4. Kapitel
»Ich weiß nicht, was ich sagen soll. Entweder, es handelt sich um eine Massenpsychose oder um ein echtes parapsychologisches Phänomen.
Alle Leute in der Umgebung sind fest von der Rückkehr des Hexers überzeugt. Es existieren sogar alte Dokumente, die als Beweisstücke angesehen werden können.«
Schultz-Breitenbergs gute Laune verschwand, als der Psychiater ihm in seinem Hotelzimmer diese Eröffnung machte.
»Sagen Sie mal, Dr. Heydenreich, sind Sie Psychiater oder brauchen Sie selber einen?«, fuhr er den Arzt grob an. »Ich will von Ihnen wissen, was mit dem Thorn und der Scholz los ist, und Sie kommen mir mit dem gleichen Humbug, den auch die mir erzählen.«
Er explodierte plötzlich, brüllte: »Bin ich denn von lauter Idioten umgeben?«
Dr. Heydenreich schwieg. Reuter, der Regieassistent, der das cholerische Temperament des Regisseurs kannte, ebenfalls. Schultz-Breitenberg beruhigte sich ebenso schnell wieder, wie er aufgebraust war.
»Ihre Meinung zu dem Fall, Doktor?«
»Thorsten Thorn ist ebenso normal wie all die ändern, die an die Wiederkehr des Hexers Gilbert Signefeu glauben. Bei Linda Scholz verhält es sich genauso. Eine genaue Diagnose läßt sich derzeit noch nicht stellen. Lassen Sie Thorsten Thorn ruhig weiterdrehen. Ich werde noch einige Tage hierbleiben. Und halten Sie auf jeden Fall Thorsten Thorn und Linda Scholz unter Beobachtung, Tag und Nacht.«
»Das ist leichter gesagt als getan«, erwiderte der Regisseur verstimmt. »Schließlich kann ich nicht mit Linda ins Bett steigen. Halten Sie die Lage wirklich für so ernst, Dr. Heydenreich?«
»Ernst genug, um mein Renommee als Fachmann und Wissenschaftler aufs Spiel zu setzen. Etwas geht hier vor, ich weiß nur noch nicht, was.«
»Okay.« Schultz-Breitenberg nickte. »Dann bringen wir Thorsten Thorn bei, dass Sie für die nächsten drei Tage ein Doppelzimmer mit ihm teilen werden, Doktor. Bei Linda Scholz quartieren wir die Hillfahrt ein. Das ist eine resolute, zuverlässige Person mit einem Mundwerk, das sogar Geister in die Flucht schlägt. Nach diesen drei Tagen sehen wir weiter.«
So geschah es. Weder Thorsten Thorn noch Linda Scholz waren begeistert, als sie hörten, dass sie ihre Einzelzimmer aufgeben sollten. Doch Schultz-Breitenberg blieb hart. Er wies auf einen Artikel des Vertrages hin.
Es lautete: 'Der Darsteller/Die Darstellerin verpflichtet sich, sich im Falle einer Krankheit oder einer gesundheitlichen Störung den Anordnungen des von der CENTRA-FILM angestellten Arztes zu unterwerfen'.
Das war klar genug. Besänftigt von der Zusicherung, dass alles nur drei Tage dauern sollte, bezogen Linda Scholz und Thorsten Thorn zwei nebeneinander liegende Doppelzimmer im ersten Stock. Der Psychiater Dr. Heydenreich und die Schauspielerin Liliane Hillfahrt richteten sich wohnlich bei ihnen ein.
An diesem Abend waren alle Mitglieder des Filmteams bester Laune. Fünf Einstellungen waren abgedreht, es hatte keine störenden Zwischenfälle gegeben, alles war tadellos gelaufen.
Nach dem Abendessen spielten die Schauspieler und die Mitglieder des technischen Stabs im Hotel-Restaurant Karten oder unterhielten sich. Einige Paare tanzten ausgelassen zu den Klängen der Musikbox.
Schultz-Breitenberg ging um elf Uhr abends auf sein Zimmer und gab damit das Zeichen zum allgemeinen Aufbruch. Schon um halb zwölf war das Restaurant wie leergefegt, und eine halbe Stunde später schliefen die meisten schon. Thorsten Thorn schnarchte so, dass der Psychiater kein Auge zutun konnte. Linda Scholz war schon vor elf zu Bett gegangen. Im gleichen Augenblick fast, als sie in die dunklen Tiefen des Schlafes glitt, kam der Traum, jener erschreckend realistische Traum.
*
Roxane von Falkenfels band ihren Zelter vor dem Galgenwirtshaus an. Ein hochrädriger Marketenderwagen stand davor. Der Stallknecht führte gerade ein starkknochiges Reitpferd in den Stall. Aus dem Wirtshaus drang das Grölen der Zecher.
Wieder einmal waren Truppen in der Nähe, wie so oft in dem von der Kleinstaaterei zerrissenen, von vielen Fehden, Kriegen und Kämpfen zerrütteten Deutschland. Der Habsburger Rudolf II. hatte nicht die Kraft und die Energie, seine hochfliegenden Pläne zu verwirklichen und dem Land endlich Frieden und Einheit zu bringen.
Roxane zögerte einen Augenblick. Doch sie musste hinein, musste Gilbert Signefeu sehen, jenen Mann, der aus unerfindlichen Gründen aus Frankreich hatte fliehen müssen und der in Deutschland eine neue Existenz gefunden hatte. Das Verhältnis zwischen dem Hause Habsburg und dem französischen Herrscherhaus Valois war gespannt. Franzosen waren in Deutschland nicht eben beliebt. Es wurde gemunkelt, Gilbert Signefeu gehöre zu den Hugenotten, die nach der Bartholomäusnacht 1572 geflohen waren und bei deutschen Fürsten Aufnahme gefunden hatten. Andere Gerüchte besagten, Signefeu sei ein Spion und Schlimmeres gewesen.
All das ging Roxane von Falkenfels durch den Kopf, als sie das Wirtshaus betrat. Landsknechte saßen an den Tischen, tranken, grölten und würfelten. Ein hässliches Weib mit bunten Kleidern und einem Gesicht, in dem alle Laster standen, saß bei ihnen. In einer Ecke standen langläufige Arkebusen zu einer Gewehrpyramide zusammengestellt.
»He, Täubchen, du willst sicher zu mir?«, grölte ein schwarzbärtiger Landsknecht.
Wie die ändern trug er weite Pluderhosen und einen engen, gefütterten, bunten Rock. Das Wehrgehänge hatte er abgelegt, die engen Schaftstiefel ausgezogen. Er stand auf, kam auf Roxane zu.
»Ich bin der Profoss«, rief er. »Meine Kameraden und ich, wir haben einen Deserteur gefangen und gleich an eurem feinen Galgen aufgeknüpft.«
Er lachte rau.
»Jetzt versaufen wir die Kopfprämie. Komm, trink mit mir. Oder wollen wir gleich ins Heu?«
Die andern hatten ihr Würfelspiel unterbrochen und beobachteten den Profoss. Jetzt lachten sie rau. Roxane wich dem Mann aus, der sie mit ausgebreiteten Armen umfangen wollte. Sie lief zur Treppe, die zum Obergeschoß führte.
Einer der Landsknechte stellte ihr ein Bein. Roxane stolperte und fiel. Der Schwarzbart riß sie hoch, zog sie an sich. Er wollte sie küssen. Roxane sträubte und wehrte sich, aber der Landsknecht war bärenstark. Er lachte nur. Er roch nach Schweiß und Wein.
»Halt, Landsknecht! Lass sie los!«
Die Stimme war nicht laut, aber sie schnitt durch den Lärm im Wirtshaus wie ein Messer. Der Profoss gab Roxane frei, hielt sie nur noch am Arm fest. Er sah zu dem Schankknecht, der sich hinter den groben Tresen drückte. Dann zu dem Mann, der auf der Treppe stand. Ein großer, bleicher, dunkel gekleideter Mann mit einem Feuermal im Gesicht.
»Was mischst du dich ein, Weinpanscher? Was kümmert's mich, ob die Kleine da deine Tochter oder deine Frau ist. Verschwinde, sonst breche ich dir die Knochen und setze dir den roten Hahn aufs Dach.«
Signefeu trat auf den Profoss zu. So zwingend war sein Blick, dass der Schwarzbart Roxane losließ und zwei Schritte zurückwich. Seine Kumpane stießen ihn an. Da zog er ein spitzes Dolchmesser unter seinem Wams hervor.
»Stirb, du Hund!«, schrie er, riß den Arm zurück und warf das Messer.
Es flog auf Gilbert Signefeu zu. Er schien verloren. Doch ohne dass er sich gerührt hätte, beschrieb das Dolchmesser in der Luft eine Parabel, zischte wie ein silberner Blitz zu dem Werfer zurück, grub sich tief in seinen Hals unter dem schwarzen Bart. Mit einem Schrei brach der Profoss zusammen.
»Das ... das ging nicht mit rechten Dingen zu«, rief einer der Landsknechte.
Und das hässliche Weibsbild schrie: »Packt ihn, schlagt ihn tot! Er ist ein Hexer.«
Signefeu deutete mit der ausgestreckten Hand auf sie. Es krachte wie ein Donnerschlag. Rauch quoll auf, verhüllte die Sicht. Gilbert Signefeu murmelte eine Beschwörung. Das Weib brüllte auf voller Schmerz und Todesnot.
Roxane hörte Schreie, Flüche, das Knurren und Hecheln eines großen Wolfes. Der Rauch wirbelte aus Türen und Fenstern. Nur undeutlich sah Roxane flüchtende Landsknechte und zwischen ihnen einen großen, schwarzen Wolf. Knurrend sprang die Bestie einem Landsknecht an die Kehle, warf ihn rücklings über den Tisch. Blut schoss aus seiner zerrissenen Halsschlagader.
Als der Rauch sich verzogen hatte, waren die Landsknechte geflohen. Ihre Arkebusen lehnten noch in der Ecke, der Marketenderwagen stand noch vor dem Wirtshaus. Zwischen den umgestürzten Tischen und Stühlen lagen tot die Marketenderin, der Profoss und zwei Landsknechte. Die ändern liefen um ihr Leben.
Der schwarze Wolf sah Roxane von Falkenfels mit glühenden Augen an. Ein rotes Mal zog sich über die linke Seite seiner Schnauze. Er strich so nahe an dem schreckensbleichen Mädchen vorbei, dass seine Rute ihr Kleid berührte, verschwand im Nebenzimmer. Wenige Sekunden später kam Gilbert Signefeu aus dem Raum.
Angewidert betrachtete er das Durcheinander, die Toten.
»Dieser Pöbel. Wagt es, die Hand gegen mich zu erheben!«
Er wandte sich Roxane zu, bot ihr den Arm und führte sie zur Treppe.
»Hol dir Hilfe und richte alles so her, als hätten sie sich wegen des Spieles oder wegen des Weibes gegenseitig umgebracht«, sagte Signefeu zu dem Schankknecht. »Beeil dich und mach keinen Fehler. Du kennst meinen Zorn.«
Er ging mit Roxane ins Obergeschoß, führte sie in sein Zimmer. Sie wollte protestieren, doch wie immer, wenn sie mit Gilbert Signefeu zusammen war, verstummten ihre Einwände vor den dunklen, zwingenden Außen.
Signefeu drängte Roxane rückwärts zu seinem Lager. Er streifte ihr die Kleider ab, verschlang den vollendeten Körper des blonden Mädchens mit seinen Blicken. Die finstere Lust eines Verdammten prägte sein entstelltes Gesicht, und eine dämonische Leidenschaft loderte aus den Augen des Hexenmeisters.
Seine Hände strichen über Roxanes weißen Körper. Sie erschauerte unter seiner Berührung. Er legte seine Kleider ab, umarmte Roxane und warf sich mit ihr auf das Bett. Roxane schloss die Augen, als er in sie eindrang. Sie empfand keine Lust, nur einen starken Zwang, sich diesem Mann hinzugeben.
Etwas drängte sie, ihm zu Willen zu sein, wie so oft schon. Sie hasste ihn und sehnte sich zugleich nach ihm mit allen Fasern ihres Fleisches, litt körperliche Qualen, wenn sie ihn einige Tage nicht aufsuchen konnte.
»Wir sind beide verdammt«, sagte sie, als er dann neben ihr lag.
Signefeu lachte nur.
»Du Närrin«, sagte er. »Wovor hast du denn Angst? Ich bin der Meister der Schwarzen Kunst. Ich bin stärker, klüger und mächtiger als sie alle. Selbst dem Kaiser sind nur Menschen untertan, aber mir gehorchen die Mächte der Finsternis. Sieh doch, welch ein Leben du an meiner Seite führen kannst, Roxane. Du brauchst nur einzuwilligen, dann kannst du schon morgen Nacht in unseren Kreis aufgenommen werden. Du wirst meine Gattin sein, die Gemahlin Gilbert Signefeus. Die Königin der Finsternis. Nur deine Einwilligung brauche ich, denn gegen deinen Willen kann ich dich nicht zu einer Hexe machen.«
»Nie. Nie, nie, nie. Magst du meinen Körper schänden, Gilbert Signefeu, meinen Geist selbst beherrschen, doch zu einer Hexe wirst du mich nie machen. Ja, ich habe sie gesehen, die schändlichen, grenzenlos boshaften und bösartigen Weiber, die dir Untertan sind. Ich kenne ihre Zaubermacht, sah sie auf Besen durch die Nacht reiten, zum Hexensabbat, sah sie den Bösen anbeten, ihm Menschen und Tiere opfern und widerliche Dinge treiben, um ihn zu entzücken. Diese letzte freie Entscheidung, die du nicht von mir erzwingen kannst, Signefeu, wird immer lauten: Nein.«
»Albernes Weib! Bisher war ich gut zu dir, denn ich empfinde etwas für dich, so beschämend das für einen Meister der Schwarzen Magie ist. Doch ich kann dich auch so behandeln, dass du mich anflehst, eine Hexe werden zu dürfen.«
'Roxane wandte den Blick von dem durch das Feuermal entstellten Gesicht des Mannes neben ihr. Sie sah durch das Fenster auf ein Stück blauen Himmel.
»Laß uns weggehen von hier, Gilbert. Gib deine Schwarze Kunst auf. Vielleicht ist es noch nicht zu spät, dem zu entkommen, dem du dein Leben gewidmet hast. Ich will dein Weib werden, Gilbert, denn ich weiß, dass ich nicht mehr von dir loskomme. Doch du musst diese schrecklichen Zaubereien und die Schwarze Magie aufgeben.«
Signefeu lachte, gellend, höhnisch.
»Du Närrin. Weißt du, was du da von mir verlangst? Gibt der Vogel das Fliegen auf, der Wolf das Jagen? Soll ich werden wie sie, die armen, kleinen, sterblichen Idioten? Werde du eine Hexe, Roxane, und du wirst als meine Gemahlin gleich mir unsterblich sein, unsterblich und ewig jung.«
Schluchzend vergrub Roxane das Gesicht in den Kissen. Sie würde ihn nie umstimmen können. Wieder zog Signefeu sie an sich.
Kurz danach klopfte es an die Tür. Signefeu öffnete. Der Schankknecht stand draußen.
»Ich habe einen Boten ins Lager der Landsknechte geschickt«, sagte er, »und dem Obristen bestellen lassen, dass ein paar von seinen Männern sich im Streit um eine Marketenderin im Wirtshaus erschlagen haben. Bald wird eine Untersuchungskommission kommen.«
»Sehr, sehr gut, Heinrich. Die Landsknechte werden nicht wagen, dem Obristen ihre seltsame Geschichte zu erzählen. Doch sicher werden sie in« der Nacht kommen, um uns den roten Hahn aufs Dach zu setzen. Aber da gibt es ja ein probates Mittel, sie abzuschrecken. Am Galgen hängt ein Gehenkter?«
»Ja, Herr.«
Der Schankknecht ging. Gilbert Signefeu zog sich an, ging hinunter in die Schankstube. Roxane von Falkenfels wollte die Nacht im Galgenwirtshaus verbringen. Sie besuche eine Freundin in der Stadt, hatte sie dem Vater, Graf Bodo, erzählt.
Nach einer Weile hörte Roxane Hufschlag vor dem Wirtshaus. Sieben Landsknechte stiegen vom Pferd, von einem Leutnant angeführt. Sie betraten das Wirtshaus. Roxane schlich oben an die Treppe, um der Unterhaltung zu lauschen.
»Wie der Streit entstanden ist, weiß ich nicht«, hörte sie Signefeu sagen. »Ich war im Nebenzimmer. Plötzlich krachten Schüsse. Ich schaute durch einen Türspalt und sah, wie die Männer mit Säbeln und Dolchen aufeinander losgingen. Die Marketenderin warf sich zwischen den Profoss und den Blonden dort. Ein Säbel fuhr ihr in die Seite. Der Blonde erschlug den Profoss, stieß ihm noch das Messer in die Kehle. Dann traf ihn eine Kugel. Als die ändern sahen, welch ein Blutbad sie angerichtet hatten, flohen sie allesamt.«
»Der Obrist wird das untersuchen«, klang die helle Stimme des Leutnants. »Du hast Glück, Wirt, dass du an dem Kampf nicht beteiligt warst und auch keinen Anlass dazu gegeben hast. Wenn wir die Streithähne finden, werden sie Spießruten laufen müssen. Das wird ihre heißen Köpfe abkühlen.«
Die Landsknechte luden die Toten auf den Marketenderwagen. Wenige Minuten später rückte die Abteilung ab. Roxane sah ihnen vom Fenster aus nach.
Die Sonne sank schon. Gilbert Signefeu forderte Roxane auf, ihn zum Galgen zu begleiten.
»Dort wirst du eine weitere Probe meiner Macht erhalten«, sagte er.
Es dämmerte bereits, als Roxane von Falkenfels und Gilbert Signefeu den Galgen erreichten. Schwarz hob er sich vom düsteren Himmel ab, an dessen Horizont noch das Abendrot glühte. Der Gehenkte baumelte im Wind.
»Meine Gefährtinnen sind schon unterwegs«, sagte Gilbert Signefeu. »Sie werden gleich hier sein.«
Er breitete die Arme aus, stand da wie zu Stein erstarrt.
»Alraune, Copa, Larmilla!« rief er.
Es sauste und brauste in der Luft. Drei Frauen, auf Besen reitend, kamen im Sturzflug vom Himmel. Knapp über dem Boden drehten sie ab, beschrieben eine Kurve und landeten direkt vor ihrem Herrn und Meister Gilbert Signefeu.
»Da sind wir, Meister«, sagte eine von ihnen, ein altes, zahnloses Weib.
»Gut. Stimmt in meine Beschwörungsformeln mit ein.«
Gilbert Signefeu zog ein Messer. Er trat zu dem Gehenkten, stellte sich auf die Zehenspitzen und schnitt den Toten vom Strick. Schwer fiel der leblose Körper zu Boden.
Gilbert Signefeu stellte sich über ihn. Seine Hände vollführten geheimnisvolle Gesten, er malte diffuse Figuren in die Luft. Die drei Hexen beschrieben die gleichen Figuren wie er, wiegten dabei die Oberkörper hin und her. Sie stimmten einen leisen, monotonen Singsang an.
Gilbert Signefeu murmelte Zauberformeln, die Roxane nicht verstand. Das Geschehen zog das Mädchen ganz in seinen Bann.
Plötzlich schrie Gilbert Signefeu mit gellender Stimme, so unverhofft, dass Roxane zusammenzuckte: »Steh auf! Steh auf! Steh auf!«
Ein Zittern durchlief den Körper des Gehenkten. Roxane presste die Hand vor den Mund, um einen Schrei zu unterdrücken. Der Gehenkte setzte sich auf, erhob sich, taumelnd zwar wie ein Betrunkener, aber er stand. Sein Hals war seitlich verrenkt, der Kopf saß schief auf dem gebrochenen Genick.
»Was soll ich tun, Meister?«, fragte der Gehenkte mit kaum verständlicher Stimme.
»Geh deinen Kameraden entgegen, die dich gehenkt haben«, antwortete der Hexer. »Wünsche ihnen einen guten Abend. Wenn du einen von ihnen packen kannst, dann bring ihn um.«
Der Hexer, Roxane von Falkenfels, die drei Hexen und der Gehenkte gingen zu dem Weg, der zum Galgenwirtshaus führte. Der Gehenkte blieb auf dem Weg stehen, die andern fünf verbargen sich in einem Gebüsch.
Inzwischen war es dunkel geworden, doch die Sterne und der Mond standen hell und klar am Himmel.
Roxane sah die Männergruppe schon in anderthalb Meilen Entfernung. Eine halbe Meile vor dem Galgenwirtshaus stiegen die Landsknechte von den Pferden, führten sie am Zügel, um sich nicht durch den Hufschlag zu verraten. Es waren zwölf Männer.
Sie näherten sich der Buschgruppe und dem Gehenkten, der mitten auf der Straße stand.
»Was ist denn das für ein merkwürdiger Patron?«, sagte einer der Landsknechte, als sie nahe heran waren. »Steht da und glotzt uns an. Heda, Gevatter, wenn du zu dem Gesindel im Wirtshaus gehörst, dann schließe mit deinem Leben ab.«
»Den kenne ich doch!«, sagte ein anderer Landsknecht.
Die Landsknechte umringten den Gehenkten. Plötzlich schrie einer von ihnen entsetzt: »Heilige Mutter Gottes und alle Heiligen, steht mir bei! Das ist doch Karl, den wir heute Mittag gehenkt haben. Seht doch, wie schief sein Kopf auf dem Hals sitzt, wie verfärbt sein Gesicht ist!«
Mit verzerrter, gequetschter Stimme sagte der Gehenkte: »Guten Abend, Kameraden, ich habe auf euch gewartet.«
Einer der Landsknechte zog seinen Säbel. Die kalten Krallenhände des Gehenkten fuhren ihm an die Kehle. Er brach in die Knie. Ein Landsknecht schüttete Pulver auf die Pfanne seiner Arkebuse, stellte das lange Rohr in den Stützhaken, schlug mit einem primitiven Feuerzeug Funken.
»Weg da!«, rief er den andern zu, die den Gehenkten und sein Opfer umringten.
Ein Landsknecht holte mit dem Säbel aus, schlug dem Gehenkten mit einem Hieb den Kopf von den Schultern. Der Kopf rollte zu Boden. Kein Blut kam aus der Wunde. Der Rumpf blieb stehen, die Finger umklammerten weiter die Kehle des knienden Landsknechtes.
Schallendes triumphierendes Gelächter erschallte direkt neben den Landsknechten im Gebüsch. Die Arkebuse krachte, und die schwere Kugel schlug in den Rumpf des kopflosen Mannes. Auf solch kurze Distanz war der Aufschlag der Bleikugel furchtbar, doch der kopflose Rumpf blieb stehen.
Schreiend stoben die Landsknechte auseinander. Einige warfen sich auf die Pferde, preschten irgendwohin, die ändern rannten einfach fort.
Gilbert Signefeu und Roxane traten aus dem Gebüsch. Der Landsknecht hing schlaff im Würgegriff des Kopflosen, Signefeu wartete eine Zeitlang, bis er sicher war, dass der Mann tot war.
Dann machte er mit der Hand ein Zeichen, sagte mit gebieterischer Stimme: »Leben kraft meiner Magie, verlasse diesen Körper!«
Im gleichen Augenblick brach der kopflose Rumpf zusammen, fiel über den erwürgten Landsknecht.
Gilbert Signefeu wandte sich an Roxane.
»Hast du jetzt erkannt, wie groß meine Macht ist? Was sind sie alle gegen mich?«
*
Der Mond stand bleich am Himmel. Alle im Hotel schliefen. Linda Scholz warf sich im Bett hin und her. Liliane Hillfahrt, eine stämmige Frau um die Vierzig, die ihr als Schutz und Bewacherin zugeteilt war, schlief tief und fest auf der anderen Seite des Doppelbetts.
Im Nebenzimmer schnarchte Thorsten Thorn. Dr. Heydenreich, der Psychiater, rüttelte ihn an der Schulter. Thorn wachte nicht auf. Heydenreich drehte ihn auf die andere Seite, damit das Geschnarche aufhörte.
Plötzlich klopfte etwas am Fenster, rüttelte am Rollladen. Dr. Heydenreich fuhr zusammen. Er setzte sich auf, knipste die Nachttischlampe an.
Wieder klopfte es, hämmerte gegen den Rollladen. Dr. Heydenreich stieg aus dem Bett, schlüpfte in seine Pantoffeln und ging zum Fenster. Da fiel ihm ein, dass er bei Licht von draußen deutlich zu sehen sein würde.
Er löschte das Licht. Jetzt klopfte und rüttelte es am Rollladen der Balkontür. Kein Zweifel, da war jemand auf dem Balkon. Dr. Heydenreich fiel Thorsten Thorns unheimliches Erlebnis in der vergangenen Nacht ein. Er spürte, wie sich seine Haare sträubten.
Er packte den schlafenden Thorn an der Schulter, schüttelte ihn.
»Thorn! He, Thorn.«
Der Schauspieler rührte sich nicht. Wieder hörte der Psychiater das Rütteln am Rollladen. Er sah, wie der Rollladen ein Stück hochgehoben wurde.
»Thorn! Thorn!«
Keine Reaktion. Dr. Heydenreich nahm seinen ganzen Mut zusammen. Er ergriff die schwere Taschenlampe, mit der er im Fall eines Angriffs auch zuschlagen konnte, trat an die Balkontür und zog entschlossen den Rolladen hoch.
Er fuhr mit einem Schrei zurück. Im bleichen Mondschein sah er das uralte, verrunzelte, hässliche Gesicht einer Frau. Ein höhnisches Kichern drang an Dr. Heydenreichs Ohr.
Die Hexe hob die Hand. Gleich würde sie die Scheibe der Balkontür eindrücken, zu Dr. Heydenreich ins Zimmer treten. Die Zähne des Arztes schlugen hörbar aufeinander.
Ein Trick, sagte er sich, als er den ersten Schock überwunden hatte. Sie wollen mich reinlegen.
Er zwang sich, die Taschenlampe zu heben. Doch noch bevor er sie eingeschaltet hatte, sah er eine zweite Hexe. Sie schien reglos in der Luft zu sitzen. Bei genauerem Hinsehen erkannte Dr. Heydenreich, dass sie rittlings auf einem Besen saß. Sie war jünger als die andere auf dem Balkon, sah aber genauso bösartig und gefährlich aus.
Das war kein Trick, keine maskierte Schauspielerin, die Dr. Heydenreich erschrecken wollte. Der Arzt hörte, wie hinter ihm die Klinke der verschlossenen Tür niedergedrückt wurde. Er wich bis an die Wand zurück.
Die zweite Hexe flog jetzt ebenfalls auf den Balkon, trat gleichfalls an die Tür. Auch sie hob die Hand, als wolle sie die Scheibe einschlagen.
Doch irgend etwas, eine unsichtbare Kraft, schien sie daran zu hindern. Die Hexen tuschelten miteinander. Jetzt wurde an der Türklinke gerüttelt.
Keine Macht der Welt hätte Dr. Heydenreich dazu gebracht, die Tür zu öffnen und nachzusehen, wer da draußen war.
Etwas schützte ihn und Thorn, hatte einen Bannkreis gezogen, den der Arzt auf keinen Fall durchbrechen wollte. Ein Mann trat zu den zwei Hexen auf dem Balkon, so plötzlich, als sei er durch die Wand dos Zimmers nebenan getreten.
Es war ein großer, bleicher, dunkel gekleideter Mann. Im Mondschein sah Dr. Heydenreich das Feuermal auf seiner linken Gesichtshälfte. Das Grauen erfasste den Psychiater. Der Hexer war aus seiner Gruft gestiegen. Gilbert Signefeu war zurückgekehrt.
Signefeu hob die Hand, doch auch er konnte den Bannkreis nicht überschreiten. Sein bleiches Gesicht verzerrte sich vor Wut und Hass. Dr. Heydenreich sah das Glühen in seinen dunklen Augen.
Der Arzt stand da wie gelähmt. Dann verschwand der Hexer, das Rütteln an der Türklinke verstummte. Die beiden Hexen flogen rittlings auf ihren Besen davon.
Dr. Heydenreich konnte immer noch kein Glied rühren. Es war, als hätte der drohende Blick des Hexers ihn hypnotisiert.
Es sollte eine lange Nacht werden für Dr. Heydenreich, denn der Bann hielt bis zum Tagesgrauen an. Thorsten Thorn schlief fest. Schlimmer noch als seine Hilflosigkeit war für den Psychiater aber die Ungewissheit über das Schicksal von Linda Scholz. War auch sie durch den Bannkreis einer unbekannten Macht vor dem Hexer und seinem Gefolge geschützt?
*
Der bleiche Mann schwebte hinüber zum Balkon von Linda Scholz' Zimmer. Er murmelte eine Beschwörung. Im nächsten Augenblick trat er durch die verschlossene Tür. Liliane Hillfahrt schlief fest.
Der Hexer vertiefte ihren Schlaf noch durch einen Zauberspruch, so dass sie in den nächsten Stunden sicher nicht erwachen würde. Er trat zu der schlafenden Linda Scholz. Sie schien einen Alptraum zu haben, denn sie verzog das Gesicht, warf sich im Bett hin und her.
Der Hexer sah im Dunkeln wie eine Katze. Längst vergessene Erinnerungen überkamen ihn, als er das blonde Mädchen betrachtete.
»Roxane!«, flüsterte er. »Diesmal wirst du mir gehören. Du wirst eine der unseren werden, eine Hexe aus Gilbert Signefeus Zirkel. Wenn ich dich habe, werde ich jene Macht vernichten, die sich soeben meinen Plänen entgegengestellt hat.«
Er berührte Linda Scholz an der Schulter, rüttelte sie. Das Mädchen erwachte. Sie knipste die Nachttischlampe an. Der Hexer stand am Fuß ihres Bettes, die Arme vor der Brust verschränkt. Linda Scholz sah in das entstellte Antlitz, das sie in ihren Träumen verfolgt hatte.
Sie wollte schreien, doch ihre Stimme gehorchte ihr nicht.
Auf einen Wink des Hexers erhob sie sich, zog sich an. Sie öffnete die Balkontür, trat hinaus auf den Balkon. Ihr Geist war vor Schrecken und Entsetzen wie gelähmt. Ihr Körper gehorchte Signefeus Willen. Sie befand sich in der Gewalt des Hexers, wie ihre unglückliche Doppelgängerin Roxane im 16. Jahrhundert.
Linda stand im Mondlicht auf dem Balkon. Zwei Hexen auf Besen ritten durch die helle Nacht heran, packten Linda unter den Armen und trugen sie empor in die Lütte. In sausendem Flug ging es durch die Nacht, hinüber zum Wald.
Linda Scholz sah den Boden unter sich dahinrasen. Sie schloss die Augen, als ihr die schwindelnde Höhe bewusst wurde.
Wachte sie oder träumte sie?
Plötzlich stürzte sie, hatte aber sofort Boden unter den Füßen. Sie erhob sich.
Linda befand sich auf einer Lichtung, in deren Mitte ein Feuer brannte. Der dunkel gekleidete Mann mit dem Feuermal stand vor den Flammen, die ihn zu umlodern schienen. Um ihn hatten zwanzig Frauen einen Ring gebildet. Linda sah alte Megären mit fast fleischlosen Gesichtern, deren Köpfe Totenschädeln ähnelten, und junge, schöne Frauen und Mädchen.
Wie gebannt blieb sie außerhalb des Kreises stehen.
»Ich, Gilbert Signefeu, bin wiedergekehrt«, hörte Linda den Hexer rufen. »Menschliche Habgier und Dummheit haben mein Gefängnis geöffnet. Ich habe meine irdische Existenz wieder, wenn auch nur für eine Stunde am Tag, die Geisterstunde. Während der übrigen Stunden bin ich als körperloser Geist anwesend, der nur in beschränktem Maß physische Aktionen durchführen kann.«
Linda erkannte, dass der Hexer nicht wirklich sprach, sondern dass sie seine Stimme in ihrem Gehirn hörte.
»Ich bin euer Herr, ihr alten Hexen, die ihr mir schon vor 390 Jahren dientet, und die ihr all die Zeit mein Haus für mich freigehalten und euch dort in den Nächten getroffen habt.«
Die uralten, verrunzelten, kaum noch menschenähnlichen Weiber verneigten sich vor Signefeu.
»Und ihr, ihr jungen Hexen, die ich vor kurzer Zeit erst in meinen Zirkel gerufen habe, auch euer Meister bin ich. Ihr seid mir widerspruchslosen Gehorsam schuldig.«
Die jungen, hübschen Mädchen und Frauen verneigten sich vor dem Hexenmeister.
»Nun denn«, rief er, »schreiten wir zur ersten Tat. Bringt die Gefangene.«
Zwei Hexen packten Linda Scholz, führten sie vor den Hexer. Er hob die Hand. Eine wilde Melodie klang auf. Die Hexen wirbelten in rasendem, ekstatischem Tanz herum. Einige stoben auf ihren Besen durch die Luft.
»Willst du zu uns gehören?«, fragte Gilbert Signefeu.
Linda schüttelte den Kopf. Der Hexer zischte eine Beschwörung. Eine große, glühende Schlange wuchs aus dem Feuer, hob den dreieckigen Kopf, als wollte sie zustoßen, ihre Giftzähne in Linda Scholz' Fleisch graben.
»Wenn du nicht zu uns gehören willst, wird die Schlange dich töten«, rief Gilbert Signefeu. »Also, willst du?«
Wieder schüttelte Linda den Kopf. Der Hexer rief einen Befehl. Sofort packten vier Hexen Linda, trugen sie in die Lüfte empor, bis sie das Feuer nur noch als einen kleinen, hellen Punkt sah.
»Wenn du nicht zu uns gehören willst, lassen wir dich in die Tiefe stürzen«, sagte eine der Hexen. »Willst du?«
Hätten nicht ihre Träume Linda all die Schrecken und Gräueltaten des Hexers gezeigt, sicher hätte sie in ihrer Angst zugestimmt.
Doch so antwortete sie wiederum: »Nein.«
Die Hexen ließen sie los. Wie ein Stein stürzte Linda in die Tiefe. Rasend schnell wurde das Feuer größer.
»Die letzte Möglichkeit, dein Leben zu retten. Willst du eine Hexe werden wie wir?«
Roxanes Bild, ihr Ebenbild, stand in jenen Sekunden vor Lindas Augen. Unendlich traurig blickten die Augen des Mädchens. Sollte Linda sich dem Ungeheuer ausliefern, das dieses Mädchen ins Verderben und zu einem schrecklichen Ende geführt hatte?
»Nein, nein, nein.«
Im letzten Augenblick, als sie sich schon tot und zerschmettert auf der Lichtung sah, fingen die fliegenden Hexen Linda auf und setzten sie vor Gilbert Signefeu ab.
Zorn stand im Gesicht des Hexers, loderte aus seinen Augen.
»Du bist hartnäckiger als alle andern«, sagte der Hexer. »Nur eine habe ich gekannt, die so war wie du. Doch ich weiß, wie ich deinen Willen brechen kann.«
Die wilde Melodie verstummte. Die Hexen sammelten sich wieder im Kreis. Gilbert Signefeu murmelte Beschwörungen, die von den Hexen wiederholt wurden. Plötzlich sah Linda, deutlich wie auf einer Filmleinwand, einen Mann in seinem Bett. Es war Rüger, der Hotelbesitzer. Signefeu rief eine Verwünschung.
Auf der Projektion, die deutlich sichtbar in der Luft schwebte, sah Linda, wie Rüger sich im Bett aufsetzte, sich an die Kehle griff und röchelnd zur Seite fiel. Sie wusste, dass er tot war.
Dann erschien ein anderes Bild. Linda erkannte den friedlich schlafenden Thorsten Thorn. Wieder murmelte Signefeu Beschwörungen, die von den Hexen wiederholt wurden.
»Wenn du uns nicht angehörst, dann stirbt er«, sagte der Hexer. »Du hast nur eine Minute, dich zu entscheiden.«
Linda zauderte. Sie liebte Thorn. Konnte sie ihn dem Tod ausliefern? Vielleicht gab es eine Möglichkeit, die Einwilligung zum Beitritt zum Hexenzirkel zu geben und Signefeu später doch zu entkommen. Sie musste es wagen, um Thorn zu retten.
»Willst du eine Hexe werden?«
Bevor Linda mit >Ja< antworten konnte, verblasste der Körper Signefeus, wurde durchsichtig. Die Projektion des schlafenden Thorsten Thorn verschwand.
»Zum Teufel«, rief der Hexer, »die Geisterstunde ist vorbei. Ausgerechnet jetzt! In körperlosem Zustand reichen meine Kräfte nicht, den Zauber zu vollenden. Doch aufgeschoben ist nicht aufgehoben.«
Zu den Hexen gewandt, fügte er hinzu: »Bringt sie zurück, sie entgeht uns nicht.«
Der Körper Signefeus verschwand, löste sich in Luft auf. Wieder packten zwei Hexen Linda, führten sie durch die Luft davon. Sie brachten sie zurück in ihr Zimmer. Eine der Hexen murmelte einen Zauberspruch.
Daraufhin wurde Linda so müde, dass sie einen Augenblick später eingeschlafen war. Sie sah nicht einmal mehr, wie die Hexen durch die Lüfte davonflogen.
Erst am Morgen weckte das Sonnenlicht Linda Scholz. Die Balkontür stand offen. Linda wunderte sich darüber. Liliane Hillfahrt neben ihr schlief noch tief und fest.
Linda merkte, dass sie völlig angezogen war. Sie sah an sich herunter. Ihre Schuhe waren voller Erde.
Sofort standen die merkwürdigen, beängstigenden Alpträume wieder klar und deutlich vor Lindas Augen. Aber war der zweite tatsächlich nur ein Traum gewesen?
Linda hörte Schritte auf dem Flur, Rufe. Sie öffnete die Tür. Eine der Statistinnen kam gerade von der Treppe zum Erdgeschoß.
»Was gibt es? Was ist los?«
»Der Hotelbesitzer ist tot. Er ist heute Nacht gestorben. Seine Frau behauptet, er sei immer kerngesund gewesen.«
Linda schloss die Tür. Fassungslos lehnte sie sich gegen die Wand.