Kapitel 14

 

An Halloween hatte Griff den ersten von drei dienstfreien Tagen auf der Wache hinter sich und arbeitete an der Vordertür des Bone. Zu fortgeschrittener Stunde wurden die Leute verrückter und auch jünger. Abgesehen von den Kostümen, war auch ein Junggesellenabschied im Gange – prima fürs Geschäft, prima für die Trinkgelder, höllisch laut.

Gegen elf hörte er, wie ein Mädchen, etwas weiter die Straße hinauf, zu schreien anfing. Ein paar Typen waren in ein Handgemenge an der nächsten Ecke verwickelt. Zuerst hatte er gedacht, die Junggesellenparty wäre aufgebrochen und auf dem Weg nach New York in einen Stripclub. Dann wurde ihm klar, dass diese Männer in einem engen Kreis, nicht ganz fünfzig Meter von ihm entfernt, zuschlugen und schrien. Eine Autoalarmanlage ging los, als jemand dagegen krachte. Zerbrechendes Glas.

Die Schreie waren von einem rundlichen Mädchen auf der anderen Straßenseite gekommen, die als Hummel verkleidet war und auf etwas auf dem Boden zu ihren Füßen starrte. Griff konnte nicht sehen, was es war, aber sie war einen Schritt auf die Fahrbahn gelaufen. Ihr Gesicht war eine Maske des Grauens, aber sie lief nicht davon.

Was, zur Hölle, taten sie da?

Griff ging langsam in Richtung des Tumults. Er hatte ein seltsames Gefühl im Magen; das hier war kein Streit darüber, wer die nächste Runde ausgab. Der Rest von ihnen brüllte und trat gegen etwas auf dem Bürgersteig. War das ein Hund? Kranke Mistkerle.

Unter dem Licht der Straßenlaternen hatte eines der Arschlöcher aufgehört zuzutreten, seinen Reißverschluss geöffnet und seinen Schwanz hervorgeholt. Griff schloss seine Hände zu Fäusten und begann in ihre Richtung zu joggen. „Hey!“

Die Männer hörten ihn nicht. Ihr Auto stand neben ihnen auf der Straße, der Motor lief noch. Die Türen waren geöffnet. Sie schrien und fluchten Richtung Asphalt.

Und dann begann der Reißverschluss-Typ auf den Boden zu pinkeln, als wäre er hier in einem verfluchten Klo. Aber er pisste nicht auf den Boden. Der Strahl traf auf Stoff.

Ein Stöhnen. Ein feuchtes Husten.

„Verfluchtes Stück Schwulenscheiße...“

Um Himmels willen. Auf dem Boden lag eine kleine Person, irgendein Teenager der zu Tode getreten und auf den gepinkelt wurde.

„Hey! Flachwichser!“ bellte Griff, als er wie ein wütender Riese auf sie zu rannte. Reißverschluss-Typ sah erschrocken auf und hörte auf zu lachen, als ihm Griffs Größe bewusst wurde. Er verstaute seinen Schwanz wieder in seiner Jeans und sagte etwas zum Rest der Genies. Einer von ihnen spuckte auf den Jungen.

Sie strömten zügig in das wartende Fahrzeug und fuhren davon. Ihre Gliedmaßen waren noch halb in den zuschlagenden Türen zu sehen, als sie schon den halben Block hinter sich hatten. Ein letzter Aufschrei und eine Bierflasche, die auf den Körper geworfen wurde, als sie sich verzogen. „Schwuchtel!“

Die Flasche zerschlug auf dem Asphalt. Menschen lugten vorsichtig aus Fenstern und Türen.

„Jemand muss die Cops rufen!“ Griff hockte sich neben den verletzten Körper, der sich in der Fetalposition zusammengerollt hatte. Das Opfer war ein Teenager oder ein kleiner Mann.  Überall war Pisse und Blut und er hatte Angst, den Körper herum zu rollen. Zumindest bewegte sich der Brustkorb ein wenig; es war noch kein Mord.

Die Stimme der rundlichen Hummel kam von der anderen Straßenseite. „Ich hab 911 gerufen.“ Ihre Schritte näherten sich. Weitere Menschen kamen hinaus auf die Straße.

Blutsauger.

„Gut.“ Griff wusste, was er tun musste, um die Atemwege freizuhalten. Das Opfer schien keine regelmäßige Atmung zu haben, wenn doch, bekam er zumindest nicht genügend Luft.

Die Haare des Typen waren von Blut verklebt. Flache Atemzüge pfiffen durch seinen blutigen Mund.

Griff lehnte sich hinunter um sicherzugehen, dass er das Geräusch auch wirklich gehört hatte. Das schlechte Gefühl in seinem Magen breitete sich aus.

„Ist er... tot?“ Sie stand nun neben Griff, ihre stämmigen Beine unruhig, als sie mit einer Mischung aus Faszination und Abscheu kämpfte. „Ich glaube, sie sollten ihn lieber nicht anfassen, bevor die Sanitäter da sind.“

„Ich bin Feuerwehrmann. Er könnte...“ Griff wechselte auf die andere Seite damit er nichts würde bewegen müssen, um die Atemwege zu checken und dann sah er es.

Es war Tommy. Dobsky.

Tommys Gesicht war blutverschmiert, aufgeplatzte Haut, gebrochene Nase. Sein linker Arm stand in einem merkwürdigen Winkel ab. Die Vorderseite seines Shirts war von Blut durchtränkt. Diese Mistkerle hatten ihn windelweich geprügelt. Er könnte sterben. Er hatte Dante gerettet.

„Alles ging so schnell. Überhaupt nicht wie im Fernsehen.“ Die mollige Bienenfrau sprach zu niemand Bestimmtem.

Schwuchtel!

Griff ignorierte sie und checkte die Vitalfunktionen: der Puls ging viel zu schnell und Atmen fiel ihm schwer. Wahrscheinlich gebrochene Rippen.

„Wo bleibt der gottverdammte Krankenwagen?“ Griff grollte die Wolken an.

Jemand wusste, dass Tommy schwul war. Hatte jemand irgendetwas gesehen und ausgepackt? Hatte ihn jemand neulich Abend mit Alek gesehen? Hatte der verfluchte Alek etwas zu den falschen Leuten gesagt?! Oh Gott.

Ein Gruppe von Kniescheiben sammelte sich um Griff und Tommy am Boden.

„Verschwindet!“ Griffs Stimme war lauter als beabsichtigt.

Sirenen.

Schwuchtel!

Mit plötzlicher Klarheit wusste Griff, was geschehen war: Tommy hatte jemandem die Wahrheit gesagt, jemand anderem gegenüber als Griff ausgepackt und sie hatten es... schlecht aufgenommen, um es vorsichtig zu formulieren. Er hatte mit dem falschen Typen geflirtet oder dem falschen Cousin gegenüber gestanden, oder wurde in der falschen Bar erwischt. Süßes oder Saures, falsch gelaufen. Er hatte den Preis dafür gezahlt. Er zahlte noch immer über den ganzen Bürgersteig.

„Griffin?“ Jimmy war von der Bar herüber gelaufen und seine Füße verlangsamten sich, als er die dunkle Pfütze sah, die sich ihren Weg in den Asphalt und Griffs Jeans bahnte. „Gott. Oh Gott! Tot?“

Griff schüttelte den Kopf. „Es ist einer der Jungs von der Wache. Tom Dobsky.“

Schwuchtel!

Die Sirenen kamen näher. Tommys Atem rasselte leise in seiner Brust. Ein dickes Rinnsal Blut lief von seiner Nase zu seinem Ohr; es hätte sowohl von einem, als auch vom anderen kommen können.

„Ich muss ihn begleiten.“

„Ja, ja sicher. Verflucht nochmal. Die Cops sind unterwegs. Krankenwagen.“

„Diese junge Dame hier muss eine Aussage machen.“ Griff drehte sich zur Handy-Hummel. „Okay, dass du bleibst?“

Das pummelige Mädchen nickte und blinzelte ihn an. Ihr Haar war wie ein Heiligenschein aus dunklen Locken. Sie weinte.

Griff sah zu den Schaulustigen. „Der Rest von euch sollte sich, verflucht nochmal, verziehen.“

Ein älterer Mann in einem Umhang schoss mit seinem Blackberry ein Foto vom verschmierten Boden. Mehr Gaffer versammelten sich, murmelten, spekulierten. Ein Mädchen mit Hörnern und in High Heels hatte eine französische Bulldogge an der Leine, die versuchte an der Pfütze zu schnüffeln.

Schwuchtel!

Griffin starrte den Kreis kostümierter Idioten an und biss die Zähne zusammen. „Jimmy, schaff diese Arschlöcher weg von ihm, bevor ich einen von ihnen umbringe.“

Jimmy grunzte und scheuchte die Schaulustigen mit seinen tätowierten Armen zurück.

Die Wagen kamen. Er konnte sie ein paar Blocks entfernt hören. Griff senkte sein Gesicht um mit Tommy zu sprechen. „Halte durch, Kumpel.“

Das stämmige Bienenmädchen setzte sich auf den Bordstein, Tränen strömten über ihr Gesicht. „Sie wollten ihn töten. Sie wollten ihn töten.“

Tommy lag so ruhig auf dem Asphalt. Er war dabei, hier zu sterben, während Griff zusah. Griff bewachte den Körper wie ein tollwütiger Hund, während er im Blut und in der Pisse kniete und um ein Wunder betete.

Bis die Sirenen sie erreichten, war die Halloween-Menge auf ungefähr vierzig Leute angewachsen und Tommys Atem ging so flach, dass Griff sich Sorgen machte, eine seiner gebrochenen Rippen könnte beide Lungenflügel durchbohrt haben.

Griff nahm kaum wahr, dass hinter ihm die Cops angefangen hatten mit der pummeligen Zeugin zu sprechen. Rettungsassistenten stürmten heran und übernahmen. „Griff?“

Schwuchtel!

„Er ist nicht... oh, Gott. Es ist einer von uns.“ Griff nickte dem Sanitäter mit dem Babyface zu. „Das ist Dobsky, da unten. Tommy.“

„Gott.“ Das Babyface war bestürzt. Wenn er nur wüsste.

„Acht Typen sind auf ihn losgegangen. Vielleicht neun. Ich kann sie identifizieren.“

Jimmy kam zu ihnen herüber und schlug Griff auf die Schulter. „Ich muss zurück zur Tür. Die Cops müssen deine Aussage aufnehmen.“

Griff nickte.

Nichts davon hätte geschehen dürfen. Wenn ich ihn neulich Nacht hätte reden lassen... Wenn ich selbst mich ihm anvertraut hätte... Wenn einer von uns die verdammte Wahrheit gesagt hätte.

Die Sanitäter rollten Tommy auf ein Brett und hoben ihn auf eine Trage. Jimmy war auf dem Weg zurück zur Bar.

Griff machte sich auf den Weg zum hinteren Teil des Krankenwagens. Als er die Cops und das stämmige Mädchen erreichte, blieb er stehen und umarmte sie.

Sie erwiderte die Umarmung. „Danke.“ Ihre Stimme klang gedämpft in seinem Shirt. Griff nickte - als könne sie hören, wie sein Kopf sich bewegte - und ließ sie gehen. Einer der Polizisten sagte etwas über eine Aussage, aber er ignorierte ihn.

„Befragen Sie mich im Krankenhaus.“ Bevor jemand Einwände erheben konnte, kletterte Griff in den Krankenwagen und setzte sich. Sie konnten ja versuchen ihn rauszuwerfen. „Ich fahre mit ihm.“

Das ist meine Schuld. Ich wusste, dass er Hilfe brauchte, aber ich war ein Feigling. Die Schuld brannte in Griff wie Säure, ätzend und giftig.

Schwuchtel!

Die Krankenwagen-Truppe warf einen Blick auf Griffs Größe und Wut und gab nach. Der Sanitäter mit dem Babyface sagte: „Los geht’s!“

Tommy bewegte sich nicht. Hinter der Sauerstoffmaske war sein Gesicht eine blutige Masse, und er stank.

Ich bin ein gottverdammter Feigling. Ich hätte derjenige sein sollen, der angepisst wird.

 

 

Griff saß Wartezimmer, als Dante auftauchte.

Griff lehnte an der Wand neben einem Abfalleimer und wartete darauf, dass man ihm Auskunft gab. Die Knie seiner Jeans waren steif von Tommys Blut und dem Urin von diesem verfluchten Motherfucker. Er hatte das Bedürfnis gegen eine Wand zu schlagen – nein, gegen diesen pissenden Mistkerl. Griff wollte diesem Bastard in den Hals greifen, sein Arschloch packen und von innen nach außen krempeln.

Dante kam ungefähr fünfundvierzig Minuten nach Tommys Einlieferung an.

„Sie haben's mir im Bone erzählt.“ Dantes Stimme war ruhig. Er wusste lediglich, dass einer ihrer Leute angegriffen worden war. Er wusste nicht weshalb. Nur Tommy und Griff und die Mistkerle, die es getan hatten kannten die Wahrheit.

Es hätte Dante sein können. Was, wenn diese Arschlöcher Dante geschnappt hätten und ich nicht da gewesen wäre?

Griff beugte sich über den Mülleimer und übergab sich.

Dante rieb in sanften Kreisen über seinen Rücken. „Es ist okay, G. Du hast alles richtig gemacht. Sie kümmern sich um ihn.“

Griff warf Dante einen irren Blick zu.

„Ruhig. Der Kampf ist vorbei.“ Dante hielt seine Hände wie eine weiße Fahne hoch.

„Diese Wichser hätten ihn getötet.“ Griffs Stimme klang seltsam in seinen eigenen Ohren, wie eine gigantische Bauchrednerpuppe durch die jemand anders sprach, als ob jemand die Hand in seinem Arsch hätte und ihn dazu zwang Dinge zu sagen. „Ich hab's gesehen. Er wäre gestorben. Sie wollten ihn ermorden –“

Dante runzelte die Stirn und verschränkte seine Arme, nicht bereit es zu hören. „Ist er aber nicht. Lass gut sein. Du hast alles getan, was du konntest und du hast ihn gerettet. „Was ist los?“

Griff schüttelte seinen Kopf, sagte jedoch nichts, konnte nichts sagen. Die HotHead-Szenen lagen wie eine verfluchte Zielscheibe auf ihnen.

Es hätte Dante sein können, der da auf der Straße verblutete, weil ich mich nicht für ihn eingesetzt habe.

Um sie herum wanden sich Leute unruhig unter dem fluoreszierenden Licht auf den Vinylpolstern. Unverständliche Ankündigungen quietschten über die Lautsprecher. Notaufnahmen in New York waren nicht das, was man fröhlich nennen würde.

Dante zuckte die Achseln. „Tommy ist doch ständig in irgendwelchen Ärger verwickelt, hm? Diesmal wurde er überrascht.“ Er versuchte Griff zu beruhigen. Kerle gerieten ständig in Auseinandersetzungen.

Griff dachte an die Schürfwunden und blauen Flecken aus der Hinterhofnummer. Dante hatte keine Ahnung von Tommy oder dessen anderem, geheimen Leben und keinesfalls würde er derjenige sein, der die Katze aus dem Sack ließ. „Du verstehst das nicht.“

„Er wurde verprügelt, G.“ Dante versuchte vernünftig an die Sache heranzugehen.

Aber das entsprach nicht der Wahrheit. Griff und Tommy und dieser Pisser wussten, dass das eine verfluchte Lüge war. Das hier war ein – wie hieß das nochmal – Verbrechen aus Hass. Tommy wurde nicht überfallen oder einfach so verprügelt, er wurde aus Schwulenfeindlichkeit angegriffen. Als ob es jemand so melden würde. Hmhm. Erzähl mir noch einen.

„Ich wusste nicht einmal, dass du ihn so gut kanntest.“ Dantes Stirn lag in verwirrten Falten.

„Hab ich nicht. Tue ich nicht. Sie waren so was von bereit ihn zu töten.“ Griffs Atem stockte ihm, als er daran dachte, wie Tommy zusammengerollt auf dem Asphalt lag, umringt von Stiefeln.

„Soweit wir wissen, könnte er die Frau von irgendjemandem geknallt haben.“

Ähm. Nein.

Griff fuhr sich mit der Hand durch sein Haar. Er brauchte eine Dusche. „Sie haben ihn mit ihren Stiefeln zu Brei getreten. Zum Spaß. Er war bewusstlos. Alles was er tun konnte, war sich zusammenzurollen und bluten. Niemand verdient das. Es hätte dich treffen können oder deine Schwester oder was weiß ich –“

„Hey. Hey! Niemand will mich töten. Ich knall keine verheirateten Frauen mehr. Nicht mein Ding. Und sie müssten erst einmal an dir vorbei, hm?“ Dante versuchte ihn zum Lachen zu bringen.

„Verdammt richtig.“ Griff war kurz davor ihn zu umarmen, tat es jedoch nicht. Er sah an sich hinunter und realisierte wie er aussehen musste, wie verrückt er schien. Er dachte an die Szene, die sie gerade erst für HotHead gedreht hatten. Wenn jemand Dante sah wie er...

Dante ließ eine Hand auf seine große Schulter sinken und drückte. „Lässt du mich dich heim fahren?“

„Ich kann fahren.“

„Du hast dein Auto nicht hier, Mann. Du bist mit dem Krankenwagen gekommen, erinnerst du dich?“ Dante hielt eine extra Jacke hoch.

„Oh.“ Griffs Hirn schien im Urlaub zu sein. „Richtig. Danke.“

Sie gingen Richtung Ausgang.

Dante zog die Schlüssel aus seiner Tasche. „Ich hab auf der Wache angerufen, um dem Chief Bescheid zu geben. Die Jungs werden morgen vorbeikommen.“

Griff dachte wieder an die Angreifer und fragte sich, wem sie es erzählen würden. Wer sonst wusste inzwischen, dass Tommy mit Kerlen rummachte? Wie viele mehr würden es morgen wissen? Wie viele Besucher würden mit Playboys und Schokolade im Gepäck vorbeikommen, wenn sie einmal wussten, dass Tommy es sich in den Arsch besorgen ließ. Irgendwo hatte irgendwer die Wahrheit gesagt und Tommy steckte tief in der Scheiße. Sie alle taten es, nur wusste Dante noch nichts davon. Griff musste nur dafür sorgen, dass es so blieb.

Schwuchtel!

„Griffin?“

Griff realisierte, dass er mit seiner Jacke in der Hand in den automatischen Türen stehen geblieben war. Die Luft draußen war bitterkalt, aber es schien ihm nicht möglich etwas zu fühlen. Er zog die Jacke an.

Dante nickte und wartete darauf, dass sein bester Freund ihn einholte, stieß ihn dann sanft mit seiner eigenen Schulter an und machte sich auf den Weg zu seinem Parkplatz in einer Seitenstraße.

Griff nickte vor sich hin. Seinen Freund zu lieben war schlimm genug. Ihn zu verlieren würde...

Würde...

Griff fühlte sich, als würde er ersticken, lief aber weiter.

Und wenn es das letzte wäre, das er tat, er würde sicherstellen, dass Dante die Wahrheit nicht herausfand.

 

 

Am nächsten Abend, direkt nach der Arbeit, ging Griff zum HotHead-Studio, bereit seine Seele zu verkaufen. Er erzählte Dante nichts davon. Er warnte Alek nicht einmal.

Auf dem Weg rief er auf Tommys Station an. Keine Veränderung; er war bewusstlos, aber stabil.

Am Lager in der Avenue X angekommen, war Alek ganz im Geschäftsmodus, von dem Moment an, als er zur Tür herunterkam, um Griff unter dicken, dunklen Wolken zu begrüßen. Ein grauer Tag für Allerseelen.

Im Aufzug sprachen sie nicht miteinander und Griff wurde sich dessen bewusst, dass er die Tasche mit der Ausrüstung diesmal nicht bei sich trug. Er trug den Kilt, den er gewöhnlich für seinen Türsteher-Posten reservierte und hoffte, dass ihm der nötige Arschtritt so leichter fiel. Er musste einen Weg finden, auf dieses russische Arschloch sauer zu werden.

Oben angekommen, öffnete Alek die Aufzugtür und machte sich im Halbdunkel auf den Weg ins Studio. Er sprach mit Griff ohne sich umzudrehen, als er sich seinen Weg durch die Kisten und Lager-Verschläge bahnte. Alek sah hinunter auf seine Beine. „Ich mag Ihren Kilt.“

Griff blickte auf die olivfarbenen Karos. Er hatte vergessen, dass er ihn trug. „Es ist ein Arbeitskilt. Ich arbeite nachher noch auf dem Bau.“

„Sehr attraktiv. Aber sie haben ihre Ausrüstung nicht mitgebracht.“

„Nein.“ Griff sah auf seine leeren Hände hinunter, als er ihm folgte. „Hab ich vergessen. Nein. Das ist eine Lüge. Ich hatte nicht geplant sie mitzubringen.“

Alek schloss die Tür auf und betrat das Studio. Die Vorhänge waren alle zurückgezogen und das kühle Tageslicht strömte unangenehm in den Raum. „Ich entschuldige mich für die Kälte. Mein Vermieter ist knauserig was den Boiler betrifft, da die meisten meiner Nachbarn das Haus als Lagerfläche nutzen. Russen!“ Er sah kurz nach den Rechnern und machte sich auf den Weg zu dem falschen Wohnzimmer. „Dann nehme ich an, sie sind nicht gekommen, um das Solovideo zu drehen, über das wir geredet hatten.“

Griff stand mit leeren Händen an der Tür, bereit für den Streit, den er brauchen würde und versuchte den Nerv aufzubringen fies zu werden, wenn Alek nichts als in Ordnung zu ihm gewesen war. Er fühlte sich wie ein eiskalter Vollidiot.

Aleks Augen lächelten ihn an. „Sie sehen aus, als wären sie kurz davor eine Szene zu machen.“ Er lehnte sich auf dem Ledersofa zurück und wartete.

„Ja.“ Griff kam weit genug herein, dass er auf dem Teppich vor ihm zum Stehen kam. „Irgendwie.“

„Welche Art von Szene schwebt ihnen vor, Mr. Muir?“ Selbst sitzend schaffte Alek es, wie ein gutaussehender Concierge zu wirken, der mit einem aufgebrachten Kunden in einem Hotel sprach. „Gibt es ein Problem?“

Griff verlagerte sein Gewicht von einem Fuß auf den anderen. Er ging einen Schritt auf das Set zu. „Nun, ich bin hergekommen, um einen auf Arschloch zu machen, aber sie waren nichts als freundlich zu uns.“

„Ich bin froh, dass sie so denken. Ich mag sie und Mr. Anastagio sehr.“ Alek glättete seine Hosen, Kinn hervorgestreckt, für alles bereit. „An dem Abend, als wir uns das erste Mal getroffen haben, haben sie mich sogar vor einem Angriff bewahrt.“

Griff hatte das völlig vergessen. Es fühlte sich an, als sei es hundert Jahre her. Und er fühlte sich seltsam wie sie hier, mit dem ganzen Raum zwischen sich redeten, aber er konnte sich nicht dazu bringen näher zu treten. „Sehen sie, diese Videos sind ein ernsthaftes Problem. Für Dante und mich, wissen sie? Die Art von Problem, die uns den Job oder das Leben oder noch weit mehr kosten könnte.“

„Dann kann ich Ihre Aufregung verstehen. Sie sind in einer gefährlichen Branche.“ Alek lehnte sich auf seinem Platz nach vorne und blickte besorgt drein, oder tat so, als sei er besorgt... was auch immer.

Griff zuckte die Achseln, machtlos und verzweifelt. „Ich dachte... ich bin hergekommen um ihnen zu sagen, dass ich Freunde habe, die Cops sind und dass ich ein Arsch sein könnte und sie fertig mache. Aber ich will nicht, dass das hier öffentlich wird und unser Leben versaut. Ich will ihrem Geschäft nicht in die Quere kommen.“ Er nahm einen Schritt. Dann noch einen. Er schloss die Distanz zwischen ihnen, bis er mit Alek im HotHead-Set war.

„Ich weiß das zu schätzen, aber Sie haben noch immer ein Problem, ja? Aufgrund des homoerotischen Inhalts, den wir zwischen ihnen und ihrem Freund aufgenommen haben.“ Der Russe trommelte mit seinen langen Fingern auf den Couchtisch, ganz so, als würde er über eine Lösung nachdenken – oder so tun als ob.

Griff kam näher, er war unruhig. „Ja. Sie verstehen das nicht... die Porno-Sache könnte ihn das Leben kosten und mir ist klar, dass das nicht ihr Problem ist und ich weiß nicht, wie ich das Problem in den Griff bekommen soll und ich will nicht, dass Dante etwas davon erfährt und ich will kein Idiot ihnen gegenüber sein.“

„Beruhigen sie sich. Es ist in Ordnung, Mr. Muir.“

„Scheiße, aber das ist fürchterlich.“ Griff ließ sich in den großen Ledersessel fallen und lehnte sich nach vorne, verzweifelt darüber, Alek verständlich machen zu müssen, was er meinte. „Sehen sie, sie sind ein guter Kerl, Alek. Eigentlich ist es komisch. Ich dachte, sie wären ein  perverser Drecksack, bevor...“

„Sie auf diesem Sessel ejakuliert haben.“ Aleks Lächeln verteilte sich wie Sirup über seinem Gesicht. „Ich bin ein Perverser. Sie wissen das. Auf die ein oder andere Art sind wir alle Perverse, ja?“

„Jepp. Ja.“ Griff wusste, was er meinte. Alek wusste, dass er es wusste. Ihr Wissen hing in diesem falschen Porno-Zimmer, wo sich so vieles für sie geändert hatte. Unter seinem Kilt hatte er eine Gänsehaut auf den Beinen.

„Wie auch immer, ich bin kein Bösewicht.“ Der Russe hob eine Augenbraue und übertrieb den slawischen Akzent in seiner Stimme, bis er wie ein Cartoon-Rasputin klang. „Der böse Sowjet, der mit unschuldigem Fleisch handelt.“

Griff nickte erneut und versuchte herauszufinden, was Alek versuchte ihm zu sagen. Es schien wichtig, dass er es verstand. Warum fühlte er sich, als redete er mit einem Freund?

Alek lehnte sich zurück gegen das schwarze Leder und dachte laut nach. „Ich wünsche keinem von ihnen irgendeinen Schaden. Im Gegenteil, ich würde viel lieber einen Weg finden, Teile der glücklichen Fügung mit ihnen zu teilen, die sie meiner schmutzigen Ecke des World Wide Wank beschert haben.“

Ohne die Kamera und die Scheinwerfer, sah das kleine Wohnzimmer wie eine Ecke in einem Büro aus. Griff kam der seltsame Gedanke, dass sie beide im Wartezimmer eines Zahnarztes sitzen könnten.

Für eine Wurzelbehandlung. Oder Zähne ziehen.

Griff wischte sich über den Mund. Sollte er dem Kerl drohen oder um eine Galgenfrist betteln oder versuchen sich freizukaufen. Aber etwas völlig anderes brach aus ihm heraus.

„Ich hab eine scheiß Angst.“ Griff fühlte sich verlegen, sobald die Worte aus seinem Mund kamen.

„Hat jemand ihnen oder Mr. Anastagio wegen der Seite gedroht?“

„Nein! Ich meine, noch nicht. Niemand weiß davon und es ist wichtig, dass es so bleibt.“

Aleks Stirn legte sich verwirrt in Falten. „Darf ich dann nach dem Grund ihrer Ängste fragen?“

„Einer der Jungs wurde verletzt. Wirklich übel zusammengeschlagen.“

„Ich kann ihnen nicht folgen. Ist das während eines Feuers passiert?“

„Nein. Sozusagen aus Hass. Schwulenhass. Einer der Jungs von der Wache. Sie haben ihn im Stone Bone getroffen. Dieser Sanitäter, der heimlich, ähm, mit Typen schläft. Sex hat. Himmel. Sie wissen schon.“ Griff dachte an den brutalen Hinterhoffick. An Tommys zufriedenes Gesicht danach und die Hand des dunklen Mannes, die anschließend auf Tommys Rücken gelegen hatte. Tommy, wie er die Ruhe bewahrte und Dante bei dem Feuer am Leben hielt. Tommy, wie er zusammengerollt auf dem Bürgersteig lag, sterbend.

„Thomas?!“ Aleks Gesicht war mit einem Mal ernst. Seine Schultern waren nach vorne gefallen, seine Hände zu Fäusten geballt. Er sah wütend aus, beinahe so wütend wie Griff sich fühlte.

„Ja, Tommy. Macht mit Männern rum. Anscheinend häufig. Seine Frau hat es herausgefunden und dann haben es ihre Brüder herausgefunden und dann habe ich ihn gefunden, als er verprügelt wurde und jetzt ist er in dem verfluchten Krankenhaus und pisst in eine Tüte und sein Gesicht wird mit ein paar Tackerklemmen zusammengehalten.“

„Aber das ist furchtbar.“ Alek sah aus als wolle er jemanden umbringen, seine Gesichtszüge starr. „Er war so eine verlorene Seele.“

„Und, ich meine, er weiß wie man kämpft. Aber nicht alle auf einmal, wissen sie? Und sicher, er ist fremdgegangen, aber alle diese verfluchten Typen gehen andauernd fremd!“ Griff fuhr sich über sein Gesicht und schloss seine überanstrengten Augen und versuchte sich zusammenzureißen. „Aber nicht mit Typen. Wissen sie, was ich meine? Nicht mit Typen. Also ist er 'ne dreckige Schwuchtel. Und sie hätten ihn beinahe umgebracht. Sie haben auf ihn gepisst. Seine Familie. Seine Familie.“

Aleks Mund stand vor Schock offen. Als ihm das klar wurde, verdeckte er ihn mit seiner zitternden Hand .

„Ich hab ihm im Krankenwagen beim Sterben zugesehen. Beinahe Sterben. Ihm lief Blut aus den Ohren.“

Hinter seinen Fingern fluchte Alek auf russisch und fluchte dann noch einmal.

Griff schüttelte seinen Kopf und rieb sich ein Auge. „Sie werden damit davonkommen. Er wird sie nicht anzeigen. Über sechzig Stiche. Drei Rippen. Gehirnerschütterung. Ausgekugelte Schulter. Sein Gesicht sah wie eine verfluchte Aubergine aus.“

Aleks Gesicht war hart wie Stein. „Sie haben ihm aber geholfen. Sie waren ein Held. Und es wird ihm wieder besser gehen.“

„Wird es? Ich fühle mich furchtbar. Weil ich es wusste. Ich hab ihn einmal abends gesehen, unten im Village mit 'nem Typen. Wie er's mit so 'nem großen Kerl gemacht hat, mein ich. Nicht einmal Dante weiß davon.“ Griff wischte über seine Nase und schloss seine Hand zur Faust. „Aber ich habe niemals was gesagt. Vielleicht wäre er vorsichtiger gewesen, wenn ich es getan hätte.“

„Vielleicht aber auch nicht.“ Alek legte zwar keine tröstende Hand auf ihn, aber Griff war klar, dass er versuchte sanft zu sein. „Vielleicht wollte Thomas erwischt werden. Vielleicht wollte er, dass seine arme Frau es herausfand und hatte nur nicht die richtigen Worte für sie. Vielleicht war das seine Art, sich selbst zu bestrafen. Masochismus. Menschen foltern sich selbst schlimmer, als es jemand anders könnte. Ja?“

Griff nickte.

Alek nickte. Er hatte nicht vergessen, was er gesehen hatte.

Plötzlich redeten sie nicht über Tommy. Sirenen gingen in Griffs Kopf los, aber er rutschte einfach die Stange hinunter, nicht in der Lage sich selbst zu stoppen...

Griffs Stimme war leise und er sprach zum Boden, nicht in der Lage aufzusehen. „Das Lügen ist fürchterlich. Das Verstecken.“

„Das ist es.“ Alek zuckte mit einer Schulter und runzelte die Stirn, als er das Studio um sie herum betrachtete. „Aber alltäglich. Sehen Sie sich HotHead an. Viele unserer Mitglieder sind nicht-geoutete schwule Männer in bitteren Beziehungen. 'Neugierig' ist es, was diese Männer sich selbst nennen. Die Fantasie ist ihre Art zu überleben. Dieser Ort ist ein Traum für sie.“ Er sah sich in dem Wohnzimmer-Set mit den drei Wänden um. „Die Welt besteht aus einsamen Menschen.“

Griff zog eine Grimasse. „Wie kannst du 'neugierig' sein, wenn du es weißt? Ich kann nicht verstehen, wie Leute das durchziehen können. Ich weiß, dass sie es tun, aber ich kann mir nicht vorstellen, es ein ganzes verdammtes Leben lang zu tun. Es ist wie bei lebendigem Leib zu verbrennen. Menschen anzulügen, die du liebst. Kein Wunder, dass Menschen zu Trinkern werden und sich verstecken und sich verprügeln müssen. Wahrheit. Es ist einfacher von innen tot zu sein.“

„Es gibt so viele bessere Wege, sich zu töten.“ Das Licht von draußen ließ Aleks ernstes Gesicht silbrig erscheinen, ließ ihn älter aussehen, seine Augen blasser. „Sie trinken.“

„Ich trinke zu viel. Ich weiß. Ich weiß das. Wie mein Dad.“ Griff betrachtete seine vernarbten Knöchel. „Ich tue es nur, wenn ich versuche nicht...“

„Ihren Freund zu lieben?“ Aleks Stimme war sanft, sein Akzent ein weiches, verständnisvolles Murmeln.

Das Zimmer hatte für Griff plötzlich jede Bewegung verloren, als ob sogar der Staub aufgehört hätte in den Strahlen des kalten Sonnenlichts zu tanzen und der Wind einfach aufgehört hätte zu wehen. Sein Herzschlag machte eine Pause. Das Blut floss nicht weiter durch seine Adern. Die Welt hielt ihren Atem an, hielt ihren Atem an...

Bis er aufblickte, seine grauen Augen erschrocken und feucht und erleichtert, als das Wort seinem Mund entfloh. „Ja.“

Sein Herz begann wieder zu schlagen.

„Mr. Muir, ihren Dante zu lieben ist keine schlechte Sache. Keine Frage, dass er sie auch liebt... auch wenn ich nicht weiß, ob er sie auf die Weise lieben kann, wie sie es sich wünschen. Oder auch ich mir für sie wünschen würde. Das weiß nur er. Verstehen sie mich? Das Leben ist nur selten romantisch.“ Alek wischte mit seinen Händen über seine Hose. „Aber wenn sie ihm gegenüber nicht ehrlich sein werden, müssen Sie wenigstens sich selbst gegenüber ehrlich sein.“

Griff nickte, schüttelte dann aber seinen Kopf. Was nun, Idiot? „Ich schütte mich nur hin und wieder zu, um nichts fühlen zu müssen. Ich bin lieber betäubt, als dass ich andauernd alles fühlen muss. Mich nach ihm sehne.“ Er spielte unruhig mit den Falten seines Kilts und würgte an seiner Feigheit.

„Eine gefährliche Angewohnheit für jemanden, der sich ohnehin so oft in Gefahr befindet. Was sagen sie auf Arzneimitteln? Bedienen Sie keine schweren Maschinen. Das Leben ist eine schwere Maschine.“ Alek sah auf etwas auf seiner Hose. Er wollte den Blick nicht heben, als wüsste er, dass er für einen Fremden zu weit ging, sich aber nicht davon abhalten konnte. „Vertrauen sie darauf: Zu trinken, bis sie von dieser Welt gehen, vergeudet nur Momente ihres Lebens. All diese Zeit ist verloren. Und Zeit und Liebe sind unglaublich wertvoll. Ja? Verschwenden sie sie nicht.“

„Ich weiß. Ichweißichweißichweißichweiß...“ Griff nickte. Er fühlte die heißen Tränen auf seinen Wangen, bevor er realisierte, dass er weinte.

Plitsch

Eine Träne tropfte auf seine Hand. „Sie haben Tommy nicht gesehen, wie er zerschlagen auf dem verfluchten Boden lag. Menschen, die ihn liebten haben das getan. Familie. Die Wahrheit hat das getan und keine verfluchte Romanze. Ich muss etwas tun. Was auch immer es ist, das ich tun muss. Und ich muss mich um diese verfluchten Videos kümmern  oder jemand wird Dante verletzen und ich würde ausgehen wie eine verfluchte Kerze. Verlöschen. Wenn unsere Familie das Dante oder mir antun würde, würde ich... ich weiß nicht, ich weiß nicht ob...“

Seine Stimme versagte. Da saß er nun, inmitten eines Pornostudios und schluchzte leise, während dieser seltsame, freundliche Russe ihm in unbehaglicher Besorgnis zusah.

Wie war er nur bis zu diesem Punkt gekommen? Griff versuchte und versagte dabei, all die Schritte nachzuvollziehen, die ihn hier auf diese falsche Couch gebracht hatten, wo er echte Tränen weinte, mit einem freundlichen Perversen an seiner Seite, der ihn aus der Scheiße ziehen wollte.

Ground Zero.

Alek sagte eine ganze Weile lang nichts, tätschelte lediglich seinen rothaarigen Unterarm, mit dem geduldigen Pessimismus einer Krankenschwester für Verbrennungsopfer. Sein ruhig gehender Atem half Griff tatsächlich sich zu beruhigen. Nach einigen Minuten nickte er mit seinem kahlen Kopf sich selbst zu und streckte sich, um eine Aktenmappe auf dem Couchtisch zu öffnen. „Mr. Muir... darf ich ihnen ein Angebot machen?“

Er zog einen großen Umschlag heraus.

„Wollen sie mich verdammt nochmal verarschen?! Haben sie nicht zugehört?!“ Griff starrte zuerst auf die Papiere, dann auf Alek. „Himmel und Hölle nochmal. Ich hab meine verfluchte Ausrüstung nicht dabei! Ich will keine weitere falsche Porno-Online-Scheiße, die uns umbringen wird. Nein, danke.“ Er nahm einen tiefen Atemzug. „Nichts für ungut.“

„Nein. Das war nicht, was ich ihnen vorschlagen wollte. Einen Moment.“ Alek lehnte sich nach vorne und stützte die Ellbogen auf seine Knie. „Sie haben mir einmal geholfen, bevor sie mich überhaupt kannten. Nun würde ich ihnen gerne helfen.“

„Ja. Sicher. Aber zuerst muss ich einen Weg finden, dass wir beide sicher sind. Ich muss Dante helfen, das zu schützen, was ihm wichtig ist, und uns dann irgendwohin bringen, wo wir beide ehrlich zueinander sein können, selbst wenn es nur eine einzige Minute lang sein wird.“

Alek betrachtete ihn, die Räder drehten sich in seinem Kopf, als würde er eine Mathematik Aufgabe lösen wollen. „Ich denke, wir sollten die außergewöhnliche Aufnahme von 'Monte' und 'Duff' von der Website entfernen. Sie online zu stellen war ein Fehler, der unangenehme Folgen für sie oder mich haben könnte.“

Griff nickte perplex.

„Wie auch immer, der Inhalt war bei den Mitgliedern sehr beliebt. Sie sind die Lieblinge der Fans. Es ist diese unglaubliche Hitze zwischen Ihnen, wissen sie. Nicht nur was sie tun, das Gefühl. Der Rest von uns fühlt sich davon angezogen, wie armselige Motten. Ich habe einen enormen Zuwachs an Registrierungen durch Ihre Masturbations-Clips erhalten und ich bin nun mal ein Geschäftsmann.“ Alek legte seine Fingerspitzen zusammen, stieß damit gegen seine Nase und sah geradewegs in Griffs Augen. „Also mache ich ein Geschäft mit ihnen, wenn sie bereit sind.“

„Ja!“ Griff war so schnell auf den Beinen, dass Alek zurückzuckte. „Ich könnte sie bezahlen. Ich kaufe sie zurück. Bar! Ich kann mir was leihen...“

Er würde seinen Truck verkaufen. Er würde eine Bank ausrauben. Er würde seinen Stolz herunterschlucken und seinen Dad fragen.

„Nein. Ich denke nicht, dass sie das Geld aufbringen könnten, was die Aufnahme sich herausgestellt hat, wert zu sein. Besonders die außergewöhnliche Fellatio-Szene, die noch von niemand anderem als mir selbst angeschaut wurde.“ Aleks leere Hände öffneten sich, als wolle er etwas anbieten. „Und auch von niemandem sonst angeschaut werden muss.“

Alles. Ja.

Griff nickte, schüttelte dann seinen Kopf und fühlte sich wie ein Idiot. Er zupfte an einer der Falten seines Kilts.

„Aber die früheren Szenen haben ihren Zweck erfüllt und der Hunger der Mitglieder nach frischen Lieferungen ist ungebremst. Sie verkörpern inzwischen etwas für sie. Eine Fantasie. Durch das Entfernen der Szenen könnte ich natürlich eine Art homoerotischen Skandal im FDNY suggerieren, was dem Ansehen der Seite nur gut tun würde. Das könnte beinahe eine Strategie sein.“ Aleks blaue Augen wanderten über die Decke und er fuhr sich mit einer Hand über den rasierten Kopf. „Als Gegenleistung hätte ich gerne etwas von ihnen.“

Er richtete seine Augen auf Griff und lächelte.

„Griff erstarrte, seine Brust kalt, sein Gesicht pink und glühend vor Verlegenheit. „Ich glaube nicht, dass ich könnte. Mit ihnen. Ich weiß, sie mögen... mögen mich. Was auch immer. Ich meine, wenn sie wissen wollen... sie sind attraktiv und so, aber ich denke nicht, dass Sex...“

Alek lachte und schüttelte den Kopf. „Nein, nein! Sie missverstehen mich. Ich mag sie gewaltig, Mr. Muir. Aber so schön sie auch sind, denke ich doch, sie sind in etwas sehr Seltenes und Wertvolles mit ihrem italienischen Freund gestolpert, das den Schutz vor Perversen verdient. Selbst von mir. Nein, ich möchte sie als Model für ein paar Fotos.“

„Aber ich dachte –“

„Nichts Explizites. Nichts, das ihre Identität offenbaren würde. Ich möchte, dass sie der HotHead Mann werden. Mein Coverboy sozusagen. Mein Markenzeichen. Ich würde ihr Gesicht nicht zeigen. Sie müssten sich nicht einmal als Feuerwehrmann präsentieren. Wenn sie es bevorzugen, finden wir für sie eine andere Uniform.“

„Aber sie möchten Nacktfotos machen. Von mir. Wenn ich nackt bin.“ Griff wusste, dass ihm etwas entging. Seine Augen wanderten über den knubbeligen, grauen Teppich, während er versuchte die Teile zusammenzusetzen. Er wischte über seine feuchten Wimpern.

„Nun, ja. Offensichtlich. Mit ein paar Uniform-Elementen natürlich. Und im Austausch für diese Fotos, werde ich zustimmen, alle Inhalte, die mit Monte oder Duff in Verbindung stehen, zu entfernen: Videos, Fotos, Lebensläufe. Die Website hat sich in den letzten Monaten immer größerer Beliebtheit erfreut, nicht zuletzt dank ihnen und Mr. Anastagio. Aber ich möchte sie in eine etwas gehobenere Klasse umgestalten, und ich möchte jemanden“ – Alek betrachtete offen Griffs Körper – „für den neuen Auftritt, der außergewöhnlich ist.“

Griff wischte die Idee fort. „Inwiefern wird mein nacktes Ich über ihrer ganzen Website mein Problem lösen?“

„Wir werden ihr Gesicht oder andere Markierungen, die zu einer Identifizierung beitragen könnten, wie Tattoos, nicht zeigen. Aber selbstverständlich haben sie keine Tattoos auf ihrer makellosen Haut. Klug.“ Alek grinste und nickte, flirtete ein wenig auf eine freundliche Art, die seinen Akzent aus irgendeinem Grund stärker werden ließ.

„Blödsinn.“ Griff schüttelte bereits entschieden den Kopf. „Ich bin nicht so heiß. Ich bin nicht so muskulös. Und ich bin nicht so gut bestückt. Ich hab ein paar von den Monstern gesehen, die sie auf der Seite haben.“ Er lief rot an, aber er blieb bei der Wahrheit. Was interessierte es ihn inzwischen, wenn Alek wusste, dass er die Seite unter falschem Namen besucht hatte?

„Darüber kann man streiten.“ Aleks blaue Augen verengten sich und glitzerten ein wenig. „Und die Mitglieder sind fasziniert von der Chemie zwischen ihnen und ihrem Freund. Aber das ist nicht der Grund.“

„Was, weil ich rote Haare habe?“

„Weil sie authentisch sind, Mr. Muir. Einhundert Prozent echt. Sie sehen nicht aus wie ein Stripper, oder Stricher oder Krimineller. Sie sind nicht hübsch oder herausgeputzt oder übertrieben. Sie sehen so aus, wie das, was sie sind: ein gutaussehender amerikanischer Held, der nichts über seine eigene Anziehungskraft weiß. Und sie sind äußerst anziehend. Das ist zumindest der hauptsächliche Grund.“

Alek legte seinen Kopf schief und betrachtete Griffs Arme und seinen Schritt näher. „Außerdem liebe ich Ihren außergewöhnlichen Hautton, er ist ihnen angemessen. Ich kann mir keinen heißeren HotHead vorstellen.“

Ein Zwinkern und Alek lachte leise, ganz so, als würden sie nicht gerade über ihre gegenseitige Zukunft feilschen.

Drüben an der Tür gab ein Computer ein Geräusch von sich und startete neu, als wolle er sich in ihre Unterhaltung einklinken. Griff und Alek drehten sich zu dem Laut, aber anscheinend hatte er nichts weiter zu sagen. An der Reihe von Monitoren flog das schwelende HotHead-Logo über die dunklen Bildschirme. Das Licht draußen wurde schwächer.

Wann war es so spät geworden?

Alek lehnte seinen kahlen Kopf zurück und sah Griff an, während er auf seine Antwort wartete.

Griff runzelte die Stirn und blickte so grimmig drein, dass er wusste, dass er wie sein Vater aussah, wenn er den Bad Cop gab. „Also... was? Sie machen ein paar Nacktfotos von mir und die Pornoclips verschwinden?“

„Hmhm. Allerdings nicht ich. Ich habe eine Fotografin, die über einen Zeitraum von drei Tagen mit ihnen arbeiten würde. Beth. Sie ist sehr höflich, sehr talentiert und sehr professionell.“ Er verschränkte seine Hände hinter dem Kopf und lehnte sich entspannt zurück, träumte von seinem größeren, besseren HotHead.

„Eine Frau? Oh Mann.“

„Eine liebenswürdige Person. Beth macht hauptsächlich Auftragsarbeiten für Zeitschriften und Modefotografie. Aber nebenbei macht sie auch Muskelprotz-Kalender und hat wirklich ein Auge für kunstvolle Aktaufnahmen. Ohne jeden Zweifel wird sie in Ohnmacht fallen, wenn sie sie in all ihrer Pracht vor sich sieht. Ihr wird verständlich gemacht werden, dass ihr Gesicht, Name und jegliche Merkmale, die sie identifizieren könnten, niemals mit HotHead.com oder den Fotos selbst in Zusammenhang gebracht werden sollen.“

„Dante bringt mich um, wenn er denkt das hier geschehe aus Mitleid.“ Griff dachte wieder und wieder über den Vorschlag nach. „Schlimmer, er wird stinksauer sein, dass sie nicht ihn gefragt haben. Er ist unglaublich eitel und er ist derjenige, der das verdammte Geld braucht.“

„Dann sollten sie es zuerst mit ihm besprechen. Zusätzlich zu... anderen Dingen. Ja? Reden sie mit ihm.“ Alek faltete Seiten mit einem Haufen kleingedruckten, rechtlichen Krempel unter einem HotHead Briefkopf auf und wartete auf Griff. Seine braunen Brauen schoben sich über sanften Augen zusammen, als wären sie alte Freunde die sich unterhielten. Er verstand Griff - und andersherum, also waren sie es auf ihre Art vielleicht auch.

Verrückt.

Griff wusste nicht, wo er anfangen sollte. Sein Mund versuchte Worte zu formen, aber nichts kam heraus. War das hier echt?

„Und glauben sie nicht, dass ich sie hier leicht vom Haken lasse. Ein Dreitages-Shooting kann ziemlich anstrengend sein. Sie werden jeden Cent meiner Kosten für die Löschung der Videos verdienen.“

„Warum?“ Griff schaffte es schließlich, einen intelligenten Gedanken zu formulieren. Er rieb seine Hände über seine Oberschenkel und stand schließlich auf, um wie ein eingesperrter Bär seine Kreise ziehen zu können. Nichts ist so einfach.

„Wieder, Mr. Muir, stellen sie die richtige Frage.“ Alek schien zufrieden, als sei es ein Test gewesen. Er beobachtete, wie Griff den Teppich auf und ab lief, und genau wie er es an dem Tag getan hatte, als sie sich das erste Mal getroffen hatten, zählte er die Gründe an seinen Fingern ab. „Weil sie möglicherweise in der Lage sind, eine verrückte Fantasie über Männer in Uniformen für mich zu erfüllen. Weil ich gesehen habe, welch seltene Sache zwischen ihnen und ihrem Dante brennt. Weil ich einst etwas ähnliches gefühlt habe und es habe sterben lassen. Weil Menschen nicht dafür bestraft werden sollten, zu lieben und zu hoffen und ein offenes Herz zu haben.“

Griff fühlte wie er lächelte und nickte, vor Dankbarkeit wie vor den Kopf geschlagen. Danke, danke, danke. Er wischte sich grob über die Wange. In diesem Zimmer, wo sich alles zwischen ihnen geändert hatte, konnte er beinahe fühlen, wie sich Dantes Bein gegen seines drückte, als säßen sie gemeinsam auf dem Sofa.

„Was ist lustig?“ Alek schien überrascht von seiner Reaktion, jedoch zufrieden.

Dann lachte Griff tatsächlich, sein Gesicht warm, seine Erleichterung so groß, dass sie sich wie Whiskey in seinen Adern anfühlte. „Offenes Herz. Jemand anders hat vor einiger Zeit etwas ähnliches zu mir gesagt. Eine Lady, die mich schon sehr lange kennt. Hm.“

„Nun... wir beide haben Recht.“ Alek hielt ihm eine Hand hin und wartete auf eine Antwort.

Plötzlich hoffte Griff, dass Tommy in seinem Krankenhauszimmer okay war. Dass jemand vorbeigeschaut hatte. Er würde ihn am nächsten Morgen vor seiner Schicht besuchen. Er fragte sich, ob Dante gehen würde. Er fragte sich, ob sie dazu mutig genug sein würden.

Er holte tief Luft und dachte über das Angebot nach. Was war das Richtige?

Draußen hatte das Tageslicht des Novembertages sich zu einem pudrigen blau abgekühlt. Im Studio war es beinahe dunkel, abgesehen von einem warmen Kreis, der von einer falschen Stehlampe, neben dem falschen Sofa, auf dem falschen Teppich, im falschen Wohnzimmer, geworfen wurde. Eine kleine Insel inmitten des kalten, blauen Novemberhimmels. Das falsche Zimmer, die falsche Kunst, die falsche Pornowelt und Alek, der ihm die Tür nach draußen offen hielt, ihm und Dante... in die wartende Welt.

Griff seufzte, die Augen geschlossen und glücklich. Er konnte spüren, wie Aleks Augen mit einer Ruhe, die er nicht verdiente, auf ihm lagen. Für den Bruchteil einer Sekunde fühlte sich die kleine, flackernde Fantasie des Sets beinahe gemütlich an. Ein Platz, um sich zu verstecken und ein Platz für all die neugierigen Menschen auf der Welt, die sonst nirgendwo einen Platz zum Fragen oder zum Träumen hatten. Oder um Antworten zu finden.

„Okay.“ Griff schüttelte Aleks Hand mit festem Griff, wie ein Versprechen. „Ich werde mit ihm reden.“

 

 

Griff fuhr vom HotHead Studio zum baufälligen Haus seines besten Freundes, bereit auszupacken, bereit die Karten auf den Tisch zu legen. Er musste nicht einmal proben, was er sagen wollte. Er wusste es bereits.

Ich liebe dich; ja, auf diese Weise.

Sein Herz hämmerte gegen seine Rippen, wie ein Schimpanse gegen seinen Käfig.

Als er ankam, war der letzte Rest an Sonne verschwunden. Die Vordertür war weit geöffnet, so dass die Winterluft hineinströmen konnte und Musik drang hinaus in die von Laternen erleuchtete Straße: The Carpenters.

Mr. Anastagio musste da sein. Er liebte diese rührseligen Fahrstuhlmusik-Sänger der Siebziger. Er liebte sie so sehr, dass man, nachdem man ihm ungefähr fünfzehn Minuten beim Mitsummen und Mitfühlen zugehört hatte, nicht anders konnte, als sie auch zu lieben.

Es war vermutlich besser, wenn Griff wieder ging und erst dann wiederkam, wenn er in Ruhe mit Dante über Alek und das Angebot reden konnte, oh ja, und über seine Gefühle. Es würde kompliziert genug werden, auch ohne dass Mr. A mit hineingezogen wurde. Er würde einfach hallo sagen und dann ein bisschen früher zur Wache aufbrechen.

Griff trat in den Flur, zog seine Jacke aus und hing sie an einen Haken.

„Hallo?“

Keine Antwort. Nicht überraschend. Mit Karen Carpenter, die „Top of the World“ bei dieser Lautstärke trällerte, könnte hier unten eine Bombe hochgehen, bevor die Anastagio-Männer etwas merkten.

Innen waren alle Fenster geöffnet und das Haus war eiskalt. Als Griff das Wohnzimmer betrat, konnte er Dantes kratzigen Bariton hören, der gemeinsam mit dem rauen, unmelodischen Bass seines Vaters sang. Er lächelte über die Geräuschkulisse. Waren sie im Garten?

Dantes Stimme klang, als käme sie aus der Küche oder dem Esszimmer, aber von oben.

Tapete! Griff erinnerte sich nun.

Vater und Sohn tapezierten Dantes Schlafzimmer mit Tapetenrollen, die Mrs. A oben auf dem Familiendachboden gefunden hatte – ein Muster aus bronzefarbenen diagonalen Streifen, das teuer und sexy aussah. Sie hatte ein Bündel mit antiken Rollen zum Sonntagsdinner hervorgeholt und Dante hatte sie sofort für sich beansprucht. Flip war stinksauer, aber er hatte sein Haus lediglich gemietet und somit die Argumente nicht auf seiner Seite.

Sie alle wussten, wie viel Dante in diese verrückte Bruchbude gesteckt hatte. Abgesehen davon hatte Dante damit gewartet und gewartet, das Schlafzimmer zu streichen, hatte alle anderen Reparaturen zuerst vorgenommen, bis lediglich noch die Wände übrig waren. Mrs. Anastagios bronzefarbene Streifen, würden der letzte Teil des ersten vollständigen Zimmers in Dantes Haus werden.

Dass seine Mutter die Tapete gefunden hatte, die seine Großeltern gekauft und aus Italien mitgebracht hatten, war ein glücklicher Zufall. Sein Vater hatte angeboten vorbeizukommen und zu helfen, was ebenfalls perfekt war.

Griff trat lächelnd in das dunkle Esszimmer. Ihr Singen kam aus einem Loch in der Decke, das in etwa die Größe einer Tür hatte. Es war zu weit entfernt vom Schlafzimmer in dem sie arbeiteten. Er stand unter dem unfertigen Büro, das zum Garten hinauszeigte. Alle Türen waren geöffnet, um den Kleister schneller trocknen zu lassen.

Oben war die CD inzwischen zu Ende und Griff öffnete seinen Mund, um ihnen ein Hallo zuzurufen. Er holte Luft um sprechen –

Und in der kurzen Stille, in der Dante durch das Stockwerk lief, hörte Griff etwas, das ihn seinen Mund wieder schließen ließ. Es hallte zurück zu dem schwarzen Loch über seinem Kopf.

„Hast du Griffin damit konfrontiert?“ Mr. As Stimme klang aufgebracht. „Ihn gefragt?“

Das Lächeln verwandelte sich in Eis und schmolz auf Griffs Gesicht. Er ging einen Schritt näher und warf einen Blick nach oben in das Loch. Die Stimmen schallten von den Wänden der nackten Rigipswände in Dantes Zimmer. Griff fühlte sich wie ein Geist, als er unten in den Schatten kauerte.

„Nein, Pop.“ Dante klang wie ein verängstigter Teenager. „Wie, um alles in der Welt, sollte ich so etwas fragen?“

Griff versuchte näher zu den Stimmen an der Vorderseite des Hauses, aber weiter weg von dem Loch über seinem Kopf zu kommen. Er ging zurück zum Esszimmerloch und sie unterhielten sich noch immer.

„... deine Mutter wird es hart treffen. Sie liebt Griffin wie ihren eigenen Sohn. Bist du bereit, ihn dieser Art von Mist auszusetzen?“

Was, zur Hölle, war geschehen?

Dante klang aufgeregt. „Ich muss es trotzdem, verdammt nochmal, wissen.“

„Griff ist verwundbar. Offenes Herz. Offene Augen. Etwas zu sagen könnte –“

„Ich weiß! Ich weiß es, verdammt nochmal, Pop.“ Dante klang als sei er den Tränen nah.

Scheiße! Scheißescheißescheiße. Griff fühlte, wie sein Leben um ihn herum zu brennen und zu zerfallen begann, das Geröll zwang die Luft aus seinen Lungen.

„Du könntest es einfach gehen lassen. Ist es so wichtig? Ich meine, wenn er sagt, dass du Recht hast, würdest du dann etwas tun, dass du sonst nicht tätest?“

„Ich war so dumm. Ich meine, ich bin so dumm gewesen. Er hat versucht mir zu helfen, weil –“

weil ich dich liebe ich dich liebe ich dich liebe –

„- ich ihn dazu gebracht habe. Es lag nicht an ihm. Ich bin es.“

Griff fühlte, wie das Flüstern seinen Mund verließ. „Nein.“ Er musste hinaufgehen und das hier stoppen. Wenn es hier Schuld gab, würde er sie auf sich nehmen.

Mr. As Stimme war beinahe nicht zu hören. „Junge, ihr beide seid es.“

Griff durchsuchte hysterisch sein Gedächtnis und versuchte herauszufinden, was geschehen sein könnte. Die einzige Sache, die ihm einfiel war...

Die gottverdammte Website!

Es war zu spät. Sie wurden erwischt. Jeder wusste davon. Alles war verloren. Die Lösung, die Alek bot, war inzwischen wertlos. Sie würden ihre Jobs verlieren. Sie würden in einem schmutzigen Rinnstein zu Tode getreten werden und ihre Freunde würden auf sie pissen.

Aller Atem entwich aus Griffs Körper, als habe jemand einen Holzklotz auf seine Rippen fallen lassen. Im Dunkeln unter dem Loch, rutschte er an der Wand hinunter.

„Vielleicht solltet ihr eine Pause machen. Vielleicht sollte er eine Zeit lang weg von dir sein.“

Griff umschloss seine Knie. Er war so glücklich gewesen, als er die Tür hereingekommen war und nun sprachen sie über ihn, als sei er ein Sexualverbrecher. Ähm, was du nicht sagst? Er wusste nicht was schlimmer war – seine andere Familie, die versuchte herauszufinden wie sie mit ihm umgehen sollte, oder die Tatsache, dass er schuldig an allem und mehr war. Er musste hier verschwinden.

Mr. A. sagte lange Zeit gar nichts. Griff konnte sich beinahe vorstellen wie er eine nicht angezündete Zigarre zu Brei kaute und in seinem Unterhemd schwitzte, während er die milchige Pampe auf die Wand strich. Aber er hatte keine Ahnung wie der Gesichtsausdruck sein würde.

Als Dantes Pop wieder sprach, klang er nach Resignation und noch etwas Anderem. Lief er auf und ab? War er angepisst? Beschämt? „Dante, du wirst den gleichen Fehler machen. Dein ganzes Leben, hm? Das tun wir alle. Alles, was jeder von uns tut, ist ein langer Fehler. Was du tun musst, ist nach deiner Lösung suchen.“

Dante verdaute das erst einmal, bevor er wieder zu sprechen begann. „Und was ist, wenn ich falsch liege?“

Du liegst nicht falsch.

„Dann wirst du es wissen. Er wird es wissen. Und Wahrheit ist der einzige Weg, um etwas zu beginnen oder zu beenden, Junge.“ Mr. Anastagios Stimme wurde leiser, als er zurück in Richtung Vorderseite des Hauses ging.

Ein kratzendes Geräusch ertönte von der Decke über dem vorderen Wohnzimmer, als die Anastagios etwas Schweres in Dantes Schlafzimmer verschoben.

Griff schwang sich auf die Füße und hinaus zur geöffneten Vordertür. Hoffentlich hatten sie ihn nicht gesehen, aber selbst wenn, würde es nichts ändern.