12. Kapitel
Johanna war sich nicht mehr ganz so sicher, was ihren Plan betraf. Ja, sie mochte Dominic. Sie war in ihn verliebt. Und ja, ihr war bewusst, was für einen großen Freundschaftsdienst Katharina ihr erwies. Sie war sich nicht sicher, ob sie im umgekehrten Fall auch so reagiert hätte.
Ein weiteres Mal sah sie zu ihrer besten Freundin, die seelenruhig am Küchentisch saß und eine Zeitschrift las. Vor Johannas Geständnis hatte Katharina gesagt, Dominic wäre wie ihr Seelengefährte, der die verstand und nicht nur aus sexuellen Gründen mit ihr zusammen war. Das sie ihm vertraute und er ihr. Was würde diese Nacht an ihrer Beziehung ändern? Konnte sie morgen ihrer Freundin noch in die Augen sehen? Wie würde Dominic reagieren? Vielleicht würde er über reagieren und die Beziehung zu Katharina beenden. Daran wäre im Endeffekt Johanna schuld. Konnte sie mit dem Wissen leben, den Traummann ihrer besten Freundin vergrault zu haben?
„Johanna! Bitte setz dich hin. Du machst mich ja noch ganz nervös.“ Sie ließ sich auf den anderen Küchenstuhl fallen und kaute auf ihren Nägeln. Eine schlechte Angewohnheit, wenn sie nervös war.
„Wollen wir das wirklich durchziehen? Ich meine, vielleicht macht das eure Beziehung kaputt. Damit könnte ich nicht leben.“ Katharina schloss die Zeitschrift und sah sie an.
„Beste Freundinnen teilen alles.“ Sie zuckte mit den Schultern und grinste dann.
„Außerdem: Welcher Mann würde sich nicht über eine Erlaubnis zum Seitensprung freuen? Mach dir keinen Kopf. Das wird schon alles.“ Johanna sollte erleichtert sein, war sie aber nicht. Würde Dominic sie überhaupt wollen? Natürlich hatte sie die Blicke und die „zufälligen“ Berührungen mitbekommen. Auch, dass er sie gerne neckte und nicht links liegen ließ. Aber wie wird er auf ihr Angebot reagieren? Wie treu war er? Oder war das Katharinas Beweggrund, weswegen sie das alles vorgeschlagen hatte? Das wiederum war auch nicht unbedingt logisch, weil sie ihm ja sozusagen auch schon mit Johanna fremd gegangen war. Ihr Kopf rauchte schon wegen der vielen Gedanken, die ihr durch den Kopf rasten. Und dann ertönte die Türglocke.
„Er ist da!“ Johanna sprang auf und wurde von einer grinsenden Katharina zurück gehalten.
„Beruhige dich, Süße.Wenn du es dir doch anders überlegen solltest oder Panik bekommst, dann sag das Safewort.“ Ach ja. Sie hatten zuvor ein Sicherheitswort ausgemacht, mit dem Johanna jederzeit, zumindest solange Katharina da war, diesen Plan abblasen konnte. Danach war sie mehr oder weniger auf sich allein gestellt. Außerdem hatten sie eine Sicherheitsabfrage ausgemacht. Bevor Katharina die Wohnung verlassen würde, musste sich Johanna entscheiden. Die Türglocke ertönte ein weiteres Mal und Katharina gab ihr einen liebevollen Kuss auf den Mund.
„Showtime!“
Waren die beiden Frauen ausgeflogen? Oder war er zu zeitig? Er nahm den Einkaufsbeutel in die andere Hand und sah auf die Uhr. Nein. Er war pünktlich. Er hatte auch gegen Mittag extra mit Katharina gesprochen, damit sie ihn nicht vergaß. Und nun stand er hier. Da ertönten Schritte aus der Wohnung und als sich die Tür öffnete, grinste ihn Katharina an. Seine Traumfrau. Die Mutter seiner zukünftigen Kinder.
„Entschuldige. Wir waren gerade abgelenkt.“ Sie nahm ihm einen der Beutel ab und gab ihm einen Kuss, der seine Lippen nach mehr flehend zurück ließ. Und sein kleiner Freund regte sich auch schon wieder. Was machte diese Frau nur mit ihm? Sie brachte sein Blut regelrecht zum kochen und er hatte alle Hände voll damit zu tun, seine gelassene Ausstrahlung aufrecht zu erhalten.
„Kein Problem. Wenn ich immer so einen Kuss bekomme, wenn ich ein paar Minuten warten muss, dann lasst euch ruhig öfter ablenken.“ Sie zog ihn in die Wohnung und, nachdem er sich ausgezogen hatte, manövrierte sie ihn in die Küche. Johanna stand am Fenster und sah ihn unsicher an.
„Hy.“ Mehr brachte sie nicht heraus. Katharina hingegen plapperte ohne Unterlass und fasste ihn häufiger an als sonst. War etwas passiert? Diese Frauen und ihre Geheimnisse würden ihn noch ins Grab bringen. Nachdem sie zu dritt gekocht und gegessen hatten, gingen sie ins Wohnzimmer und setzten sich auf das Sofa. Plötzlich sprang Katharina auf.
„Ich hab das Eis vergessen. Ich geh nochmal schnell los.“ Bevor Dominic etwas entgegnen konnte, war Katharina schon im Flur und zog sich ihre Jacke an.
„Johanna? Willst du Kirsch- oder Schokoeis?“ Die Blondine sah erst zu ihm und dann wieder zu Katharina.
„Kirscheis.“ Und schon war sie weg.
Als Katharina die Tür hinter sich geschlossen hatte, kam plötzlich Leben in Johanna. Sie hatte schon den ganzen Abend verkrampft und nervös gewirkt. Aber jetzt war das alles einer Entschiedenheit gewichen, die ihn verwirrte. Als sie nun auf ihn zu kam, nahm er auch ihre Kleidung wahr. Ein enges, weißes T-Shirt und ein knie-langer, blauer Jeansrock. Er hatte sie noch nie im Rock gesehen. Er schwang bei jedem Schritt, den sie auf ihn zu kam, hin und her. Als er seinen Blick von ihrem Rock abwandte und statt dessen in ihr Gesicht sah, war er überrascht, wie nah sie ihm plötzlich war. Und dann passierte das unfassbare. Sie lehnte sich nach vorne und küsste ihn. Einfach so. Er war dermaßen überrumpelt, dass er im ersten Moment nicht wusste, was er tun sollte, also ließ er sie gewähren. Nach ein paar zärtlichen und zurückhaltenden Zungenschlägen ging sie einen Schritt zurück und sah ihm fest in die Augen.
„Schlaf mit mir.“