4. Plasson

 

VORLÄUFIGER KATALOG DER WERKE DES MALERS MICHEL PLASSON, IN CHRONOLO-GISCHER REIHENFOLGE VOM AUFENTHALT DESSELBEN IN DER PENSION ALMAYER (ORT-SCHAFT QUARTEL) BIS ZUM EINTRITT SEINES TODES.

 

Zum Wohle der Nachwelt redigiert von Herrn Professor Ismael Adelante Ismael Bartleboom, auf der Grundlage ganz persönlicher Erfahrungen sowie anderer zuverlässiger Zeugnisse.

Madame Ann Deverià zugedacht.

 

1. Ozean Meer, Öl auf Leinwand, 15 x 21,6 cm Sammlung Bartleboom 

Beschreibung. Vollständig weiß. 

 

2. Ozean Meer, Öl auf Leinwand, 80,4 x 110,5 cm Samml. Bartleboom Beschreibung. Vollständig weiß. 

 

3. Ozean Meer, Aquarell, 35 x 50,5 cm Samml. Bartleboom Beschreibung. Weiß, vager ockerfarbener Schatten im oberen Teil. 

 

4. Ozean Meer, Öl auf Leinwand, 44,2 x 100,8 cm Samml. Bartleboom Beschreibung. Vollständig weiß. Signatur rot. 

 

5. Ozean Meer, Zeichnung, Bleistift auf Papier, 12 x 10 cm Samml. Bartleboom Beschreibung. In der Blattmitte sind deutlich zwei nah beieinander stehende Punkte zu erkennen. Der Rest ist weiß. (Am rechten Rand ein Fleck: Fett?) 

 

6. Ozean Meer, Aquarell, 31,2 x 26 cm Samml. Bartleboom. Augenblicklich, jedoch nur vorübergehend, Frau Maria Luigia Severina Hohenheith überlassen. Beschreibung. Vollständig weiß. Bei der Übergabe des Werkes an mich sagte der Maler wörtlich: »Das ist das Beste, was ich bisher gemacht habe.« Sein Tonfall drückte tiefe Befriedigung aus. 

 

7. Ozean Meer, Öl auf Leinwand, 120,4 x 80,5 cm Samml. Bartleboom Beschreibung. Zwei Farbflecke heben sich deutlich ab: ein ockerfarbener im oberen Teil der Leinwand und ein schwarzer im unteren. Ansonsten: weiß. (Auf der Rückseite eine autographe Anmerkung: Gewitter. Und darunter: tatatum tatatum tatatum.) 

 

8. Ozean Meer, Pastell auf Papier, 19 x 31,2 cm Samml. Bartleboom Beschreibung. In der Blattmitte, leicht nach links versetzt, ein kleines blaues Segel. Ansonsten weiß. 

 

9. Ozean Meer, Öl auf Leinwand, 340,8 x 220,5 cm Bezirksmuseum Quartel. Katalognummer 87. Beschreibung. Rechts ein dunkler, aus dem Wasser ragender Felsen. Haushohe, sich an den Felsen brechende Wellen schäumen eindrucksvoll. Im Unwetter erkennt man zwei im Meer versinkende Schiffe. Vier Rettungsboote balancieren auf dem Rand eines Strudels. In den Rettungsbooten drängen sich Schiffbrüchige. Einige von ihnen, die ins Meer gefallen sind, sinken auf den Grund. Das Meer ist hinten zum Horizont hin sehr hoch, sehr viel höher als im Vordergrund, und verwehrt den Blick auf den Horizont, gegen jede Logik scheint es aufzusteigen, als würde die ganze Welt sich erheben und wir hier an unserem Standpunkt im Leib der Erde, in der Tiefe versinken, während eine Klappe sich majestätisch über uns schließt und die Nacht mit Grauen auf dieses Monster niedersinkt. (Zweifelhafte Zuordnung. Mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit gefälscht.) 

 

10. Ozean Meer, Aquarell, 20,8 x 16 cm Samml. Bartleboom Beschreibung. Vollständig weiß. 

 

11. Ozean Meer, Öl auf Leinwand, 66,7 x 81 cm Samml. Bartleboom Beschreibung. Vollständig weiß. (Stark beschädigt. Wahrscheinlich ins Wasser gefallen.) 

 

12. Porträt von Ismael Adelante Ismael Bartleboom, Bleistift auf Papier, 41,5 x 41,5 cm Beschreibung. Vollständig weiß. In der Mitte, in kursiven Buchstaben, eine Aufschrift: Bartleb. 

 

13. Ozean Meer, Öl auf Leinwand, 46,2 x 51,9 cm Samml. Bartleboom Beschreibung. Vollständig weiß. In diesem Fall jedoch ist die Aussage wörtlich zu nehmen: Die Leinwand ist ganz mit dicken Pinselstrichen in weißer Farbe bedeckt. 

 

14. In der Pension Almayer, Öl auf Leinwand, 50 x 42 cm Samml. Bartleboom Beschreibung. Darstellung eines Engels in präraffaelitischem Stil. Das Gesicht ist ausdruckslos. Die Flügel prunken in außergewöhnlichem Farbreichtum. Hintergrund goldfarben. 

 

15. Ozean Meer, Aquarell, 118 x 80,6 cm Samml. Bartleboom Drei kleine hellblaue Flecken oben links (Segel?). Ansonsten weiß. Auf der Rückseite autographe Anmerkung: Pyjama und Socken. 

 

16. Ozean Meer, Bleistift auf Papier, 28 x 31,7 cm Samml. Bartleboom Beschreibung. Achtzehn Segel unterschiedlicher Ausmaße, ohne eine bestimmte Anordnung verstreut. In der unteren linken Ecke die kleine Skizze eines Dreimasters, eindeutig von fremder, wahrscheinlich kindlicher Hand ausgeführt (Dol?). 

 

17. Porträt von Madame Ann Deverià, Öl auf Leinwand, 52,8 x 30 cm Samml. Bartleboom Beschreibung. Eine überaus blasse Frauenhand mit wunderbar schlanken Fingern. Hintergrund weiß. 

 

18,19, 20, 21. Ozean Meer, Bleistift auf Papier, 12 x 12 cm Samml. Bartleboom Beschreibung. Serie von vier augenscheinlich völlig identischen Skizzen. Eine einfache horizontale Linie etwa auf mittlerer Höhe durchkreuzt sie von links nach rechts (oder auch von rechts nach links, wenn man so will). Plasson behauptete, es handele sich in Wirklichkeit um vier ganz unterschiedliche Bilder. Wörtlich sagte er: »Es sind vier ganz unterschiedliche Bilder.« Mein sehr persönlicher Eindruck ist der, daß sie das gleiche Motiv in vier verschiedenen aufeinanderfolgenden Momenten des Tages darstellen. Als ich dem Urheber gegenüber diese meine Ansicht äußerte, sah er sich veranlaßt, mir zu antworten: »Meinen Sie?« 

 

22. (Ohne Titel), Bleistift auf Papier, 20,8 x 13,5 cm Samml. Bartleboom Beschreibung. Ein junger Mann geht vom Ufer her auf das Meer zu; auf seinen Armen trägt er den leblosen Körper einer unbekleideten Frau. Mond am Himmel und Reflexe auf dem Wasser. Diese Skizze, die dem ausdrücklichen Willen des Urhebers gemäß lange Zeit geheimgehalten wurde, mache ich hiermit – angesichts der Zeitspanne, die inzwischen seit den dramatischen Vorfällen, auf die sie zurückgeht, vergangen ist – der Öffentlichkeit zugänglich. 

 

23. Ozean Meer, Öl auf Leinwand, 71,6 x 38,4 cm Samml. Bartleboom Beschreibung. Ein tiefer dunkelroter Schnitt durchteilt die Leinwand von links nach rechts. Der Rest weiß. 

 

24. Ozean Meer, Öl auf Leinwand, 127 x 108,6 cm Samml. Bartleboom Beschreibung. Vollständig weiß. Es handelt sich um das letzte während des Aufenthalts in der Pension Almayer, Ortschaft Quartel, entstandene Werk. Der Urheber vermachte es der Pension und äußerte den Wunsch, daß es an einer Wand gegenüber dem Meer aufgehängt werden sollte. Später ist es über Kanäle, die ich nie habe durchschauen können, in meinen Besitz gelangt. Ich bewahre es auf und halte es zur Verfügung desjenigen, der einen Eigentumsanspruch nachweisen kann. 

 

25, 26, 27, 28, 29, 30, 31, 32. (Ohne Titel), Öl auf Leinwand, verschiedene Größen Museum Saint Jacques in Grance Beschreibung. Acht Porträts von Seeleuten, die stilistisch auf den Plasson früherer Prägung zurückdeuten. Abt Ferrand, der die freundliche Liebenswürdigkeit hatte, mir das Vorhandensein derselben anzuzeigen, bezeugt, daß der Urheber sie kostenlos ausgeführt hat zum Zeichen seiner Zuneigung zu einigen Personen, mit denen er während seines Aufenthalts in Saint Jacques aufrichtige freundschaftliche Beziehungen unterhielt. Wie der Abt selbst mir sympathischerweise gestand, hatte er den Maler gebeten, von demselben porträtiert zu werden, was jedoch eine ebenso freundliche wie nachdrückliche Absage zur Folge hatte. Wie es scheint, lauteten seine bei dieser Gelegenheit ausgesprochenen Worte: »Bedauerlicherweise sind Sie kein Seemann, und deshalb haben Sie kein Meer im Gesicht. Wissen Sie, es ist so weit gekommen, daß ich nur noch Meer malen kann.« 

 

33. Ozean Meer, Öl auf Leinwand (Maße unbekannt) (verschollen) Beschreibung. Vollständig weiß. Auch in diesem Fall ist Abt Ferrands Zeugenaussage wertvoll. Er hatte die Freimütigkeit zuzugeben, daß die Leinwand, die am Tag nach der Abreise des Malers in dessen Unterkunft gefunden wurde, durch ein unerklärliches Mißverständnis als eine einfache Leinwand betrachtet wurde und nicht als ein vollendetes Werk von erheblichem Wert. Als solche wurde sie von Unbekannten fortgeräumt und gilt bis heute als unauffindbar. 

 

34, 35, 36. (Ohne Titel), Öl auf Leinwand, 68,8 x 82 cm Museum Gallen-Martendorf, Helleborg Beschreibung. Es handelt sich um drei äußerst akkurate, fast identische Kopien des Gemäldes von Hans van Dyke, Hafen von Skalen. Das Museum Gallen-Martendorf katalogisiert sie als Werke von Hans van Dyke, was einem bedauerlichen Mißverständnis gleichkommt. Wie ich dem Kurator des genannten Museums, Prof. Broderfons, mehrfach zu verstehen gab, sind die drei Leinwände auf der Rückseite nicht nur mit der deutlich lesbaren Anmerkung »van Plasson« versehen, sondern sie weisen auch eine Besonderheit auf, die Plassons Urheberschaft augenscheinlich macht: In allen dreien hat der bei seiner Arbeit auf der Mole abgebildete Maler eine Staffelei mit einer vollständig weißen Leinwand vor sich stehen. Im Original von van Dyke weist die Leinwand eine ordentliche Bemalung auf. Professor Broderfons bestätigt zwar die Korrektheit meines Einwandes, weist ihm hingegen keine besondere Bedeutung zu. Im übrigen handelt es sich bei Professor Broderfons um einen ebenso inkompetenten Wissenschaftler wie unerträglichen Menschen. 

 

37. Bodensee, Aquarell, 27 x 31,9 cm Samml. Bartleboom Beschreibung. Werk von akkurater und sehr eleganter Machart, welches den berühmten Bodensee bei Sonnenuntergang darstellt. Die Farben sind warm und abgetönt. Menschliche Gestalten kommen nicht vor. Doch das Wasser sowie die Ufer sind mit großer Poesie und Intensität dargestellt. Plasson sandte mir diese Leinwand, begleitet von einer kurzen Notiz, deren Inhalt ich hier ungekürzt wiedergebe: »Es ist die Erschöpfung, mein Freund. Eine angenehme Erschöpfung. Lehen Sie wohl.« 

 

38. Ozean Meer, Bleistift auf Papier, 26 x 13,4 cm Samml. Bartleboom Beschreibung. Die mit Sorgfalt und Gründlichkeit angefertigte Zeichnung zeigt Plassons linke Hand. Er war, wie ich mich verpflichtet fühle anzumerken, Linkshänder. 

 

39. Ozean Meer, Bleistift auf Papier, 26 x 13,4 cm Samml. Bartleboom Beschreibung. Plassons linke Hand. Ohne Schattierungen. 

 

40. Ozean Meer, Bleistift auf Papier, 26 x 13,4 cm Samml. Bartleboom Beschreibung. Plassons linke Hand. Wenige, nur leicht angedeutete Striche. 

 

41. Ozean Meer, Bleistift auf Papier, 26 x 13,4 cm Samml. Bartleboom Beschreibung. Plassons linke Hand. Drei Linien und eine leichte Schattierung. 

Anmerkung. Diese Zeichnung wurde mir zusammen mit den drei zuvor genannten von Doktor Monnier geschenkt, dem Arzt, der sich während des kurzen und schmerzhaften Verlaufs seiner tödlichen Krankheit (Lungenentzündung) um ihn kümmerte. Nach dessen Aussage, und ich habe keinen Grund, sie zu bezweifeln, handelt es sich hierbei um die letzten vier Werke, denen Plasson sich widmete, als er bereits bettlägerig war und von Tag zu Tag schwächer wurde. Der gleichen Aussage zufolge starb Plasson heiter, in stiller Einsamkeit und mit friedvoller Seele. Wenige Minuten vor seinem Ableben sprach er den folgenden Satz: »Es ist keine Frage der Farben, es ist eine Frage der Musik, verstehen Sie? Ich habe lange dazu gebraucht, doch jetzt (stopp).«

Er war ein großmütiger Mann und gewiß mit einer enormen künstlerischen Begabung ausgestattet. Er war mein Freund. Und ich mochte ihn sehr gern.

Nun ruht er, seinem ausdrücklichen Wunsch zufolge, auf dem Friedhof in Quartel. Das Denkmal auf seinem Grab ist aus einfachem Stein. Vollständig weiß.