Epilog
Du lieber Gott, ich dachte, ich würde einen Herzinfarkt kriegen, so sehr haben wir uns beeilt, rechtzeitig hier zu sein.« Kaylee stürzte außer Atem in den Garderobenraum neben der Sakristei. »Unser Flugzeug hatte Verspätung, und dann kam das Gepäck ewig nicht. Ich hoffe, ihr musstet wegen uns nicht warten.«
»Nein, und du hast noch genug Zeit, dich umzuziehen.« Catherine drückte ihre Schwester an sich. »Ich freue mich, dass du da bist.«
»Ich mich auch. Ich wünschte, wir hätten schon ein paar Tage früher kommen können, aber die letzte Woche war völlig verrückt. Ich werde dir alles ausführlich erzählen, sobald wir ein bisschen Zeit haben.«
»Komm, ich will dir meine Brautjungfern vorstellen.« Nachdem das geschehen war, trat Catherine einen Schritt zur Seite, um die erwartete Reaktion zu genießen.
Kaylee enttäuschte sie nicht. »Ach, Cat!« Sie stemmte die Hände in die Hüften und musterte die hellgrünen Kleider, die die beiden anderen Brautjungfern von Catherine trugen. »Als du zu mir sagtest, »Vertrau mir, ich werde das perfekte Kleid für meine Ehrenbrautjungfer aussuchen, habe ich dich machen lassen - obwohl ich genau wusste, dass ich einen entsetzlichen Fehler begehe.« Die beiden Brautjungfern unterdrückten ein Lächeln, murmelten eine Entschuldigung und verließen den Raum. Kaylee drehte sich zu ihrer Schwester herum.
»Ich hätte es wissen müssen, dass deine Hochzeit eine grauenvoll schlichte Angelegenheit werden würde.«
»Ich würde sie eher als elegant bezeichnen«, erwiderte Catherine ruhig. Dann fuhr sie mit einem leicht spöttischen Unterton fort: »Auch wenn ich zugeben muss, dass sie dir im Vergleich zu der Rock-'n'-Roll-Kapelle in Las Vegas recht zahm vorkommen muss. Und natürlich werden wir von einem ganz gewöhnlichen alten Pfarrer getraut und nicht von so einem ausgeflippten Elvis-Imitator wie ihr ihn hattet.«
Bei der Erinnerung daran musste Kaylee grinsen, und ihre Augen begannen zu leuchten. »War das nicht das Tollste überhaupt?«
»Hmm«, machte Catherine und verzichtete auf einen ausführlicheren Kommentar. Schließlich erwiderte sie das Grinsen ihrer Schwester. »Aber wie dem auch sei, Kaylee, du solltest schon etwas mehr Vertrauen zu mir haben. Meinst du nicht, dass ich deinen Geschmack mittlerweile kenne?«
»Nein, wenn ich nach den braven Kleidchen urteilen soll, die da gerade aus der Tür marschiert sind.« Kaylee musterte nachdenklich das Hochzeitskleid ihrer Schwester. »Ich muss allerdings zugeben, dass du wirklich toll aussiehst. Dein Kleid könnte zwar ein klitzekleines bisschen enger sein und es würde zweifellos ein paar Perlen mehr vertragen, um dem Ganzen mehr Pfiff zu geben. Aber alles in allem, Caty, hast du eine gute Wahl getroffen. Es steht dir ausgezeichnet.«
»Ja. Ist es nicht wunderschön?« Catherine stellte sich vor den mannshohen Spiegel, um sich zu bewundern. Das lange, cremeweiße Hochzeitskleid brachte ihre Figur zur Geltung, ohne zu eng zu sitzen. Es bestand aus einem perlenbesetzten Oberteil aus Chiffon, das eine tief dekolletierte Corsage durchschimmern ließ, und einem schmal geschnittenen Rock, der sich um Taille und Hüften schmiegte und dann in weichen Falten bis zum Boden floss.
Sie sah ganz einfach bezaubernd aus.
Sie fing im Spiegel Kaylees Blick auf und zog eine Augenbraue in die Höhe. »Okay, bist du bereit für dein Kleid? Mach die Augen zu.«
»So hässlich ist es?« Dennoch tat Kaylee wie geheißen.
Catherine zog den Reißverschluss des Kleidersacks auf, der an einem Haken an der Tür hing, und nahm das Kleid ihrer Schwester heraus. Sie hielt es gegen sich und sagte: »Jetzt darfst du schauen.«
Kaylee öffnete die Augen. »Oh!« Ihr stockte der Atem. »Oh, mein Gott. OHMEINGOTT!« Sie begann sich ihre Sachen vom Leib zu reißen und ließ sie achtlos auf den Boden fallen. »Es ist wunderbar, Schwesterchen, es ist ganz wunderbar.«
»Habe ich dir nicht gesagt, dass du mir vertrauen kannst?« Sie hielt das smaragdgrüne Kleid ihrer Schwester entgegen. »Ich habe der Schneiderin gesagt, sie soll dabei an Jessica Rabbitt denken, aber sie ist noch nicht lange genug in Amerika und hat nicht verstanden, was ich meine. Deshalb habe ich sie einfach gebeten, jede Menge zusätzlicher Perlen anzunähen. Und ich habe ihr gesagt, sie soll an mir Maß nehmen und es so eng machen, dass ich mich nicht mehr bücken kann.«
»Perfekt«, hauchte Kaylee.
»Ja.« Catherine grinste, als sie sah, wie ihre Schwester das Kleid an ihre Brust drückte. »Ich dachte mir schon, dass es dir gefallt. Zieh es an. Es ist bald so weit, und ich bin gespannt, wie du darin aussiehst.«
Einige Minuten später schob Sam vor dem Altar einen Finger unter seine Fliege und zerrte daran herum. »Himmel«, sagte er. »Wann geht die Vorstellung denn endlich los?«
Der Priester hatte ihn und seine Brautführer kurz zuvor zum Altar geleitet und sie dann dort vor einer riesigen Ansammlung Fremder einfach stehen lassen.
Gary sah zu ihm hoch. »Wirst wohl langsam nervös, was?«
»Das kann man wohl sagen.«
Bobby, der immer noch an seinem Kummerbund herumfummelte, raunte ihm zu: »Atme tief durch. Sobald es richtig losgeht, wird sich deine Nervosität sofort legen.«
»Mann, so wie es hier aussieht«, sagte Gary und ließ seinen Blick durch das Kirchenschiff gleiten, »würde ich sagen, dass du einiges hast springen lassen.«
»Ja, ich vermute, es ist ganz gut, dass du dich geweigert hast, etwas von der Prämie anzunehmen. Ich hatte keine Ahnung, dass man mit demselben Betrag, den man für eine Trauung und die Hochzeitsfeier ausgibt, den Staatshaushalt eines mittelgroßen Landes finanzieren könnte. Wenn ich das gewusst hätte, hätte ich Jimmy Chains wahrscheinlich seine Goldketten abgenommen, bevor wir ihn dem FBI übergeben haben.«
»Weil wir gerade davon reden«, sagte Gary, »zu Hause waren in letzter Zeit er und Sanchez in allen Nachrichtensendungen Thema Nummer eins. Habt ihr die Berichte hier oben auch gesehen?«
»Nein. In Seattle interessiert man sich nicht sehr dafür, was in Miami passiert.« Sam zerrte erneut an seiner Fliege und hielt die Augen starr auf die Tür am Ende des Mittelgangs gerichtet.
»Kaylee muss jetzt überhaupt nicht aussagen«, fügte Bobby hinzu. »Wir haben die ganze Woche über mit dem Staatsanwalt verhandelt, und seit gestern steht es endgültig fest. Der Anwalt von Sanchez war mit einem Deal einverstanden. Uns ist ein Stein von Herzen gefallen, das kann ich euch sagen.«
Die Orgel setzte ein, aber die Tür war nach wie vor geschlossen. Sam hielt es vor Ungeduld kaum noch aus.
»Sie haben ihn zu zwanzig bis fünfundzwanzig Jahren verurteilt«, sagte Gary. »Chains ist besser weggekommen. Ihm haben sie fünfzehn bis zwanzig aufgebrummt.«
Die Tür öffnete sich, und Sam hörte auf, dem Gespräch zuzuhören. Sein Blick wanderte an den beiden Brautjungfern in Hellgrün vorbei, vorbei an Kaylee in leuchtenden Smaragdgrün, bis er auf Catherine traf. Ihr hochgestecktes Haar schimmerte in der gedämpften Deckenbeleuchtung, sie war eine Erscheinung, wie sie da in ihrem hellen Kleid blass und ernst auf ihn zukam. Er suchte ihren Blick und sah, wie ein strahlendes Lächeln auf ihrem Gesicht erschien.
Das Lächeln raubte ihm schier den Atem, und sein; Nervosität war plötzlich verflogen und an ihre Stelle trat unbändiger Stolz. Sie war klug, sie war schön, und sie war die Seine.
»Oh, Liebste«, flüsterte er, als die Orgelklänge über ihr hinwegbrandeten, und spürte, wie sich sein Mund zu einem Lächeln verzog. »Komm zu mir.«
Die Feier war in vollem Gang, als Gary seinen Rollstuhl neben den Bräutigam rollte. »Dürfte ich jetzt vielleicht mal mit der Braut tanzen?«, fragte er. Seit dem Moment, in dem Catherine durch den Mittelgang der Kirche geschritten war, war Sam ihr nicht von der Seite gewichen, und selbst jetzt gab er ein unwilliges Knurren von sich. »Ich habe ja nicht gefragt, ob ich sie küssen darf, Alter, ich will nur mit ihr tanzen.«
Catherine lachte, tätschelte Sam die Wange und schürzte ihr Kleid, um auf Garys Schoß zu klettern. Der grinste seinem Freund vergnügt zu, ließ den Rollstuhl nach hinten kippen und machte eine Kehrtwendung, dann rollte er wie der Blitz auf die Tanzfläche. Dort angekommen, kurvte er langsam am Rand entlang.
»Ich habe Sam noch niemals so glücklich gesehen«, sagte er. Er blickte in Catherines strahlendes Gesicht und sie bedachte ihn mit einem so reizenden, zufriedenen Lächeln, dass er lachen musste. »Du siehst auch recht glücklich aus.«
»Bin ich auch«, stimmte sie zu. »Es macht mich glücklich, dass er glücklich ist. Aber das hat nicht nur mit mir zu tun, Gary. Dazu trägt auch bei, dass er auf die Polizeiakademie gehen wird.« Zu ihrer größten Freude hatte sich Sam bei der Polizeiakademie beworben, kaum dass er in Seattle angekommen war.
»Ja, diese Entscheidung war schon lange überfällig. Ich freue mich, dass er zu guter Letzt doch noch die Kurve gekriegt hat.«
Catherine legte die Hand auf seinen Arm, dessen Muskeln sich unter ihren Fingerspitzen anspannten und lockerten, als Gary mit ihr in großen, gemächlichen Kreisen über die Tanzfläche rollte. »Weißt du, er vermisst dich.«
»Schenk ihm einen Hund. Er braucht einfach nur etwas, um das er sich kümmern kann.« Gary grinste sie breit an. »Oder noch besser, krieg ein Kind.« Er beobachtete sie aufmerksam, als er fortfuhr: »Andererseits ist es hier eigentlich recht nett. Ich könnte ja auch herziehen, sobald ich mit der Schulung fertig bin. Hier seid ihr beiden. Und hier ist Microsoft. Ich hätte nichts dagegen, mir in Seattle einen Job zu suchen.«
Catherine legte einen Arm um seinen Hals und lächelte ihn an. »Das würde uns sehr freuen.«
»Gib mir meine Frau zurück, Proscelli.«
Sie hoben beide die Köpfe und sahen Sam mit dem gleichen Lächeln auf dem Gesicht an, und Gary tippte sich an einen imaginären Hut. »Dein Wunsch ist mir Befehl.«
»Den Tag möchte ich erleben.« Sam half Catherine, von Garys Schoß zu klettern, und sah seinen Freund dann mit hochgezogenen Augenbrauen an. »Da drüben am Buffet steht eine gut aussehende Frau. Wenn du dich beeilst, kommst du vielleicht noch rechtzeitig.« Er sah Gary zu, wie er seinen Rollstuhl wendete und davonrollte. »Mit etwas Glück wird sie dich so beschäftigt halten, dass du keine Zeit mehr hast, dich an meine Frau ranzumachen«, fügte er leise hinzu.
Catherine legte ihren Arm um seine Taille und zog ihn an sich. »Du hast doch nicht vor, einer dieser grässlich eifersüchtigen Ehemänner zu werden, oder?«
Er zog sie in seine Arme und wiegte sich mit ihr auf der Stelle im Takt der Musik. »Nur heute. Und während unserer Flitterwochen. Danach werde ich dann gelassener.«
»Gut. Weil ich dich nämlich liebe und zwar nur dich, weißt du.«
Er sah in ihre strahlenden Augen, hob die Hand und fuhr ihr mit den Fingern zärtlich über die zart gerötete Wange. »Ja, ich weiß. Und ich bin ganz verrückt vor Liebe zu dir, Red. Ich werde dir jetzt mal was sagen.« Er winkte Kaylee und Bobby zu, die an ihnen vorbeitanzten, und wandte seine Aufmerksamkeit dann wieder seiner Braut zu. »Nach den Flitterwochen können die anderen Kerle schauen, so viel sie wollen. Falls natürlich einer versuchen sollte, dich anzufassen« - er ließ seine Hände besitzergreifend über ihren Hintern gleiten, rieb sein Becken an ihr und stockte einen Moment, um scharf den Atem einzuziehen, als sie seiner Bewegung im gleichen Rhythmus folgte - »dann, fürchte ich, muss ich ziemlich unangenehm werden.«