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Du liebes Kind,

komm geh’ mit mir,

gar schöne Spiele

spiel’ ich mit dir.

JOHANN WOLFGANG VON GOETHE

 

Die Sonne bahnte sich ihren Weg durch das dichte Geäst der Bäume. Silbrig glitzerten die Strahlen auf dem hellen Grün der Blätter und tauchten den Wald in ein unwirklich flirrendes Licht. Der schmale Pfad schlängelte sich sanft am Seeufer entlang, der Wind wehte sacht und verwandelte die Zweige in tanzende Schatten. Tief atmete Mandy die frische, klare Luft ein. Der Druck der letzten Tage fiel von ihr ab, und sie fühlte sich leicht und frei.

An einer Biegung tauchte eine schemenhafte Gestalt auf. Reglos stand sie da und schien auf Mandy zu warten. Dann hob sie plötzlich den Arm und winkte ihr zu. Durch das Rauschen der Blätter glaubte Mandy eine merkwürdig lockende Stimme zu hören, die ihren Namen rief: »Malina – Malina – Malinaaa …«

Mit unsicheren Schritten ging sie weiter. Plötzlich erkannte sie den Wartenden. »Hallo Mandy«, sagte Edward, »ich habe dir etwas mitgebracht.« Gebannt blickte sie auf die tiefrote Rose in seiner Hand.

»Ich kenne einen Ort, da gibt es noch mehr davon. Er wird dir gefallen. Komm!« Er griff nach ihr und zog sie mit sich.

Mitten im Wald lag eine kleine Lichtung, auf der die üppigsten roten Rosen wuchsen, die Mandy je gesehen hatte. Ihren prallen Blüten entströmte ein starker, süßer Duft, der ihre Sinne betäubte und sie schwach und nachgiebig werden ließ.

Sie wehrte sich nicht, als Edward sie heftig an sich zog und sie voller Leidenschaft küßte. Ihre Vernunft sträubte sich dagegen, doch gegen die Sehnsucht nach seiner Umarmung war sie machtlos. Mit einem Stöhnen überließ sie sich schließlich seinem Kuß und drängte sich an ihn.

Erregt durch ihr plötzliches Entgegenkommen schob Edward ihr weites Kleid nach oben. »Mandy, Mandy«, flüsterte er, und sein Atem drang heiß an ihr Ohr. Dann ließ er sich zu Boden fallen und riß sie mit sich. Sein Mund grub sich zwischen ihre Brüste, und rasch streifte er ihr das Höschen ab. Mit einem harten Stoß drang er in sie ein, und seine rhythmischen Bewegungen brachten sie fast zur Raserei.

Sie hörte ihren schweren Atem und wand sich unter seinem Körper. Als sie die Augen öffnete, nahm sie verschwommen einen dunklen Schatten wahr. Erst allmählich erkannte sie, daß die blutrot blühenden Rosen sich zu einem schwarzen, undurchdringlichen Gestrüpp verdichtet hatten und sich wie eine Dornenhecke um sie rankten. Ihre Stacheln glichen Schwertern, deren Klingen hungrig nach ihrem Blut lechzten.

Der süße Duft der Rosen hatte sich plötzlich in einen Geruch nach Moder und Fäulnis verwandelt. Schwer durchdrang er Mandys Lungen und breitete sich wie ein tödliches Gift bis in die letzten Verästelungen aus.

Verzweifelt versuchte sie sich aus Edwards Umklammerung zu befreien, doch sein stählerner Griff preßte ihren Körper hart gegen den Boden, und sein Gewicht lastete schwer auf ihr. Zügellos und unbarmherzig stieß er in sie, seinen Blick stier auf einen unsichtbaren Punkt gerichtet. Sie gab den Kampf auf und spürte schließlich, wie er in ihr pulsierte und sich in ihr ergoß.

Danach blieb er schwer auf ihr liegen. Es war, als habe er seinen Samen wie ein zähes Unkraut in ihren Körper gepflanzt. Es drang durch ihren Unterleib in den Magen, von dort in die Lungen und erreichte schließlich ihr Herz. Unaufhörlich – bis sie wußte, daß sie daran ersticken würde.

Die Erkenntnis, wie Edward seine Opfer umgebracht hatte, traf sie wie ein Schlag. Sie schrie und blickte dem Tod in sein höhnisches Gesicht.

 

»Mandy, komm zu dir. Du hast nur geträumt.« Dorothee saß an ihrem Bett und rüttelte sie wach. Mandy drehte den Kopf zur Seite und glaubte noch immer Edwards verzerrte Züge vor sich zu sehen.