3

»Wie schwer wurde Ihr Mann verwundet?«

D’ram sah F’lar fragend an.

»Na, endlich!« warf T’bor ein.

»Zum Glück«, erwiderte F’lar und sah T’bor einen Moment lang warnend an, »ist die Wunde nicht allzu schlimm. Er wird seinen Arm wieder gebrauchen können.«

G’narish stieß einen leisen Pfiff aus.

»Und ich dachte, es handelte sich nur um einen Kratzer! Wir sollten …«

»Wenn ein Drache in Hitze ist …«, begann D’ram, doch er unterbrach sich, als er den blanken Zorn in T’bors Zügen und F’lars verschlossene Miene sah.

»Ein Drachenreiter darf einfach nicht seine Verantwortung gegenüber dem Weyr vergessen. Sie sprechen doch mit T’reb, T’ron?«

T’rons Augen weiteten sich ein wenig.

»Sprechen? Die Leviten werde ich ihm lesen, ebenso wie B’naj!«

»Gut.«

D’ram nickte den anderen zufrieden zu, als habe er eben ein schwieriges Problem zurecht gelöst.

»Es wäre klug, wenn alle Weyrführer ihre Reiter vor der Wiederholung eines solchen Vorfalls warnen würden.«

Wieder nickte er, wie um den anderen die Geste zu ersparen.

»Es ist schwer genug, mit einigen dieser arroganten Barone und Gildemeister zusammenzuarbeiten, ohne ihnen einen Grund zur Beschwerde zu geben.«

D’ram seufzte tief und kratzte sich am Kopf.

»Ich begreife einfach nicht, wie das gemeine Volk vergessen kann, was es den Drachenreitern schuldet.«

»In vierhundert Planetendrehungen lernt der Mensch viel Neues«, erwiderte F’lar.

»Kommen Sie, T’bor?«

Sein Tonfall kam einem Befehl gleich.

»Meine Empfehlungen an eure Weyrherrinnen, Reiter. Gute Nacht.«

Er verließ den Beratungsraum.

T’bor stapfte hinter ihm drein und hörte erst zu fluchen auf, als sie den Pfad zum Felsensims erreicht hatten.

»Dieser alte Narr war im Unrecht, F’lar, und Sie wissen es!«

»Natürlich.«

»Weshalb haben Sie es ihm dann nicht…«

»… unter die Nase gerieben?« beendete F’lar den Satz und blieb stehen. Er wandte sich T’bor zu.

»Drachenreiter kämpfen nicht. Das gilt ganz besonders für Weyrführer.«

T’bor schüttelte angewidert den Kopf.

»Weshalb haben Sie nichts aus der Sache gemacht? Wenn ich daran denke, wie oft er Kritik an Ihnen – an uns – übte …« T’bor machte eine Pause.

»Wie kann das gemeine Volk vergessen, was es den Drachenreitern schuldet?« äffte er D’rams schwülstigen Tonfall nach. »Wenn es ihn wirklich interessiert …«

F’lar legte T’bor die Hand auf die Schulter. Er verstand die Gefühle des Jüngeren nur zu gut.

»Wie können Sie einem Menschen etwas erklären, das er nicht hören will? Sie gestanden sich nicht einmal ein, daß T’reb der Schuldige war. T’reb, nicht Terry und nicht F’nor. Aber ich glaube nicht, daß sich der Vorfall wiederholen wird, und das war meine größte Sorge.«

»Was?« T’bor sah F’lar verständnislos an. »Daß es überhaupt dazu kommen konnte, bedrückt mich weit mehr als die Schuldfrage.«

»Ich begreife Ihre Logik ebensowenig wie die von T’ron.«

»Es ist ganz einfach. Drachenreiter kämpfen nicht. Weyrführer erst recht nicht. T’ron erwartete, daß ich die Beherrschung verlieren würde. Ich glaube, er rechnete sogar damit, daß ich ihn angreifen würde.«

»Das meinen Sie doch nicht im Ernst?« T’bor war sichtlich erschüttert.

»Vergessen Sie nicht, T’ron hält sich für den ältesten Weyrführer von Pern und daher für unfehlbar.«

T’bor schnitt nur eine Grimasse.

»Nun ja«, fuhr F’lar fort, »ich hatte bis jetzt keinen Grund, ihm das streitig zu machen. Und wir dürfen nicht außer acht lassen, daß die Alten uns beim Kampf gegen die Fäden viele Dinge beibrachten, von denen wir keine Ahnung hatten.«

»Hah, unsere Drachen nehmen es mit den ihren längst auf!«

»Darum geht es nicht, T’bor. Gewiß, die beiden modernen Weyr haben einige ganz deutliche Vorteile – größere Drachen, mehr Königinnen – die ich gar nicht erwähnen will, weil das nur böses Blut machen würde. Aber ohne die Alten könnten wir die Fäden nicht bekämpfen. Wir brauchen sie ebenso, wie sie uns.«

F’lar lächelte.

Sie hatten den Felsensims erreicht. Über dem Fort-Weyr lag nun tiefe Dunkelheit. F’lar spürte, wie ihn die Müdigkeit überkam.

»Wenn sich die Alten abkapseln, so dürfen wir es nicht tun.

Wir verstehen unsere Zeit, unser Volk. Und irgendwie müssen wir den Alten helfen, es auch zu verstehen.«

»Dennoch, T’ron befand sich im Unrecht.«

»Hätten wir etwas dadurch gewonnen, daß wir es ihm sagten?«

T’bor verschluckte die Antwort, die ihm auf der Zunge lag. F’lar hoffte, daß die Auflehnung des Mannes allmählich nachlassen würde. Der Weyrführer vom Südkontinent war einer der besten Drachenreiter und ein überragender Kämpfer. Seine Geschwader folgten ihm ohne Zögern.

Er hatte, unauffällig geführt von F’lar, den Südkontinent zu einer blühenden, eigenständigen Provinz gemacht. Und das, obwohl die launenhafte, streitsüchtige Kylara ihm seine Aufgabe alles andere als erleichterte.

Manchmal bedauerte F’lar, daß T’bor an diese Frau gefesselt war. Denn der Bronzereiter mochte jähzornig und ein schlechter Diplomat sein, aber er hielt F’lar eisern die Treue, und dafür war ihm der Weyrführer von Benden dankbar.

Mnementh landete auf dem Felsensims.

»Bestellen Sie F’nor Grüße und meine besten Wünsche. Ich weiß, daß er bei euch in guten Händen ist«, sagte F’lar, als er sich auf Mnemenths Rücken schwang.

»Wir werden ihn so rasch wie möglich gesund machen«, entgegnete T’bor. »Sie brauchen ihn.«

Ja, dachte F’lar, als Mnementh aus dem Kessel des Fort-Weyrs aufstieg, ich brauche ihn.

Der Bronzedrache tauchte ins Dazwischen, und die Eiseskälte dieses furchtbaren Nichts verbiß sich in F’lars Haut. Dann schwebten sie über den Sternstein des Benden-Weyr und gaben dem Wachreiter die Parole.

Ramoth, Bendens goldene Königin, befand sich bei ihrem Gelege, als der angsterfüllte Ruf des Grünen von Lemos sie erreichte.

Fäden gehen über Lemos nieder!

Fäden!

Ramoth gab die Botschaft an alle Drachen und Reiter durch; ihr lautes Trompeten hallte von den Wänden des Weyrkessels wider.

Männer sprangen hastig von ihren Ruhebetten auf, stürzten aus den Badeteichen, warfen zur Seite, was sie gerade in der Hand hielten, noch bevor das erste Echo verklungen war.

F’lar, der gerade die Jungreiter bei ihren Übungen beobachtete, hatte bereits seinen Wherlederanzug übergestreift, da nach dem Zeitplan am Spätnachmittag dieses Tages Fäden in Lemos erwartet wurden. Mnementh landete neben ihm, noch bevor Ramoth aus ihrer Brutstätte auftauchte, und sie umkreisten das Felsenöhr über dem Weyr.

Fäden im Nordosten von Lemos, berichtete Mnementh. Ramoth glitt jetzt auf ihren Felsensims, um auf Lessa zu warten. Aus sämtlichen Höhlen strömten nun Drachen. Ihre Reiter zwängten sich im Laufen in ihre Kampfanzüge und schleppten keuchend Säcke mit Feuerstein an.

F’lar hatte jetzt keine Zeit, darüber nachzudenken, weshalb die Fäden um Stunden zu früh fielen. Er sammelte sein Geschwader. Zugleich verbreitete Mnementh die Botschaft, daß sich sämtliche Jungreiter nach Lemos begeben sollten, um die Bodensuchtruppe zu unterstützen.

Dann ging das Geschwader ins Dazwischen.

Fäden fielen, daran bestand kein Zweifel. Eine silbergraue Wand hing über den Jungholzpflanzungen der Hartfaserbäume, von denen sich Baron Asgenar soviel versprach. Feuerspeiend tauchten die Drachen aus dem Dazwischen und flogen dicht über dem Wald dahin.

Sie hatten es tatsächlich geschafft, das gefährdete Gebiet noch vor den Fäden zu erreichen F’lar beschloß, sich später persönlich bei dem grünen Reiter zu bedanken, der so rasch gehandelt hatte. Der Gedanke, daß Fäden diesen Baumbestand vernichteten, jagte F’lar einen Schauer über den Rücken.

Dicht über Mnementh stieß ein Drache einen schmerzerfüllten Schrei aus. Noch bevor F’lar erkannte, wer es war, hatten sich Reiter und Tier ins Dazwischen zurückgezogen, wo die Kälte die ätzenden Fäden zerstörte, bevor sie tiefer in die Haut eindringen konnten.

Minuten nach dem Angriff bereits ein Verwundeter?

F’lar sah sich besorgt um.

Virianth, R’nors Brauner, informierte Mnementh seinen Reiter, während er auf einen Klumpen Silberfäden zustieß.

Er hat sich nur die Flügelspitze verletzt und wird wiederkommen. Wir brauchen ihn.

Diese Fäden fallen falsch.

»Falsch und zu früh«, entgegnete F’lar.

Eisiger Wind fegte ihm entgegen, als sein Drache sich im vollen Flug auf die Sporen stürzte. Er fütterte ihn mit Feuersteinen. Der Schwefelatem des Tieres umwehte ihn. Es gab keine Zeit zu langen Überlegungen.

Tauchen.

Feuerspeien.

Einen Jungreiter um Steine-Nachschub schicken.

Ein Stück aufsteigen, um die Formation des Geschwaders zu überprüfen.

Weit unten das goldene Dreieck der Königinnen.

Als der Einfall der Fäden schließlich nachließ und die Drachen landeten, um den Suchtrupps von Lemos zu helfen, erstattete Mnementh Bericht.

Neun kleinere Verletzungen, vier davon nur angesengte Flügelspitzen; zwei Schwerverwundete, Sorenth und R’elth, und zwei Reiter mit Gesichtsverbrennungen.

Versengte Flügelspitzen – das war einfach falsche Berechnung. Die Reiter hielten den Sicherheitsabstand nicht ein.

Geirrt!

Es ging doch nicht um Wettspiele, sondern um einen echten Kampf!

F’lar knirschte mit den Zähnen.

Sorenth erklärt, daß er auf einen Klumpen stieß, als er aus dem Dazwischen kam. Das gleiche behaupten R’elth und T’gor.

Diese Fäden fallen nicht richtig.

T’gor und R’elth waren gute Reiter, das wußte F’lar.

Wie konnte es geschehen, daß morgens im Nordosten Fäden fielen, wenn man sie erst gegen Abend im Südwesten erwartet hatte?

F’lar wollte schon Canth durch Mnementh holen lassen, als ihm, einfiel, daß F’nor verwundet war und sich einen halben Planeten entfernt auf dem Südkontinent befand. Er fluchte lange und ausgiebig und wünschte T’reb mitsamt seinem Weyrführer T’ron ins Dazwischen Lamanth fliegt gut, unterbrach Mnementh seine Gedankengänge.

F’lar zuckte zusammen und warf einen Blick auf die junge Königin.

»Ein Glück, daß es uns nicht an Nachwuchs fehlt«, stellte F’lar fest. Trotz seiner Sorgen mußte er über Mnemenths Stolz lächeln. Lamanth war die Königin aus Mnemenths zweiter Paarung mit Ramoth.

Ramoth fliegt auch nicht schlecht, dafür, daß sie eben erst von der Brutstätte kommt. Achtunddreißig Eier und ein goldenes darunter, fuhr Mnementh fort.

»Wir werden etwas wegen dieser dritten Königin unternehmen müssen.«

Mnementh knurrte ungehalten. Viele Königinnen waren ein Zeichen für die Virilität eines Bronzedrachens, und Mnementh stellte natürlich seine Tüchtigkeit gern zur Schau. Andererseits hatte Ramoth etwas dagegen, die Bronzedrachen ihres Weyrs mit zu vielen Königinnen zu teilen, trotz der Tatsache, daß sie nur Mnementh als ihren Partner gelten ließ.

Benden mußte mehr als eine Königin halten, um die übrigen Bronzedrachen zu versöhnen und die Zucht zu verbessern.

Aber gleich drei?

Nach dem Treffen vom Vorabend im Fort-Weyr zögerte F’lar, einem der anderen Weyrführer anzudeuten, daß er froh um ein Heim für die neue Königin wäre. Er konnte sich die Reaktion vorstellen.

»Benden ist bekannt für seine Großzügigkeit, aber was steckt hinter einem solchen Manöver?« würde T’ron sagen. »Es entspricht nicht der Tradition.«

Aber das stimmte nicht. Es hatte schon ähnliche Fälle gegeben. Und F’lar nahm lieber T’rons bissige Bemerkungen auf sich als Ramoths schlechte Laune. Er warf einen Blick auf das schillernde Königinnen-Geschwader, Ramoth mit kraftvollen Flügelschlägen an der Spitze, die jüngeren Drachen bemüht, ihr zu folgen.

Fäden außerhalb des Zeitplans!

F’lar biß die Zähne zusammen. Dabei hatte er sich vor sieben Planetendrehungen, als Pern völlig unvorbereitet auf die Katastrophe war, so viel Mühe gegeben, die alten, halb vermoderten Schriften zu entziffern! Und es war ihm gelungen, ein Schema aufzustellen, das die Alten begeistert begrüßten und benutzten – obwohl es der Tradition nicht entsprach.

Wie war es nur möglich, daß die Sporen, die keine Intelligenz und keinen eigenen Willen besaßen, plötzlich von einem Schema abwichen, das sie sieben Planetendrehungen lang auf die Sekunde genau eingehalten hatten? Weshalb wechselten sie über Nacht den Rhythmus?

Oder hatte er den Plan falsch gelesen? F’lar dachte zurück, aber er hatte die sorgfältig gezeichneten Karten genau im Kopf, und selbst wenn ihm ein Fehler unterlaufen wäre – Lessa hätte es gemerkt.

Er nahm sich vor, alles nachzuprüfen, sobald er heimkam. Zuerst allerdings mußte er sich vergewissern, ob wirklich alle Fädenklumpen vernichtet worden waren. Er befahl Mnementh, nach Baron Asgenar von Lemos zu suchen.

Mnementh kreiste gehorsam tiefer. F’lar konnte von Glück reden, daß er die Angelegenheit Baron Asgenar und nicht etwa Sifer von Bitra oder Raid von Benden erklären mußte. Manchmal stellten die beiden F’lars Geduld auf eine harte Probe.

Gewiß, die drei Burgen hatten gewissenhaft ihre Abgaben entrichtet, als Benden noch der einzige Weyr auf Pern war und die anderen Burgen keinen Tribut leisten wollten. Aber Baron Raid und Baron Sifer hatten die unangenehme Eigenschaft, die Drachenreiter bei jeder Gelegenheit an ihre Treue zu erinnern.

Baron Asgenar von Lemos dagegen war jung; die Barone hatten ihn erst vor fünf Planetendrehungen in Amt und Würden eingesetzt. Seine Haltung dem Weyr gegenüber war erfrischend sachlich und neutral.

Mnementh glitt auf den Großen See zu, der Lemos vom oberen Teil des Telgar-Territoriums trennte. Die Front der Silberfäden war knapp vor den Weichholzwäldern am Nordufer zum Stillstand gekommen.

Auf einer Anhöhe in der Nähe der großen Wiese, die sich zum See hin erstreckte, sah F’lar den grünen Drachen. Asgenar befand sich vermutlich nicht weit weg. Um F’lars Lippen spielte ein grimmiges Lächeln. Sollten die Alten mißmutig dreinsehen und die Köpfe schütteln, wenn er Drachen als Boten zwischen dem Weyr und den Burgen einsetzte. Heute hatte sich erwiesen, wie richtig diese Maßnahme war. Wenn er nicht rechtzeitig Nachricht erhalten hätte, wäre es um die Wälder geschehen gewesen.

Die Wälder!

Wieder ein Dorn im Auge der Alten. Vor vierhundert Planetendrehungen hatte es solche riesigen Waldgebtete noch nicht gegeben. Zu viel Grün zu beschützen!

Nun, gegen die Holzprodukte zumindest hatten die Alten nichts einzuwenden, und sie überhäuften Bendarek, Fandarels Untergebenen, mit ihren Aufträgen.

Andererseits wollten sie es nicht zulassen, daß Bendarek eine eigene Gilde gründete. Vermutlich, weil Bendarek in der Nähe der Hartfaserwälder von Lemos bleiben wollte und damit unter den Schutz des Benden-Weyrs fiel.

F’lar schüttelte müde den Kopf.

Mnementh landete mit kräftigen Flügelschlägen, die das Gras flachdrückten. F’lar stieg ab, um Baron Asgenar zu begrüßen, während Mnementh sich dem grünen Drachen und seinem Reiter F’rad zuwandte.

F’rad laßt dir ausrichten, daß Asgenar… »Den Geschwadern von Benden entkommt nichts«, sagte Asgenar anstelle einer Begrüßung, so daß Mnementh seinen Gedanken nicht zu Ende führte. Der junge Mann wischte sich Ruß und Schweiß von der Stirn, denn er gehörte zu den wenigen, die ihre Suchmannschaften persönlich begleiteten.

»Selbst wenn in letzter Zeit die Fäden vom gewohnten Schema abweichen. Wie erklären Sie sich diese Verschiebungen?«

»Verschiebungen?« F’lar wiederholte das Wort, ein wenig verwirrt, denn er spürte, daß Asgenar sich nicht nur auf den Vorfall dieses Tages bezog.

»Ja! Und wir hielten Ihre Zeitpläne für unfehlbar – besonders da sie von den Alten überprüft und anerkannt wurden.«

Asgenar warf F’lar einen verschmitzten Blick zu.

»Oh, ich will Sie keineswegs tadeln, F’lar. Sie haben immer ein offenes Ohr für unsere Vorschläge, und ich schätze mich glücklich, daß ich Ihrem Weyr unterstehe. Man weiß, wie man mit Benden dran ist. Mein zukünftiger Schwager, Baron Larad, hatte nämlich in jüngster Zeit Schwierigkeiten mit T’kul vom Hochland. Und seit in Tillek und Crom verfrüht Fäden fielen, hat er ein gründliches Wachsystem eingeführt.« Asgenar machte eine Pause. Ihm war F’lars angespanntes Schweigen aufgefallen.

»Ich möchte keineswegs das Weyrvolk kritisieren, F’lar«, fügte er formell hinzu, »aber Gerüchte sind oft schneller als Drachen, und sie erreichten natürlich auch mich. Ich verstehe ja, daß die Weyr das gemeine Volk nicht beunruhigen wollen, aber eine – nun – kleine Vorwarnung wäre doch angebracht gewesen.«

»Der Fädeneinfall von heute war nicht vorherzusehen«, erwiderte F’lar langsam, während sich seine Gedanken überstürzten. Warum hatte man kein Wort zu ihm gesagt? R’mart von Telgar war nicht zu dem Treffen der Weyrführer erschienen. Hatte er zu dieser Zeit damit zu tun gehabt, die Fäden zu bekämpfen? Daß T’kul vom Hochland irgendwelche Informationen weitergab, die ihn vielleicht in einem schlechten Licht erscheinen ließen, war ohnehin undenkbar. Der Mann würde nicht einmal den Mund aufmachen, um einem Reiter das Leben zu retten.

Nein, sie hatten gute Gründe gehabt, an jenem Abend F’lar gegenüber nichts von den verfrühten Fädeneinfällen zu sagen. Wenn T’kul die anderen überhaupt verständigt hatte. Aber weshalb war von R’mart keine Nachricht gekommen?

»Aber der Benden-Weyr schläft nicht, was? Ein Nistplatz in diesen Wäldern würde uns reichen!«

Asgenars Blicke schweiften über die Schwammgehölze.

»Ja, einer würde reichen. Was berichten die Suchtrupps? Sind Ihre Läufer bereits zurückgekehrt?«

»Ihr Königinnengeschwader meldete schon vor zwei Stunden, daß die Gefahr gebannt sei.«

Asgenar lachte. Er wippte auf den Zehen hin und her, nicht im geringsten beunruhigt durch das unvorhergesehene Ereignis. F’lar beneidete ihn. Und er hoffte, daß er das Vertrauen des jungen Barons nicht enttäuschen würde.

Weyrführer und Baron erstarrten, als sie einen blauen Drachen aufmerksam über einer Baumgruppe kreisen sahen. Erst als sich das Tier nach Nordosten wandte, sah Asgenar F’lar ein wenig besorgt an.

»Glauben Sie, daß ich meine Wälder abholzen muß, wenn die Fäden weiterhin so unregelmäßig fallen?«

»Sie kennen meine Ansicht über Holz, Asgenar. Es ist ein viel zu wertvolles Material, als daß man es opfern darf.«

»Aber man braucht jeden Drachen, um …«

»Sind Sie nun für oder gegen die Wälder?« grinste F’lar.

»Weisen Sie Ihre Forstleute an, ständig die Augen offen zu halten. Auf ihre Wachsamkeit kommt es an.«

»Dann wissen Sie nicht, wie sich die Einfälle verschieben?«

F’lar schüttelte langsam den Kopf.

»Ich lasse F’rad bei Ihnen. Er hat einen scharfen Blick.«

Ein Lächeln erhellte die Züge des Mannes.

»Ich wollte nicht darum bitten, aber es ist eine große Erleichterung für mich. Ich werde Ihre Großzügigkeit nicht mißbrauchen.«

F’lar sah ihn scharf an.

»Weshalb sollten Sie?«

Asgenars Mundwinkel zuckten spöttisch.

»Davor warnen die Alten doch, oder? Und der Sprung ins Dazwischen, der einen ohne Zeitverlust von einem Ort zum anderen bringt, stellt eine große Versuchung dar.«

F’lar lachte. Ihm fiel ein, daß Baron Asgenar sich mit Famira, der jüngsten Schwester von Baron Larad, vermählen wollte. Und obwohl die Ländereien von Telgar an Lemos grenzten, trennten ausgedehnte Wälder und mehrere Gebirgszüge die beiden Burgen.

Drei Geschwaderreiter tauchten mit ihren Tieren auf, um F’lar Bericht zu erstatten. Man hatte im Zentrum des Fädeneinfalls neun Niststellen entdeckt und ohne größere Verluste zerstört.

F’lar entließ die Männer. Kurz danach kam ein Läufer, völlig erschöpft. Es gelang ihm noch, seine Botschaft hervorzukeuchen, bevor ihn die Kräfte verließen und er zu Boden sank. Asgenar zog seinen Mantel aus und hüllte den Mann damit ein. Dann hielt er ihm die eigene Flasche an die Lippen.

»Die beiden befallenen Stellen am Südhang sind unter Kontrolle!« sagte Asgenar erleichtert, als er zu F’lar zurückkehrte. »Das bedeutet, daß den Hartfaserwäldern keine Gefahr mehr droht.«

Der Baron nahm selbst einen Zug aus der Flasche und fuhr fort: »Wenn ein kalter Winter kommt, brauchen meine Leute das Holz. Die Kohle von Crom ist teuer.«

F’lar nickte. Brennholzvorräte bedeuteten eine große Ersparnis, obwohl manche Barone das nicht so sahen. Meron von Nabol beispielsweise verbot es seinen Untertanen, Holz zu schlagen, so daß sie gezwungen waren, die teure Kohle von Crom zu erstehen. Er selbst machte noch einen guten Gewinn dabei.

»Der Läufer kam bis vom Südhang? Ein schneller Mann!«

»Meine Forstleute sind die besten von ganz Pern. Meron von Nabol hat bereits zweimal versucht, diesen Läufer für sich zu gewinnen.«

»Und?«

Baron Asgenar lachte.

»Wer traut schon Meron? Es spricht sich herum, wie der Baron seine Leute behandelt.«

Er schien noch etwas sagen zu wollen, doch dann räusperte er sich nur und wandte nervös den Blick ab.

»Was Pern braucht, ist ein wirksames Nachrichtennetz«, meinte der Drachenreiter und sah zu dem Boten hinüber, der immer noch keuchend am Boden lag.

»Wirksam?«

Asgenar lachte laut auf.

»Ist denn schon ganz Pern von Fandarels Krankheit angesteckt?« Doch dann wurde er ernst. »Wissen Sie, ob man bereits zu einer Entscheidung hinsichtlich Bendarek gekommen ist?«

»Bis jetzt hat sich nichts geändert.«

»Ich bestehe nicht darauf, daß er sich in Lemos niederläßt…«, begann Asgenar.

F’lar hob die Hand. »Ich auch nicht, obwohl es mir schwerfällt, die anderen davon zu überzeuge n. Lemos besitzt nun einmal die größten Wälder. Außerdem stammt Bendarek aus Lemos. Weshalb sollte er seine Heimat verlassen?«

»Jeder Einwand, der bisher vorgebracht wurde, ist lächerlich!«

Die grauen Augen des Burgherrn blitzten vor Zorn.

»Sie wissen ebensogut wie ich, daß ein Gildemeister in seinen Entscheidungen unabhängig ist. Bendarek kümmert sich nicht um Politik, ihm geht es ebenso wie Fandarel nur um sein Handwerk.«

»Ich weiß, ich weiß, Asgenar. Larad von Telgar und Corman von Keroon stehen auf Ihrer Seite. Zumindest haben sie mir das versichert.«

»Wenn sich die Barone zur nächsten Konklave in Telgar treffen, werde ich die Sache vorbringen. Raid und Sifer werden mich unterstützen, und sei es nur, weil wir dem gleichen Weyr unterstehen.«

»Die Entscheidung liegt nicht bei den Baronen oder Weyrführern«, erinnerte F’lar den resoluten jungen Mann, »sondern bei den übrigen Gildemeistern. Das ist meine Ansicht, seit Fandarel die Gründung einer neuen Gilde vorschlug.«

»Worauf warten wir dann noch? Sämtliche Gildemeister kommen zur Hochzeit nach Telgar. Dort können wir die Angelegenheit ein für allemal regeln.«

Asgenar zuckte mit den Schultern.

»Bendarek macht das Hin und Her so nervös, daß er sich nicht mehr auf seine Arbeit konzentrieren kann.«

»Jeder Vorschlag, der irgendwie nach Veränderung riecht, versetzt gewisse Weyrführer und Burgherren in Unruhe«, sagte F’lar. »Manchmal habe ich das Gefühl, daß sich nur die Gilden um das Neue bemühen, daß nur sie beweglich genug sind, um Verbesserungen einzuführen. Die Barone und die …«

F’lar unterbrach sich.

Zum Glück näherte sich ein zweiter Läufer vom Norden. Er blieb vor seinem Herrn stehen.

»Sir, im Norden ist alles erledigt. Drei Niststellen wurden entdeckt und ausgeräuchert. Es besteht keine Gefahr mehr.«

»Gut gemacht!«

Der Mann salutierte und kauerte dann neben seinem Gefährten nieder, um ihm die Beinmuskeln zu massieren.

Asgenar lächelte F’lar zu.

»Im Grunde genommen sind wir uns einig. Wenn es uns nur gelingen würde, die anderen zur Einsicht zu bringen!«

Mnementh berichtete, daß die Geschwader sich auf dem Heimweg befanden. Er streckte so betont seine Vorderpfote aus, daß Asgenar lachen mußte.

»Ich will Sie nicht aufhalten«, sagte er.

»Kann man schon sagen, wann die nächsten Fäden fallen werden?«

F’lar schüttelte den Kopf.

»F’rad ist hier. Sie müßten ungefähr eine Woche Ruhe haben. Sobald ich etwas Genaues weiß, lasse ich Ihnen Bescheid geben.«

»Sie kommen doch in sechs Tagen zur Hochzeit?«

»Lessa köpft mich, wenn ich es versäume.«

Asgenar lachte.

»Meine Empfehlungen an die Weyrherrin.«

Mnementh trug ihn in einer weiten Ellipse nach oben, so daß er noch einen letzten Blick auf die Waldgebiete werfen konnte. Im Norden und etwas weiter weg im Osten stiegen Rauchfahnen auf, aber das schien Mnementh nicht zu beunruhigen. F’lar befahl ihm, ins Dazwischen zu gehen. Die Kälte, die ihm entgegenschlug, erinnerte ihn schmerzhaft an die Ätzwunden, die er beim Kampf gegen die Fäden davongetragen hatte. Doch dann waren sie über dem Weyr, und Ramoth erwiderte Mnemenths Begrüßungsschrei. F’lar war noch nicht abgestiegen, als Lessa ihm bereits entgegenstürmte.

Erst als sie ganz nahe war, sah er, daß sie einen Salbentopf und Lappen in der Hand hatte, und er wandte sich ärgerlich Mnementh zu: »Du tust, als sei ich ein Jungreiter!«

Mnementh blieb ungerührt von dem Tadel.

Fäden tun weh.

»Ich möchte nicht, daß du Lessa aufregst!«

Und ich möchte nicht, daß Ramoth wütend wird!

Lessa hatte ihren Reitanzug aus Wherleder noch nicht ausgezogen. Sie wirkte zu jung für eine Weyrherrin, als sie ihm mit wehenden Flechten entgegenlief. Weder die Mutterschaft noch die sieben Planetendrehungen im Weyr hatten sie altern lassen.

»Und du beschwerst dich, daß deine Reiter eine schlechte Berechnung haben!« schimpfte sie, und bevor er ihr erklären konnte, daß es sich nur um ein paar Kratzer handelte, hatte sie Salbe über die verätzten Stellen gestrichen.

»Ich werden sie auswaschen müssen, sobald du nichts mehr spürst. Kannst du dem Zeug immer noch nicht ausweichen?

Virianth geht es nicht schlecht, aber Sorenth und R’elth haben böse Wunden davongetragen. Manora glaubt, daß sie P’ratans gutes Aussehen retten kann, aber auf einem Auge bleibt er vermutlich blind.«

Sie machte eine Pause und holte tief Luft.

»Vielleicht hört er nun endlich auf, den Mädchen nachzustellen. Wir haben allmählich nichts anderes mehr zu tun, als seine Babys großzuziehen. Die Mädchen, die nicht vom Weyr stammen, lassen sich selten zu einer Abtreibung überreden.«

Sie schwieg, die Lippen zu einem dünnen Strich zusammengepreßt. F’lar wußte, daß sie ein schmerzliches Thema gestreift hatte.

»Lessa! Nein, schau mich an!«

Er hob ihr Kinn und sah ihr in die Augen. Ihr, die keine Kinder mehr bekommen konnte, fiel es sicher schwer, unerwünschte Schwangerschaften bei anderen zu beenden.

Würde sie nie aufhören, sich nach einem zweiten Kind zu sehnen?

Wie konnte sie vergessen, daß sie bei Felessans Geburt beinahe gestorben wäre?

Ihn erleichterte es, daß sie seitdem nicht mehr empfangen hatte. Der Gedanke, Lessa zu verlieren, war unerträglich.

»Wenn man so oft ins Dazwischen fliegt, kann man keine Kinder austragen.«

»Kylara scheint es nichts auszumachen«, entgegnete Lessa bitter.

Sie hatte sich abgewandt und beobachtete Mnementh, der an der Futterstelle einen fetten Bock riß. Man sah ihr an, daß sie sich Kylara als Opfer vorstellte.

»Die!« entgegnete F’lar abschätzig.

»Liebling, ich möchte nicht, daß du dich mit Kylara vergleichst!«

Lessa zuckte mit den Schultern.

»Du hast recht. Es gibt auch wichtigere Dinge zu besprechen. Was sagte Baron Asgenar zu dem Einfall der Fäden? Ich hätte mich gern an eurem Gespräch beteiligt, aber Ramoth setzte es sich in den Kopf, zu ihrem Gelege zurückzukehren. Ach ja, bevor ich es vergesse – ich schickte Boten zu den übrigen Weyrn, damit die Leute gewarnt sind.«

F’lar lachte bitter, und sie sah ihn verwirrt an. Er berichtete, was er von Asgenar erfahren hatte.

»Und der Baron dachte, daß wir Bescheid wüßten? Daß man nur die Karten ein wenig ändern müsse, und alles sei in Ordnung?«

Ihre Augen sprühten Blitze.

»Hätte ich die Alten doch niemals hierhergeholt! Dir wäre sicher ein Weg eingefallen, die Probleme zu lösen.«

»Dein Vertrauen ehrt mich, aber es ist übertrieben.«

Er zog sie kurz an sich.

»Außerdem sind die Alten nun mal hier, und wir müssen mit ihnen fertig werden.«

»Verlaß dich darauf, das schaffen wir. Wir bringen sie auf Vordermann, bis …«

»Lessa!«

Er schüttelte den Kopf.

»Du kannst einen Wachwher nicht in einen Drachen verwandeln, Liebes.«

Wer will das schon? kam Mnemenths Kommentar von der Futterstelle. Er hatte seinen Hunger gestillt.

Lessa mußte über den Einwurf lachen, und F’lar umarmte sie.

»Nun, wir werden sehen, was sich tun läßt«, meinte sie entschlossen, als sie sich Ramoths Schlafhöhle zuwandten.

»Diesem arroganten T’kul vom Hochland traue ich zwar alles zu, aber R’mart von Telgar?«

»Wie lange sind die Boten schon unterwegs?«

Lessa blinzelte in die helle Vormittagssonne.

»Erst kurze Zeit. Ich wartete die letzten Berichte ab.«

»Gut. Dann besorge mir etwas zu essen, Mädchen. Ich bin ebenso hungrig wie Mnementh.«

Der Bronzedrache war auf dem Felsensims gelandet und wollte sich eben auf seinem gewohnten Ruheplatz niederlassen, als im Tunnel, dem einzigen Weyreingang vom Land her, plötzlich Bewegung entstand. Er schlug mit den Flügeln und reckte den Hals, doch dann streckte er sich gleichgültig auf dem warmen Stein aus.

»Es ist nur der Weintransport von Benden«, erklärte Lessa, als F’lar sie fragend ansah. Mit einem Lachen fügte sie hinzu: »Wehe, du erzählst das Robinton! Die Fässer müssen noch eine Weile lagern.«

»Wie kommst du gerade auf Robinton?« erkundigte er sich überrascht. Woher wußte Lessa, daß er eben an den Meisterharfner gedacht hatte?

»Du hast bisher noch bei jeder Krise den Harfner und den Schmied um Rat gefragt.«

Sie seufzte tief.

»Wenn wir nur ebenso stark auf die Mitarbeit der Weyrführer bauen könnten!«

Im nächsten Augenblick versteifte sie sich.

»Da kommt Fidranth. Er erklärt, daß T’ron sehr aufgeregt ist.«

»T’ron ist aufgeregt?« Sofort stieg wieder Zorn in F’lar hoch.

»Genau das sagte ich.«

Lessa machte sich von ihm los und lief voraus.

»Ich richte dir etwas zu essen her.«

Dann blieb sie abrupt stehen und rief über die Schulter: »Verlier die Beherrschung nicht! Ich habe den Verdacht, daß T’kul keinem der anderen Bescheid sagte. Er hat nämlich T’ron nie verziehen, daß er ihn in die Zukunft lockte.«

F’lar wartete neben Mnementh, als Fidranth sich in den Weyrkessel senkte. Der Bronzedrache stupste ihn mit seinem breiten Kopf an, und F’lar tätschelte ihn liebevoll. Es war gut, daß Lessa ihn gewarnt hatte, denn schon T’rons Begrüßung fiel alles andere als diplomatisch aus.

»Ich habe es entdeckt! Ich habe entdeckt, was Sie in Ihre angeblich unfehlbaren Zeitpläne einzutragen vergaßen!«

»Was haben Sie nun genau entdeckt, T’ron?« fragte F’lar mit eiserner Ruhe.

Wenn T’ron etwas gefunden hatte, das ihnen weiterhalf, dann durfte er den Mann nicht verärgern.

T’ron stolperte in die Felsenkammer und schwenkte ein Stück beschriftetes Leder vor F’lars Nase.

»Hier ist der Beweis, daß Ihre Pläne nicht alle Informationen enthalten, die in unseren Aufzeichnungen stehen!«

»Bisher waren Sie immer zufrieden mit den Plänen, T’ron«, erinnerte F’lar den erregten Mann.

»Weichen Sie mir nicht aus, F’lar! Eben kam Ihr Bote an und berichtete, daß Fäden außerhalb des Schemas fallen.«

»Ja – wie bereits vor Tagen in Tillek und Crom. Warum sagte mir das niemand? Es hätte meine Arbeit sehr erleichtert.«

Das Entsetzen in T’rons Blick war echt.

»Sie täten besser daran, auf das zu hören, was sich das Volk erzählt, T’ron, anstatt den Weyr hermetisch abzuriegeln«, fuhr F’lar fort.

»Asgenar wußte es, und doch fanden es weder T’kul noch R’mart der Mühe wert, die anderen Weyr zu verständigen. Ein Glück, daß F’rad bei Asgenar war …«

»Sie bringen schon wieder Drachen auf den Burgen unter?«

»Ich schicke jeweils einen Tag vor dem Fädeneinfall einen Boten zu dem Baron, um dessen Land es geht. Das hat sich nun bewährt. Asgenars Wälder konnten gerettet werden.«

F’lar bedauerte den Ausrutscher. Es würde T’ron erneut Gelegenheit geben, sich gegen die großen Waldgebiete von Lemos zu wenden. Um ihn abzulenken, griff F’lar nach der Aufzeichnung, aber T’ron riß sie ihm aus der Hand.

»Sie werden sich schon auf mein Wort verlassen müssen…«

»Habe ich je an Ihrem Wort gezweifelt, T’ron?«

Auch diese Worte entschlüpften ihm, bevor er sie recht bedacht hatte. Er hoffte, daß T’ron darin keine Anspielung auf das Treffen vom Vortag sah.

»Ich erkenne, daß sich die Schrift in einem schlechten Zustand befindet, aber wenn es Ihnen tatsächlich gelang, sie zu entziffern, und sie sich auf den unvorhergesehenen Fädeneinfall bezieht, dann stehen wir alle in Ihrer Schuld.«

»F’lar?«

Lessas Stimme hallte im Korridor wider.

»Wo bleiben deine Manieren? Das Klah wird kalt, und in T’rons Weyr herrscht jetzt Morgengrauen.«

»Ich hätte nichts gegen einen Schluck einzuwenden«, gab T’ron zu, ebenso erleichtert wie F’lar, daß ihr Gespräch unterbrochen worden war.

»Es tut mir leid, daß mein Bote Sie aus dem Schlaf riß …«

»Das ist selbstverständlich bei einer solchen Nachricht.«

Unerklärlicherweise fühlte sich F’lar erleichtert, daß T’ron nichts von dem Fädeneinfall gewußt hatte. Er war in der Absicht hierhergekommen, F’lar und den Benden-Weyr bloßzustellen. Er hätte sich nicht so beeilt, wenn ihm die Wahrheit bekannt gewesen wäre.

Als die beiden Männer den Wohnraum betraten, saß Lessa bereits am Tisch. Sie trug ein fließendes Gewand, und ihr Haar wurde von einem Ziernetz locker zusammengehalten. Niemand merkte ihr an, daß sie noch ein paar Stunden zuvor das Königinnengeschwader geführt hatte.

Lessa hatte sich also vorgenommen, ihren Charme gegen T’ron auszuspielen? Innerlich amüsierte sich F’lar. Aber er wußte nicht, ob es ihr gelingen würde, T’ron weich zu stimmen. Den Gerüchten nach verstanden sich Mardra und T’ron nicht besonders gut.

»Wo ist Ramoth?« fragte T’ron, als sie an der leeren Schlafhöhle der Drachenkönigin vorüberkamen.

»In der Brutstätte, wo sie eifersüchtig über ihr Gelege wacht«, erwiderte Lessa leichthin.

T’ron runzelte die Stirn. Zweifellos kam ihm zu Bewußtsein, daß auf Bendens warmem Sand schon wieder ein Königinnenei heranreifte, während es in den Weyrn der Alten kaum Nachwuchs gab.

»Ich muß um Verzeihung bitten, daß ich Sie so früh wecken ließ«, fuhr sie fort und reichte ihm eine zerteilte Frucht und einen Becher Klah.

»Aber wir brauchen Ihren Rat und Ihre Hilfe.«

T’ron bedankte sich brummig und legte die Schrift vorsichtig auf den Tisch.

»Die Fäden könnten so unregelmäßig fallen, wie sie nur wollen, wenn wir nicht auf diese verdammten Wälder achten müßten«, sagte T’ron und starrte F’lar vorwurfsvoll an.

»Was? Ohne Holz leben?« rief Lessa. Sie strich über die Lehne des geschnitzten Stuhls, den Bendarek für sie angefertigt hatte. »Diese Steinsitze sind vielleicht nach Ihrem und Mardras Geschmack, aber ich hole mir jedesmal ein kaltes Hinterteil dabei.«

T’ron lachte schallend. Er musterte die zierliche Weyrherrin so unverhohlen, daß Lessa sich vorbeugte und auf die Schrift deutete.

»Ich will Ihre kostbare Zeit nicht mit meinem Geschwätz vergeuden. Sie haben hier etwas entdeckt, das unserer Aufmerksamkeit entging?«

F’lar biß die Zähne zusammen. Wie konnte sie so eine Frage stellen? Sie wußte genau, daß er kein einziges lesbares Wort in diesen schimmeligen Aufzeichnungen übersehen hatte.

Aber er verzieh ihr, als T’ron die Haut umdrehte.

»Das Ding ist natürlich schlecht erhalten«, sagte er, und es klang, als trage F’lar die Schuld daran.

»Aber als mir Ihr Jungreiter die böse Nachricht überbrachte, entsann ich mich einer Schrift, in der von einem völlig regelwidrigen Fädeneinfall die Rede war. Mit ein Grund, weshalb wir uns nie die Mühe machten, ein Zeitschema aufzustellen.«

F’lar wollte schon fragen, weshalb niemand es der Mühe wert gefunden hatte, diese kleine Tatsache zu erwähnen, aber er schwieg, als er Lessas warnenden Blick auffing.

»Da, der Satz ist unvollständig, aber wenn sie unvorhergesehene Verschiebungen einsetzen, bekommt er Sinn.«

Lessa sah bewundernd zu ihm auf.

»Das stimmt, F’lar. Da …«

Und sie entwand die Aufzeichnung T’rons zögernden Fingern und schob sie F’lar zu.

»Sie haben recht, T’ron. Völlig recht. Ich erinnere mich, daß ich diese Schrift zur Seite legen mußte, weil sie zu vermodert war.«

»Natürlich, als ich sie vor vierhundert Planetendrehungen zum erstenmal las, hatte sie sich noch nicht so aufgelöst.«

T’rons Seitenhiebe waren schwer zu schlucken, aber so kam man mit dem Mann noch besser aus, als wenn er sich in die Defensive gedrängt sah.

»Doch damit wissen wir noch nicht, wie die Verschiebung vor sich ging und wie lange sie dauerte«, meinte F’lar.

»Es muß noch andere Hinweise geben, T’ron«, warf Lessa unterwürfig ein.

»Weshalb halten sich die Fäden plötzlich nicht mehr an das Schema, das sie sieben Planetendrehungen lang auf die Sekunde genau befolgt haben? Sie selbst geben zu, daß Sie sich in Ihrer Zeit nach einem bestimmten Rhythmus richteten. Gab es dabei grobe Abweichungen?«

T’ron starrte mit gerunzelter Stirn auf die verwischten Zeilen.

»Nein«, meinte er schließlich.

Er schlug mit der Faust auf den Tisch.

»Weshalb besitzen wir nicht mehr das Wissen unserer Vorfahren? Weshalb lassen uns diese Aufzeichnungen gerade dann im Stich, wenn wir sie am notwendigsten brauchen?«

Mnementh begann draußen auf dem Felsensims zu trompeten, und Fidranth stimmte ein.

Lessa hielt den Kopf schräg und horchte.

»D’ram und G’narish«, sagte sie. »Ich glaube nicht, daß wir mit T’kul rechnen können, aber R’mart ist ein verläßlicher Mann.«

D’ram von Ista und G’narish von Igen traten gemeinsam ein. Die beiden Männer waren erregt und kamen sofort zur Sache.

»Was hat das zu bedeuten – ein verfrühter Fädeneinfall?« fragte D’ram.

»Wo sind T’kul und R’mart? Sie haben die beiden doch verständigt? Erlitten Ihre Geschwader große Verluste?«

»Wir kamen gerade noch rechtzeitig, so daß zum Glück kein Schaden entstand. Auch meine Reiter sind bis auf zwei Verletzte wohlauf«, erwiderte F’lar.

»Ich danke für die Nachfrage.«

Obgleich Mnementh niemanden angekündigt hatte, hörten sie hastige Schritte auf dem Felsenpfad, der in den Weyr führte. Alle dachten, daß R’mart doch noch gekommen sei, aber als sie zum Eingang blickten, sahen sie einen Jungreiter auftauchen.

»R’mart schickt mich«, keuchte der Bote. »Er ist verwundet. Die Drachen und Reiter von Telgar haben schwere Verluste erlitten. Es sieht verheerend im Weyr aus. Und es heißt, daß auf den Höhen von Crom die Hälfte der Ländereien verkohlt sind.«

Die Weyrführer waren aufgesprungen.

»Ich schicke sofort Hilfe …«, begann Lessa und unterbrach sich, als sie T’rons strengen Blick auf sich gerichtet sah. Auch D’ram musterte sie verwirrt.

Sie fauchte ungeduldig: »Ihr habt doch gehört, was der Junge sagte! Der Weyr ist in Not. Beistand in einer Katastrophe kann man doch wirklich nicht als Einmischung betrachten. Das alte Sprüchlein von der Autonomie eines Weyrs wäre hier lächerlich. Wollt ihr etwa Telgar im Stich lassen?«

»Eigentlich hat sie recht«, meinte G’narish, und F’lar warf ihm einen dankbaren Blick zu.

Der Mann war im Begriff, sein Verbündeter zu werden.

Lessa verließ den Raum, gefolgt von dem Jungreiter.

»T’ron fand in den Schriften eine Stelle, die sich auf unvorhergesehene Verschiebungen beim Fädeneinfall bezieht«, begann F’lar, als die anderen Platz genommen hatten.

»D’ram, erinnern Sie sich an ähnliche Aussagen aus der Zeit, als Sie die Aufzeichnungen von Ista studierten?«

»Nein, das ist zu lange her.«

Der Weyrführer von Ista schüttelte langsam den Kopf und wandte sich G’narish zu, der auch nur mit den Schultern zuckte.

»Ich habe übrigens Patrouillenflüge in meinem Weyr befohlen und schlage vor, daß alle zu dieser Vorsichtsmaßnahme greifen.«

»Was uns fehlt, ist ein Wachdienst für ganz Pern«, begann F’lar vorsichtig.

Aber T’ron ließ sich nicht täuschen. Er hieb mit der Faust auf den Tisch.

»Sie lauern schon wieder auf den Moment, da Sie Drachen auf den Burgen unterbringen können! Das Weyrvolk hält zusammen …«

»Wie T’kul und R’mart, die es nicht der Mühe wert finden, uns zu warnen?« fragte D’ram mit so eisiger Stimme, daß T’ron merklich stiller wurde.

»Außerdem, weshalb sollten wir uns abplagen, wenn die Burgen über so viel mehr Menschen verfügen als wir?« warf G’narish ein. Er lächelte nervös, als er die erstaunten Blicke der anderen auf sich gerichtet sah.

»Ich meine, die Barone könnten ohne weiteres die Wachtposten stellen, die wir benötigen.«

»Richtig!« unterstützte ihn F’lar, ohne T’rons Einwand zu beachten.

»Es ist noch gar nicht so lange her, da kündeten Rauchzeichen auf den Bergkämmen an, daß Baron Fax sich wieder einmal auf Eroberungszug befand. Es würde mich nicht überraschen, wenn die meisten dieser Signalfeuerstellen noch existieren.«

Er machte eine Pause.

»Sollen die Burgbewohner Feuer abbrennen, sobald Fäden am Horizont heraufziehen – ein paar strategisch gut verteilte Reiter können große Gebiete überblicken.«

»Es wäre gut gewesen, wenn T’kul uns benachrichtigt hätte wie Sie«, murmelte D’ram.

»Wir alle wissen, wie T’kul ist«, meinte F’lar tolerant.

»Er hatte kein Recht, uns diese wichtige Information vorzuenthalten.«

Wieder hieb T’ron auf den Tisch.

»Die Weyr müssen zusammenhalten.«

»Die Barone werden Schwierigkeiten machen«, stellte G’narish fest.

Zweifellos dachte er an Corman von Keroon, den widerspenstigsten Baron in seinem Schutzbereich.

»Oh«, entgegnete F’lar leichthin, »wenn wir ihnen weismachen, daß wir mit einer solchen Verschiebung rechneten …«

»Aber – aber sie besitzen doch die Zeitpläne«, stammelte T’ron. »Die Leute sind keine Schwachköpfe.«

»Es ist unsere Aufgabe, sie zu schützen, T’ron. Wir sind nicht verpflichtet, ihnen Erklärungen abzugeben, die sie ohnehin nicht verstehen würden.«

»Diesen Ton kenne ich gar nicht an Ihnen«, sagte D’ram erstaunt.

»Aber er hat recht«, warf G’narish ein. »Vor sieben Planetendrehungen empfingen sie uns mit offenen Armen. Sie gingen auf sämtliche Bedingungen ein, weil sie halb verrückt vor Angst waren.«

»Wenn sie ihre Wälder und Äcker erhalten wollen, müssen sie sich nach unseren Befehlen richten!«

»Dann sind wir uns einig«, sagte F’lar rasch, bevor die anderen sein Spiel durchschauten.

»Wir stellen, unterstützt von den Burgherren, Wachen auf und tragen jede Verschiebung sorgfältig in unsere Karten ein. Dann werden wir bald mehr wissen.«

»Und was machen wir mit T’kul?« fragte G’narish.

D’ram sah T’ron in die Augen. »Wir werden ihm die Lage erklären.«

»Er respektiert euch beide«, pflichtete F’lar ihm bei. »Aber vielleicht wäre es besser, ihn nicht merken zu lassen …«

»Wir können auf Ihre Ratschläge verzichten«, unterbrach ihn T’ron, und F’lar wußte, daß der kurze Waffenstillstand beendet war.

Die Alten verbanden sich gegen ihn, wie vor zwei Tagen bei jenem fehlgeschlagenen Treffen. Nun, wenigstens diesmal war es ihnen nicht gelungen, sich ihren Pflichten zu entziehen.

Die Alten befanden sich eben im Aufbruch, als Lessa in den Weyr zurückkehrte, außer Atem, aber sichtlich erleichtert. »D’ram, T’ron, bleibt noch – ich habe gute Nachricht von Telgar!« rief sie, aber die Männer verabschiedeten sich in aller Hast, und F’lar gab ihr durch einen Blick zu verstehen, daß sie die beiden nicht zurückhalten sollte.

»Wie geht es R’mart?« fragte G’narish. Er versuchte die Unhöflichkeit der anderen zu überdecken.

Lessa lächelte den Weyrführer von Igen an.

»Oh, dieser Bote – er ist noch ein Kind – hat stark übertrieben.

Ramoth unterhielt sich mit Solth, der Drachenkönigin von Telgar. R’mart hat böse Verätzungen davongetragen, ja. Bedella gab ihm offensichtlich eine zu starke Dosis Betäubungspulver. Sie trägt die Schuld daran, daß niemand verständigt wurde.

R’marts Stellvertreter dachte nicht daran, Boten auszusenden, da er mitangehört hatte, daß R’mart diesen Befehl Bedella erteilte. Er konnte ja nicht ahnen, daß sie es vergessen würde.«

Lessa zuckte mit den Schultern.

»Der Geschwader-Zweite läßt ausrichten, daß er dankbar für euren Rat wäre.«

»H’ages ist ein guter Zweiter«, meinte G’narish. »Aber er besitzt keine Initiative. Sagen Sie, F’lar, Sie haben selbst Verletzungen davongetragen?«

»Ein paar Kratzer.«

»Von wegen«, widersprach Lessa. »Außerdem hast du noch nichts gegessen.«

»Ich mache einen Abstecher nach Telgar, F’lar, und spreche mit H’ages«, erklärte G’narish.

»Ich begleite Sie, G’narish, wenn Sie nichts dagegen haben sollten …«

»Ich habe etwas dagegen«, warf Lessa ein. »G’narish ist durchaus allein in der Lage, das Ausmaß des Schadens festzustellen. Er kann uns später Bescheid geben. Ich bringe ihn jetzt zum Felsensims, während du endlich zu essen anfängst!«

Lessa war so resolut, daß G’narish lachen mußte.

»Kommen Sie«, fuhr sie fort und nahm seinen Arm, »ich habe noch nicht nach Gyarmath gesehen und er ist ein Prachtbursche.«

Sie flirtete so offen mit G’narish, daß F’lar sich wunderte, weshalb Ramoth keinen Krach schlug.

Iß, riet ihm Mnementh. Lessa soll G’narish ruhig ein wenig schmeicheln. Gyarmath macht es nichts aus, ebensowenig wie Ramoth und mir.

»Was ich alles für meinen Weyr tue«, sagte Lessa mit einem übertriebenen Seufzer, als sie Sekunden später zurückkehrte.

F’lar sah sie an.

»G’narish ist moderner eingestellt, als er selbst ahnt.«

»Dann müssen wir ihm diese Tatsache zu Bewußtsein bringen.«

Sie setzte sich neben ihn.

»Signalfeuer und Patrouillenflüge reichen nicht aus, F’lar«, meinte sie nachdenklich.

»Obwohl ich glaube, daß wir uns zu große Sorgen wegen dieses unvorhergesehenen Fädeneinfalls machen.«

»Damit wollte ich nur G’narish und die anderen täuschen. Ich dachte, daß du …«

»Aber merkst du denn nicht, daß du recht hattest?«

F’lar warf ihr einen ungläubigen Blick zu.

»Beim Ei, Weyrführer, du erstaunst mich! Warum kann es keine Abweichungen geben? Weil du, F’lar, diese Zeitpläne zusammengestellt hast und den Alten beweisen möchtest, daß die Dinger unfehlbar sind? Es hat auch lange Intervalle gegeben, in denen überhaupt keine Fäden fielen, das wissen wir am besten. Warum sollte sich da nicht gelegentlich der Rhythmus des Sporenregens ändern?«

»Aber warum? Nenne mir einen einzigen Grund!«

»Warum nicht? Das gleiche Ding, das den Roten Stern beeinflußt, so daß er nicht immer nahe genug an Pern vorüberzieht um Fäden abzuwerfen, kann ihn doch so von seinem Kurs ablenken, daß sich der Einfall verschiebt. Irgendein anderer Himmelskörper vielleicht…«

»Wo denn?«

Lessa zuckte ungeduldig mit den Schultern.

»Wie soll ich das wissen? Ich habe nicht F’rads scharfe Augen. Aber wir könnten versuchen, es herauszufinden. Oder haben dir die sieben Jahre des gleichmäßigen Trotts den Schwung genommen?«

»Lessa…«

Zerknirscht schmiegte sie sich an ihn.

»Entschuldige, ich habe nicht das Recht, so mit dir zu reden. Es reicht, wenn du gegen diese beschränkten, engstirnigen Kerle von Weyrführern ankämpfen mußt…«

Er küßte sie auf die Stirn.

»Du hast recht. Unser Hauptproblem ist es im Moment, das Alte und das Neue miteinander auszusöhnen. Nur so wird es uns gelingen, die Krise zu überwinden. Die Signalfeuer sind wirklich keine Lösung. Wenn nur Fandarel…«

»Nach dem Essen!« unterbrach sie ihn mit einem Lächeln.

»Ich dachte mir, daß du mit dem Schmied und dem Meisterharfner über deine Probleme sprechen wolltest. Ich habe sie hierherbestellt, aber sie kommen erst, wenn du gegessen und dich ausgeruht hast!«

Kylara drehte sich vor dem Spiegel und beobachtete den Faltenwurf des tiefroten Gewandes.

»Ich wußte es«, fauchte sie, und eine Unmutsfalte grub sich in ihre glatte Stirn.

»Der Saum ist zipfelig. Rannelly!«

Die alte Frau hastete herbei.

»Ich komme schon, Schätzchen! Ich habe deine Kleider aus den Schränken und Truhen geholt und an die frische Luft gehängt. Dieser Blütenduft!«

Sie schwätzte unaufhörlich vor sich hin.

»Diese Schneider haben keine Augen im Kopf«, murmelte die Alte, als Kylara sie auf ihr Problem aufmerksam machte.

»Ah, und diese Stiche. Schlampig und in aller Hast ausgeführt. Viel zuviel Faden in der Nadel…«

»Der Mann versprach mir das Kleid in drei Tagen und nähte noch daran, als ich es abholen kam. Aber ich brauche es.«

Rannelly hob den Kopf und starrte ihren Schützling an.

»Du hast noch nie den Weyr verlassen, ohne ein Wort zu sagen.«

»Ich gehe, wohin es mir paßt«, entgegnete Kylara und stampfte mit dem Fuß auf.

»Ich bin kein kleines Kind mehr, daß ich über jeden meiner Schritte Auskunft geben muß. Vergiß nicht, daß ich die Drachenkönigin reite!«

»Das vergißt niemand, Schätzchen …«

»Nicht, daß ich mir etwas aus diesem Weyr hier mache …«

»Er ist eine Kränkung für mein Kleines …«

»… aber sie werden schon sehen, daß sie mit einer Telgar nicht so umspringen können!«

»Wer hat denn mein Täubchen beleidigt?«

»Bring den Saum in Ordnung, Rannelly, und beeil dich! Ich möchte glänzen, wenn ich meine Familie besuche.«

Sie strich sich über die schmale Taille und warf dann einen prüfenden Blick auf ihr dichtes, welliges Blondhaar.

»Der einzige Vorteil an diesem schrecklichen Nest hier ist, daß die Sonne meinem Haar gut tut.«

»Wie pures Gold sieht es aus, Schätzchen, wie pures Gold, wenn Rannelly es bürstet. Morgens und abends, jeden Tag. Außer wenn du fort bist. Er hat nach dir gesucht…«

»Egal. Kümmere dich um den Saum. Das ist wichtiger.«

»Oh, gewiß. Zieh das Kleid aus! So … ooh, mein Kleines, wer hat dich so behandelt?

Wer hat es gewagt er …?«

»Still!«

Kylara warf ihr rasch das Kleid zu und betrachtete die blauen Flecken auf ihrer hellen Haut. Ein Grund mehr, das neue Gewand zu tragen. Sie schlüpfte in den Morgenmantel. Obwohl es ihr ziemlich egal war, was T’bor dachte.

»Das führt zu nichts Gutem«, stöhnte Rannelly, als sie das rote Kleid nahm und in ihre Kammer schlurfte.

»Du bist jetzt eine Weyrherrin. Es kommt nichts dabei heraus, wenn Drachenvolk sich erniedrigt, Täubchen …«

»Halt den Mund, du alte Schwätzerin!

Als Weyrherrin kann ich tun und lassen, was mir paßt. Das ist der einzige Vorteil meines Ranges. Ich bin nicht meine Mutter. Und ich verzichte auf deine Ratschläge.«

»Ja, ja, das weiß ich.«

Das klang so bitter, daß Kylara der alten Amme erstaunt nachsah.

Da, sie hatte schon wieder die Stirn gerunzelt. Sie durfte sich nicht vergessen – so etwas gab Falten.

Kylara strich ihre Stirn glatt und betrachtete dann ihre Figur. Immer noch schlank, und das nach fünf Bälgern. Nun, damit war jetzt Schluß, und sie wußte auch, wie. Ein paar Sekunden länger als sonst im Dazwischen, wenn es wieder einmal soweit war… Sie hob die Arme und wirbelte lachend im Kreis. Verdammt, der blaue Fleck schmerzte abscheulich. Meron sollte sich vorsehen. Ach was, Meron konnte mir ihr machen, was er wollte. Sie brauchte ihn … Er ist kein Drachenreiter, meinte Prideth, die eben aufgewacht war. Die Worte der goldenen Drachenkönigin enthielten keinen Vorwurf.

»Nein, er ist kein Drachenreiter«, entgegnete Kylara mit einem sinnlichen Lächeln.

Mich juckt es, beschwerte sich Prideth.

Kylara hörte, wie draußen der Sand flog. Hier im Südkontinent gab es keine Felsmulden als Schlafhöhlen für die Drachen, aber der Sand in den Lichtungen war von der Sonne durchwärmt und ein angenehmer Lagerplatz.

Prideth lag inmitten von duftenden Fellisbäumen. Nachsichtig ging die Weyrherrin hinaus und streichelte ihr Tier. Wenn sie nur einen Menschen finden könnte, der sie so liebte und verstand wie Prideth. Wenn beispielsweise F’lar… Mnementh gehört Ramoth, warf die Drachenkönigin ein.

»Mnementh könnte dir gehören, du dummes Ding!«

»Nein, ich mache ihn Ramoth nicht streitig.«

Das Mädchen lehnte sich gegen den großen, keilförmigen Kopf des Drachen und schloß einen Moment lang die Augen. Prideths Liebe versöhnte sie manchmal mit ihrer Verbannung in den Süden.

Dann hörte sie in der Ferne T’bors Stimme. Er kommandierte die Jungreiter herum, und sie erhob sich. Warum mußte es gerade T’bor sein? Er war ein miserabler Liebhaber. Bei ihm empfand sie keine Lust wie bei Meron, außer Orth stieg mit Prideth zum Paarungsflug auf. Dann war er erträglich.

Meron besaß Ehrgeiz. Und er kannte keine Rücksicht. Wenn sie sich mit ihm verbündete, konnten sie eines Tages ganz Pern beherrschen … »Guten Tag, Kylara.«

Kylara ignorierte den Gruß. T’bors erzwungene Freundlichkeit verriet ihr, daß er fest entschlossen war, nicht mit ihr zu streiten. Sie überlegte, welche Anziehung er je auf sie ausgeübt hatte. Gewiß, er war hochgewachsen und stattlich wie die meisten Drachenreiter. Aber sein nervöser Blick und die sorgenvoll gerunzelte Stirn verdarben sein gutes Aussehen.

»Guten Tag, Prideth«, fügte er hinzu.

Ich mag ihn, erklärte Prideth ihrer Reiterin. Und er ist dir wirklich ergeben. Du benimmst dich nicht nett.

»Das bringt auch nichts ein!« entgegnete Kylara scharf. Dann wandte sie sich aufreizend langsam an T’bor: »Was gibt es?«

T’bor errötete, wie immer, wenn er diesen Tonfall hörte. Sie versuchte ihn aus der Ruhe zu bringen.

»Ich muß wissen, wie viele Weyr frei sind. Telgar erkundigt sich danach.«

»Frag Brekke! Ich kann mich nicht um alles kümmern.«

T’bor preßte die Lippen zusammen. »Es ist Sitte, daß die Weyrherrin …«

»Sitte, Sitte – hör mir damit auf! Sie weiß Bescheid. Ich nicht. Und ich sehe nicht ein, weshalb der Südkontinent jeden Idioten aufnehmen soll, der den Fäden nicht ausweichen kann.«

»Kylara, du weißt genau, weshalb der Südkontinent…«

»Wir hatten keinen einzigen Verwundeten während der sieben Planetendrehungen, in denen Fäden fielen.«

»Der schlimmste Einfall erfolgt nun mal im Norden, und nun höre ich …«

»Man nutzt uns aus!«

»Kylara, nun unterbrich mich nicht ständig!«

Lächelnd wandte sie sich ab. Es war ihr gelungen, seinen kindischen Vorsatz zunichte zu machen.

»Erkundige dich bei Brekke! Ihr macht es Spaß, mich zu ersetzen.«

Sie warf einen Blick über die Schulter, um zu sehen, ob er verstanden hatte, was sie meinte.

Sie war überzeugt davon, daß Brekke sein Lager teilte. Dumm genug von der Kleinen, denn Kylara merkte recht gut, daß sie F’nor verehrte.

»Brekke hat weit mehr das Zeug zur Weyrherrin als du!« sagte T’bor mit zusammengebissenen Zähnen.

»Das sollst du mir büßen, du Nichts, du Versager!« kreischte ihm Kylara entgegen, verwirrt durch seinen Angriff. Dann warf sie den Kopf nach hinten und lachte.

Brekke, das dünne Ding, als Weyrherrin! Selbst Lessa sah neben ihr weiblicher aus.

Der Gedanke an Lessa ernüchterte Kylara. Sie versuchte sich erneut einzureden, daß Lessa keine Drohung für sie darstellte, daß sie kein Hindernis in ihrem Plan sein würde.

Lessa war eine Närrin, mit ihrer Sehnsucht nach einem zweiten Kind. Ganz Pern hätte sie regieren können. Sie hatte die Chance leichtfertig vergeben. Wie idiotisch, die Alten aus der Vergangenheit zu holen! Nun, sie, Kylara, hatte jedenfalls nicht die Absicht, im Südkontinent-Weyr zu versauern.

Larad, der edle Baron von Telgar und ihr Blutsbruder, hatte vielleicht vergessen, sie zur Hochzeit einzuladen, aber das war kein Grund, dem Fest fernzubleiben.

Brekke wechselte gerade F’nors Verband, als er hörte, daß T’bor nach ihr rief. Sie zuckte zusammen. Mitleid und Besorgnis standen in ihren Augen.

»Ich bin bei F’nor!« rief sie.

Der Weyrführer erschien in der halboffenen Tür.

»Was macht der Arm, F’nor?«

»Er heilt – kein Wunder bei dieser Pflege!«

F’nor lächelte dem Mädchen zu.

»Jetzt weiß ich, weshalb alle Verletzten sich darum reißen, in den Südkontinent-Weyr gebracht zu werden.«

»Wenn das der Grund ist, weise ich ihr sofort andere Aufgaben zu.«

T’bors Stimme klang so bitter, daß F’nor ihn prüfend ansah.

»Brekke, wie viele Verwundete können wir aufnehmen?«

»Nur vier, aber Varena im Westen hat noch Platz für zwanzig.«

»R’mart bittet darum, zehn Drachenreiter schicken zu dürfen. Es ist ein schwerer Fall darunter.«

»Der bleibt am besten bei uns.«

F’nor wollte schon sagen, daß Brekke sich zu viel Arbeit auflud.

Selbst ein Blinder sah, daß sie einen Großteil von Kylaras Verantwortung auf sich genommen hatte, ohne jedoch die Vorrechte einer Weyrherrin zu genießen. Ihre Königin Wirenth war so jung, daß sie noch viel Pflege benötigte; obendrein zog Brekke die kleine Mirrim groß, obwohl sie selbst noch keine Kinder hatte, und kümmerte sich um die Reiter, die am schwersten verwundet waren.

Nicht, daß F’nor undankbar sein wollte: sie verstand etwas von Krankenpflege und hatte die Hände einer Heilerin.

»Du bist mir eine große Stütze«, sagte T’bor.

»Wirklich, Brekke, ich wüßte nicht, was ich ohne dich täte.«

»Sollte man nicht endlich eine andere Regelung treffen?« warf F’nor vorsichtig ein.

»Wie meinen Sie das?«

Oho, dachte F’nor, ist der Mann empfindlich!

»Seit Hunderten von Planetendrehungen wurden die Drachenreiter auch auf ihren eigenen Weyrn gesund. Weshalb soll der Südkontinent sie nun alle beherbergen?«

»Benden schickt nur selten Leute«, sagte Brekke ruhig.

»Ich meine auch nicht Benden. Die Hälfte der Verwundeten hier stammen vom Fort-Weyr. Warum erholen sie sich nicht am Strand von Süd-Boll…?«

»T’ron ist kein Anführer …«, begann T’bor abschätzig.

»Das möchte Mardra uns weismachen«, unterbrach ihn Brekke mit ungewohnter Heftigkeit.

T’bor starrte sie überrascht an.

»Dem kleinen Fräulein entgeht nicht viel«, meinte F’nor lachend. »Lessa sagte das gleiche, und ich glaube, sie hat recht.«

Brekke errötete.

»Wie meinst du das Brekke?« fragte T’bor.

»Fünf der Schwerverwundeten flogen in – Mardras Geschwader!«

»Ihrem Geschwader?«

Die beiden Männer sahen sich verwundert an.

»Wißt ihr das nicht?« fragte Brekke, beinahe ein wenig bitter. »Seit D’nek den Fäden zum Opfer fiel, fliegt sie selbst mit…«

»Eine Königin, die Feuerstein frißt? Ist Loranth deshalb nicht zum Paarungsflug aufgestiegen?«

»Ich sagte nicht, daß Loranth Feuerstein frißt«, widersprach Brekke. »Einen Funken Vernunft besitzt Mardra noch. Nein, sie benutzt einen Flammenwerfer.«

»In der Höhe?«

F’nor war wie betäubt. Und T’ron besaß die Frechheit, auf Traditionen zu pochen!

»Deshalb werden so viel Reiter in ihrem Geschwader verwundet; die Drachen fliegen dicht neben der Königin, um sie zu schützen.«

»Das ist doch …«

F’nor zuckte zusammen, als die heftige Bewegung ihn an seine Wunde erinnerte.

»Etwas Verrückteres habe ich auch noch nicht gehört. Weiß F’lar Bescheid?«

T’bor zuckte mit den Schultern.

»Und wenn – was könnte er tun?«

Brekke drückte F’nor wieder auf sein Lager und richtete den Verband, der sich verschoben hatte.

»Wohin führt das noch?« fragte F’nor.

T’bor lachte hart.

»Der Weyr über allem, selbst über dem gesunden Menschenverstand! Das Drachenvolk hält zusammen, und der letzte fällt ins Dazwischen. Nun, ich habe seit jenem Treffen, von dem ich Ihnen erzählte, beschlossen, auf eigene Faust vorzugehen. Und ich werde Ordnung in meinen Weyr bringen. Selbst Kylara …«

»Himmel, was ist schon wieder mit Kylara?«

T’bor warf F’nor einen nachdenklichen Blick zu. Dann zuckte er mit den Schultern.

»Kylara beabsichtigt, in vier Tagen nach Telgar zu gehen.

Der Südkontinent-Weyr erhielt keine Einladung zur Hochzeit. Mich kränkt das nicht. Burg Telgar besitzt keine Verpflichtungen uns gegenüber, und eine Heirat ist reine Angelegenheit der Barone. Aber ich bin überzeugt davon, daß sie Unruhe stiften will. Ich kenne die Zeichen. Außerdem war sie mit dem Baron von Nabol zusammen.«

»Meron?«

F’nor schien nicht gerade beeindruckt.

»Der Mann hat vor acht Planetendrehungen seine Lektion erhalten, als er versuchte, den Benden-Weyr zu stürmen. Kein Baron würde sich mehr mit Meron verbünden. Nicht einmal Nessel von Crom, der noch nie eine Geistesleuchte war.«

»Nicht vor Meron müssen wir uns in acht nehmen, sondern vor Kylara. Was sie auch anfaßt – es wird Unheil daraus.«

F’nor wußte, was T’bor meinte.

»Vergessen Sie nicht, daß Larad ihr Bruder ist. Er wird sicher mit ihr fertig. Was kann sie außerdem schon anrichten? Den Roten Stern verhexen?«

F’nor merkte, daß Brekke der Atem stockte. T’bor zuckte zusammen.

»Sie haben gehört, daß sich der Rhythmus des Fädeneinfalls verschoben hat?«

»Nein.«

F’nor sah von T’bor zu Brekke. Das Mädchen beugte sich über seine Medikamente.

»Sie hätten nichts dagegen tun können, F’nor«, sagte Brekke ruhig. »Und Sie fieberten noch, als wir davon erfuhren.«

T’bor grinste, als er F’nors Erregung sah.

»Nicht, daß F’lars kostbare Zeitpläne je für den Südkontinent galten! Wer kümmert sich schon darum, was in diesem verlassenen Winkel von Pern geschieht?«

Damit verließ T’bor den Raum. F’nor wollte ihm folgen, aber Brekke hielt ihn zurück.

»Nein, F’nor, bedrängen Sie ihn nicht!«

Er warf einen Blick in ihr besorgtes Gesicht. So war das also? Brekke und T’bor! Eine Schande, daß sie ihre Zuneigung an einen Kerl verschwendete, der dieser Hexe von Kylara vollkommen verfallen war!

»Gut, aber nun erzählen Sie mir endlich, was vorgefallen ist! Mein Arm ist verletzt, nicht mein Kopf.«

Sie berichtete in kurzen Zügen. Er nickte. Es schien, als hätte F’lar die Alten wieder einmal an die Kandare genommen. Dazu bedurfte es offenbar erst der Fäden.

»Ich verstehe nicht, was T’bor meinte, als er sich über unsere Gleichgültigkeit beschwerte.«

Brekke legte ihm bittend die Hand auf den Arm. »Es ist nicht leicht für ihn, mit Kylara zu leben, besonders, wenn es einer Art Exil gleichkommt.«

F’nor verstand das. Wie die meisten anderen Drachenreiter von Benden hatte er erleichtert aufgeatmet, als Kylara in den Südkontinent-Weyr zog. Und er konnte von Glück reden, das sie im Moment zu sehr mit Meron von Nabol beschäftigt war, um sich ihm zu widmen.

»Sie sehen, was T’bor in den wenigen Planetendrehungen aus dem Süden gemacht hat«, fuhr Brekke fort.

F’nor nickte, ehrlich beeindruckt.

»Hat er eigentlich je den ganzen Kontinent erforscht?«

»Ich glaube nicht. Die Wüsten im Westen sind entsetzlich. Ein paar Reiter trieb die Neugier hin, aber die Sandstürme hinderten sie am Vorwärtskommen. Und im Osten gibt es nur Wasser.«

Der braune Reiter bewegte vorsichtig seinen bandagierten Arm.

Brekke legte die Geste richtig aus.

»Nun hören Sie mir gut zu, F’nor von Benden«, sagte sie scharf. »Sie können weder zu Ihrem Geschwader zurückkehren noch auf Entdeckungsreisen gehen. Das Schlimmste für eine halb verheilte Wunde ist der Aufenthalt im Dazwischen. Weshalb hat man Sie wohl hierhergebracht?«

»Aber, Brekke, ich hatte keine Ahnung, daß Sie sich um mich sorgen!«

Einen Moment lang glaubte er etwas ganz Besonderes in ihren Augen zu lesen. Doch dann schob sie ihn hastig zur Tür.

»Hinaus mit Ihnen! Hören Sie nicht, daß Canth nach Ihnen ruft? Nehmen Sie ihn mit und legen Sie sich am Strand in die Sonne!«

Sie schlüpfte an ihm vorbei ins Freie, bevor ihm zu Bewußtsein kam, daß er Canth nicht gehört hatte.

»Brekke!«

Sie blieb zögernd auf der Lichtung stehen.

»Können Sie andere Drachen hören?«

»Ja.«

Sie wirbelte herum und lief davon.

»Also, das ist doch …«, murmelte F’nor verwirrt. Er suchte die Sandkuhle auf, in der es sich Canth bequem gemacht hatte.

»Warum sagst du mir so etwas nicht?«

Du hast nie danach gefragt, erwiderte Canth. Ich mag Brekke.

»Du bist unmöglich«, erklärte F’nor und starrte in die Richtung, in die das Mädchen verschwunden war.

Ich brauche ein Bad.

Das klang so sehnsüchtig, daß F’nor unwillkürlich lachen mußte.

»Dann komm! Ich schaue dir zu.«