18
Das blaue Absperrband der Polizei hing flatternd an den Bäumen, und auf dem Fußweg stand noch ein Police Constable Posten. Aber das Tatortteam und die Spurensicherung waren fort, an andere Einsatzorte abberufen – ein möglicher Brandanschlag in Matlock, ein tätlicher Angriff in Glossop, eine Einbruchsserie in Edendale.
»Es ist einfach zu heiß. Das schlägt mir aufs Gehirn. Ich kann nicht geradeaus denken.«
Zusammen mit DCI Tailby stand Ben Cooper wieder am Tatort. Auf dem Berg herrschte eine Gluthitze.
»Was wurde denn nun als Tatwaffe benutzt?«, fragte Tailby. »Ein Ast, ein Stück Holz? Aber in den Kopfwunden wurden keine Anhaftungen von Rinde gefunden, und Mrs. Van Doon sagt, es hätte welche geben müssen. Außerdem wurden die Verletzungen von einem harten, glatten Gegenstand verursacht, nicht von einem rauen. Also ein Stein? Möglich. Nur ist er nirgends aufzufinden. So etwas würde doch kein Mensch mitnehmen, nicht wahr, Cooper?«
Cooper war nicht überrascht, dass ihn der DCI nach seiner Meinung fragte. Er hatte schon früher unter ihm gearbeitet und kannte den Kontrast zwischen der Lockerheit, die Tailby im Umgang mit einzelnen Beamten an den Tag legte, sogar mit einem kleinen Detective Constable, und der furchtbaren Gestelztheit, die ihn immer dann zu überkommen schien, wenn er es mit der Öffentlichkeit zu tun hatte. Er verfiel automatisch in den üblichen Polizeijargon, wenn er mit jemandem sprechen musste, der weder ein Verdächtiger noch ein Kollege war. Ihm fehlten die Worte für ein normales Gespräch mit ganz gewöhnlichen Bürgern, die sich nichts hatten zu Schulden kommen lassen. Es war, als ob er sie mit nichts sagenden, amtlichen Floskeln auf Abstand halten wollte.
Bei aller Erfahrung in der kriminalpolizeilichen Ermittlungsarbeit war Tailbys mangelndes PR-Talent ein ernstes Karrierehindernis. Mit der Zeit würde man ihn vermutlich auf einen Verwaltungsposten wegloben, auf dem er so viele gestelzte Berichte und Memoranden verfassen konnte, wie er nur wollte. Cooper würde seinen Weggang bedauern. Aber jeder Mensch hatte eine verhängnisvolle Schwäche. Bei manchen war sie nur weniger deutlich zu erkennen.
»Wenn der Täter seine fünf Sinne beisammen hatte, hätte er den Stein bloß in den Bach werfen müssen, Sir.«
Sie gingen ein paar Schritte und sahen hinunter in die Schlucht, durch die der Eden Valley Wanderweg verlief. Das seichte Bachbett war mit handlichen Steinen übersät. Es waren hunderte, tausende, unablässig umspült vom kühlen, rauschenden Wasser.
»Sehen wir mal nach, ob die Vernons zu Hause sind«, sagte Tailby müde.
Graham Vernons Gesicht war schon gerötet und verquollen, bevor er sich richtig in Rage redete. Vermutlich suchte er in der gegenwärtigen Situation zu oft Trost im Alkohol, dachte sich Cooper mit einem Blick auf die Bar.
»Ich begreife nicht, warum Sie auch nur ein Wort von diesen Behauptungen über meine Tochter glauben, Chief Inspector. Es ist doch keinen Pfifferling wert, was dieser Lee Sherratt über sie verbreitet.«
Wie nicht anders zu erwarten, reagierte Tailby distanziert auf Vernons Empörung. Sie waren wie zwei wohlerzogene Katzen, von denen allmählich die Tünche der Zivilisation abfiel, während sie sich voller Imponiergehabe mit gesträubtem Fell umkreisten.
»Wir beziehen uns nicht nur auf die Aussage von Mr. Sherratt, sondern auch auf die von Mr. Holmes. Natürlich müssen wir diese Aussagen bei unseren Ermittlungen berücksichtigen.«
»Wer zum Teufel ist Mr. Holmes?«
»Simeon Holmes war Lauras Freund.«
Vernon schnappte nach Luft. »Ihr was?«
»Überrascht es Sie, dass Laura einen Freund hatte?«
»Ob es mich überrascht? Das ist doch blanker Unsinn, was Sie da erzählen. Laura hatte keine Zeit für einen Freund. Während der Woche hat sie für die Schule gelernt. Sie war ein fleißiges Mädchen. Und am Wochenende hatte sie Musikunterricht. Sie hat stundenlang Klavier geübt. Sonntags ist sie reiten gegangen – ihr Pferd steht in einem Stall in der Buxton Road. Entweder ist sie ausgeritten, oder wir sind mit ihr zu einem Reitturnier gefahren. Ansonsten war sie im Stall. Sie war wie die meisten fünfzehnjährigen Mädchen, Chief Inspector. Sie hat sich mehr für Pferde als für Jungen interessiert. Und dafür danke ich Gott. Mit fünfzehn ist man zu jung für einen Freund.«
»Trotzdem …«
»Wer ist dieser Holmes überhaupt? Wahrscheinlich ein Schulkamerad. Ich hätte sie lieber auf eine reine Mädchenschule geschickt, aber dann hätten wir sie ins Internat geben müssen. Meine Frau wollte, dass Laura zu Hause wohnt. Ein Fehler, wie es nun scheint.«
Tailby ignorierte Vernons heruntergezogene Mundwinkel und hakte nach. Er durfte ihm keine Gelegenheit geben, in Trauer oder Selbstmitleid zu verfallen.
»Laut Mr. Holmes hat Laura die Schule gehasst. Sie hat den Unterricht geschwänzt, um sich mit ihm in Edendale zu treffen. Und nicht nur mit ihm, sondern auch mit anderen jungen Männern. Wussten Sie davon, Sir?«
»Nein, das ist mir neu.«
»Vielleicht weiß Ihre Frau mehr über diesen Aspekt im Leben Ihrer Tochter, Sir.«
»Es wäre mir wirklich lieber, wenn Sie meine Frau mit solchen Fragen verschonen könnten«, sagte Vernon. »Sie hat sich gerade erst wieder ein wenig gefangen, Chief Inspector. Machen Sie es bitte nicht wieder schlimmer.«
»Mrs. Vernon schien sich heute Morgen vor den Fernsehkameras sehr gut zu halten. Es lief wirklich ausgezeichnet, Sir.«
»Man greift nach jedem Strohhalm.«
Ben Cooper, der sich im Hintergrund hielt, beobachtete Vernon genau. Der Mann hatte einen kantigen Kiefer und das Gesicht eines unfitten Boxers. Das passte zu seinem aggressiven Auftreten, aber nicht zu der Atmosphäre des Büros. Es war ein großer, hoher Raum mit schweren Möbeln und einem riesigen Eichenschreibtisch. Auf dem hellbraunen Berberteppich vor dem halbrunden Kamin, auf dessen Rost ein gusseiserner Holzkorb stand, lag eine Brücke.
»Ich weiß nichts von irgendwelchen Freunden. Wo wohnt dieser Holmes? Ist er ein Freund von Lee Sherratt? Haben Sie daran vielleicht schon einmal gedacht?«
»Das dürfte nicht sehr wahrscheinlich sein, Mr Vernon.«
»Meinen Sie nicht, Sie sollten es wenigstens nachprüfen, Chief Inspector?«
»Lee Sherratts Aussage ist der von Mr. Holmes sehr ähnlich«, sagte Tailby ruhig. »Bis auf die Tatsache, dass er darauf beharrt, keine Beziehung mit Laura gehabt zu haben.«
»Alles Lügen, nichts als Lügen. Kümmern Sie sich darum. Beweisen Sie lieber, welcher von den beiden Kerlen Laura getötet hat, statt mich mit solchen lachhaften Fragen zu belästigen. Ich habe Ihnen gesagt, was für ein Mädchen Laura war. Sie war meine Tochter. Ich muss es schließlich wissen.«
»Durchaus möglich, dass Sie es wissen«, sagte Tailby, wie zu sich selbst. »Aber ich frage mich, ob Sie es mir auch sagen würden.«
»Was soll das heißen?«
»Dass ich angesichts dessen, was wir von Ihrem Sohn erfahren haben, an Ihrer Aussage zweifeln muss. Er hat uns Dinge erzählt, die daraufhin deuten, dass Sie uns belogen haben, Mr. Vernon.«
Alles schwieg. Irgendwo im Haus brummte ein Staubsauger.
Ein Telefon klingelte dreimal und verstummte. Tailby wartete ab. Graham Vernon machte ein gequältes Gesicht, als ob sich plötzlich ein Magengeschwür bemerkbar gemacht hätte.
»Daniel. Was hat er Ihnen gesagt?«
Tailby lächelte grimmig und bat Ben Cooper, seine Aufzeichnungen über das Gespräch mit Daniel vorzulesen. Cooper las mit möglichst gleichmäßiger Stimme und bemühte sich, keine besondere Betonung auf die Stelle zu legen, wo der junge Mann wütend oder empört gewesen war. Vernon hörte schweigend bis zum Ende zu. Er senkte den Kopf und konnte den Beamten nicht in die Augen sehen. Als Tailby erneut das Wort ergriff, tat ihm der Mann fast Leid.
»Also dann, Mr. Vernon. Wollen wir noch einmal ganz von vorn anfangen? Was haben Sie mir über Lee Sherratt zu sagen?«
Die Stimmung im Einsatzraum war gedrückt. Obwohl man allen verfügbaren Spuren nachgegangen war, hatten viele Beamte das Gefühl, auf der Stelle zu treten, das erste Anzeichen dafür, dass die Ermittlung an Fahrt verlor. Cooper kannte die Symptome, und Tailby waren sie sicher auch nicht verborgen geblieben. Als leitender Ermittler hatte der DCI die Aufgabe, die Moral der Truppe zu stärken.
»Okay«, sagte Tailby. »Wir haben sowohl Lee Sherratt als auch Lauras Freund, Simeon Holmes, ausfindig gemacht und vernommen. Aber um sie endgültig als Tatverdächtige ausschließen zu können, brauchen wir Beweise, und genau daran hapert es noch immer. Die kriminaltechnischen Untersuchungen haben bis jetzt nur sehr wenig gebracht. Was die Biss-Spuren angeht, bin ich nach wie vor zuversichtlich, aber zurzeit hängt alles an dem Odontologen aus Sheffield. Angeblich können wir morgen mit einem vorläufigen Bericht rechnen. Der Vergleich mit den Abdrücken, die wir Sherratt und Holmes abgenommen haben, wird allerdings länger dauern.«
Ben Cooper ließ den Blick durch den Einsatzraum schweifen. Keine Spur von Diane Fry oder DI Hitchens. Dann hatte man die Wandergruppe also vermutlich gefunden, und die Kollegen waren bereits nach Norden gefahren, um die Spur weiterzuverfolgen, auf die er selbst in Moorhay gestoßen war.
»Holmes’ Aussage, dass Laura Vernon sexuell nicht unerfahren war, wird durch die Ergebnisse der Autopsie gestützt«, sagte Tailby. »Und darüber hinaus auch durch die Aussage ihres Bruders. Wenn es aber stimmt, was Holmes über die sexuellen Vorlieben des Opfers aussagt, kann man dann Lee Sherratt glauben, dass er nichts mit ihr hatte? Wie Holmes es bei seiner Vernehmung so schön ausgedrückt hat: ›Da sagt man natürlich nicht nein.‹«
Tailby ordnete seine Unterlagen. Heute Abend war der Einsatzraum relativ schwach besetzt. Es hatte den Anschein, als ob die Ermittlungen bereits nachließen. Die meisten Routineaufgaben waren erledigt. Viele der nur am Rande beteiligten Personen hatten entlastet werden können.
Inzwischen konnten sie sich auf die konkreten Spuren konzentrieren und zum Beispiel gezielt gegen ausgewählte Einzelpersonen ermitteln. Mr. Tailby hatte seine Prioritäten gesetzt und die Ermittlungsstrategie festgelegt. Alles in allem sah es recht viel versprechend aus. Unterschwellig ließ er sich auch vom Vertrauen in die Kriminaltechnik leiten, die schon die nötigen Beweise bringen würde, um den Fall abschließen zu können.
»Dann wäre da noch der Rest von Daniel Vernons Aussage«, sagte Tailby, »der sich als vollkommen irrelevant herausstellen könnte. Aber wenn er die Wahrheit sagt, deutet einiges darauf hin, dass Sherratt lügt. Die Frage ist doch, wenn Sherratt eine Affäre mit der Mutter hatte, warum dann nicht auch mit der Tochter? Er muss uns erst einmal vom Gegenteil überzeugen. Bis wir Holmes’ Alibi überprüft haben, könnte jeder von beiden der junge Mann gewesen sein, der an dem fraglichen Abend mit Laura gesehen wurde. Natürlich könnte es auch jemand anderer gewesen sein. Ohne greifbare Beweise tappen wir im Dunkeln. Irgendwo da draußen ist die Tatwaffe, aber irgendwo ist auch Laura Vernons zweiter Turnschuh. Beide sind von größter Wichtigkeit, aber der Turnschuh dürfte leichter zu identifizieren sein.«
Der DCI hielt inne und sah von einem Beamten zum anderen. Manche hielten seinem Blick stand, andere lasen in ihren Notizen oder starrten auf die Fotos und Landkarten an der Wand.
»Wir gehen folgendermaßen vor«, sagte er. »Wir befragen noch einmal die Leute in Moorhay. Bei der Publicity und dem ganzen Wirbel im Dorf hat sicher niemand Lust, solche Beweismittel zurückzuhalten – und ich rechne damit, dass die Sachen in Tatortnähe weggeworfen wurden. Wir werden Bäche, Teiche und Gräben nach ihnen absuchen. Außerdem interessieren wir uns dafür, ob in jüngster Zeit irgendwo etwas vergraben oder verbrannt wurde. Das wäre die einfachste Methode, sich eines Turnschuhs zu entledigen. Vergraben oder verbrennen. Und zwar in den letzten paar Tagen.«
Tailby heftete ein weiteres vergrößertes Foto hinter sich an die Wand. »Das ist Holmes. Unsere Nachforschungen beziehen sich von nun an auch auf ihn, nicht nur auf Sherratt. Aber vernachlässigen Sie dabei auch andere Alternativen nicht.«
Beim Anblick des Fotos von Simeon Holmes setzte sich Ben Cooper kerzengerade hin. Er hatte ihn schon einmal gesehen, und zwar in Moorhay. Und nicht nur das, der Junge hatte etwas vergraben. Und sein Freund hatte etwas verbrannt. Cooper zögerte kurz. Es erschien ihm zu weit hergeholt – aber wenn er seine Beobachtung melden wollte, dann war jetzt der richtige Augenblick dafür.
»Ich habe ihn gesehen«, sagte er. »Heute Morgen. Er muss direkt von der Farm zur Vernehmung gekommen sein.«
Alle Augen richteten sich auf Cooper. Zögernd berichtete er von dem riesigen Komposthaufen, der am Vormittag auf der Thorpe Farm aufgeschichtet worden war. Er erzählte, dass er gesehen hatte, wie Simeon Holmes eine Schubkarrenladung frischen Dung nach der anderen auf den Haufen gekippt und wie die alten Männer den Mist sorgfältig verteilt und festgetreten hatten. Er erzählte von dem anderen Jugendlichen mit dem kleinen Feuerchen und von dem Gespräch, in das ihn die alten Männer verwickelt hatten, möglicherweise um ihn abzulenken.
Während er redete, verzogen seine Kollegen das Gesicht und rückten immer weiter von ihm ab, als ob der Mistgestank noch an ihm haftete.
Als er mit seinem Bericht fertig war, wartete er auf eine Reaktion. Er dachte an die Worte, die Sam Beeley und Wilford Cutts ein paar Mal wiederholt hatten. »Blut und Knochen«, hatten sie gesagt. Und noch einmal: »Blut und Knochen.«
Tailby starrte ihn an und stöhnte.
»Oh Gott«, sagte er. »Wir müssen den Haufen umgraben.«
Etwa eine Stunde später traf ein eilig zusammengetrommeltes Team in den unterschiedlichsten Fahrzeugen auf der Thorpe Farm ein. Sie parkten auf dem Weg zwischen den Nebengebäuden. Ein Sergeant von der Sondereinheit, der einen Overall und Gummistiefel trug, ging zum Haus, wo er bereits von Wilford Cutts und Sam Beeley erwartet wurde, die vor der Tür standen und sich über den unangekündigten Besuch wunderten. Der Sergeant präsentierte Wilford einen Durchsuchungsbefehl.
»Sie wollen mein Haus durchsuchen?«, sagte Wilford. »Wozu denn das?«
»Nicht das Haus«, sagte der Sergeant. »Das Grundstück.«
»Das Grundstück?«
»Wir fangen mit dem Feld dort drüben an.«
Die Beamten sammelten sich auf dem Feldweg, zogen die Reißverschlüsse ihrer Overalls zu und Gummistiefel und Handschuhe an, während von einem Lieferwagen aus Spaten und Mistgabeln verteilt wurden.
»Sie wollen mir doch wohl nicht mein Feld umgraben?«, sagte Wilford.
Sam schwenkte seinen Spazierstock und fing an zu lachen, als er sah, wohin die Polizisten gingen.
»Schau dir ihre Gesichter an«, sagte er. »Die wollen nicht dein Feld, die wollen den Misthaufen umgraben.«
Die Miene des Sergeants verriet ihm, dass er richtig geraten hatte.
»Was glauben Sie denn, was Sie da finden?«, riefWilford, doch der Sergeant ließ ihn wortlos stehen.
Als Tailby und Cooper das Auto verließen und auf das Feld kamen, harkte ein Beamter von der Spurensicherung in den Überresten des Feuers herum und tütete die Asche ein. Die beiden alten Männer standen am Tor und beobachteten die Operation, und Cooper konnte spüren, wie sie ihn ansahen.
»Dieser Komposthaufen ist ein Kunstwerk«, sagte Wilford vorwurfsvoll. »Macht ihn mir bloß nicht kaputt, ihr verdammten Bullen.«
»Ein paar von den Burschen sehen aus, als ob sie noch nie im Leben eine Mistgabel in der Hand gehabt hätten«, sagte Sam, der den Männern in den Overalls staunend zusah.
»Mr. Cutts, so viel ich weiß, hat heute Morgen ein Jugendlicher namens Simeon Holmes hier gearbeitet«, sagte Tailby.
»Aye«, sagte Wilford. »Der junge Simeon und sein Kumpel. Gute Jungen, alle beide. Fleißige Arbeiter. Sie haben uns den Schweinestall ausgemistet.«
»Und Ihnen geholfen, den Komposthaufen da drüben aufzuschichten.«
»Ja, sie haben uns die schwere Arbeit abgenommen. Sie haben die Schubkarren geschoben und so.«
»Was befindet sich in diesem Komposthaufen, Mr. Cutts?«
»Also wirklich«, sagte Sam. »Das haben wir Ihrem jungen Kollegen doch erklärt. Nicht wahr, Wilford?«
»Doch, wir haben ihm ganz genau erklärt, was da reingehört.«
Sams Blick wanderte wieder zum Feld hinüber. Er konnte nicht glauben, was er sah. »Die einen schichten den Mist um, und die anderen stehen bloß daneben und staunen ihn an. Was erwarten die denn? Dass der Mist ihnen gleich den Ententanz vorfuhrt?«
»Und es wurde auch etwas verbrannt? Was genau haben Sie verbrannt, Mr. Cutts?«
»Altes Stroh. Abgestorbene Äste. Müll.«
»Haben Sie Simeon Holmes gestattet, Dinge aus seinem eigenen Besitz ins Feuer oder auf den Komposthaufen zu werfen?«
»Was bitte?«
»Um das Feuer hat sich der andere Junge gekümmert, wenn er nicht gerade mit der Schubkarre zu tun hatte«, sagte Sam.
»Und wer war dieser Junge?«
»Er heißt Doc, mehr weiß ich nicht. Ein Freund von Simeon.«
»Ein Spitzname?«
»Klingt so. Ich hatte ihn vorher noch nie gesehen.«
»Wie kam es dazu, dass die beiden für Sie gearbeitet haben, Mr. Cutts?«
»Harry hat sie mir geschickt. Ich brauchte Hilfe, und er hat gesagt, sein Großneffe könnte tüchtig zupacken.«
»Schon wieder Harry Dickinson. Sein Großneffe!«
»Das sind anständige Jungs, alle beide. Lassen Sie sie in Frieden.«
»Ich glaube, Ihre Männer zählen tatsächlich die Kötel«, sagte Sam, der immer noch fasziniert die Aktivitäten rings um den Komposthaufen beobachtete.
Cooper stapfte hinter dem DCI her, der verärgert zum unteren Ende des Feldes marschierte. Der Mist hatte bereits zu gären begonnen, und an mehreren Stellen stieg Dampf auf. Auf der Oberfläche des Haufens wimmelte es von rötlich-braunen Kotfliegen, die in schillernden Wolken hochstiegen, wenn sie gestört wurden, um sich gleich darauf an einer anderen Stelle wieder niederzulassen. Inzwischen hatten die Männer damit begonnen, den gesamten Misthaufen umzusetzen.
Das Graben war eine heiße, schweißtreibende Angelegenheit, und die Polizisten spürten, wie sich der alles durchdringende Gestank durch ihre Overalls hindurch auf ihren verschwitzten Körpern festsetzte. Für die Männer, die oben auf dem Misthaufen arbeiteten, war es am schlimmsten. Durch die aufsteigende Hitze kamen sie sich vor wie in einem Hochofen oder im Kesselraum einer riesigen Dampfmaschine. Sie brauchten oft eine Pause und ließen sich von den Beamten ablösen, die den Mist zur Seite geschaufelt, umgewendet und gelockert hatten, um auch ja kein Beweisstück zu übersehen.
Je länger die Aktion dauerte, desto bestialischer wurde der Gestank. Cooper wurde immer unbeliebter. Die Kollegen sahen ihn schief von der Seite an, während sie den Komposthaufen immer weiter abtrugen und nichts Belastenderes zu Tage förderten als ein Knäuel blauen Zwirn oder das verfaulte Kerngehäuse eines Apfels.
Doch dann stieß ein Beamter mit der Mistgabel auf Widerstand. Er kniete sich hin und grub mit der behandschuhten Hand weiter. Eine Plastikplane wurde auf dem Boden ausgebreitet und die nächste Schicht Mist sorgfältig darauf deponiert, für den Fall, dass das Material eingetütet und ins Labor geschickt werden musste. Der Mann von der Spurensicherung, der die Untersuchung der Feuerstelle inzwischen beendet hatte, kauerte sich neben den Beamten auf dem Misthaufen. Keiner der beiden Männer bemerkte etwas vom Dreck, in dem sie knieten, oder von den Fliegenschwärmen, die ihnen um die schweißnasse Stirn brummten.
Unter einer letzten Lage Dung wurden sie schließlich fündig. Inmitten der dunklen Masse schimmerte es weiß. Das Objekt war von der Zinke einer Mistgabel durchbohrt worden, zerstörte Muskeln und Sehnen, wie ein Einschussloch in dem nackten, weißen Fleisch, kamen zum Vorschein.