26

Wenn du mich fragst«, sagte Kaylee, während sie neben Catherine auf das zartrosa gestrichene Apartmenthaus zuging, in dem sie wohnte, »dann ist dieser Mann ein kompletter Vollidiot. Und ehrlich gesagt überrascht mich das, weil er auf mich eigentlich wie jemand wirkt, der alles daransetzt, um das zu kriegen, was er will, und ich weiß genau, dass er total scharf auf dich ist.«

»Ach, das bildest du dir doch nur ein«, erwiderte Catherine.

»Also bitte, du musst schon entschuldigen, aber ich habe schließlich mitgekriegt, wie der Kerl dich angesehen hat, und glaub mir, der will dich, das ist überhaupt keine Frage.« Kaylee sperrte die Eingangstür auf und ging durch den engen Hausflur zu ihrem Briefkasten. Sie öffnete ihn, nahm einen Packen Briefe heraus und stopfte ihn achtlos in ihre Handtasche. Dann drehte sie sich zu ihrer Schwester um. »Willst du es dir nicht vielleicht doch noch einmal überlegen und mit uns ausgehen, um ein bisschen zu feiern?«

»Nein, wirklich nicht.«

»Es würde dir gut tun.«

»Nein, nein, geht ihr beiden nur. Ihr seid doch sicher froh, wenn ihr mal ein bisschen Zeit für euch allein habt, und ich bin sowieso nicht in der Stimmung zum Feiern.«

»Na gut.« Kaylee öffnete die Tür zu ihrer Wohnung und ging vor Catherine ins Wohnzimmer. »Ich suche nur noch schnell den Ersatzschlüssel. Ich weiß nicht, warum ich nicht schon früher daran gedacht habe.«

»Wahrscheinlich deshalb nicht, weil wir praktisch jede wache Minute miteinander verbracht haben.« Catherine konnte es kaum erwarten, dass ihre Schwester endlich ging, sie sehnte sich nach ein wenig Ruhe. »Hör mal, wenn du ihn nicht findest, ist es auch nicht so schlimm«, sagte sie. »Wo sollte ich denn schon hingehen?«

»Das kann man nie wissen - ah, da ist er ja.« Kaylee warf den Schlüssel in eine Schale, die auf dem Tischchen neben dem Sofa stand. »Falls du ihn doch brauchst, weißt du wenigstens, wo er ist. Dann also bis später, ja?«

»Ja, viel Spaß.« Geh, geh, geh. »Mach dir keine Sorgen um mich, Kaylee«, fügte sie hinzu, als ihre Schwester zögernd an der Tür stehen blieb. Sie zwang sich zu einem Lächeln. »Mir geht's gut, wirklich. Zieht los und amüsiert euch - ihr habt es verdient. Weißt du, ich bin wirklich stolz auf dich. Du hast richtig gehandelt und aus den richtigen Gründen.«

Kaylee strich sich ihr Stretchkleid über den Hüften glatt. Dann sah sie ihrer Zwillingsschwester in die Augen. »Ich muss gestehen, dass ich auch ein bisschen stolz auf mich bin. In der vergangenen Woche habe ich einiges gelernt, vor allem, dass ich gar nicht so dumm bin, wie ich immer gedacht habe. Na gut!« Sie fuhr sich mit den Fingern durch die Haare, um ihre wilde Mähne noch ein bisschen mehr aufzuplustern, und straffte die Schultern, »Jetzt wollen wir aber mal nicht allzu rührselig werden, sonst endet es noch damit, dass meine Wimperntusche verschmiert und ich wie ein Waschbär aussehe. Ich bin schon weg.« Schon halb aus der Tür, drehte sie sich noch einmal um und griff in ihre voluminöse Handtasche. »Ach ja, hier. Sei doch so lieb und sieh die Post für mich durch.« Sie reichte ihrer Schwester den Stapel Briefe, winkte ihr zum Abschied noch einmal zu und stöckelte aus der Tür.

Das Lächeln verschwand von Catherines Gesicht. Sie warf den Stapel neben der Schale mit dem Schlüssel auf das Tischchen und ließ sich auf das Sofa fallen. Dann legte sie mit einem tiefen Seufzer den Kopf zurück und starrte an die Decke.

Mann, sie hatte völlig vergessen, wie entsetzlich schwül es in Florida im Sommer immer war. Die Luft war so drückend, dass man kaum atmen konnte, und verursachte ihr regelrecht Übelkeit.

Ein bitteres kleines Lachen entfuhr ihr, während sie den Arm hob, um sich mit dem Handrücken den Schweiß abzuwischen, der ihr über die Stirn und die Wangen lief. Ja, klar. Als ob es am Wetter gelegen hätte, dass sie sich so miserabel fühlte.

Was zum Teufel ging hier eigentlich vor? Kaylee war nicht die Einzige, die gedacht hatte, dass Sam ernstere Absichten hatte, als sich nur eine Zeit lang mit ihr zu vergnügen. Es schien ihr, als hätten sie sich eben noch unter der Dusche geliebt, und im nächsten Augenblick hatten sich die Ereignisse überschlagen und sie wie ein führerloser Güterzug überrollt. Sobald die Lage wieder geklärt war, hatte Sam sich in den engstirnigen Kerl mit dem verdrossenen Zug um den Mund zurückverwandelt, als den sie ihn eine Woche zuvor kennen gelernt hatte. Wie hatte sie die Situation nur so falsch einschätzen können?

Und wie in aller Welt war es nur möglich, dass ihr Leben in so kurzer Zeit so gründlich aus den Fugen geraten war?

Sie wollte zurück nach Hause. In die Geborgenheit ihrer eigenen Wohnung, wo sie in aller Ruhe ihre Wunden lecken konnte. Wo ein Schrank mit Sachen stand, die ihren Körper mehr verhüllten als zur Schau stellten, und wo ein Leben auf sie wartete, das sorgfältig geplant war und in sicheren und geordneten Bahnen verlief.

Zugegeben, das klang vielleicht ein klitzekleines bisschen ... langweilig. Aber die Dinge würden ganz bestimmt wieder anders aussehen, sobald sie ihr altes Leben wieder aufgenommen hatte.

Sie wischte sich mit dem Arm übers Gesicht und stand auf, um die Klimaanlage höher zu stellen. Dann ging sie zurück zum Sofa und griff nach Kaylees Post. Sie würde sie durchsehen, wie Kaylee sie gebeten hatte, und anschließend bei ein paar Fluggesellschaften anrufen, um sich zu erkundigen, wann Flüge nach Seattle gingen.

Nacheinander hatte sie die Telefonrechnung, das Angebot eines Kreditkartenunternehmens und eine Postkarte aus New Hampshire zur Seite gelegt, auf der jemand den Wunsch zum Ausdruck gebracht hatte, Kaylee wäre auch dort, als sie auf den Umschlag einer Fluggesellschaft stieß, auf dem ihr Name stand. Einen kurzen Augenblick lang saß sie völlig regungslos da und starrte den Umschlag an. Dann riss sie ihn auf und zog ein Oneway-Ticket nach Seattle heraus. Die Reservierung galt für einen Flug ab Miami am übernächsten Tag.

Es waren keine besonderen geistigen Fähigkeiten erforderlich, um zu wissen, wer den Umschlag für sie in Kaylees Briefkasten gesteckt hatte, und sie fühlte plötzlich eine ungeheure Wut in sich aufsteigen. Blanke, rasende Wut, die jeden vernünftigen Gedanken verdrängte.

Sie hätte nicht sagen können, wie sie zu Sams Wohnung gelangt war. Sie konnte sich nicht einmal daran erinnern, ein Taxi gerufen zu haben, geschweige denn an die Fahrt von Kaylees Wohnung hierher. In der einen Minute hatte sie noch auf dem Sofa ihrer Schwester gesessen und außer sich vor Zorn auf das Ticket in ihrer Hand gestarrt... und in der nächsten hämmerte sie mit der Faust gegen eine verglaste Tür, während sie mit der anderen Hand ihre Augen gegen das grelle Sonnenlicht abschirmte und sich bemühte, in dem dunklen Flur, der dahinter lag, etwas zu erkennen.

Als auf ihr Klopfen nicht sofort eine Reaktion erfolgte, versetzte sie dem hölzernen Rahmen einen heftigen Fußtritt. »Mach die verdammte Tür auf, du Feigling!«

Gary manövrierte seinen Rollstuhl hastig aus der Küchentür in den Flur. Das penetrante Hämmern an der Eingangstür ging ihm allmählich auf die Nerven. »Ich komme, ich komme ja schon«, rief er ärgerlich. »Immer mit der Ruhe.«

Er rollte zur Tür und beugte sich nach vorne, um den Riegel zurückzuschieben und sie einen Spaltbreit zu öffnen. Sofort wurde sie von der anderen Seite weit aufgerissen, und bei dem Anblick, der sich ihm bot, klappte ihm der Unterkiefer herunter.

»Verdammte Sch...« Er verschluckte den Rest und starrte mit aufrichtiger Bewunderung die rothaarige Frau an, die auf seiner Schwelle stand. Sam hatte Recht, sie hatte wirklich eine Haut wie Porzellan. Allerdings hatte Sam es nicht der Mühe wert befunden zu erwähnen, dass sie ziemlich groß war und eine atemberaubende Figur hatte, die selbst bei einem gesunden Mann einen sofortigen Herzstillstand herbeizuführen drohte. Die Nachmittagssonne ließ ihre Haare flammend rot aufleuchten, und sie sah ihn mit erhitzten Wangen und funkelnden grünen Augen wütend an.

»Kein Wunder, dass er hier rumgeschlichen ist, als hätte es ihm die Petersilie verhagelt«, murmelte Gary vor sich hin. Er rollte ein Stück von der Tür weg und bedeutete Catherine mit einer Handbewegung hereinzukommen. »Ich nehme an, Sie haben das Flugticket bekommen.«

»Wo ist er?« Catherine wischte sich über die Stirn und sah sich um, als würde sie damit rechnen, dass sich Sam in der nächsten Sekunde aus der Wand löste. Dann ging sie zur nächstbesten Tür, die einen Spalt offen stand, riss sie auf und brüllte Sams Namen.

Gary fuhr ihr in seinem Rollstuhl hinterher. »Er ist nicht da, Miss. Er ist los, um Zigaretten zu kaufen. Kann ich Ihnen vielleicht ein Bier anbieten?«

Zum ersten Mal sah sie ihn so an, als würde sie ihn auch wirklich wahrnehmen. Ihre Augenbrauen zogen sich über der Nasenwurzel zusammen. »Sam raucht doch gar nicht.«

»Na ja, eigentlich raucht er schon, oder er hat zumindest geraucht - bis vor ein paar Wochen. Er hat versucht, es sich abzugewöhnen, aber vor ungefähr fünfzehn Minuten hat er dann beschlossen, dass sich die Anstrengung nicht lohnt.«

»Ja, offensichtlich denkt er bei vielen Dingen, dass sich die Anstrengung nicht lohnt«, sagte Catherine mit einem heiteren Unterton.

»Also, da kann ich Ihnen nicht ganz zustimmen.« Bevor jedoch irgendeine Erklärung vorbringen konnte, um seinen Freund nicht ganz so schlecht dastehen zu lassen, hörte er, wie die Eingangstür quietschend aufging und und mit einem Knall wieder zufiel. Mist, das war wirklich zu dumm - es wäre ihm ganz recht gewesen, wenn er ein bisschen Zeit gehabt hätte, um den Rotschopf zu beruhigen. Er wendete seinen Rollstuhl, um seinen Freund im Flur abzufangen, aber es war bereits zu spät. Mit einem niedergeschlagenen Gesichtsausdruck und einer unangezündeten Zigarette im Mundwinkel erschien Sam in der Türöffnung. »Du hast Besuch«, war das Einzige, was Gary schnell noch zur Warnung sagen konnte.

Sam hatte Catherine jedoch bereits entdeckt und war wie vom Donner gerührt stehen geblieben. Er spürte einen schmerzhaften Stich in seinem Herzen, und gleich darauf begann es gegen seine Rippen zu hämmern. Du lieber Gott, es kam ihm vor, als seien Monate vergangen, seit er sie zuletzt gesehen hatte, und nicht nur zwei Tage. Aber jetzt stand sie vor ihm.

Das war die gute Nachricht.

Weniger gut war, dass sie offensichtlich vor Wut kochte. Verdammt, er hätte auf Gary hören sollen - das wurde ihm in diesem Augenblick klar. Er warf seinem Freund rasch einen Blick zu, um festzustellen, ob der vielleicht irgendeine Idee hatte, um ihm aus der Klemme zu helfen, in die er sich selbst manövriert hatte. Anscheinend nicht; Gary war gerade dabei, aus dem Zimmer zu rollen.

Sam richtete sich auf und beobachtete unsicher jede von Catherines Bewegungen, die quer durch den Raum auf ihn zukam. Na gut, es war also ein Fehler gewesen, das Flugticket in den Briefkasten zu werfen, ohne ihr ein paar Zeilen dazuzuschreiben. Aber jetzt war sie ja hier, und er konnte die Sache in Ordnung bringen. »Also, Catherine«, begann er in beschwichtigendem Ton.

Sie knallte ihm das Ticket, das sie derart in Rage versetzt hatte, an die Brust, reckte angriffslustig das Kinn in die Höhe und sah ihn mit diesem herrischen Oberlehrerinnen-Ausdruck an. Dabei stieß sie gegen die Zigarette, an die er überhaupt nicht mehr gedacht hatte, und schlug sie mit einer heftigen Handbewegung zur Seite. Mit geröteten Wangen blitzte sie ihn aus zusammengekniffenen Augen zornig an, und obwohl es eigentlich widersinnig war, fühlte er sich mit einem Mal sehr viel besser als zu irgendeinem Zeitpunkt während der vergangenen achtundvierzig Stunden.

»Soll ich dir sagen, was du damit machen kannst, McKade?«, fragte sie und schlug ihm noch einmal das Ticket gegen die Brust.

»Verbrennen?«

»Gute Idee. Und wenn es dann so richtig schön lodert, schlage ich vor, dass du es dir dahin schiebst, wo -«

Seine Finger wühlten sich in ihre Haare, als er mit beiden Händen ihren Kopf umfasste und ihn festhielt, um seinen Mund auf ihre Lippen zu pressen und ihr damit das Wort abzuschneiden. Catherine riss die Augen auf, packte seine Handgelenke und zerrte daran, aber er ließ sie nicht los und machte es sich zunutze, dass sie den Mund noch im Reden geöffnet hatte. Weit genug, dass seine Zunge hineingleiten konnte, und ... ja, das war es, wonach er sich die ganze Zeit gesehnt hatte. Gott, sie schmeckte so gut. Dieses Mal würde er sie nicht wieder gehen lassen.

Er küsste sie, bis sie endlich nicht mehr stocksteif dastand, sondern sich an seine Brust sinken ließ. Küsste sie, bis sie die Augen schloss und seinen Kuss mit weichen, heißen Lippen erwiderte. Ohne sich von ihr zu lösen, drückte er sie gegen die nächstbeste Wand und küsste sie immer weiter.

Schließlich gab er ihren Mund frei und bedeckte ihre Schläfe, ihre Wange, ihr Kinn, ihren Hals mit Küssen. »Es tut mir Leid«, sagte er leise, und seine Stimme klang so rau, als sei sie mit grobem Sandpapier bearbeitet worden. Er räusperte sich, klang aber immer noch ziemlich heiser, als er fortfuhr: »Mein Gott, Catherine, es tut mir furchtbar Leid - ich habe wirklich Mist gebaut. Aber es ist nun mal so, dass ich mich verantwortlich gefühlt habe, weil ich dich in diese ganze Sache mit hineingezogen habe, und ich habe mir schreckliche Sorgen gemacht - nein, ich war außer mir vor Angst -, dass Chains dir etwas antun könnte. Und das wäre einzig und allein meine Schuld gewesen.«

Sie schlug ihm gegen die Brust. »Dieses Gespräch haben wir doch schon einmal geführt. Du bist nicht für die ganze Welt verantwortlich!«

Er umschloss ihre Faust mit seiner Hand. »Ja, das weiß ich ... hier.« Er hob die Hand und tippte sich mit ihrer Faust gegen die Schläfe. Dann ließ er die Hand wieder sinken, löste ihre Finger und presste ihre flache Hand gegen seine Brust. »Aber hier bin ich noch nicht so weit, verstehst du? Manchmal bekomme ich so eine Art Tunnelblick, und dann vergesse ich, auch nach links und rechts zu schauen. Und wenn ich schließlich denke, dass ich meine Lektion begriffen habe, gerät alles wieder durcheinander, und ich verfalle wieder in die gewohnten Verhaltensweisen.« Er zog sie an sich und legte sein Kinn auf ihren Scheitel.

Sie zupfte an seinem ausgeblichenen T-Shirt herum, das er in den Hosenbund gesteckt hatte. »Du warst also nicht nur sauer, weil du nicht den alleinigen Retter in der Not spielen konntest?«

»Nein!«

»Ich weiß doch, wie sehr du es liebst, jede Situation bis ins Kleinste unter Kontrolle zu haben.«

»Ich war stolz auf dich. Du lieber Himmel« - der Laut, den er von sich gab, war eine Mischung aus Schnauben und Lachen - »ich war sogar stolz auf deine Schwester. Ihr beide seid nicht nur mit einem Mann fertig geworden, der bis an die Zähne bewaffnet war, ihr habt ihn auch gleich noch überredet, sich dem Staatsanwalt als Kronzeuge zur Verfügung zu stellen, nachdem ihr schon mal dabei wart.«

»Du hast dich aber nicht gerade so verhalten, als ob du stolz auf mich wärst«, widersprach sie. »Du hast so getan, als würde ich überhaupt nicht existieren. Bobby hat Kaylee in die Arme genommen und geküsst, und was hast du getan? Du hast mich schnell mal von oben bis unten gemustert und dann auf die Seite geschoben, damit ich dir nicht im Weg bin, während du Polizist spielst. Ich wünschte, du würdest endlich wirklich zur Polizei gehen.«

»Also weißt du«, sagte er gekränkt, »man kann auch nicht gerade behaupten, dass du dich in meine Arme geworfen hast.«

»Ja, schon, aber das war, weil...« Sie verschluckte den Rest des Satzes, und Sam stellte fest, dass ihre Haltung plötzlich wieder etwas Verspanntes bekam. Er beugte sich etwas zurück, um ihr ins Gesicht sehen zu können.

»Das war, weil was?«

»Nichts, schon gut. Und überhaupt«, sie reckte ihm ihr Kinn entgegen, »vielleicht stimmt das ja gar nicht, was du hier als Grund anführst. Vielleicht ist es in Wahrheit so, dass du mich nicht mehr gebraucht hast, nachdem du meine Schwester geschnappt hattest und dir deine bescheuerte Prämie sicher war. Du hast mich jedenfalls fallen gelassen wie eine heiße Kartoffel, das steht fest.«

Obwohl sein Verstand ihm sagte, dass das nichts weiter als ein Ablenkungsmanöver war, funktionierte es. Und zwar hervorragend. »Schwachsinn«, brüllte er und ließ Catherine los. »Du weißt ganz genau, dass das totaler Schwachsinn ist! Vielleicht bin ich nicht ganz so gut darin, in aller Öffentlichkeit mein Innerstes nach außen zu kehren, wie der tolle Bobby, aber ich hatte vor, im Flugzeug mit dir darüber zu reden. Doch dann ist irgendetwas mit der Reservierung schief gegangen, und ich hatte nicht die Gelegenheit, es zu tun, und ich schätze, dass ich, äh ... die Nerven verloren habe, verstehst du. Ich habe Schiss gekriegt. Ich habe mir Vorwürfe gemacht, dass es überhaupt zu einer solchen Situation kommen konnte, und ich war der Meinung, dass du genauso darüber denkst, und deshalb habe ich mich einfach nicht mehr getraut, dir meine Gefühle zu offenbaren.«

Catherine blickte Sam in die Augen und sah, wie er sich voller Verzweiflung mit der Hand durch die Haare fuhr. Dann atmete sie einmal tief durch und nahm all ihren Mut zusammen.

Statt ihn zu fragen, wie diese Gefühle denn genau aussahen, ging sie das bislang größte Risiko ihres Lebens ein und sagte, wie es um sie stand. »Ich liebe dich, Sam.«

»Was?« Er erstarrte mitten in der Bewegung, die Hand noch in den dunklen Haaren vergraben.

»Ich liebe dich. Das ist der Grund, warum ich mich in dem Motelzimmer nicht in deine Arme geworfen habe. Ich hatte gerade mal mir selbst eingestanden, was ich für dich empfand, und dann warst du plötzlich da - aber du hast dich so unglaublich sachlich und distanziert verhalten, und da dachte ich, du willst gar nichts davon hören.«

Langsam ließ er den Arm sinken. »O doch - ich will es hören. Ich will es unbedingt hören.« Er schluckte, und sein Adamsapfel hüpfte heftig auf und ab. »Ich habe immer wieder versucht mir einzureden, dass es nicht möglich ist, sich innerhalb einer Woche so sehr zu verlieben. Trotzdem will ich nichts lieber, als sofort mit dir zum nächstbesten Pfarrer laufen, die bestehenden Gesetze dahin gehend ändern, dass Scheidungen nicht mehr erlaubt sind, und ein Paar neue Gesetze erfinden, die dich für immer an mich binden. Red, ich habe mich so schrecklich gefühlt. Ich dachte, du würdest einfach nach Seattle zurückkehren und dein gewohntes Leben wieder aufnehmen und mich vergessen, ich war wie gelähmt. Du könntest jeden haben, den du willst - warum zum Teufel solltest du da ausgerechnet mich wollen?« Er beugte sich zu ihr hinunter, so dass ihre Gesichter auf gleicher Höhe waren. Zärtlich strich er ihr die Haare aus dem Gesicht, dann streichelte er ihr mit den Händen über die bloßen Arme. »Aber ich liebe dich, Catherine. Mein Gott, ich liebe dich so sehr.« Er nahm ihre Hand und grinste sie verlegen an. »Also, was meinst du: Sollen wir heiraten?«

»Na ja, ich weiß nicht recht.« Sie sah ihn unter gesenkten Wimpern an. »Ich habe gerade eben erfahren, dass du rauchst. Und Raucher kann ich wirklich nicht ausstehen.« Er hätte drei Schachteln am Tag rauchen können, und sie hätte ihn trotzdem auf der Stelle geheiratet, aber das musste sie ihm ja nicht unbedingt auf die Nase binden. »Ich könnte jeden haben, den ich will, wie du dich vielleicht erinnerst. Jedenfalls hast du das gesagt«, fügte sie bescheiden hinzu.

Er zog einen Mundwinkel nach oben, drückte seine Hüften gegen sie und rieb sich leicht an ihr, während seine Finger weiterhin zart ihre Arme streichelten. »Wer behauptet denn, dass ich rauche? Das ist eine unverschämte Lüge. Ich habe es mir abgewöhnt.«

»Ich habe es doch mit eigenen Augen gesehen. Du bist hier mit einer Zigarette im Mund aufgetaucht. Sie schüttelte sich. »Was für eine widerliche Angewohnheit.«

»Aber du hast sie nicht brennen sehen, oder?«

»Naja ... nein.«

»Gut, dann wäre das ja geklärt. Du und ich, wir werden heiraten. Es gibt keinen vernünftigen Grund, warum wir es nicht tun sollten.«

Sie warf den Kopf in den Nacken. »Vielleicht bin ich noch nicht bereit, eine derartige Verpflichtung einzugehen.«

»Wenn du mich dazu zwingst, kann ich auch andere Saiten aufziehen, Red.«

Sie schürzte die Lippen und gab ein kleines verächtliches Pfft von sich.

»Okay, aber sag nicht, ich hätte dich nicht gewarnt« Sam kniff die Augen zusammen. »Ich weiß, wo es wirklch große Spinnen gibt. Und ich kann ganz leicht eine finde - und zwar ... einfach so.« Er schnippte mit den Fingern vor ihrem Gesicht.

Sie blinzelte verwirrt. »Du wärst tatsächlich so gemein, meine schlimmsten Ängste auszunutzen, um deinen Willen durchzusetzen?«

Er grinste sie frech an, fuhr sich mit der Zunge über seine Zähne und wackelte ein paarmal mit den Augenbrauen

»Mein Gott. Das ist nicht zu fassen. Was bist du doch für ein abscheuliches Ungeheuer.« Sie lehnte sich an die Wand und sah ihn mit einem übertrieben entsetzten Gesichtsausdruck an, der jeder Schauspielerin Ehre gemacht hätte. Dann begann sich ihr Mund langsam zu einem anzüglichen Lächeln zu verziehen.

»Das mag ich an einem Mann.«