beweisen, dass sie keine leeren Drohungen ausstießen, wenn sie ihm sagten, sie würden jeder weiteren Aggression mit Waffengewalt begegnen.

Robinton mochte sich das fruchtlose Geschwätz nicht länger anhören. Ausgerüstet mit Essen und Trinken, schlenderte er so weit fort, dass er das Gerede nicht mehr mitbekam. Er fand, angesichts von Fax' bis zu den Zähnen bewaffneter Kampftruppe hätten sie noch einmal Glück gehabt, dass niemand von ihnen verletzt wurde – außer in seinem Stolz.

Dass diese Delegation nichts bezwecken würde, war ihm von Anfang an klar gewesen, aber wenigstens hatten sie protestiert. Er bedauerte es, dass R'gul ihnen keine Drachen zur Verfügung gestellt hatte, um sie nach Nabol zu bringen. Dann wäre ihr Aufbruch nicht so würdelos vonstatten gegangen.

R'gul begründete seine Weigerung, indem er anführte, die Drachen könnten bei einer Konfrontation mit Fax' Männern verletzt werden. Bekanntermaßen hielt Fax nichts von Drachenreitern, und R'gul gab vor, seine Leute nicht gefährden zu wollen.

Robinton war von Anfang an dagegen gewesen, Fax überhaupt aufzusuchen. Nicht, weil es ihm an Mut fehlte, sondern weil er den Ausgang dieses Unternehmens präzise vorhergesehen hatte. Als ob Fax sich von einem offiziellen Protest beeindrucken ließe!

»Es war wirklich keine gute Idee«, sagte eine Stimme in seine Gedanken hinein. Um ein Haar hätte er seinen Becher mit Wein und das Essen fallen lassen. Beides wurde ihm von flinken, schmuddeligen Fingern aus der Hand genommen. »Du kannst dir mehr holen, aber ich sterbe vor Hunger. Seit drei Tagen habe ich keinen Wein mehr getrunken. Du hättest ihnen diesen Besuch ausreden sollen, Rob. Fax kugelt sich immer noch vor Lachen.«

»Wo hast du gesteckt, Nip?« fragte Robinton, nachdem er sich von seiner Überraschung erholt hatte. Er hätte sich denken können, dass Nip in der Nähe herumstrolchte.

»An einem Ort, von dem aus ich alles hören und sehen konnte.« Nip stärkte sich mit einem großen Bissen, den er beinahe ohne zu Kauen herunterschlang, und spülte mit einem tiefen Zug aus dem Becher nach.

»Ich versorge dich mit Proviant, ehe du weiterziehst«, versprach Robinton. »Das heißt, falls du nicht mit uns nach Fort zurückkehrst.«

»O nein, ich gehe dorthin, wo man mich am dringendsten braucht«, entgegnete Nip. Er leerte den Becher und drückte ihn Robinton wieder in die Hand. »Sag mal, könnte ich noch einen Schluck von dem guten Tropfen bekommen?«

»Ich hole mehr Wein – für dich und für mich.« Robinton besorgte einen vollen Weinschlauch und noch etwas zum Essen für Nip. Seine Gefährten waren so eifrig dabei, sich auszumalen, was alles hätte passieren können, wenn sie diesen Ausflug besser geplant hätten, dass niemand sein Kommen oder Gehen bemerkte.

»Bitte sehr …« Als er Nip den Proviant reichen wollte, sah er, dass der Kurier sich einfach auf den Boden gelegt hatte und fest schlief.

Robinton setzte sich daneben. Er wartete darauf, dass Nip aufwachte und ihm erzählte, was er als Nächstes plante. Das listige Funkeln in den Augen des Kuriers deutete an, dass er einen Weg gefunden hatte, Fax ein Schnippchen zu schlagen.

Als man nach einer Weile Robintons Namen rief, stand er selbst kurz vor dem Einschlummern. Er ließ den Weinschlauch und den Proviant zurück und begab sich zu seinen Weggefährten.