Kapitel 3

 

Am Morgen nach der Party, wachte Griff, zu Schnarchgeräuschen und sein Gesicht gegen ein haariges Stück Haut gepresst, auf. Es war früh genug, um draußen noch immer dunkel zu sein. Und dunkel genug, dass er in seinem eigenen verfluchten Bett sein sollte. Griff erstarrte.

Heilige Scheiße.

Mit akribischer Vorsicht hob Griff sein verwuscheltes rotes Haupt, um in den Raum zu blinzeln. Dantes.

Oh mein Gott. Wie konnte es so weit kommen, dass sie im gleichen Bett landeten? Er hatte nie bei Dante übernachtet, da er nicht sicher war, ob er sich selbst, spät in der Nacht und nach zu vielen Drinks, noch trauen konnte. Er wusste es besser. Griff erinnerte sich daran, in einem Club getanzt zu haben – nein – ein Streit irgendwo auf einer Party. In Staten Island? Nein, im Stone Bone. Jahrestag der Anschläge. Zehn Jahre. Urgh.

Bitte Gott, bitte lass mich nicht irgendwas Dämliches getan haben.

Er blinzelte ein Auge auf, um sich den Schaden zu betrachten. Hm. Er war nackt. Es schien, als würde Dante etwas tragen. Untenrum. Aber um nichts in der Welt, würde er das genauer untersuchen. Griff spürte wie sich seine blasse Haut pink verfärbte.

Griffs Mund fühlte sich sauer und trocken an. Er konnte den Geruch von Alkohol in den Laken riechen. Dantes großer Oberarm war um seinen Hals geschlungen. Feste, schwarze Brustbehaarung, Nippel wie alte Pennies gegen seine gebräunte Haut. Der Waschbrettbauch grummelte kurz, hob und senkte sich und hob und senkte sich. Griff machte sich bereit, sich zu bewegen.

Mann, bin ich ein Schwachkopf. Was, zur Hölle, haben wir gestern Nacht getan?

Moment... er erinnerte sich daran, das Stone Bone verlassen zu haben, um möglichst weit weg von den 11. September-Idioten zu kommen. Er erinnerte sich wie Dante seine Brünette und somit auch den Beinahe-Dreier abgewimmelt hatte. Gott sei Dank. Sie sind für ein spätes Abendessen ausgegangen... Pizza? Dann kam der Tequila, offensichtlich eine Menge davon. Dann kam er mit, um Dante bei irgendetwas zu helfen? Nein, das war's nicht. Dante hatte Griff nicht helfen lassen, aber sie hatten sich ein Bett geteilt. Aber warum war er nackt? Himmel. Sein Mund schmeckte wie der Aschenbecher eines Puffs.

Es war der 11. September gewesen. Unterwegs mit den Jungs. Dann...?

Argh! Sein Kopf fühlte sich an, als würden Maden versuchen sich durch seine linke Augenhöhle hineinzufressen. Tequila war grundsätzlich eine miese Idee und er betete, dass er sich auch keine Würmer eingefangen hatte. Sie mussten bis etwa drei Uhr morgens getrunken haben. Beim Essen. Dante war verrückt. Was konnte Griff dafür, wenn er sich ansteckte, wenn sie zusammen waren. Es sollte 'ne Impfung geben.

„5:17 Uhr“, sagte der Wecker.

„Schwing deinen Arsch hier raus“, sagte sein Bauchgefühl.

„Komm zurück ins Bett“, sagte Dantes warme Haut.

Haben wir tatsächlich – – – ?! Nicht in diesem Leben. Dantes Unterwäsche bedeutete, dass nichts passiert war, richtig? Griff untersuchte Dantes Gesicht nach der kleinsten Veränderung, während er in Zeitlupe seinen Arm hob.

Lucalis! Sie waren bei Lucalis Pizzeria und hatten eine Pizza mit Artischocken, Peperoni und Salami. Allerdings gab es keine Tische mehr, da praktisch jeder unterwegs war, um mit den Geistern zu feiern. Dante war sehr verschlossen, als es darum ging, was ihn beschäftigte und wehrte alle Fragen in diese Richtung ab, während sie auf ihre Bestellung warteten.

An irgendeiner Stelle, mussten sie wohl die dampfend heiße Schachtel zu Dante nach Hause transportiert haben. Erinnern konnte sich Griff daran allerdings nicht. Anscheinend hatten sie gegessen. Anscheinend hatten sie geredet. Etwa über Geld? Er konnte die Erinnerung nicht finden, sein Kopf war voller Hundehaufen und Glassplitter.

Dante muss ein Mädchen im Restaurant getroffen haben; er traf immer ein Mädchen. Scheiße! Hatten sie die Brünette doch noch mitgenommen? Was, wenn da noch 'ne Tussi auf Dantes anderer Seite lag, die irgend etwas gesehen hatte; die etwas sagen würde. Dante mag es vergessen haben, aber keine Chance, dass 'ne Puppe 'nen Homovibe nicht mitbekommt. Keine Chance, dass er sich hätte unter Kontrolle halten können, mit ihr zwischen ihnen. Er musste hier verschwinden, und zwar pronto.

Griff rollte, Millimeter für Millimeter, weg von Dantes glatter, olivfarbener Haut in Richtung Bettkante. Es war Montag und beide hatten um sechs Uhr heute Abend wieder zum Dienst zu erscheinen. Wenn er sich nur ohne Diskussion hier rausschleichen könnte... wenn er nur seinen Kopf aus seinem Arsch ziehen könnte... wenn er es nur bis zum Badezimmer schaffen würde, bevor sein Kumpel aufwachte, würde alles in Ordnung sein.

Gott sei Dank kann er einen Luftangriff verschlafen.

Dante murmelte etwas und bewegte sich von ihm weg und hin zu der zerwühlten Stelle, die Griff bis vor circa vier Sekunden noch gewärmt hatte. Er nahm ein paar tiefe Atemzüge gegen Griffs Kissen und atmete dessen Duft ein, während er träumte.

Griff war jetzt wach, wirklich wach. Die andere Seite des Bettes war leer, kein Mädchen. In den frühen Morgenstunden war Dante zu ihm rüber gerutscht, um ihn im Schlaf in seinen Armen zu halten. Dante war schon immer der Typ für Körperkontakt. Sie waren betrunken. Pizza und Kurze. Aber Griff hatte seine Ladung nicht über seinen besten Freund geschossen. Krise abgewehrt.

Langsam, sehr langsam, schob er sich von der Matratze und auf seine wackligen Beine; sein Magen rebellierte. „Tequila bringt dich um“, sagte Mr. Anastagio immer.

Griff versuchte, nicht auf die Muskeln zu starren, die unter dem verrutschten Laken zum Vorschein kamen, der breite Rücken, der sich hob und senkte. Hob, senkte. Sein Schwanz zuckte.

Motherfucker. An seiner Schwanzspitze bildete sich ein Tropfen und seine Vorhaut verschob sich. Was lief falsch bei ihm?! Er konnte seinen Kilt zusammengeknüllt am Fuß des Nachttischs sehen. Ein Stiefel lugte darunter hervor. Dante hatte ihn buchstäblich ausgezogen und seinen großen Hintern ins Bett geschafft.

Griff schluckte, das Gesicht erneut rot angelaufen und heiß.

Er versuchte, sich auf seine blassen Füße, den rostroten Haaren auf seinen Zehen zu konzentrieren. Seine Füße, Größe 51, schienen ungefähr eine Meile entfernt. Er versuchte, Dantes gigantische Dose Vaseline - die mit den tiefen Fingerspuren darin - die unter dem Bettrahmen hervorlugte, nicht wahrzunehmen. Er schluckte. Er konnte seinen Herzschlag in seinen Ohren spüren, als er versuchte seinen Fluchtweg zu planen. Sein Herz schlug wie ein Schnellfeuergewehr und er hatte eine gewaltige Morgenlatte.

„Zur Hölle, machst du da, G?“, ein verschlafenes Grollen hinter ihm.

„Himmel!“, Griff zuckte zusammen und erstarrte dann.

Dante hatte sich auf seine Ellenbogen gestützt, sein dunkles Haar ein liebenswürdiges, leicht dämlich aussehendes Chaos auf seinem Kopf. Sein Grinsen war ansteckend, seine Augen konnte Griff allerdings nicht treffen. Dante legte, leicht verwirrt, seinen Kopf schief. „Brauchst du Klamotten, oder was?“

„Pinkeln. Sorry. Wollte dich nicht wecken“, Griff ging weiter, sein feuchter Zeremonienmeister in die entgegengesetzte Richtung zeigend.

„Hast du'n Kater?“, Dante leckte über seine Lippen. Griff schaffte es zu nicken, bevor er die Badezimmertür hinter sich schloss und endlich ausatmen konnte.

Zehn Sekunden länger und seine Erektion hätte ihn verraten. Er lehnte sich auf das Waschbecken und konzentrierte sich darauf, nicht zu kotzen, während er gleichzeitig den dicken Idioten zwischen seinen Beinen anbettelte, Mitleid mit ihm zu haben. Ja, sicher. Er kniff zu, fest. Au. Und endlich begann er zu schrumpfen.

Er drehte den Wasserhahn auf, lehnte sich über das Waschbecken und nahm einen großen Schluck, um seinen Mund auszuspülen und den ekligen Geschmack loszuwerden. Er vermied den Make-up-Spiegel. Was auch immer ihn daraus anblicken würde, war sicherlich nichts das, was er sehen wollte. Sein Magen knurrte beunruhigend. Er machte sich auf den Weg zur Dusche, doch bevor er auch nur das Wasser aufdrehen konnte, sprang die Tür schon auf.

Dante stolperte hinein, Hand in seiner Boxershorts und blieb vor der Toilette stehen. Er gähnte und kratzte seine haarigen Eier, bevor er sein bestes Stück hervorholte, um zu pinkeln. „Ich hab versucht, dich dazu zu bringen noch Wasser zu trinken, aber dich hat's einfach umgehaun.“

Hör auf zuzusehen und zieh deine Hose an, Arschgeige.

Griff grunzte und schlüpfte aus dem Badezimmer, seine Augen auf die Kacheln an der Wand gerichtet. „Ich muss heim. Wir haben beide Schicht heute Abend und ich muss daheim noch einigen Scheiß erledigen.“ Hinter ihm plätscherte Dantes Strahl jetzt laut ins Wasser. Griff suchte seine zerstreuten Klamotten zusammen.

„G, erinnerst du dich, worüber wir geredet haben?“, Dante klang plötzlich nervös. Und stur. Er wusch seine Hände im Waschbecken, trocknete sie aber nicht ab.

„Jepp. Sicher. Nicht wirklich“, Griffs Blick streifte über den Boden. Na los. Los.

„Kann ich dich um einen Gefallen bitten?“. Sein bester Freund stand nun in der Badezimmertür, Arme verschränkt, Augen leicht gesenkt.

Griffs zweiter Stiefel war unter dem Stuhl und sein Shirt war nicht zu entdecken.

„Griffin?“ Dantes Körper war fast nackt und der perfekte süß- männliche Duft seiner Haut war überall.

„Ja, Mann. Was auch immer du brauchst“, Griff bückte sich nach einer Socke und versuchte dabei, seinen Körper wegzudrehen. Er war sich viel zu bewusst, dass man seinen dicken Schwanz deutlicher sehen konnte, als man sollte.

„Ich hab ja noch nicht mal gefragt.“

Griff hob eine Augenbraue in Verwirrung: „Und die Antwort ist ja, Anastagio.“ Wo, zur Hölle, war sein Hemd? Vermutlich noch unten im Wohnzimmer. Letzte Nacht war ziemlich warm gewesen. Daran erinnerte er sich. Scheiße. Er hatte unten angefangen, sich auszuziehen. Was hatte er noch gesagt oder getan?

„Es ist nur so...“, Dante sah so peinlich berührt aus wie Griff sich fühlte, allerdings definitiv aus anderen Gründen, „...ich bin zurzeit etwas knapp bei Kasse und ConEd macht mir das Leben schwer. Ich brauch noch 'nen Job.“

„Klar, Mann!“, Griffs entblößte Nippel waren hart.

„Prima“, leider klang Dante nicht, als sei das prima, „du bist nicht sauer, richtig?“

„Nein! Ich hab kein Bares dabei, aber ich kann welches holen.“ Griff knöpfte seinen Kilt zusammen, seinem besten Freund den Rücken zugewandt. Immerhin war jetzt sein Schwanz versteckt. Er musste sich dringend anziehen und nach Hause verschwinden. Er verschränkte seine  Arme, was sich anfühlte, als sei er entweder sauer oder würde komisch dastehen. „Wie viel brauchst du?“

Dante erwiderte darauf nichts, sondern sah ihm einfach nur zu wie er durch das chaotische Schlafzimmer rauschte.

Griff zog sich seine Socken an. Letztendlich schaute er doch auf und bemerkte die Ringe unter den Augen seines besten Freundes. Die fest verschränkten Arme, den Schorf über dem Schnitt auf seinen Knöcheln. Dante sah aus, als hätte er sich einen fiesen Virus eingefangen.

„Du solltest wieder ins Bett gehen, D.“ Ihm wurde langsam klar, dass mit Dante wirklich etwas nicht stimmte. „Bist du sicher, dass das alles ist?“

Dante fuhr sich mit der Hand über seine schwarz-blauen Bartstoppeln und wischte über seinen Mund. „Wenn's, ähm, zu viel ist –“

„Hey! Hey! Ernsthaft, Mann. Du kannst haben, was auch immer du brauchst, D.“ Er stampfte seine Füße in seine Stiefel. „Ich halte am Geldautomat und hol fünfhundert. Passt das?“

Dante sah ihn einen Moment lang mit gerunzelter Stirn an, so als könnte er den verrückten Scheiß hören, den Griff über ihn dachte. Als sei er entsetzt über Griffs harte Nippel und Morgenlatte.

Griff kniete sich hin, um seine Stiefel zuzubinden.

Er wird was sagen. Er musste es gemerkt haben. Ich hab irgendwas gemacht, als ich dicht bei ihm war.

„Passt, ja“, Dante lächelte und nickte. Das Lächeln erreichte jedoch nicht seine Augen und nichts passte.

Griff blinzelte in seine Richtung. Was ist hier los? Er würde ein paar Antworten verlangen, sobald sie beide fertig angezogen waren.

„Danke, G. Bringst du's heute Abend mit auf die Wache?“

Griff nickte und erhob sich, um zu gehen, darauf bedacht, Dante aus dem Weg zu sein. „Tut mir leid, dass ich hier umgekippt bin und auf dein Kissen gesabbert hab. War 'ne beschissene Sache.“

„Scharfe Pizza braucht Kurze. Ist praktisch ein Gesetz. Und ich trau mir nur dann, selbst mit dem Tequila, wenn du in der Nähe bist. Du solltest hier sowieso Wechselklamotten haben. Keine Chance, dass du in meine heiße, kleine Unterwäsche passt“, Dante machte dabei eine Geste zu Griffs übergroßem... allem.

„Ich bin gern bei mir zuhause.“

„Das hier ist dein Zuhause, G. Komm schon.“ Dante schlenderte Richtung Tür, seine Augen düster. „Außerdem haben die Jungs im Bone alle was zum Pimpern gesucht und ich war nicht in der Stimmung.“

Griff musste dringend nach unten. „Ich will nicht die ganze verfluchte Zeit im Weg sein.“

„Machst du Witze?! Ich bin Italiener. Mir geht es schlecht, wenn das Haus nicht voller hungriger Ärsche ist.“ Er lachte kurz auf und umarmte Griff. „Sei kein Idiot. Ich hab dich gern hier, Mann.“

„Okay“, Griff brachte das Wort nur als ein Flüstern heraus. Er erschauderte ein wenig, sich bewusst, dass sich seine Brusthaare gegen Dantes glatten Oberkörper drückten, dass ihre feuchte Haut ein wenig klebte. Weiche Bartstoppel streiften über Griffs Hals. Für einen Moment umarmte er ihn zurück und fasste kurz gegen Dantes warmen Nacken. Sein Schwanz bewegte sich schon wieder, in völliger Freiheit unter dem karierten Stoff. Seine Fragen würden warten müssen.

„Danke.“

Griff machte beinahe fluchtartig einen Schritt zurück und begab sich auf die Suche nach seinem Hemd, bevor er etwas noch Dämlicheres tat, als er ohnehin schon hatte.

 

 

Dante kam nie, um seine Kohle abzuholen. Und obwohl er diese Nacht eigentlich Dienst gehabt hätte, tauchte er nicht auf der Wache auf.

Was, zur Hölle, sollte das nun?

Griff war zunächst nicht wirklich besorgt, konnte sich sogar beinahe einreden, dass er die 500 Dollar anderweitig aufgetrieben haben musste, wenn es da nicht die Kleinigkeit gegeben hätte, dass Dante ihn nicht zurückrief. Zuerst vermutete er, sein Freund habe einfach sein Handy verloren, habe 'ne Lebensmittelvergiftung oder wäre mit irgendeinem Mädchen zusammen. Nein. Griffs Bauchgefühl sagte ihm, dass irgendetwas im Gange war, aber sein Kater hielt ihn beschäftigt.

Die Nachtschicht stellte sich ebenfalls als beschissen heraus.

Griff betrat gegen sechs Uhr die Wache und fühlte sich noch immer, als steckte sein Kopf in einem Aquarium voller Piranhas.  Der Löschzug war gerade unterwegs, also machte er sich auf den Weg nach oben in den Pausenraum. Die Zutaten für Penne-Tomaten-Auflauf waren überall auf dem großen Tisch und den Oberflächen des Küchenbereichs verteilt. Briggs und Watson waren gerade dabei, sich über einen Topf Tomatensauce hinweg zu streiten, so wütend aufeinander, dass sie sein Winken nicht einmal bemerkten.

Briggs den Rücken zugewandt, rührte Watson in der Sauce und schmeckte sie ab. Briggs hielt eine Alu-Auflaufform so fest in den Händen, dass er sie praktisch zerquetschte. Sie hatten gewöhnlich zur gleichen Zeit Schicht und stritten sich ständig über solchen Mist. Ihr Chief meinte, es sei nur ihre eigene Art, mit dem Stress umzugehen.

Nein, Danke. Griffs misshandeltes, dehydriertes Gehirn machte ihm noch immer das Leben schwer.

Statt sich ein Wasser aus dem Kühlschrank zu holen, stapfte er zum Kaffeespender und zapfte sich eine Tasse der dicken, kräftigen Flüssigkeit, während er seinen Magen darauf vorbereitete, dass er bald mit diesem Giftmüll konfrontiert werden würde.

„Das möchtest du sicher nicht tun, Muir.“  Siluski hatte gerade hinter ihm den Raum betreten und trocknete seine kurz geschorenen, grau-blonden Haare mit einem alten Handtuch. Er warf es anschließend über seine Schulter. Er trug ein Unterhemd und seine Einsatz-Hose. Der älteste Lieutenant ihrer Einheit, warf den sich zankenden Köchen einen missbilligenden Blick zu. „Der Kaffee ist von heute Morgen. Mehr Ablagerungen als sonst was.“

Griff schaute hinunter in seine Tasse, sah die winzigen Bröckchen und kippte sie in die Spüle. Der scharfe Geruch ließ seinen Magen erneut rebellieren. „Danke, Mann“

„Reiner Eigennutz, Kleiner. Wenn wir raus müssen, will ich nicht, dass du in meine Stiefel kotzt.“ Damit ließ Siluski ihn dort stehen und  trat zwischen Briggs und Watson, um einen extra großen Plastikbecher mit Leitungswasser zu füllen. Er kam zurück und drückte ihn Griff in die Hand. Ein abgegriffenes New York Rangers Logo war um den Becher gepappt. „Trink Wasser. Was anderes hilft eh nicht.“

Griff bekam einen ganzen Schluck hinunter. Er sollte eine Auszeichnung dafür bekommen, dass er aufrecht stehend dazu in der Lage war.

„Schwuchtel!“

Dieses verfluchte Wort.

Griff zuckte zusammen und drehte sich um, um nachzusehen, wer das von sich gegeben hatte. Drüben im Küchenbereich war Briggs damit beschäftigt, Dinge in den Kühlschrank zu knallen, um Watson in die nächste Runde zu ködern.

„Donnerstag war klasse. Anastagio erzählt eindeutig die besten Geschichten.“ Siluski war, genau wie ungefähr fünfzehn weitere Jungs aus benachbarten Wachen, bei Dante gewesen, um sich den Beginn der NFL Saison anzusehen. Zumindest bis zur Halbzeit. Er musste immer früher gehen, da sein Babysitter nicht länger Zeit hatte. Sein ältestes Kind war acht und seine Frau arbeitete unter der Woche als Bedienung, somit waren die guten, alten Zeiten des späten Ausgehens und Kater am nächsten Morgen lange vorüber. „Ein richtiger Klugscheißer, hm?“

Blut schoss ihm in Hals und Gesicht, aber er nickte Siluski zu. Er fragte sich, was der Lieutenant tun würde, wenn er wüsste, dass Griff nur von Dantes Geruch einen Ständer bekommen hatte, während die Truppe sich das Spiel angeschaut hatte. Einen Gewaltigen. Was, wenn Siluski gesehen hätte, wie er heute Morgen mit Dante gekuschelt hatte, oder was in seiner Hose passiert war, als er sich an Dantes bewusstlosem Körper praktisch aufgegeilt hatte. Der ältere Mann würde ihn mit einem Haken auf den Kiefer platt machen und sobald er niedergegangen war, auf ihn pissen. Griff spürte wie seine Wangen immer heißer wurden und nahm einen weiteren Schluck des abscheulich warmen, metallisch schmeckenden Wassers, um es zu überdecken.

„Ich hab deinen Dad heute Morgen an einem Tatort arbeiten sehen. Schien ihm gut zu gehen“, Siluski versuchte nett zu sein.

Übersetzung: dein Dad hat mal rübergenickt.

Als Brandermittler des Bureau of Fire Investigations, war Griffs Dad sowas wie ein Feuerwehrmann mit einer Marke. Offiziell bedeutete es, dass er bei schweren Bränden, Brandstiftung und Versicherungsbetrug ermittelte. Inoffiziell bedeutete es, dass er eine Waffe tragen und Leute verhaften durfte, ohne sich mit den NYPD abgeben zu müssen. Quasi die Lizenz zum harten Kerl. Er war ein sturer, alter Hund, aber er kümmerte sich um seinen Nachwuchs, wenn er nicht drumherum kam. Und als der neunzehn Jahre alte Dante erwischt wurde wie er an der Uferpromenade von Coney Island Gras geraucht hatte, hatte Griff seinen Dad angerufen, der seinen Freund in fünfundvierzig Minuten rausgehauen hatte. Abrakadabra. Selbstverständlich war das der Moment, in dem er angefangen hatte, Dantes Arsch zu hassen und die „andere“ Familie seines Sohnes zu ignorieren.

Griff kniff seine Augen fest zusammen. „Warte mal, du warst heute schon draußen?“

Siluski warf den alten Kaffeesatz aus dem Filter und wühlte in den Schränken. „Ich hatte gerade die neun bis sechs-Schicht, aber Anastagio hatte mich gefragt, ob ich seine Tour auch noch übernehmen kann. Wichser.“ Allerdings lächelte er bei seinen Worten und begann, eine frische Kanne Koffein aufzubrühen. Die Jungs mussten heute Nacht schließlich funktionieren.

Scheiße und extra Scheiße. Griff hatte sich darauf gefreut, mit Dante während ihrer Schicht rumzuhängen. Er nahm einen weiteren fürchterlichen Schluck Wasser.

„Dann mach, zum Teufel nochmal, du es, du Schwanzlutscher.“  Am anderen Ende des Raumes, starrte Briggs auf die deformierte Aluschale in seiner Hand und warf sie auf den Küchentresen. Watson hatte offensichtlich den Auflauf-Krieg gewonnen und schmeckte seine Sauce ab. Briggs stampfte zurück zur Couch und tat so, als würde er sich eine Doku über Quallen ansehen.

Griffs Gesellschaft war immer so: immer mehr Neulinge in der Truppe, beschissenere Stunden, mehr Scheiße. Es war ein eher ruhiges Haus - Pornos und Besuche in der Schule, deutlich angenehmer, als das Irrenhaus in der Bronx oder die echten Scheißlöcher in den gefährlichen Gegenden. Griff mochte es hier, wegen Dante. Meistens konnten sie in der gleichen Schicht arbeiten. Anderenfalls, würden sie sich praktisch nie sehen.

Griff bemerkte, dass Siluski mit ihm sprach. Der Lieutenant hatte ihm irgendeine verdammte Frage gestellt, Besorgnis auf seinem gebräunten Gesicht, seine blond-grauen Augenbrauen in Falten gelegt. Weiß der Geier, um was es ging, aber Griff fühlte sich schuldig dafür, dass er ihn ignoriert hatte.

„Gottverdammter Tequila“, überspielte Griff. Er versuchte, sein Wasser in der Metallspüle nachzufüllen, was ein langsames Unterfangen war. Seine Hände fühlten sich wie Baseballhandschuhe und seine Finger wie Würstchen an. „Weißt du, warum Dante heute Abend nicht gekommen ist? Krank?“

„Nicht den Hauch einer Idee“, ärgerte sich Siluski und löffelte Kaffee aus einer D'Amico's Tüte in einen frischen Filter, „Pussy-Jagd vielleicht.“

„Oh.“ Griff wusste, dass es das nicht war. Sein Magen grummelte eine Warnung, riss sich aber noch zusammen.

„Los, hau dich hin, solange du noch kannst.“ Der Lieutenant hielt die fleckige Kanne hoch. „Wenn du wieder zu den Lebenden zurückgekehrt bist, gibt’s auch frischen Stoff.“

Griff fand seinen Weg nach oben, zu seinem Feldbett. Hauptsächlich durch Tasten. Das Gebäude war alt und eigentlich nicht für so viele Leute ausgelegt. Selbst nach der World Trade Center Katastrophe und den ganzen großen Politiker-Reden, schien die Stadt nie das Budget aufbringen zu können, um ihre Arbeitsbedingungen zu verbessern. Trotzdem war Griff irgendwie froh. Schon ziemlich früh, hatte Griff eine Wette gegen einen alten Kollegen gewonnen, der in den Ruhestand gehen wollte und eine winzige Nische, von der Größe eines Einbauschrankes, im Schlafsaal dabei bekommen. Es bedeutete, dass er ein klein wenig Privatsphäre hatte und zumindest teilweise den Teenie-Soap würdigen Dramen der anderen Jungs entkommen konnte.

Nach seiner Scheidung, hatte er hier in der Tat häufiger geschlafen als irgendwo sonst. Davon wusste allerdings nur sein Captain. Das war damals, als Dante sein angegammeltes Sandsteinhaus, inklusive Löchern in der Decke, durch die man den Himmel sehen konnte, gekauft hatte. Irgendwann hatte Griff die Wohnung, die er mit Leslie geteilt hatte, aufgegeben und war zurück in den Muir'schen Keller gezogen. Lebendig begraben in seinem Kinderzimmer. Aber wann immer er sich in seine kleine Nische quetschte, reiste er zurück zu den fürchterlichen Monaten, in denen sich alles anfühlte, wie Salz in winzigen Wunden und dies hier ein sicheres Versteck war.

Griff zog seine Stiefel aus und stellte sie zu der Jacke, die einsatzbereit auf ihn wartete. Er ließ sich auf das kleine Bett fallen und erkämpfte sich den Weg in einen unruhigen Schlaf.

 

 

In dieser Nacht hatten sie lediglich zwei Einsätze: ein Küchenfeuer in den Red Hook Sozialwohnungen und einen Verkehrsunfall auf dem Gowanus Expressway.

Der Wohnungsbrand war schon weitestgehend gelöscht, als die Truppe sich ihren Weg durch verschlafen und entsetzt dreinblickende Familien bahnte und das Stockwerk durchsuchte. Was für ein Scheißort, um aufzuwachsen. Die engen, überfüllten Wohnungen erinnerten ihn daran wie glücklich er sich schätzen konnte, einen Platz zum Wohnen zu haben, auch wenn es bei seinem Dad war. Während er die verschlafene Menge betrachtete, fühlte sich Griff mit einem Mal schuldig wie viel er hatte. Dantes Fixierung, sein verrücktes Bauprojekt umzusetzen, machte plötzlich mehr Sinn.

Menschen brauchen Freiräume; Familien brauchen Luft; Liebe braucht Licht. So wie Mrs. Anastagio immer zu sagen pflegte: „Du brauchst genügend Platz, um jemanden angemessen lieben zu können.“

Der Gowanus Unfall war deutlich schlimmer. Gegen drei Uhr morgens, war ein Möbellieferwagen mit siebzig Meilen in einen alten Kleinwagen gerast. Zwei Zweitsemestler waren nach einer Party zurück zum Hofstra Campus gefahren. Sie waren gerade so dem Schicksal entkommen, über die Leitplanke geschleudert zu werden und auf der Straße darunter zu landen.

Beim Aufprall hatte es das kleine Auto gegen die Betonbarriere gedrückt. Die junge Fahrerin wurde schmerzhaft hinter dem Lenkrad eingeklemmt und ihr Freund hatte einen Panikanfall auf dem Beifahrersitz. Der Lastwagenfahrer kam mit ein paar Kratzern davon und begann sofort auf chinesisch zu schimpfen. Der Lieferwagen hatte sich geöffnet und über alle drei Spuren lagen zersplitterte Holzstühle herum. Als erstes hatten Watson und der Neue die Feuerlöscher auf die sichtbare Unterseite gerichtet, auch wenn es weder sichtbare Flammen noch Rauch gab. Tommy und die übrigen Sanitäter besprachen mit Siluski, wie am besten vorzugehen sei.

Das Mädchen im Fahrzeug war trotz Kopfwunde ruhig, aber ihr Typ war vollkommen hysterisch und schrie.

Dante hätte die Situation in zehn Sekunden mit einem Zwinkern und einem schmutzigen Witz entschärft. Aber er war ja – verdammt nochmal – irgendwo anders.

Konzentrier dich, Griffin.

Ohne seinen besten Freund und seine Qualitäten als Charmebolzen, benötigte Griff über eine Stunde auf dem Expressway damit, die hysterischen Studenten mit der hydraulischen Schere aus dem Wrack zu schneiden.

Die Sanitäter hatten zwar gleich mit ihrer Arbeit begonnen, jedoch verbrachte Tommy zehn Minuten damit, den Freund soweit zu beruhigen, dass sie ihn auf einer Pritsche abtransportieren konnten und der Weg für Griff zu der Freundin frei war. Tommy war ein aufmüpfiger, kleiner Mistkerl, der ein paar Straßen von den Anastagios entfernt aufgewachsen war. Sofort nach der Highschool, hatte er angefangen ehrenamtlich für den Rettungsdienst zu arbeiten. Zuerst hatte er die Ausbildung zum Ersthelfer gemacht, später zum Sanitäter. Ein Adrenalinjunkie, aber unter Druck fantastisch. Er kannte sich in seinem Bereich definitiv aus und kam direkt zur Sache. Griff war dankbar. Während Griff und Siluski das Mädchen rausgeschnitten hatten, war der Rest der Truppe damit beschäftigt gewesen, Stuhlteile von der Fahrbahn zu klauben, Pylone aufzustellen und den Verkehr umzuleiten. Manchmal was das Saubermachen Teil des Jobs.

Diese Sorte Unfall, war immer in verschiedener Hinsicht mies: Papierkram und Verletzungen und Alpträume. Alle drei Zivilisten waren mit dem Krankenwagen ins Krankenhaus transportiert worden – relativ unverletzt, aber von der ganzen Welt angepisst. Die Polizei war aufgetaucht, um die Aussagen aufzunehmen. Griff, Siluski und die anderen Jungs saßen noch eine Weile rum und quatschten. Dantes jüngerer Bruder, Flip, war ein Cop und einer dieser Typen kannte ihn. Diese Art der familiären Verbindungen, ließ stets jeden freundlicher und den Papierkram unkomplizierter werden.

Griff mochte Polizisten. Um ehrlich zu sein, man rettete deutlich mehr Menschen und tat generell mehr „Gutes“, wenn man ein Cop, statt ein Feuerwehrmann war. Die Heldenstatistik ging eher zu ihren Gunsten: Es gab nur eine begrenzte Anzahl brennender Gebäude und schwerer Verkehrsunfälle, aber in einer beschissenen Welt ploppten Arschlöcher aus dem Boden wie Pilze.

Die Terroranschläge hatten Feuerwehrmänner zum Fick des neuen Jahrtausends gemacht, wobei in Wahrheit eine Menge Dienststunden durch das Rumsitzen mit deinen Kumpels, fettiges Essen und das Tratschen über Pussies, die man ohnehin nicht bekommen würde, bestimmt wurde. Besonders die Engine 333/ Ladder 181. Griff sah also zu, dass er freundlich zu den Cops war und erinnerte sich häufig bewusst an die 72 Beamten, die ihre Leben, mit deutlich weniger Brimborium, an den Twin Towers gelassen hatten.

Am Ort des Unfallgeschehens riss sich die Crew inzwischen den Arsch auf, um vor der Rush Hour fertig zu werden. Die Abschleppwagen kamen an, um die Metallleichen abzutransportieren. Sie hatten es sogar noch vor Sonnenaufgang geschafft, zwei Fahrspuren wieder zu öffnen, bevor sie sich auf den Weg zurück zur Wache machten.

Auf dem Rückweg im Truck, bemerkte Griff einen schweren Klumpen auf seinem Schoß und realisierte, dass er noch immer diese Zuhälterrolle von fünfhundert Dollar in Zwanzigern mit sich trug. Dantes nicht abgeholtes Geld lag schwitzend auf seinem Bein wie ein weiteres paar Eier.

Warum war er nicht aufgetaucht? Was für einen Ärger hatte er an der Backe?