Kapitel 1

 

Vor Griffs geistigem Auge lief bereits der ganze Kampf ab und das noch bevor der erste Treffer landete.

„Schwuchtel!” Ein Schrei vom anderen Ende der Party.

Er hasste dieses verfluchte Wort.

Hier? Nicht sehr wahrscheinlich.

Griff reichte nach seinem Guinness und rückte näher zu seinen Leuten. Hier stand er nun, in seinem Kilt, im Stone Bone. Alles nur, weil Dante und die anderen Jungs von der Feuerwache ihn mitgeschleppt hatten. Er hatte nicht gehen wollen.

Gewöhnlich war er sonntags einer der Türsteher des Bones, allerdings war heute der 11. September – und er musste nicht arbeiten. Es war eine besondere Nacht für eine Menge Bars in Brooklyn. Seit die Zwillingstürme gefallen waren, konnten Feuerwehrleute jedes Jahr, in dieser Nacht, in benachbarten Kneipen aufs Haus trinken. Keine Frage, dass die gesamte Gang der Engine 333/ Ladder 181 angerückt war, um die Frauenwelt abzuchecken.

Griffs bester Freund saß an der Bar, hielt sich sein Bier als Mikro vor den Mund und sang zur Jukebox. Das Neonlicht der Regale mit den Flaschen, ließ sein schiefes Lächeln dabei besonders weiß erstrahlen. Dante hatte genau die Kombination von kantigem Kinn und weichem Bariton, den Frauen so liebten. Zur Zeit schmachtete er ein Duett mit Dean Martin:

„,The world… still is the same… you’ll never change it…’”

Es war Dantes Art sicherzustellen, dass sich keiner seiner Freunde heute Nacht einsam fühlen würde –  er machte den italienischen Traummann  als wäre es Ladies Night. Nun ja, war es ja auch irgendwie.

„,As sure… as the stars… shine abooove;’”

Dank seines alten Herrn, zur Musik des Rat Pack aufgewachsen, zog Dante langsam Schnur und Haken für seine Kumpel durch das Partygewässer – der ultimative Tussi-Köder.

„,You’re no-body till some-body looooves…’”

Griff warf einen Blick zu ihm hinüber und tatsächlich schob sich eine Gruppe ausgelassener Betthäschen in Richtung seines besten Freundes –  hip- hop, und immer schön hinten anstellen.

„,You’re nooo-body till some-body cares….’”

Etwas das sich wie ein Handgemenge und ein weiterer wütender Aufschrei anhörte, erschallte aus dem hinteren Teil, nahe der Toiletten. „Verfluchte Schwuchtel!“

Kein Witz. Dieses Mal drehte sich Griff um, um über die Köpfe zu sehen.

Ein paar andere Jungs von der Feuerwache hatten bei Dante mit eingestimmt. Sie hatten nichts von dem sich ankündigenden Ärger mitbekommen, aber wenn die Sache außer Kontrolle geriet, würde das die Bar teuer zu stehen kommen. Griff wollte keinen Ärger. Den Türsteher machte er eigentlich nur nebenbei, für ein wenig Bares, wenn er gerade nicht im Dienst war, aber das Bone war eine fantastische kleine Spelunke – ein Stück altmodisches Brooklyn in einer Nachbarschaft, die vor lauter Franchise-Ketten vor die Hunde ging.

Mit seinen fast zwei Metern, war Griff eineinhalb Köpfe größer als, nun... so ziemlich jeder andere. Aufgrund seiner Größe, war er sein ganzes Leben über vorsichtig gewesen, lag praktisch immer an der Leine. Es war allerdings durchaus eine praktische Sache für einen Feuerwehrmann, der Leben zu retten hatte, oder einen Türsteher, der seinen Boss davor bewahrte, ein Vermögen in Reparaturen oder Strafgebühren investieren zu müssen.

Er stellte sein Bier ab. Diese „Schwuchtel“-Rufe kamen von den Flipper-Automaten im hinteren Bereich. Griff brauchte bestenfalls zehn Sekunden, um die Quelle des Aufruhrs in der schwitzenden, aufgebrachten Meute auszumachen.

Da.

Ein abgerissen aussehender Puerto-Ricaner mit einer albern wirkenden Irokesen-Frisur, hatte sein Mädchen hinter sich geschoben und starrte auf einen älteren, glatzköpfigen Typen. Griff blinzelte und versuchte die Szene, über die Köpfe der Sonntagabend-Gäste hinweg, einzuschätzen. Die hübsche junge Frau war offensichtlich sehr stolz auf ihr wütendes Date.

Och nö, du Arschgeige. Nicht heute Nacht.

Griff stellte sein Bier auf der Bar ab und warf einen Blick hinüber zur Tür. Die Sicherheitsleute vorne, waren damit beschäftigt die Ausweise betrunkener Teenager zu checken. Keine Chance, dass sie es den ganzen Weg nach hinten schaffen würden, um die Sache zu stoppen, bevor sie richtig losging. Der Barkeeper war am anderen Ende des Tresens damit beschäftigt, Bier zu zapfen und die angetrunkene Menge rund um die Auseinandersetzung hatte am 11. September Besseres zu tun, als sich darum zu scheren.

Das Stone Bone war vollgestopft mit feiernden Stadtarbeitern: Rettungskräfte, Cops und Feuerwehrmänner. Wohl oder Übel, der Jahrestag der Angriffe auf das World Trade Center brachte die Jungs vom FDNY und ihre Fans in Massen zusammen. Heute Nacht allerdings, war es bereits zehn Jahre her, dass die Türme gefallen waren – die Leute waren bei Weitem nicht mehr so nüchtern wie damals, als die Wunden noch frisch waren.

Griff betrachtete die beiden ungleichen Männer genauer. Drogendealer? Kredithai? Der glatzköpfige Typ trug einen Anzug - nicht billig - und fühlte sich nach Manhattan an; älter, größer, aber sicherlich unterlegen bei jeder Art von Kampf, den der kleine Hombre anfangen könnte. Scheiße.

Glatzkopf lächelte, als er ruhig auf den jüngeren Kerl einredete. Der Latino griff sein Bier zu fest. Offensichtlich war er bereit Köpfe rollen zu lassen, denn allein sein Blick drohte schon jedem, der auch nur in der Nähe stand. Er wollte für Trunkenheit und Ordnungswidrigkeit in den Knast gehen.

Griff schob sich von der Bar weg und straffte seine Schultern, um sich einen Weg durch die Menge zu bahnen. Eine lockige Blondine schnurrte ihn an. Aus den Augenwinkeln sah er, wie Dante aufhörte mit den anderen zu singen und seinen dunklen Kopf in seine Richtung drehte.

„Hey G! Wo brennt's?“ lachte Dante.

Griff schüttelte seinen Kopf. Er hatte nur ein paar Sekunden, um den Raum zu durchqueren. Ein paar Bekannte sagten seinen Namen oder stießen gegen seine riesigen Schultern, als er an ihnen vorbeiging. Er nickte ihnen zu, ohne seine Augen von der Prügelei zu nehmen, die dabei war auszubrechen. Er konnte sie jetzt hören, den glatten Akzent des glatzköpfigen Typen, der versuchte den jüngeren zu beruhigen... Polnisch? Nein, Russisch.

Vielleicht war Mr. Sauber der Ex von der Frau? Ein Playboy, der versuchte sie klarzumachen? Ein Zuhälter? Aber warum ihn dann mit „Schwuchtel“ beschimpfen? Vielleicht hatte er ihren Freund zufällig mit Absicht begrapscht? Die Körpersprache passte nicht wirklich, aber wer wusste das schon bei Russen.

Schließlich legte der kleine Puerto-Ricaner los. Glatzkopf realisierte zwar, was auf ihn zukam, hatte jedoch keinen Fluchtweg; um sie herum standen Leute dicht an dicht. Griff bewegte sich schneller, schob Gäste aus dem Weg. Der Latino hob die Flasche in seiner Hand und Griff konnte sehen, wie sein schöner freier Abend innerhalb von zwei Sekunden zum Teufel ging; den 11. September würde er damit verbringen, bis drei Uhr morgens mit den Cops zu reden.

Bevor er mit der Flasche ernsthaft ausholen konnte, hatte Griff das Handgelenk des jungen Mannes in seiner riesigen Pranke und brachte ihn mit einer Drehung auf seine Knie. Die Augen seines Mädchens füllten sich unter ihrem schweren Make-up mit Panik. Die Menge um sie herum zog sich gaffend ein Stück zurück.

„Maricon!“ Sein dünner, dunkler Arm wand sich in Griffs festem Griff wie eine Schlange.

Griff drückte hart zu. „Lass sie fallen.“

„Alles in Ordnung. Es tut mir leid.“ Der Russe schüttelte seinen rasierten Kopf und versuchte damit höflich, dem Typ aus der Patsche zu helfen. Was hatte er diesem Arschloch angetan?

„Ich sagte, lass die Flasche fallen.“

Klirr. Griff spürte wie Flüssigkeit seinen Knöchel traf und drehte den Arm des kleinen Ricaners zwischen dessen Schulterblätter. Er zwang ihn auf den harten Zement.

„Genug.“

Der drahtige Mistkerl wand sich auf dem Boden unter Griffs Knie und murmelte irgendetwas anstößiges auf Spanisch.

„Jaja, fick dich selbst.“ Griff versuchte den Jungs an der Tür oder dem Barkeeper ein Zeichen zu geben, aber die Menge war zu dicht. Herbstwochenenden waren in Sachen Betrunkene die schlimmsten und diese Nacht war schlicht verrückt.

Der Kerl unter ihm zitterte vor Wut. „Du hast einen beschissenen Rock an! Eine Schwuchtel, die die andere rettet.“ Er zappelte machtlos und gedemütigt vor seinem Mädchen auf dem Boden. Liebe ist schon hart.

„Das ist ein Kilt, du Hornochse.“ Griff seufzte und schaute hinunter auf die Bundfalte über seinen dicken Oberschenkeln. Er war eigentlich so weit gewesen, die Sache jetzt ruhen und die beiden Deppen ziehen zu lassen. „Es ist nur dann ein Rock, wenn man Unterwäsche trägt.“

„Er hat es nicht so gemeint.“ Der ältere Mann nickte Griff mit seinem rasierten Kopf zu und lächelte zum Dank. „Nur ein Missverständnis.“

„Hört mit dem Scheiß auf. Nicht heute Nacht, okay?“ Griff zeigte zuerst auf den Boden und dann auf die verlegene Freundin. „Ihr beide verschwindet jetzt aus dieser Bar.“

Sie nickte.

Mit einem Satz sprang der Latino auf die Füße und schob sein Mädchen Richtung Ausgang. Sie stolperte, war aber zu beschämt um anzuhalten. Als ihr Freund sich an ihnen vorbei schob, rempelte er hart gegen die Schulter des Russen, hakte seinen Unterschenkel um dessen Fußgelenk und knallte Mr. Anzug und Krawatte auf den Boden. Der Junge wartete nicht und schob sich durch die Menge zu seiner Freundin. Unterwegs stieß er gegen Leute, verschüttete Drinks und ließ eine Welle von Flüchen und bösen Blicken zurück.

Griff machte sich nicht die Mühe, ihm zu folgen. Er zog den glatzköpfigen Kerl auf die Füße und schüttelte dessen Hand. „Griffin Muir.“

„Alek. Sie kannte mich nicht. Es war nicht nur seine Schuld.“ Er schaute fast entschuldigend drein, seine blauen Augen weit aufgerissen und wässrig.

„Das ist es nie. Vor zehn Jahren habe ich mich auch noch in Bars geprügelt.“

„Na, dann danke ich ihnen, ja? Er hat für mich gearbeitet und wollte es vor ihr geheim halten. Sie –“

„Wollte eine Prügelei sehen. Ja. Ich war mal mit einer wie ihr verheiratet. Er hat einen miesen Geschmack was Frauen angeht. Irgendwann ändert sich das.“

 

 

Dean Martin war fertig und der Feuerwehrchor hatte einen hübschen Schwarm Groupies in ihrem Netz.

Bis Griff es zurück zu seinem Drink schaffte, hatte Dante diesen bereits für sich in Anspruch genommen und begrüßte ihn mit einem falschen Applaus. Schwarze Haare, schwarze Augen und ein Piratenlächeln.

„Mein großer Held,“ Dante grinste ihn an und leerte das Glas.

„Mein großer Schmarotzer. Schmeckt's? Griff gab ihm einen liebevollen Klaps auf den Hinterkopf und kletterte auf einen der Barhocker.

„Schmeckt nach Steak“, Dante leckte über seine Lippen. Leckte noch einmal. Rülpste wie ein Achtjähriger.

„Eklig! IIIIIIIieh!“ Offensichtlich hatte die kleine Gruppe heißer Mädels, die bei ihnen stand, ihre Aufmerksamkeit auf Dantes knackigen Hintern und seine lockige schwarze Mähne geworfen. Keine Neuigkeiten. Der Haufen hier war nur ein wenig stylischer gekleidet, als die üblichen Verdächtigen. Möglicherweise College-Mädchen, die sich unters gemeine Volk mischten. Möglicherweise aus Manhattan.

Aus irgendeinem Grund ignorierte Dante seine Bewunderer. Er schob eine glänzende Haarsträhne aus seinem Gesicht. „Ich hab Hunger, G. Holen wir uns ein Stück Pizza? Ich muss mit dir über was reden.“

„Alles okay bei dir?“

„Jepp. Nein. Keine große Sache. Ich muss dich nur was fragen.“

„Sicher. Ich hatte schon den ganzen Spaß, den man an...“, Griff schaute sich nach dem Rest der Crew um, um sich zu verabschieden. Er hatte heute Abend eigentlich ohnehin nicht ausgehen wollen. Abendessen mit Dante klang deutlich besser.

Sein bester Freund blinzelte und hörte auf zu sprechen, als sich eine schmale Hand von hinten heranschob und sich in Griffs leuchtendes, kupferrotes Haar wühlte.

„Sind deine Haare überall so rot?“ Eine kurvige Inderin hatte sich aus Dantes Fanclub gelöst, um sich gegen Griffs Hüfte zu pressen und sich seine Beine anzusehen. „Schönes Karomuster.“

In Cobble Hill einen Kilt zu tragen, bedeutete danach zu fragen. Manchmal bedeutete „danach“ eine Prügelei und manchmal einen Blowjob. Traf man auf andere Schotten, bedeutete es ein paar Runden auf jemand anderen, der sich auch gerade patriotisch fühlte. Traf man auf Italiener, bedeutete es, dass man schnell beschuldigt wurde das Mädchen von einem anderen zu knallen. Kinder kicherten und ältere Damen versuchten stets, einen heimlichen Blick unter den Kilt zu werfen.

Dantes Mund war angespannt, als er darauf wartete, dass Griff sich losriss.

Über was muss er unbedingt reden?

Ausnahmsweise einmal wünschte sich Griff, er hätte eine Jeans angezogen. Er versuchte Dantes Blick zu fangen und schüttelte den Kopf.

„Na, wenn das mal kein großer Zauberstab ist.“ Das indische Mädchen lehnte sich vor, um sein bestes Stück zu begrapschen. Sie füllte jeden Zentimeter ihres knappen Kleidchens aus. „So verdammt riesig, hm? Hast du's nötig, Schotte?“

Griff lief knallrot an, spürte wie sich die pinkfarbene Hitze über seine Wangen und seinen Hals legte.

Ihre Hand hatte sich nicht bewegt. „Rotschöpfe haben die rundesten Hintern.“

Dante zwinkerte. „Man kann keinen Bolzen mit einem kleinen Hämmerchen einschlagen. Griff ist 110 kg geballte Muskelkraft.“

Griffs Schwanz regte sich unter dem karierten Stoff, als Dante ihn wie einen Preisbullen anbot. Er versuchte zu schlucken, jedoch war sein Mund staubtrocken.

Himmel.

Griff war nicht besonders gut auf diesem Gebiet und auch nicht interessiert. Er war müde und noch immer angespannt von dem Beinahe-Kampf. Am liebsten wollte er einfach seinen Kumpel schnappen und sich aus dem Staub machen, jedoch war ihm klar, dass das nicht besonders freundlich rüberkommen würde. Es wurde erwartet, dass er bleiben wollte. Es wurde erwartet, dass er sich die Kante gab und ein Mädchen abschleppen würde. Die Frauen sind heute Nacht schließlich extra für die Jungs vom FDNY angerückt. Urgh. Der 11. September war am Schlimmsten.

Such dir einen Feuerwehrmann. Irgendeinen.

Griff lächelte entschuldigend. „Sorry, wir sind gerade auf dem Weg in 'ne Pizzeria.“

„Ach was. Vergiss es, G“, Dante sah zurückhaltend aus. Er schüttelte seinen Kopf und sein Partyhengst-Lächeln erschien etwas zu flott, um echt zu sein. „Nee – nee. Lass uns bleiben. Wir bleiben. Ich bin okay.“

„Na los, Mann. Ich bin durch.“ Griff schaute zu seinem besten Freund, der nur beharrlich den Kopf schüttelte. Eine verrückte Sekunde lang, wollte er seiner kurvigen Bewunderin ein Danke-Aber-Nein-Danke-Lächeln zuwerfen, seinen Arm um Dantes Hals legen und sich auf den Weg zur Pizzeria machen. Aber inzwischen hatten sich ihre Freundinnen um Dante versammelt und versuchten, sich jeweils vorzudrängeln.

Zehn Sekunden mehr und wir hätten abhauen können.

Das indische Mädchen schaute zwischen den beiden hin und her, noch immer damit beschäftigt, Griffs runden Hintern zu tätscheln. Patsch patsch. Als wäre er ein zweibeiniger Bernhardiner.

„Dein Arsch ist so... unglaublich männlich!“ Sie grapschte Griffs Schenkel durch den Kilt und schob dabei den Stoff in seine verschwitzte Arschritze. Sie leckte über ihre Unterlippe. Ihre Augenbrauen hoben sich. „Ohmeingott, du hast da ja echt nix drunter!“

Ein paar Meter entfernt prustete Dante Bier aus der Nase. Die anderen Mädels quietschten und stöhnten auf und begannen sich mit Servietten abzuwischen.

Griff runzelte die Stirn, als er in Dantes attraktives Gesicht blickte. In einer stillen Geste nickte er seinen Kopf Richtung Tür: Lass uns verschwinden.

Inmitten der Mädchen waren Dantes lächelnde Augen dunkel-dunkel-dunkel, als er seinen Kopf schüttelte und zwinkerte. „Nee. Passt schon.“ Er drehte sich zur Seite, um einer schlanken Blondine etwas ins Ohr zu flüstern, das sie sowohl lachen, als auch erröten ließ.

Scheiße.

Griff drehte sich zurück und versuchte zu verstehen, was die indische Tussi sagte. Irgendetwas über ein Konzert, das sie bei BAM gesehen hatten. Er nickte zustimmend, als würde er ihr zuhören. Über seine Schulter hinweg sah er zu wie Dante hinter zwei ihrer Freundinnen seine Arme auf der Bar ausbreitete. Immer ganz der Charmeur. Seine linke Hand hatte einen bösen Schnitt, der sich über alle vier Knöchel erstreckte.

Das braucht einen Verband.

Griff bekam genügend Angebote, auch wenn er nicht wirklich auf der Suche war. Er hatte schon immer breite Schultern und eine breite Brust, starke Arme, Beine wie Baumstämme. Seine breite, gebrochene Nase stellte sich als Segen für sein Babyface heraus. Und so sehr Dante ihn auch damit aufzog, Griffs blasse Haut und das zimtfarbene Haar waren ein Blickfang in Bars, wo die meisten Gäste aus Latinos oder Italienern bestanden. Wenn deine gesamte Nachbarschaft rund ums Jahr einen dunklen Teint hat, war helle Pfirsichhaut eindeutig exotisch. Die Ladies liebten es, ihre Spuren auf seiner hellen Haut zu hinterlassen und sein dickes, rosiges Rohr setzte seine Chancen auch nicht gerade herab. Der Stab des weißen Magiers, nannte Dante ihn.

Diese indische Tussi war wild entschlossen und ziemlich atemberaubend, wenn er nur  interessiert wäre. „Willst du...?“

Nein, will ich nicht. Aber ich sollte wollen.

Griff warf seiner kurvigen Bewunderin ein mechanisches Lächeln zu. Sie lächelte zurück. Ihre Lippen waren in einem grellen Ziegelrot geschminkt, das wohl sexy wirken sollte. Ihr dickes Haar hatte beinahe den gleichen Schwarzschimmer wie das seines besten Freundes.

Dante beobachtete sie wieder mit seinen glitzernden, schwarzen Augen, biss sich auf die Lippe und nickte ermutigend.

Griffs Schwanz zuckte und er musste ihn gegen seinen Oberschenkel halten, als sie ihn in Richtung Badezimmer zog.

Denk dran: Das ist es, was du willst.

Wenn du zum FDNY gehörst, war der 11. September einzig gut für einen bedeutungslosen Fick und Freibier. Erst aufgeilen. Dann freundschaftlicher Bar-Sex. Griff Muir hatte nicht den Mut dagegen anzukämpfen.

 

 

Die Angestelltentoilette war geöffnet, Griff hatte einen Schlüssel, aber nachdem die beiden die Tür hinter sich geschlossen hatten, ging der ganze Bar-Sex-Plan zum Teufel.

Sie bestieg ihn  wie ein Klettergerüst und ihr Mund fühlte sich auch wirklich gut auf ihm an, aber er war nicht wirklich dabei. Ihr langes Haar fühlte sich seidig an – und auf seiner Haut völlig fehl am Platz. Er hatte sich gegen das Waschbecken gelehnt und konnte das Bild von Dantes undeutbarem Blick nicht aus seinem Gedächtnis verbannen.

Um was machte er sich Sorgen?

Vielleicht könnte er das hier so schnell wie möglich hinter sich bringen und dann könnten sie immer noch zu ihrer Pizza abhauen. Griff schob sein Gesicht unter den rabenschwarzen Vorhang ihrer Haare und saugte an ihrem glatten, braunen Hals, während sich ihre Hand, auf der Suche nach seinem besten Stück, unter den Kilt schob. Irgendwann hatte er aufgehört sich zu bewegen.

Vergiss es.

Sie bemerkte seine Zurückhaltung, stoppte ihre Versuche und küsste seinen Hals mit ihrem nach Menthol riechenden Mund. Ihre riesigen exotischen Augen richteten eine unausgesprochene Frage an seine.

Er verzog das Gesicht und schüttelte einmal kurz seinen Kopf. „Sorry, das ist ein harter Tag für mich. Du bist echt wunderschön und so, aber –“

„Du bist beim FDNY“,  nickte sie voller Sympathie, ein süßes Lächeln auf ihrem braunen Gesicht.

Griff fühlte sich wie ein Trottel, als er nickte.

„Du warst dabei als die Türme...“

Er schluckte und sah zu Boden.

„Ich versteh's. Ich hab eine Schwäche für Feuerwehrmänner. Wie ein Fetisch.“ Sie kletterte von seinem Schoß hinunter.

„Tut mir leid... an dieser Schwäche ist nichts auszusetzen.“ Er wollte nett zu ihr sein, aber auch gleichzeitig verschwinden. Seine Stimme hallte von den schmuddeligen Fliesen und der modrigen Decke.

Sie packte durch den Stoff seines Kilts zu. „Du bist so hart. Bist du sicher, dass du's nicht versuchen willst?“

Griff setzte sich auf den Toilettendeckel und rieb sich nervös über die Finger. „Nein. Ich sollte heimgehen.“

„Vielleicht ein anderes Mal. Du bist einfach unheimlich süß. Haare wie glühende Kohlen.“ Sie strich über eine Seite seines Kopfes und runzelte ein wenig die Stirn. „Ich muss meine Freundinnen finden.“

„Nun ja... mein Freund ist möglicherweise mit ihnen beschäftigt. Brauchst du 'ne Mitfahrgelegenheit?“

„Nö. Ich lebe in den Heights. Ich bin verheiratet.“ Sie öffnete einen kleinen Spiegel, um ihr Make-up zu checken.

„Richtig.“

Griff begann langsam an der Ehe, als solcher, zu zweifeln. Sie machte Frauen zu Schmarotzern und Männer zu Tyrannen. Der Tod seiner Mutter hatte seinen Vater zerstört. Und Gott allein wusste wie sehr Griff in seiner eigenen Ehe versagt hatte.

Im schwach beleuchteten Badezimmer, sah er zu ihr auf. „Woher wusstest du, dass ich bei der Feuerwehr bin?“

Sie kicherte. Ich kann euch Jungs auf hundert Metern Entfernung erkennen. Mit oder ohne euren Gummihosen. Ich werde... nichts sagen“. Darüber, dass er's vermasselt hatte, meinte sie. „Hey, vielleicht lüge ich meine Freundinnen an und behaupte, wir hätten's gleich zweimal getan.“

„Wie war ich?“ Er lachte und errötete so heftig, dass seine Ohren warm wurden.

Sie leckte über ihre Oberlippe und funkelte aus ihren großen Augen. „Unglaublich!“

„Danke.“ Griff wurde klar, dass er zu einer Geschichte werden würde, die sie erzählte: der rothaarige Riese im Kilt von der 9/11 Party. Warum auch nicht. Eine schmutzige Anekdote schien eine gute Sache zu sein.

Nun gut, das entsprach weitestgehend der Wahrheit. Er konnte fast vor seinem geistigen Auge sehen wie sie die Geschichte, über Kaffee und Salat, ihren Freundinnen erzählte. Jedes Mal würde sie ein klein wenig mehr angeben und übertreiben, bis er irgendwann über zwei Meter zwanzig groß sein und ihr Liebesbriefe schicken würde. Er wünschte, er könnte wirklich dieser heiße Typ sein, zu dem sie ihn später machen würde, um ihren Badezimmer-Reinfall sexier, cooler und riskanter wirken zu lassen.

Loser.

Sie trug neuen Lippenstift auf und fuhr sich mit der Hand durch ihr glänzendes Haar. „Ich absolviere hier nur meine Pflicht als Zivilistin.“ Mit einem Zwinkern und einem Hüftschwung, um ihren Rock in die richtige Position zu bringen, schlüpfte sie zur Tür hinaus.

Griff stand auf und drehte an den Armaturen. Er spritzte sich Wasser ins Gesicht und starrte in seine trüben, grauen Augen im Spiegel.

Loser. Idiot. Freak.

Die Jungs wären entsetzt, wenn sie mitbekommen hätten wie er eine so heiße Schnitte einfach stehen gelassen hatte. Sie wären noch entsetzter, wenn sie wüssten, warum. Unter dem Kilt drückte noch immer eine dicke Erektion gegen seine Bügelfalten, aber die war nicht für sie. Großes Problem. Wenn er so hinausging, würde es jeder mitbekommen. Er drückte seinen geschwollenen Schaft durch den Stoff und zog scharf Luft ein.

Er verschloss die Tür und langte unter den Faltenrock. Er fummelte ein wenig, um an sein pulsierendes Rohr zu kommen und schloss eine Hand darum.

Höchstens zwei Minuten.

Griff setzte sich wieder hin, schloss die Augen und hörte auf, gegen seine wahre Fantasie anzukämpfen.

 

 

Ein paar Minuten später fühlte sich Griff, als hätte er gefrühstückt und geduscht. Nun... vielleicht eher einen Egg McMuffin und ein Spritzerchen Sagrotan. Nichts allzu Kompliziertes.

Als er schließlich die Toilette verließ, hatten seine Eier endlich aufgehört seine Leiste zu umarmen und waren wieder nach unten gewandert. Er hatte sich mit seinem Papiertaschentuch abgewischt, konnte aber einen Rest Samen spüren, der auf der Innenseite seines Oberschenkels trocknete.

Das Stone Bone hatte sich in der Zwischenzeit noch weiter gefüllt. Weitere Feuerwehrmänner waren in T-Shirts ihrer Feuerwache gekommen, um diese, weit weg von ihren Ehefrauen, als Tussi-Köder zu benutzen. In einer Bewegung erhob jeder an der Bar sein Glas, als die kleine kubanische Barfrau ein angegrautes Küchentuch über die unebene, verkratze Oberfläche wischte: Riesenschwanz und Shasta liebt Ronnie und ein Tic-Tac-Toe-Spiel.

„343! 343!“ Am hinteren Teil der Bar grölte eine Gruppe Feuerwehrmänner von Brooklyn Ladders and Engines, mit erhobenen Bieren einen Toast. Die Zivilisten um sie herum klatschten und erhoben ebenfalls ihre Gläser. Damals, 2001, hatten 343 Mitglieder des New Yorker Feuerdepartments am Ground Zero ihr Leben gelassen. Die Stadt war noch immer dankbar. Es war eine gute Sache. Es fühlte sich richtig an, dass die Stadt sich auch zehn Jahre später noch immer erinnerte, auch nachdem die Stelle zubetoniert wurde und die Twin Towers zu einem kitschigen Souvenir geworden waren, das die Touristen mit nach Hause  nehmen konnten.

Griff manövrierte seinen massigen Körper zur Bar. Kopf und Schultern ragten ein Stück über die Menge hinaus, als er der vollbusigen Barfrau zunicke und ihr über den Sound von The Doors zurief, „Anastagio gesehen?“

Die Barkeeperin zuckte mit den Schultern und machte eine Geste in den vollgepackten Raum. Griff kicherte und lächelte zum Dank. Wohin war Dante verschwunden? Griff seufzte, plötzlich ernsthaft hungrig. Dantes Idee mit der Pizza klang immer besser. Sein Magen grummelte seine Zustimmung.

Dann, als ob der Gedanke ihn herbeibeschwören könnte, erschien sein bester Freund –  schwarzes, verschwitztes Haar im Nacken gekringelt, raue Hand auf Griffs Schulter.

„Na, da ist ja mein Mann! Big G!“ Dante stand gegen die Bar gedrückt und machte Kaugummiblasen, sein Piratenlächeln noch immer auf seinem Gesicht.

„Hey, Zwerg“, Griff lehnte sich zu ihm und atmete die scharfe Note von  Dantes ganz besonderem Duft ein: süß und ledrig und dumpf wie eine saubere Sport-Umkleide. Griff lächelte; diesen Geruch würde er überall erkennen.

„Hey! Ein Meter achtzig ist völlig normal. Du bist ein Mutant.“ Dante war dabei, das Etikett von seinem vierten Bier zu pulen, die anderen drei rollten sich vor ihm auf der Bar. Er hatte sich seit ein paar Tagen nicht mehr rasiert und die blauen Stoppeln auf seinem kantigen, römischen Profil ließen ihn wie einen Cartoon-Bösewicht aussehen. Die Muskeln seiner langen Kehle arbeiteten, als er einen weiteren, tiefen Schluck aus seiner Flasche nahm.

„Lass uns hier verschwinden, hm?“ Griff nickte mit seinem Kopf Richtung Tür.

Dante klang leicht angetrunken. „Du hast doch 'ne Menge Spaß hier. Und es sieht so aus, als hätten wir alle Gesellschaft bekommen.“ Er ließ die Augen über die Party schweifen, wo der Rest ihrer Jungs sich mit ihren weiblichen Fans vergnügten.

„Na los, lass uns abhauen. Ich bin am Verhungern. Und du wolltest doch über irgendwas...“, Griff suchte in Dantes Augen, versuchte die dort aufflackernde Besorgnis zu entziffern. Er bat selten um etwas.

Dante schnappte nach seinen Fingern, offensichtlich plante er noch nicht die Frage zu stellen. „Pizza zum Mitnehmen. Warum gehen wir nicht zu mir und du pennst da?“ Er bot es ständig an und Griff lehnte immer ab.

Ganz schlechte Idee.

Griff schüttelte entschuldigend seinen Kopf, „Ich muss früh raus. Ich sollte heimgehen.“

„Und meine Uhren können keine Zeit anzeigen?“ Dante machte sein Dorfdeppen-Gesicht, streckte seine Zunge seitlich heraus und verdrehte die Augen.

„Ich passe in keins deiner Betten. Aber Pizza geht klar. Wenn du willst, können wir unterwegs reden...“, Griff stand dicht bei ihm wie ein Penner, der sich um einen brennenden Mülleimer drängte und suchte den Blick seiner tiefschwarzen Augen.

Dante starrte ihn einen kurzen Moment lang an und dann zu Boden, hinunter, wo Griffs riesige Waden in seinen Socken und Stiefeln steckten.

Griff spannte sie unfreiwillig an.

„Biste sicher?“ Dante wippte auf seinen Füßen und sah ihn von der Seite her an.

„Jepp, D“, er hatte sich bereits zur Vordertür gedreht, „über was, zur Hölle, musst du so dringend reden?“

„Nicht hier.“

„Okay. Okay“, lachte Griff. „Ich würd gern zu Lucali gehen. Falls dir die lange Warteschlange nix ausmacht.“

„Ähm. Ich hab keine Kohle dabei.“ Etwas Dunkles regte sich in Dantes Augen.

Griff zögerte keinen Moment. „Ich nehme für uns beide 'ne Familienpizza. Los.“

Ist er wegen Geld so besorgt?

Dante schüttelte seinen Kopf und nickte zur Tür. Er zitterte beinahe. „Die Sache ist die...“

Griff machte einen Schritt zurück und stupste ihn an, „Anastagio, ich gebe dir Rückendeckung. Soll ich dir was bis zum nächsten Gehalt leihen? Mach dir keine Sorgen um den Betrag.“

Er konnte es sich leisten. Abgesehen vom Türsteher-Job in dieser Absteige, half Griff im Rahmenbau bei einem lokalen Bauunternehmer aus. Jeder der Jungs hatte noch einen Job auf der Seite. Das FDNY war berühmt dafür, den bekloppten Idioten Scheiß-Gehälter zu bezahlen, die in brennende Häuser rannten, während alle anderen versuchten, herauszukommen.

Dante rempelte freundschaftlich gegen Griffs Schulter und schubste ihn vorsichtig Richtung Ausgang. Das Stone Bone war inzwischen so gestopft voll, dass Bewegung bedeutete, an so ziemlich jedem anderen in vollem Körperkontakt vorbei zu rutschen. Dante war praktisch gegen seinen Rücken gepresst, seine Bauchmuskeln gegen Griffs Hintern. Gott sei Dank, war er um einiges kleiner, somit konnte nichts, ähm, nebeneinander zu liegen kommen.

Jemand berührte Griffs Schulter und er drehte sich um.

„Mr. Muir“, Alek hob sein Glas zum Abschied. Offensichtlich hatte der aalglatte Russe es auch zurück zu der Gruppe von Feuerwehrleuten geschafft. Allerdings sah er mit seinem Anzug und seinen Gesten, die wie die eines Gebrauchtwagenverkäufers wirkten, als er mit ein paar Rettungskräften aus Queens redete, ein wenig fehl am Platz aus.

Griff nickte ihm zu, blieb aber nicht stehen. Er wollte einfach nur noch raus aus der Menge und dem Krach und herausfinden, was mit Dante nicht stimmte. Heute Abend hierher zu kommen war eine blöde Idee gewesen. Hatten damals nicht 343 Feuerwehrmänner ihr Leben gelassen? Warum wollten die Leute eine Tragödie feiern?

Sie hatten es fast bis zur Tür geschafft, als Griff spürte, dass Dante aufgehört hatte ihm zu folgen.

Was denn jetzt noch?

„Scheiße“, murmelte Dante. Griff drehte sich um, um über das Meer von quasselnden Köpfen zu sehen.

„Anastagio! Versuchst du abzuhauen?“ Eine kecke, an der Bar stehende Blondine, pikste Dante in die Brust, vermutlich der Plan B für diese Nacht: enger Rock, weiche Titten unter ihrem Kleid, großer Hintern, ihr Lippenstift vom Küssen verwischt – vermutlich von ihm.

Dante lachte kurz auf und presste seine Augen fest zusammen, so als würde er versuchen, sich an ihren Namen zu erinnern. „Ähm, nein... das ist mein Kumpel, Griff.“

Sie sah nicht einmal hinüber. „Dante, seit zwei Jahren versuch ich dich rumzukriegen und endlich sieht's mal gut aus und jetzt willst du mich hängen lassen?“

„Nein, Baby“, sagte Dante sanft und beugte sich zu ihr vor.

Ganz plötzlich fühlte sich Griff nicht mehr so gut.

Dante ging zur Ecke der Bar neben ihr und legte eine Hand auf das verkratzte Holz. Er murmelte eine Entschuldigung. „Wir müssen morgen früh raus. Und Griff hat heute noch nichts gegessen. Wir gehen ihm was besorgen.“

Selbst in einer übervollen Bar in Brooklyn, konnte man Delilahs Augen zwischen ihnen hin und her wandern sehen. Sie war mehr als genervt von dem Typen, der ihr die Tour vermasselte. Sie verzog das Gesicht. „Wohnt ihr Typen zusammen?“

„Nein“, Griff kam auch wieder näher an die Bar heran, schon alleine, um aus dem Gedränge der Leute herauszukommen.

„Naja, so gut wie. Er ist wie mein Bruder“, Dante schob sich eine Haarsträhne aus dem Gesicht, „und er muss in ein paar Stunden schon wieder raus.“ Dante strich unter ihrem Rock über ihr Bein. „Wir können hier später weitermachen. Sei nicht so. Ich muss mich erst um ihn kümmern.“

„Und was ist mit mir?“ Sie wusste, was hier abging.

Griff entdeckte Aleks rasierten Kopf ganz in der Nähe. Er lauschte mit einem schiefen Lächeln dem Mist, den Dante hier verzapfte. Auf der Jukebox beschwerten sich die Rolling Stones gerade über Biester und Bürden, während die Menge, völlig neben der Melodie, mitjaulte und 343 Geister dabei zusahen.

Das Mädel quietschte auf. Dem Ausdruck auf ihrem Gesicht und Dantes Position nach zu urteilen, war Griff sich ziemlich sicher, dass dieser gerade ein paar Finger in sie geschoben hatte.

Himmel nochmal. Dante versuchte ständig, Tussis zu irgendwelchem verrückten, halblegalen Scheiß zu überreden, vorzugsweise in aller Öffentlichkeit, vorzugsweise vor Griff, für die volle Peinlichkeit. Griff begann gewöhnlich zu schwitzen, zu stottern und auf den Boden zu starren und Dante ging gewöhnlich exakt einen Schritt zu weit. Das Merkwürdigste daran war allerdings, dass die Frauen Dante anschließend dankten, ihn verfolgten und noch monatelang SMS schickten.

Griff schnaubte und warf seinem besten Freund einen missbilligenden Blick zu. Dante liebte es, ihn verlegen zu machen, lebte, um ihn rot anlaufen zu sehen. Hölle nochmal, Griffin konnte spüren wie sich die Schamröte unter dem großspurigen Blick seines Freundes, über jeden Zentimeter seines Körpers ausbreitete. Vermutlich erröteten sogar seine Beine unter dem Kilt. Fast warf er einen Blick nach unten, um nachzusehen, schaffte es aber, seinen Blick auf der unordentlichen Bar ruhen zu lassen.

Gegen deren feuchtes Holz, sah der Schnitt in Dantes Knöchel breit und frisch aus. Vermutlich müsste es genäht und nicht nur verbunden werden.

„D, was hast du mit deiner Hand angestellt?“

„Geht dich nix an.“ Dantes Lächeln wurde breiter, aber seine Augen schienen leer und starrten Griff an, als wäre er lieber woanders. Die Muskeln in seinem braunen Unterarm spannten sich unter Griffs Blick an. Das Mädchen stöhnte wegen irgendetwas, das Dantes versteckter Arm gerade tat.

„Nein, ich meinte die .. vergiss es.“

Griff rieb sich über seine Bartstoppeln und wünschte sich, er wäre irgendwo anders, wollte ein Stück heiße Pizza, wollte irgendetwas anderes, als eine überfüllte Bar in Brooklyn, zehn Jahre danach. Plötzlich fühlte es sich realer an, eine FSK 18 Fantasie für eine verheiratete Frau zu sein, als er sich fühlte. So, als sei er der 344te Geist. Etwas dehnte sich  in seinem weiten Brustkorb aus, ließ ihm keine Luft zum Atmen, zerdrückte ihn von innen heraus.

„Griffin?“ fragte Dante sanft, als er damit aufhörte was auch immer er tat und sich einen Schritt von der Brünetten wegbewegte. Seine raue Hand auf seinem wuchtigem Unterarm ließ Griff wieder im Hier und Jetzt landen.

Griff zuckte zurück und hob seinen grauen Blick, die gesamten hundert Meilen, die es dauerte, Dantes zu erreichen. Er war kurz vor einem Zusammenbruch. „Ich muss los.“

„Wir müssen los“, erklärte Dante dem Mädchen und unterbrach ihren Protest mit einem kurzen Kuss mitten auf den Mund, „außer du willst mit uns kommen, Süße? Zusammen, meine ich. Griff ist auch ein Feuerwehrmann...“

Was zum Henker?

Musik dröhnte und Leute drückten gegeneinander und Griffin stand alleine da, in einer erstickenden Blase von Hintergrundrauschen, betrachtete die Luft um sich herum und zählte bis null. Warum passierte so etwas mit ihm? Er gab ein grunzendes Geräusch von sich und schaute überall hin, nur nicht in das attraktive, besorgte Gesicht seines Freundes.

Sie sah sich beide Männer an – die Muskeln, ihre Körper – und zählte eins und eins zusammen: ein Bett, zwei Feuerwehrmänner und das Ganze am 11. September.

Griff konnte praktisch sehen, wie sich die Zahnrädchen in ihrem Gehirn drehten, als sie auf ihrer Unterlippe kaute und bei den vielen logistischen Möglichkeiten zu blinzeln begann.

Sie liebte die Vorstellung.

Er nicht. „Ich denke nicht, Dante. Ich muss was essen und dann ins Bett.“

„Darüber rede ich doch die ganze Zeit, G. Du und ich, wir zwei haben  schon zu lange nicht mehr zusammen gefeiert.“

Griff wusste genau was sein bester Freund im Sinn hatte; er traute nur sich selbst nicht genug, um ja zu sagen. Er wusste, dass Dante nur helfen wollte, aber er schüttelte seinen Kopf. Nein.

Dante zog Griff zu sich herunter, seine Lippen berührten beinahe Griffs Ohr und flüsterte,“Gib mir...“

Griff erschauderte und nickte seine Zustimmung, noch bevor sein bester Freund sprechen konnte. Er schwitzte und die Wichse auf seinem Oberschenkel wurde wieder klebrig.

„Kannst du mir 'ne Minute geben? Wir treffen uns dann draußen vor der Tür.“ Dantes Worte trieften geradezu vor stiller Entschuldigung.

Griff nickte weiter und machte sich auf zur Tür, während er sich durch die aufgewühlte Menge schob.

Dort angekommen öffnete er sie, trat aber nicht hinaus in die kühle Luft. Stattdessen blieb er genau auf der Türschwelle dessen stehen, wo er nicht sein wollte, die Party stieg um ihn herum.

Er betrachtete keineswegs Dantes glatte, olivbraune Hand, die seine Eroberung des Abends abwehrte, so dass sie entkommen konnten. Er betrachtete nicht Dantes starken Rücken und Beine, die ihren Weg durch die Menge zu ihm bahnten, wie ein dunkles Messer. Und er betrachtete auch nicht die Art und Weise wie Dantes kantiges Kinn und tiefschwarzes Haar das Licht einfingen, als dieser den Eingang erreichte, erleichtert lächelte und zwinkerte.

Weitestgehend nicht.