Warum immer ich?
Sie! Ja genau, Sie meinen wir! Sie brauchen es garantiert nicht!
Mangelnde Spontaneität ist ein Thema, das nicht
nur Kaninchen auf der Landstraße kennen. Jeder Mensch war schon
einmal in einer Situation, in der er gerne spontaner reagiert hätte
- das passiert nicht nur bei unseren Vorträgen.
Bei Ihnen ist alles im grünen Bereich und es
besteht kein Veränderungsbedarf? Schon klar. Alle anderen haben es
nötig. Sie lesen dieses Buch, weil Sie es geschenkt bekommen haben
oder das Cover schön fanden: »Nö, bei mir ist alles in Ordnung. Ich
brauche keine Veränderung. Ich bin spontan.«
Geht klar! Dann wollen wir Sie nicht weiter stören.
Auf diese Weise haben Sie jetzt schon das nächste
Weihnachtsgeschenk, das Sie einem Spontaneitäts-Bedürftigen machen
können.
Wir haben mal vorsorglich herumgefragt und in
unseren eigenen Erinnerungen nach Situationen gekramt, in denen
Menschen gerne spontaner wären. Hier ein paar Szenarien:
Es ist Montag, 9 Uhr morgens. Sie arbeiten in einer
Grafikagentur. Heute steht eine wichtige Präsentation an. Sie haben
das gesamte Verpackungsmaterial einer Molkerei zu gestalten und
wollen dem neuen Kunden Ihre großartigen Ideen präsentieren. Sie
haben alles gecheckt, das Wochenende durchgearbeitet, Ihre
Präsentation ist gut. Insgesamt sind zwölf Personen anwesend, neben
den Mitarbeitern der Molkerei auch
Ihr Chef und einige Ihrer Kollegen. Gerade hat Sie Ihr Chef mit
den schönsten Worten vorgestellt. Als Sie anfangen zu sprechen,
stürzt plötzlich der Computer ab. Er macht keinen Mucks mehr. Kein
Back-up. Ihr Kopf leuchtet wie ein Signalfeuer, und Sie spüren Ihre
Achselhöhlen. Bevor ein Techniker den Schaden beheben könnte, wären
die für Ihre Präsentation angesetzten 15 Minuten schon vorbei. Nun
heißt es, spontan Alternativen aus dem Hut zaubern …
Sie haben ein zweijähriges Kind. Jeden Morgen sind
Sie ein Organisationswunder. Auch heute stehen Sie tatsächlich
wieder pünktlich um 8.30 Uhr vor dem Kindergarten. Schließlich
haben Sie um 9 Uhr ein Vorstellungsgespräch für eine gut bezahlte,
inhaltlich interessante Halbtagsstelle. Dass Sie überhaupt zu
diesem Gespräch eingeladen wurden, gleicht schon fast einem Sechser
im Lotto. Sie stehen vor der Tür und lesen den Aushang auf
neongelbem Papier: »Der Kindergarten ist heute wegen Krankheit
geschlossen.«
Sie sind seit drei Jahren Single. Von Speed-Dating
bis Internet-Kontaktbörsen haben Sie alles erfolglos ausprobiert.
Über Facebook finden Sie eine alte Schulfreundin wieder, Sie
mailen, telefonieren, die Chemie stimmt. Sie laden Ihre frühere
Freundin zum Essen ein und geben alles: Sie reservieren einen Tisch
im besten und teuersten Restaurant der Stadt. Alles läuft perfekt.
Ein Traumdate. Gerade hat sie noch geschwärmt, dass es kaum mehr
Kavaliere der alten Schule gibt. Sie wollen bezahlen und merken,
dass Sie Ihr Geld vergessen haben …
Ihr neuer Freund möchte Sie seiner Familie
vorstellen, und Sie sind zum Grillen bei den potenziellen
Schwiegereltern eingeladen. Ein tolles Haus mit Swimmingpool. Man
feiert in einem Garten, der so groß ist, dass er sicherlich von
einem Gärtner gepflegt wird. Sie stehen mit den etwas konservativen
Eltern und den Geschwistern Ihres neuen Freundes zusammen. Ein
Wort gibt das andere, und Sie beschließen, dass es jetzt an der
Zeit sei, Ihren großartigen, aber leicht anzüglichen Lieblingswitz
zu erzählen. Bisher kamen Sie damit immer gut an. Während Sie
selber noch über Ihren Witz lachen, starren Ihnen fünf Augenpaare
fragend entgegen …
Klassentreffen, zehn Jahre nach dem Abschluss
treffen Sie eine alte Schulfreundin wieder, das Mädchen, in das
alle verliebt waren, schlank, lustig, sportlich. Der weibliche Star
der 9a. Ist sie schwanger? Voller Freude gratulieren Sie ihr zu
diesem bevorstehenden freudigen Ereignis. Doch sie ist gar nicht
schwanger …
Endlich haben Sie es geschafft, Ihre Frau zu
überzeugen, dass Zelturlaube eine tolle Sache sind. Sie liebt
nämlich Club-Urlaube, in denen alles organisiert ist. Sie
versprechen ihr, dass sie sich um nichts kümmern muss. Auf der
verträumten einsamen griechischen Insel stellen Sie fest, dass Sie
die entscheidende Zeltstange wohl doch nicht eingepackt haben
…
Ein Kunde, den Sie schon lang gewinnen möchten,
ruft Sie an und bittet um einen Termin. Das Treffen kommt zu
Stande. Sie waren sich sicher, dass der Kunde an Produkt A
interessiert ist, und haben sich darauf vorbereitet. Der Kunden
fragt jedoch nach Details zu Produkt B. Black-out. Ihr Kopf ist wie
leer gefegt, und je mehr Sie versuchen, sich zu erinnern, welche
passenden Eigenschaften Produkt B hatte, desto leerer scheint Ihr
Kopf zu werden …
Sie sitzen in der Bahn und sehen, wie eine Mutter
sich beim Einsteigen mit Kinderwagen und Kleinkind an der Hand und
diversen Taschen abquält. Sie sitzen bequem und denken: Da müsste
doch mal jemand mit anfassen … Doch Sie bleiben
sitzen und schauen sich das Schauspiel aus der Ferne an. Den Rest
des Tages plagt Sie ein schlechtes Gewissen …
Sie trauen sich. Endlich wagen Sie es, die Frisur,
die Sie nun schon seit fünf Jahren tragen, zu ändern. Die Haare
sollen ab, ein neuer ganz anderer Schnitt muss her. Als Sie vom
Friseur nach Hause kommen, begrüßt Sie Ihr Partner mit den Worten:
a) »Tolle neue Mütze!« b) »Was macht eigentlich dein Friseur von
Beruf?« c) Ihr Partner merkt gar nicht, dass Sie eine neue Frisur
haben …
Ihre Ehe ist der Ihrer Eltern verdammt ähnlich. Und
Sie haben sich geschworen, dass IHNEN das nie passieren wird
…
Sie dürfen die Beispiele gerne um eigene erweitern.
In allen geht es darum, dem Unerwarteten zu begegnen und spontane
Lösungen für ein Problem zu finden. Sie möchten aus solchen
Situationen mit einem positiven Gefühl herausgehen. Das kann
bedeuten, dass Sie selbst weniger unzufrieden mit sich sind,
indem Sie aufstehen und der Mutter mit ihrem Kinderwagen helfen
oder an Ihrer Ehe etwas verändern. Sie wollen kreativer sein
und schnell eine Lösung für den ausgefallenen Computer bei der
Präsentation finden oder für die vergessene Zeltstange aus dem
Ärmel schütteln. Sie möchten auf verbale Angriffe
schlagfertig reagieren, zum Beispiel nach einem
Friseurbesuch. Und wenn der Kindergarten geschlossen hat oder Sie
das Geld vergessen haben, um die Rechnung fürs Abendessen zu
begleichen, wollen Sie flexibel und lässig
reagieren.
Kurz: Sie wünschen sich, in schwierigen Situationen
spontaner zu sein.
Spontaneität lässt sich trainieren, und wir möchten
Ihnen zeigen, wie das geht. Die gerade aufgeführten Beispiele
werden Ihnen dann keine Angst mehr machen, sondern zu
Trainingssituationen, die Sie regelrecht herbeisehnen.
Zum Glück begegnet man King Kong eher selten. Sie
müssen in der Regel auch nicht die Welt retten. Spontaneität wird
in vielen alltäglichen Situationen von Ihnen verlangt, so dass Sie
gar nicht merken, wann Sie bereits spontan sind und wo Sie ohne
Risiko trainieren können. Und wer weiß, vielleicht kommt doch
irgendwann King Kong um die Ecke und Sie kontern mit einem lässigen
»Hab ich’s doch gewusst!«.
Bei welchen Gelegenheiten möchten Sie gern
spontaner sein? Was fällt Ihnen spontan (!) ein?
Gut, Sie sind schon spontan. Dann schreiben Sie
doch bitte mal eine »Spontaneitäts-Wunschliste« für jemanden, den
sie sehr, sehr, sehr gut kennen und der Ihrer Meinung nach ein
bisschen mehr Spontaneität vertragen könnte. Für den Fall, dass
Ihnen spontan nichts einfällt, orientieren Sie sich einfach an der
nachfolgenden Musterliste.
Spontaneitäts-Wunschliste

1. Ich möchte Situationen meistern, in denen
Spontaneität von mir verlangt wird.
2. Ich will mich verändern, so dass mir spontane
Situationen keine Angst mehr machen.
3. Ich will meine eigene Spontaneität
wiederentdecken.
4. Folgende verrückte Ideen wollte ich schon
immer mal in die Tat umsetzen: (z. B. zum Flughafen fahren, den
günstigsten Last-Minute-Flug buchen und sofort starten)
5. Ich werde eine der oben genannten Ideen in den
nächsten zwei Monaten Realität werden lassen.
6. Wann wünschen sich andere von mir, dass ich
mal spontaner bin?


Das Ja-Buch
Ach ja, noch etwas, bevor es richtig losgeht:
Damit Sie alles, was Ihnen ab jetzt passiert, festhalten können,
möchten wir das sogenannte Ja-Buch einführen. Dieses Buch soll Sie
in Ihrem spontanen Leben begleiten. Verwenden Sie es für die
nachfolgenden Übungen und immer, wenn wir Sie dazu auffordern. Als
Ja-Buch eignet sich ein einfaches Notizbuch, suchen Sie aus, was
immer Ihnen gefällt. Freuen Sie sich, wenn Sie das Buch in einigen
Monaten wieder in die Hand nehmen und eine Zeitreise zu den
Anfängen Ihres Spontaneitätstrainings unternehmen.
Der Turbolader fürs Leben
Schauen Sie sich unsere Listen von 1998 an - so
groß sind die Unterschiede zu Ihren Wünschen vermutlich gar nicht.
Sogar die einfachsten Dinge haben mit Spontaneität zu tun. Wir
beide hatten damals noch keine Ahnung, wie wir mehr Spontaneität in
unser Leben bringen. Unsere gemeinsame Leidenschaft und unser Hobby
war das Theaterspielen, wir haben uns sogar bei einem gemeinsamen
Auftritt auf der Bühne eines Improvisationstheaters kennen
gelernt.
Improvisationstheater ist eine Theaterform, bei der
es keine vorgefertigten Texte gibt und das Publikum über den
Verlauf des Geschehens mit entscheiden kann. Jeder Schauspieler
muss spontan agieren. Auf der Bühne kommt es zu unerwarteten
Situationen, die spielerisch zu bewältigen sind. Während die
meisten
Menschen im Alltag versuchen, allem Unerwarteten aus dem Weg zu
gehen, begeben sich Impro-Schauspieler auf der Bühne zur Freude des
Publikums immer wieder mit Absicht in unerwartete Situationen. Das
Fernsehen hat diese Theaterform als Comedy-Programm unter dem Namen
»Schillerstraße« umgesetzt. Wir haben schon damals gespürt, dass
hinter dem Prinzip Spontaneität mehr steckt als Futter für eine
Comedy-Serie.
Heute wissen wir beide nicht mehr, ob wir zuerst
auf der Bühne oder im alltäglichen Leben spontan waren. Das eine
ist nicht mehr klar vom anderen zu trennen. Wir wissen aber, dass
Spontaneität unser Leben bereichert hat - und zwar in allen
möglichen Lebenslagen. Was wir bis dahin als Zufälle ansahen, gibt
es für uns nicht mehr. Zufall ist nichts, worauf wir keinen
Einfluss haben. Der Zufall gibt eine Situation vor, wir reagieren
darauf und machen ihn zu unserer Chance. Der Zufall ist eine
Herausforderung für unsere Spontaneität und bietet uns eine
Trainingsplattform. In vielen Situationen denken wir heute nur:
Einfach mal machen. »Trial and Error«, »Versuch und Irrtum« - wir
haben ja unsere Spontaneität im Gepäck. Immer wenn irgendetwas
nicht so läuft, wie es laufen sollte, haben wir das Unerwartete
schon erwartet. Nach dem Motto: Alles, was kommt, ist gut, auch
wenn nicht immer vorhersehbar ist, wofür. Wir sagen zu ganz vielen
Situationen erst einmal »Ja«. Eigene und fremde Fehler lassen wir
zu und versuchen dabei, im Moment zu sein, also nicht zu viel zu
planen. Im Moment zu sein ist gar nicht so leicht angesichts
andauernd vibrierender Handys, eingehender Twitter-Nachrichten,
Facebook-Meldungen und E-Mails. Unser Kalender gibt uns vor, wann
wir wo sein müssen, und lässt dabei wenig Raum für
Unvorhergesehenes. Kinofilme wollen gesehen, Züge müssen erreicht
und Projektarbeiten pünktlich abgegeben
werden. Ganz abgesehen von all den Sorgen und Nöten, die einem so
den ganzen Tag im Kopf umherspuken.
Der Trick ist, mit dem Unerwarteten spielerisch
umzugehen. Wir genießen die Möglichkeit, in jedem Moment des
Alltags spontan sein zu können. Und das kann jeder! Sie haben ab
jetzt eine Mission: Wir möchten Sie auf die gute Seite der Macht
holen.
Yoda, Jedi-Ritter
Noch einmal fürs Protokoll: Spontaneität ist
unsere Grundhaltung, eine Lebensphilosophie, die wir mit Ihnen
teilen wollen. Spontaneität bedeutet nicht, lustige Sätze auswendig
zu lernen und bei Bedarf wie ein Gedicht aufzusagen. Wir hatten
schon in der Schule keine Lust, Gedichte auswendig zu lernen. Es
bedeutet auch nicht, in jedem Moment Ihres Lebens und an jeder Ecke
eine total lustige Show abzuziehen. Spontaneität ist eine
Lebenseinstellung, die Ihnen die Lässigkeit und die Sicherheit
garantiert, vom Plan abzuweichen, auf Ihr Bauchgefühl zu vertrauen,
schlagfertig zu reagieren und improvisieren zu können. Dabei kann
es zu lustigen Situationen kommen, muss aber nicht.
Hinter einer spontanen Lebenseinstellung steckt
viel mehr, als lässig auf etwas Unerwartetes zu reagieren. Sie
ermöglicht es Ihnen, Ihre selbst gesetzten Ziele zu erreichen und
Chancen, die bislang unbemerkt an Ihnen vorbeigezogen sind, zu
ergreifen und zu nutzen.

Wenn Sie sich bislang wie ein Ball fühlten, der auf
den Wellen des Lebens hin und her getrieben wird, können Sie ab
jetzt selber surfen. Tun Sie es!
Yoda, Jedi-Ritter
Spontan etwas Unvorhergesehenes, Verrücktes tun -
genau das ist der spielerische Ansatz, der Ihnen auch in
schwierigen Situationen weiterhilft. Nehmen Sie »verrückt sein«
wörtlich. Wenn Ihnen Ihre Wohnung zu langweilig vorkommt, verrücken
Sie Ihre Möbel. Wenn Sie sich zu wenig spontan finden, dann
verrücken Sie Ihr Leben.
Sie werden zu einem Teil des Unvorhergesehenen. Sie
reagieren nicht nur lässig auf Unerwartetes, Sie werden auch selbst
aktiv. Statt nur zu reagieren, agieren Sie und übernehmen
Verantwortung für Ihr Handeln. Hinter dem Wunsch nach Spontaneität
steckt oftmals auch die Sehnsucht danach, verrückte oder freche
Dinge zu tun, die Sie sich in Ihrem geplanten, organisierten,
quadratischen Leben nicht trauen: Spontan eine Überraschungsparty
für Ihren besten Freund zu organisieren; jemandem spontan, auch
wenn er nicht Geburtstag hat, eine Freude zu machen; Ihrem Chef zu
widersprechen; auf der Straße zu tanzen; übers Wochenende nach
Paris zu fliegen; Ihren Traum zu leben. Wir haben Angst, dass das
Unerwartete unsere Lebenspläne durcheinanderwirbelt, dabei führen
gerade solche spontanen Entscheidungen unser Leben einen Schritt
weiter in die Richtung unserer eigentlichen Ziele. Und wer weiß,
manchmal entstehen neue Ziele, die sich schneller nähern, als man
denken kann.
Erwarten Sie von uns keine Patentlösungen für
Standardsituationen. Denn so etwas gibt es in der spontanen Welt
nicht. Wir geben Ihnen keine Gebrauchsanweisung und keinen
Inbusschlüssel für Ihr Leben an die Hand. Wir sind nicht
Spontan-IKEA. Wie soll das denn auch gehen? Wir kennen Ihr Leben ja
gar nicht. Auch ohne Inbusschlüssel werden Sie spontan reagieren
können. Schauen Sie auf Ihre Spontaneitäts-Wunschliste und
entscheiden Sie am Ende der Lektüre, ob und wie Sie Ihren eigenen
Wünschen einige Schritte nähergekommen sind. (Ach nee, die Liste
haben Sie ja gar nicht geschrieben … Und das Ja-Buch, haben Sie das
wenigsten angelegt? Dann wird’s aber Zeit, sonst können Sie dieses
Buch auch gleich weglegen und zu IKEA fahren.)
Spontaneität muss man erleben und entdecken. Nehmen
Sie allen Mut und vor allem Ihre Lust zusammen und verlassen Sie
Ihre eingefahrenen Wege. Entdecken Sie Ihre eigene Spontaneität.
Sie werden Selbstvertrauen brauchen. Da Sie mit uns aber in
Bereichen trainieren, in denen Sie in der Regel bereits auf sich
selbst vertrauen können, wird sich Ihr Selbstvertrauen eher noch
vergrößern. Dennoch macht es Ihnen vielleicht Angst, aber es wird
auch aufregend, überraschend und lustig. Kurzum: Sie werden sich
fühlen wie frischverliebt, mit allen Vor- und Nachteilen. Schalten
Sie diesen Turbolader für Ihr Leben an!
Wir zeigen Ihnen, dass sie bereits spontan sind und
wie Sie genau an Ihrem eigenen Spontaneitätspotenzial ansetzen
können, um es auszubauen. Dafür werden wir Ihnen immer wieder
Geschichten erzählen und Übungen vorstellen, bei denen Sie
vielleicht denken: Was soll das? Was bringt mir das jetzt für mein
spontanes Handeln? Und wenn Sie genau das denken, sind es die
richtigen Übungen für Sie. Diese Übungen
kommen unerwartet und spontan um die Ecke und verheißen neue,
unerwartete Erlebnisse. Sie werden Dinge machen, die Sie so noch
nicht gemacht haben und danach vielleicht auch nie mehr machen
wollen. Aber immerhin, Sie haben es gemacht. Sie werden sich daran
gewöhnen, Dinge zu tun, die Sie noch nie getan haben. Dabei werden
Sie auch Fehler machen, vor denen Sie dann keine Angst mehr haben,
denn wir alle wissen: Fehler passieren, doch Sie werden immer die
Kontrolle über Ihr spontanes Handeln behalten. Bei allen Übungen
entscheiden Sie selbst, was und wann Sie es tun. Sie erweitern Ihr
Handlungsrepertoire, damit Sie auch in Situationen, die Sie
scheinbar nicht kontrollieren können, den Turbolader Spontaneität
lässig dazuschalten können.
Unerwartete Situationen machen Angst, und Angst
lähmt. Mit einer spontanen Lebenseinstellung werden unerwartete
Situationen ein sicherer Raum, in dem Handeln wieder möglich ist.
Sie werden sich daran gewöhnen, sich in unerwartete Situationen zu
begeben.

Verlassen Sie Ihre Anti-Spontaneitätswege in
kleinen Schritten. Erwarten Sie mit uns zusammen das Unerwartete.
Nehmen Sie das Steuer in die Hand. Bleiben Sie nicht wie das
Kaninchen mit Kaninchen-Feeling vor dem Porsche auf der Landstraße
sitzen, um darauf
zu warten, überfahren zu werden. Wagen Sie den
Sprung. Ob Sie nach rechts oder links springen, ist egal.
Hauptsache, Sie entscheiden sich zu springen.
John Lennon
Was ist was? Spontaneität, Improvisation, Schlagfertigkeit
Schauen wir uns mal den Bauplan für diesen
Turbolader an. Was ist eigentlich Spontaneität?
Der Chef einer befreundeten Agentur kam auf uns zu
und schlug vor, einen Vortrag zum Thema Spontaneität und
Schlagfertigkeit auf die Bühne zu bringen. Wie reagiere ich, wenn
ich in einem Meeting sitze, und mein Vorgesetzter oder ein Kollege
wirft mir einen blöden Spruch an den Kopf? Wie hol ich mich aus der
Klemme, wenn ich irgendwo mit dem Auto feststecke und zu einem
Termin muss? Unser Gesprächspartner hatte schon einige unserer
Shows gesehen, er begleitete unsere Arbeit seit Längerem und war
immer wieder aufs Neue begeistert: »Ihr seid doch
Impro-Schauspieler, euch fällt doch immer eine Lösung ein.« Gesagt
- getan, wir entwickelten also unseren ersten Vortrag mit dem Titel
»Business Impro - Überzeugen ›frei Schnauze‹« und legten den
Grundstein für das »Was ist Was« unserer Lebenseinstellung. Neben
Spontaneität tauchten auch immer die Begriffe »Schlagfertigkeit«
und »Improvisation« auf. Alle drei Begriffe sind wichtig, man muss
sie nur richtig zueinander in Verbindung setzen und herausfinden,
welches Problem sich womit lösen lässt. Wir haben gelernt, wann es
ratsam ist, mit dem einen oder dem anderen zu arbeiten, wann es
überhaupt ratsam ist, egal was davon einzusetzen bzw. wann es sogar
zu einem negativen Bumerang werden kann. Dabei hat sich
herausgestellt, dass Schlagfertigkeit und Improvisation immer
Spontaneität voraussetzen. Spontaneität ist sozusagen die Wurzel,
aus der Schlagfertigkeit und Improvisation entstehen können.
Improvisation ist, wenn niemand die Vorbereitung merkt
»Da müssen wir jetzt improvisieren.«
»Da haben Sie doch improvisiert.«
»Ach, in meinem Job bin ich dauernd am
Improvisieren.«
Wie oft hören wir diese Sätze von Kollegen,
Freunden, Nachbarn oder von unserem Partner. Oft sind sie abfällig
gemeint. Dabei kann man Improvisation aus verschiedenen
Blickwinkeln betrachten. Probieren Sie es mal aus. Sprechen Sie den
folgenden Text mal entsprechend der Regieanweisung, als wären Sie
ein großer Hollywoodstar oder ein gefeierter
Shakespeare-Darsteller.
Sie sind der Vorgesetzte und betreten das Büro
Ihres Mitarbeiters.
Version 1
Der Vorgesetzte (begeistert, euphorisch
lächelnd; er nickt, während er Herrn Schneider auf die Schulter
klopft): »Herr Schneider, da haben Sie aber hervorragend
improvisiert.«
Version 2
Der Vorgesetzte (leicht ironisch, abschätzender
Blick; er schüttelt den Kopf und zieht eine Augenbraue hoch,
während er schwer atmet): »Herr Schneider, da haben Sie aber
hervorragend improvisiert.«
Ein und derselbe Satz kann Spaß machen und als
Kompliment zu verstehen sein, er kann aber auch negativ wirken,
wird er mit einem vorwurfsvollen, leicht ironischen Unterton
gesprochen. Herr Schneider, da haben Sie aber hervorragend
improvisiert.
Die gleichen Worte, aber eine gänzlich andere Bedeutung.
»Improvisation« ist kein Schimpfwort, sondern ein Qualitätsmerkmal.
Verwenden Sie es entsprechend.
In der deutschen Sprache ist Improvisieren meist
gleichbedeutend mit »schlecht vorbereitet«, planlos, aus dem Ärmel
geschüttelt. »Ach Ihr macht Improvisationstheater, da muss man ja
keinen Text lernen, das kann ich auch …« Dabei ermöglicht erst
Improvisation, aus den vorhandenen Mitteln das Optimale
herauszuholen:
Ihr Auto bleibt auf dem Weg zur Arbeit stehen.
Keilriemen gerissen. Wie kommen Sie trotzdem pünktlich? Sie müssen
improvisieren. Sie leihen sich die Nylonstrümpfe einer Dame, die
gerade vorbeikommt, und basten sich daraus einen neuen
Keilriemen.
Ihnen fehlt beim Kochen für Ihre Liebste - es ist
Ihr fünfjähriges Jubiläum - eine Zutat. Sie müssen improvisieren.
Sie steigen in den Garten Ihres Nachbarn, bedienen sich an seinem
Kräuterbeet und erfinden ein neues, unglaublich leckeres
Rezept.
Sie sind in einer Berghütte eingesperrt, eine Bombe
tickt neben Ihnen und 20 Gangster stehen schwer bewaffnet um die
Hütte herum. Sie müssen improvisieren. Sie sind MacGyver, unser
Fernsehidol in Sachen praktisches Improvisieren. MacGyver
verwendete immer genau das, was er vor Ort vorfand, um ein Problem
zu lösen. Er entschärfte die besagte Bombe mit einer Büroklammer,
lenkte die Gangster mit einer leeren Big-Mac-Schachtel ab, entkam
mit einem Drachen aus gelben Säcken aus der Hütte und schickte der
Polizei den Standort der Bande per Brieftaube.
MacGyver hatte zwei Utensilien immer am Mann: ein
Schweizer Armeemesser und Klebeband. Außerdem konnte
er auf ein Physikstudium, seinen gesunden Menschenverstand, den
Glauben an das Gute im Menschen und letztendlich auf seine
Improvisationsfähigkeiten zurückgreifen. Er war mit all seinen
Fähigkeiten und Talenten perfekt auf ungeplante Situationen
vorbereitet. Seine Erfolge basierten auf vorhandenen
Grundfertigkeiten, die er variieren konnte.
Mark Twain
Improvisieren ist eine Kunst. Schauen Sie sich
Jazzer, Köche und Impro-Schauspieler an - oder eben MacGyver. Ihr
Geheimnis ist, dass sie sich auf ihre Grundfertigkeiten
verlassen.
Jazzer beherrschen ihr Instrument perfekt. Köche,
die aus nichts das feinste Gericht zaubern, verstehen ihr Handwerk,
Impro-Schauspieler erwecken innerhalb von Sekunden ohne Kostüme und
Bühnenbild Figuren und Geschichten auf der Bühne zum Leben. Dabei
lassen sie sich von ihren eigenen spontanen Ideen leiten, wenn sie
die Vorschläge des Publikums ohne Wenn und Aber in die Geschichten
einbauen. Kein Moment ist wiederholbar und kein Moment ist
planbar.
Wenn Sie noch nie eine Klarinette gespielt,
geschweige denn berührt haben, dann wird es Ihnen beim besten
Willen nicht gelingen, ein Jazz-Solo zu improvisieren. Wenn Sie
nicht wissen, wie man Kartoffeln kocht, werden Sie kaum eine gute
Mahlzeit zaubern. Wenn Sie noch nie auf einer Bühne gestanden
haben, werden Sie nicht ohne Weiteres die Wünsche Ihres Publikums
spontan in eine Spielsituation umsetzen können. Um Improvisieren zu
können, muss man also
in dem jeweiligen Bereich zumindest die Grundlagen beherrschen. Je
sicherer Sie sich fühlen, desto besser und großartiger können Sie
improvisieren.
François Truffaut
Jetzt sagen Sie vielleicht: »Ich möchte aber
gerade improvisieren, wenn ich nicht vorbereitet bin.« Kein
Problem, solange Sie in den Bereichen loslegen, in denen Sie sich
gut auskennen. Dann wird man Sie vermutlich für Ihre
Improvisationsfähigkeit bewundern. In Bereichen, in denen Sie nicht
so versiert sind, sollten Sie sich erst mal vorbereiten, um nicht
für Ihre Improvisation traurig belächelt zu werden.
Die meisten Menschen improvisieren auch dann nicht,
wenn sie es könnten, denn es fehlt ihnen das grundlegende Vertrauen
in die eigenen Fähigkeiten. Dabei sind sie innerhalb ihres
Fachgebietes automatisch immer vorbereitet. Als Tischler sind Sie
in der Lage, innerhalb Ihres Fachgebietes hervorragend zu
improvisieren und beispielsweise aus den einfachsten Mitteln einen
Tisch zu bauen. Sie müssen auch nicht plötzlich einen Vortrag über
Quantenphysik vor der Nobelpreiskommission in Stockholm halten,
wenn Sie noch nie von Quantenphysik gehört haben. Und
wahrscheinlich sitzen Sie auch nie im Cockpit einer Boeing 747,
30.000 Fuß über dem Atlantik, während ein schrecklicher Sturm tobt,
wenn Sie noch nie ein Flugzeug geflogen haben. Und wenn doch, dann
hoffen wir, dass wir nicht an Bord sitzen.
Halten wir noch einmal fest: Wenn Sie improvisieren
müssen, dann meistens in Bereichen, in denen Sie sich auch
auskennen.
Improvisation schafft aus den vorhandenen Möglichkeiten die
bestmögliche Lösung. Auch wenn diese auf den ersten Blick sehr
unkonventionell aussieht. Improvisation ist die Fähigkeit, auf
unkonventionellen Wegen ans Ziel zu kommen.
Asche auf unser Haupt
April 2010. In Island, 3.600 Kilometer von
Deutschland entfernt, bricht ein Vulkan aus. Der Flugverkehr in
Europa bleibt fünf Tage lang komplett eingestellt. 150.000 Flüge
werden ersatzlos gestrichen. Und auf einmal ist überall in den
Medien das Wort »Improvisation« zu hören und zu lesen. Wir fühlen
uns bestätigt in unseren Ideen. Die Wirklichkeit hat uns eingeholt.
Menschen müssen ihre eingefahrenen Anti-Spontaneitäts-Flugwege
verlassen und beginnen zu improvisieren. Es bilden sich in ganz
Europa Fahrgemeinschaften zwischen wildfremden Menschen. Prominente
wie John Cleese, die es sich leisten können, lassen sich mit dem
Taxi von Oslo nach Brüssel chauffieren. Die Bundeskanzlerin Angela
Merkel fährt mit dem Bus von Rom nach Berlin. Fazit: Wenn wir
improvisieren müssen, dann klappt es trotzdem.
Um zu improvisieren, müssen Sie den MacGyver in
sich wecken. Das Prinzip dahinter: Arbeiten Sie mit den vorhandenen
Mitteln, Ihrem Kopf, Ihren Händen, Ihren Fähigkeiten und allem, was
Sie unter den gegebenen Umständen vorfinden.
Schlagfertigkeit: »Immer mitten in die Fresse rein …«
»Du hast mich so oft angespuckt,
geschlagen und getreten.
Das war nicht sehr nett von dir.
Ich hatte nie darum gebeten.
Deine Freunde haben applaudiert.
Sie fanden es ganz toll,
wenn du mich vermöbelt hast.
Doch jetzt ist das Maß voll.
Gewalt erzeugt Gegengewalt -
hat man dir das nicht erklärt?«
Die Ärzte, Schunder-Song
geschlagen und getreten.
Das war nicht sehr nett von dir.
Ich hatte nie darum gebeten.
Deine Freunde haben applaudiert.
Sie fanden es ganz toll,
wenn du mich vermöbelt hast.
Doch jetzt ist das Maß voll.
Gewalt erzeugt Gegengewalt -
hat man dir das nicht erklärt?«
Die Ärzte, Schunder-Song
Zwei Männer treffen sich auf einem Kongress.
Einer, der etwas dickere, trägt einen grauen Anzug. Der andere Mann
ist schlank, trägt einen auffälligen Anzug mit rosa Nadelstreifen,
ein dazu passendes Hemd und eine rosa Krawatte, sehr
unkonventionell und jenseits des grauen Einheitslooks. Es ist 8.30
Uhr morgens, und beide Herren haben sich erst gestern kennen
gelernt.
Dicker Mann: | »Guten Morgen.« |
Modischer Mann: | »Guten Morgen.« |
Dicker Mann: | »Sagen Sie mal, gibt es Ihren Anzug eigentlich auch für Männer?« |
Modischer Mann: | »Ja, aber nicht in Ihrer Größe.« |
So einen kurzen Schlagabtausch am Morgen braucht
man so dringend wie eine dritte Schulter. Mitten in die Fresse
rein. Am besten noch ohne Frühstück. Und Sie werden es sich
schon denken: Es ist uns genau so passiert, auf der Bühne, bei
einer Moderation im kleinen Kreis. Ein etwas korpulenter Mann, der
in der ersten Reihe saß, begrüßte Ralf vor versammelter Mannschaft
mit diesem Satz. Morgens um halb neun. Es gab nach beiden Sätzen
ziemlich viel Gelächter. Nach dem zweiten noch mehr. Willkommen in
der Welt der Schlagfertigkeit.
Schlagfertigkeit ist eine verbale Technik, die man
sich durch assoziatives Denken und durch eine spontane Grundhaltung
aneignen kann. Assoziativ denken bedeutet, Dinge miteinander zu
verbinden, die scheinbar nichts miteinander zu tun haben. Also das
gleiche Prinzip wie bei der Improvisation, nur verbal. Menschen,
die schlagfertig sind, gelten in der Regel als witzig und spontan.
Wie der Name es schon sagt, ist Schlagfertigkeit eine aggressive
Methode, um einen verbalen Angriff oder eine Beleidigung zu
parieren oder auch gezielt zurückzuschlagen. Nach dem Motto: Ich
kann schlagen und beherrsche diese Fertigkeit.
Einen hab ich noch …
Zahlreiche Bücher oder Seminare versprechen, dass
sich Schlagfertigkeit erlernen lässt, indem man hilfreiche
Antwortsätze auswendig lernt und immer wiederkehrende
Standardsituationen durchspielt. Das ist sicher eine geeignete
Möglichkeit, um ein erstes verbales »Stoppschild« in solchen
Situationen zu setzen. Aber was machen Sie, wenn Ihr Gegenüber das
gleiche Buch gelesen hat? Gleichstand. Stillstand.
Kaninchenfeeling. Oder Bumerang. Dann endet der verbale
Schlagabtausch womöglich in einem körperlichen, weil keiner
nachgibt.
Kommen wir noch einmal zu unserem Dialog zwischen
den beiden Herren zurück und spielen wir ihn bis zum bitteren Ende
durch. Was würde passieren, wenn keiner der beiden Herren nachgibt
und sie stattdessen den Dialog immer weiter auf die Spitze treiben?
Helfen Sie uns, nehmen Sie Ihr Ja-Buch, decken Sie damit den Dialog
ab und schreiben Sie Satz für Satz auf, was Sie sagen würden. Es
geht los:
Dicker Mann: | »Guten Morgen.« |
Modischer Mann: | »Guten Morgen.« |
Dicker Mann: | »Gibt es Ihren Anzug eigentlich auch für Männer?« |
Modischer Mann: | »Ja, aber nicht in Ihrer Größe.« |
Dicker Mann: | »Sie wissen doch, dass es nicht auf die Größe ankommt, sondern auf die Technik.« |
Modischer Mann: | »Ach, Sie sind Techniker, ich nutze eher meinen natürlichen Charme bei Frauen.« |
Dicker Mann: | »Mit Ihrem Charme bekommen Sie vielleicht gerade noch Heizdecken verkauft.« |
Modischer Mann: | »Ja, verkaufen kann ich gut - im Gegensatz zu Ihnen. Die Spatzen pfeifen es ja von den Dächern, dass Ihnen Ihre Kunden scharenweise davonlaufen.« |
Dicker Mann: | »Sie unterhalten sich mit Spatzen? Das ist für Sie dann bestimmt schon eine intellektuell hochwertige Unterhaltung. Kommen Sie da überhaupt mit?« |
Modischer Mann: | holt aus und schlägt zu. |
Und wo sind wir gelandet? Wie weit hat uns
Schlagfertigkeit gebracht? Gab es einen Punkt, an dem wir hätten
stoppen sollen, stoppen müssen, bevor es unangenehm wird? Gegen
Ende driftet der Dialog doch sehr in unsachliche persönliche
Beleidigungen ab. Wenn das Ihr Ziel ist, dann ist die reine
Schlagfertigkeit ein Mittel Ihrer Wahl.
Blöd nur, wenn Ihr Gegenüber einfach spontaner ist,
Sie sich deshalb nicht auf Ihre auswendig gelernten
Schlagfertigkeitsregeln oder Argumente stützen können und am Ende
den Kürzeren ziehen. Für uns bildet genau aus diesem Grund die
Spontaneität die Basis für Schlagfertigkeit. Wenn ich nicht nur
schlagfertig bin, sondern auch spontan, dann handle ich
unkonventionell - ich steige unter Umständen sogar aus dem
Schlagfertigkeitsduell einfach aus. Ich bin ein Mensch und nicht
bloß eine Phrasendreschmaschine.
Wir haben gute Erfahrungen beim verbalen
Schlagabtausch gemacht, wenn wir so früh wie möglich aussteigen, um
die Situation nicht eskalieren zu lassen. Das heißt, nach einer
schlagfertigen Antwort ist oft Schluss. Hakt unser Gegner noch
einmal nach, bekommt er von uns Recht. Wir widersprechen nicht mehr
oder ziehen das Gespräch auf die sachliche Ebene, indem wir offen
und ehrlich zugegeben, dass uns jetzt nichts mehr einfällt. Wir
lassen die Situation hinter uns. Gerade bei den Zuhörern, die
gemerkt haben, dass dieses Gespräch die sachliche Ebene längst
verlassen hat, führt dieses Verhalten zu einem Punktsieg.
Die spontane Welt - unberechenbar oder ein Genuss?
Ja nun, was ist denn jetzt verdammt noch mal diese
Spontaneität? Wo hat sie sich versteckt? Begeben wir uns auf
Entdeckungsreise. Starten wir am Anfang. Am Anfang schuf Gott
Himmel und Erde … Nein, so weit auch wieder nicht. Starten wir am
Anfang unseres Lebens.
Als Ralf auf die Welt kommt, vermerkt der Arzt im
Mutterpass: »Spontane Geburt.« Eine andere Spur: Torsten döst im
Chemie-Unterricht und hört im Halbschlaf irgendwas von spontanen
Reaktionen. Noch eine Spur: Wenn wir weinen oder lachen, überkommen
uns diese Emotionen spontan und unerwartet, wir können sie zum Teil
nicht einmal kontrollieren. Darüber hinaus gibt es auch spontane
Reaktionen, die wir Reflex nennen. Wir schließen beispielsweise
spontan unsere Augen, um uns zu schützen, wenn uns etwas
entgegenfliegt.
Verfolgt man diese Spuren, zeigt sich, dass
Spontaneität »aus sich selbst heraus« entsteht, also ohne äußeren
Einfluss oder fremde Hilfe. Ein »spontan geborenes« Kind ist auf
natürliche Weise auf die Welt gekommen, ohne Kaiserschnitt oder
einleitende Maßnahmen. Im Chemieunterricht knallt und pufft es,
ohne dass jemand eine Substanz entzündet. Und auch unsere Emotionen
kommen aus uns selbst heraus. Auf Befehl lachen oder weinen ist
nicht möglich, es sei denn, Sie heißen Robert de Niro, aber selbst
dann ist es nur gut gespielt und nicht echt.
Halten wir also noch einmal fest: Zum einen ist
Spontaneität die Basis für Improvisation und Schlagfertigkeit. Zum
anderen steckt in jedem von uns bereits die Fähigkeit, spontan zu
sein, weil es um nichts anderes geht, als »aus sich selbst heraus«
zu
handeln. Schlagfertige Reaktionen kommen »aus uns selbst heraus«,
improvisierte Ideen ebenfalls. Wir müssen also nichts auswendig
lernen. Geht ja auch nicht - schließlich sagt einem keiner vorher
Bescheid. Spontaneität ist unser Sicherheitsnetz für
Schlagfertigkeit und Improvisation. Da wir wissen, dass wir spontan
sind, können wir uns auf einen verbalen Schlagabtausch oder aufs
Improvisieren einlassen. Wir entscheiden selbst, wie wir reagieren,
und machen uns keine Sorgen mehr, wenn wir improvisieren müssen.
Wir sind total spontan.
Greifen wir das Thema Geburt noch einmal auf. Die
spontane Geburt beschreibt sehr gut unser Verständnis von
Spontaneität. Sie wissen, dass der Termin vor der Tür steht. Sie
besuchen einen Geburtsvorbereitungskurs und richten das
Kinderzimmer ein. Sobald Sie erfahren haben, ob es ein Junge oder
Mädchen wird, können Sie sogar das Kinderzimmer streichen - blau
oder rosa, bei Zwillingen einfach blau-rosa kariert. Aber Sie
wissen nicht, wann das Kind geboren wird, wie lange die Geburt
dauert und wie es ist, Eltern zu sein. Da müssen Sie im Moment
bleiben und aus der Situation heraus handeln. Total spontan.
Spontaneität entsteht aus eigenem Antrieb, wir
entscheiden uns bewusst dazu. Um spontan zu sein, hilft uns ein
gutes Maß an Intuition. Dazu ist es notwendig, auf unseren Bauch zu
hören und schnell einen Entschluss fassen zu können. Wir müssen
außerdem die Verantwortung für unsere Entscheidungen übernehmen.
Das ist wie beim Sport: Spontaneität lässt sich trainieren.
Trainieren Sie das, was schon da ist: den spontansten Menschen auf
der Welt.
Die Ruhe vor dem Sturm
Wenn Sie kurz vor einem Auftritt zu uns in den
Backstage-Bereich kommen, werden Sie merken, dass es dort sehr
entspannt zugeht, zumindest bei uns beiden. Um uns herum herrscht
totale Hektik, der Veranstalter fragt ab, ob alle Beteiligten an
ihrem Platz sind, der Tontechniker checkt, ob alles in Ordnung ist,
und die Eventagentur ist nervös, ob wir beim Publikum ankommen.
Doch wir beide sitzen hinter der Bühne und freuen uns auf die Show.
Natürlich sind wir auch aufgeregt, aber wir wissen, dass wir nichts
mehr ändern können, und wir vertrauen unserer Spontaneität. Wir
können nicht vorhersagen, ob alles klappen wird, sind uns aber
darüber im Klaren, dass wir etwas tun werden. Wir werden im Moment
entscheiden. Ob sich das im Nachhinein als die perfekte Lösung
herausstellt, können wir in diesem Augenblick noch nicht sagen.
Aber wir werden etwas unternehmen. Wir werden eine gute Show, einen
guten Vortrag abliefern, die Verantwortung für unser Handeln
übernehmen und Entscheidungen treffen.
Sie sind der spontanste Mensch der Welt!
Sie - ja, wir meinen Sie -, Sie sind der
spontanste Mensch auf der Welt! Sie wollen Spontaneität lernen?
Wieso lernen? Wer sagt denn, dass Sie nicht schon spontan sind?
Vermutlich müssen Sie gar nichts lernen, sondern nur entdecken -
wiederentdecken.
Erforschen Sie Ihr eigenes Leben und entdecken Sie Ressourcen in
sich selbst, von denen Sie bislang nur träumen konnten. Wenn Sie
davon geträumt haben, sind Sie bislang mitten in der Nacht
schweißgebadet aufgewacht und haben gedacht, dass Sie das nie
können werden?
Wir möchten Ihnen jetzt zeigen, wo Sie bereits
spontan sind und wie Sie diese kleinen Momente der Spontaneität
immer weiter ausbauen.
Frage: Wie viel planen Sie täglich im Voraus? Oder
andersrum formuliert: Wie oft am Tag handeln Sie spontan?
10%?
30%?
Mehr als 50%?
Überlegen Sie genau. Wir sind großzügig in der
Wertung. Was ist beispielsweise an Ihrem morgendlichen Ablauf
durchgeplant? Was ist spontan?
Bei Ihnen ist alles durchgeplant? Alles? Na, dann
wollen wir mal sehen:
Mit welchem Fuß steigen Sie zuerst aus dem Bett?
Immer mit demselben? Haben Sie das geplant? Haben Sie das vorher
überlegt?
Lächeln Sie Ihren Partner an oder nicht? Ist das
geplant?
Frühstücken Sie jeden Morgen exakt das Gleiche oder
variieren Sie? Haben Sie das geplant?
Wie begrüßen Sie Ihren Kollegen, wenn Sie in die
Arbeit kommen? Gut, das plant man vielleicht, um seine Ruhe zu
haben.
Ist also wirklich alles geplant? Natürlich nicht.
Merken Sie was? Hey, Sie sind bereits spontan! Und Sie brauchen nur
noch einen kleinen Schritt zu gehen, um ein Spontaneitätskünstler
zu werden. Sie sind noch spontaner, als Sie es zu träumen wagten.
Ab jetzt können Sie jeden Morgen Schritt für Schritt Veränderungen
vornehmen. Gerade aus der Routine heraus fällt es uns viel
leichter, die alten Anti-SpontaneitätsWege zu verlassen und neue -
spontane - Wege zu gehen. Routineabläufe wie das morgendliche
Frühstück lassen sich am einfachsten verändern und bieten eine
angenehme Plattform, um etwas Neues und Unerwartetes
auszuprobieren.
Viele Ihrer Reaktion sind jetzt schon spontan, Sie
handeln spontan auf der Basis Ihrer Erfahrungen und Gewohnheiten.
Wenn Sie dieses Repertoire erweitern, vergrößern Sie auch den
Spielraum. Stellen Sie sich das wie eine Landkarte vor. Ihre
Umgebung kennen Sie in der Regel gut und haben schon einige Plätze
auf der Karte angekreuzt: Sie wissen, wo Sie wohnen, wo Sie
einkaufen können und wo Sie Ihre Freizeit verbringen. Aber wenn Sie
zum Beispiel das erste Mal in Irland sind, ist alles anders. Sie
müssen sich eine Landkarte kaufen, die aber erst noch um Ihre
Erfahrungen erweitert werden muss. An welchem Ort kann man am
besten einkaufen, wo kann man sich erholen? Sie sind erst mal
unsicher, denn schließlich sprechen sie dort auch noch alle
Englisch und fahren auf der verkehrten Straßenseite. Sobald Sie
öfter in Irland sind, ist auch der Linksverkehr kein Problem mehr
und Sie fühlen sich wie zu Hause. Sie haben trainiert. Und
vielleicht fahren Sie danach als Nächstes nach Frankreich, Portugal
oder sonst wohin.
Genauso verhält es sich mit der Spontaneität.
Erweitern Sie Ihre Spontaneitäts-Landkarte. Verlassen Sie nach und
nach Ihre sichere Umgebung, und Sie werden etwas Neues
erleben.
Wenn Sie Angst haben, von heute auf morgen spontan
zu sein, Ihnen noch das nötige Selbstvertrauen fehlt, sich in die
Welt der Spontaneität zu stürzen, starten Sie im Kleinen und
vergrößern Sie Ihren Spontaneitätsradius, genau so, wie Sie Ihr
Selbstbewusstsein dadurch vergrößern werden.
Aber wo lässt sich Spontaneität trainieren? Schauen
wir mal, was schon da ist und in welchen Situationen Sie bereits
jetzt mit Leichtigkeit dem Unerwarteten begegnen.
Gänsehaut und Herzklopfen
Erinnern Sie sich an den Moment, als Sie das
erste Mal verliebt waren? Falls Sie diesen Moment nicht kennen,
freuen Sie sich darauf, es wird großartig. Alles war möglich, Sie
brauchten keinen Schlaf und nichts wurde infrage gestellt. Was auch
immer Ihr Partner oder Ihre Partnerin vorschlug, war GRANDIOS und
das BESTE, was man JETZT sofort machen sollte. Ich zum Beispiel
habe mir voller Begeisterung mindestens viermal »Pretty Woman«
angeschaut. In jenem Moment war es der beste Film aller Zeiten -
und ich spreche von »Pretty Woman«!? Über Urlaubs-und Ausflugsziele
wurde nicht lange diskutiert: »Hey, lass uns das doch gleich
buchen.« Die Musik, die meine Angebetete hörte, war natürlich
sofort auch meine neue Lieblingsmusik. Ich habe mir damals aus
Liebe eine CD von Elton John gekauft, und wer meine CD-Sammlung
kennt, weiß, was das bedeutet!!! Ich habe »Ja« zu jedem gemeinsamen
Moment gesagt. Meine jetzige Frau hat mir am Anfang unserer
Beziehung morgens immer eine geschälte Möhre in die Hand gedrückt.
Sie mochte Möhren sehr gerne. Ich hasse Möhren und habe sie dennoch
vergnügt jeden Morgen geknabbert.

Jetzt sind Sie dran, wir wollen es von Ihnen
wissen! Was waren Ihre »Möhren«? Wer war Ihr »Elton John«? Welcher
Film
Ihr »Pretty Woman«-Erlebnis? Wie spontan waren Sie, als Sie blind
vor Liebe waren?
Was, Sie waren noch nie verliebt? Aber Urlaub haben
Sie doch schon mal gemacht, oder?
Sonne auf dem Pelz
Während eines gemeinsamen Urlaubs in Griechenland
haben wir es uns einmal zum Prinzip gemacht, immer dahin zu fahren,
wo andere Reisende, mit denen wir sprachen, gerade herkamen. Egal,
was im Reiseführer stand. Wir bestiegen die nächste Fähre und
machten uns auf zu einer neuen Insel. So landeten wir zum Beispiel
auf einer winzigen Kykladen-Insel, auf der es keine Pension, keinen
Campingplatz und keinen Laden gab. Nur eine einzige Taverne
versorgte uns mit dem Nötigsten. Wir haben wild gezeltet, unterm
Sternenhimmel am Strand geschlafen. Bis heute war kein Urlaub so
erholsam wie diese spontanen zwei Wochen. Nie im Leben wären wir
geplant auf diese Insel gefahren.
Oder ein Urlaub an der Ostsee, kurzfristig wird im
Garten des Urlaubshauses ein Zelt aufgeschlagen. Man kocht die
verrücktesten Gerichte, wobei man ja vorher Stein und Bein
geschworen hat, gar nicht kochen zu können. Aber irgendwie kam die
Idee vollkommen ungeplant beim Einkaufen, dass sich eine Melone
vielleicht auch mit Leberwurst kreuzen ließe.
All die Dinge, die man im Alltagsleben nie machen
würde, traut man sich im Urlaub eher mal zu, da man genug Zeit hat,
um mit Gelassenheit Ungewohntes auszuprobieren.
Wie verbringen Sie Ihren Urlaub? Keine Pläne, keine
Ziele? Lassen Sie die Dinge auf sich zukommen und entdecken Sie
auf einmal ganz viel Neues? Haben Sie schon mal einen Plan
verworfen, um auf eine andere Insel zu hüpfen?
Sie waren nie verliebt und hatten noch nie Urlaub?
Sie lügen! Nein? Auch gut. Aber ein Teenager waren Sie
bestimmt!
Smells Like Teen Spirit …
Als Teenager waren wir alle spontan -
ABERSOWASVON, dass es unsere Eltern fast in die Verzweiflung trieb.
Torsten hat zum Beispiel in einer Nacht beschlossen, seine
Zimmerdecke mit seltsamen Ornamenten zu bemalen und nur noch mit
gefärbtem Haar - vier Strähnen, in Weiß, Rot, Schwarz und Blau -
und in einem Arbeiter-Overall rumzulaufen. Immer und
überall.
Ja, ja, die 80er. Ich bin mit meiner damaligen
Freundin sogar einmal in einer Nacht von Nürnberg nach Berlin und
wieder zurück gefahren, nur um auf dem Ku’damm Pommes zu essen. Als
Teenager bricht man mit Konventionen, stellt sämtliche Regeln
infrage, erweitert sie und stellt neue auf. Damals haben wir uns
die Freiheit genommen, spontan und kreativ zu sein.

Was haben Sie als Teenager gemacht? Peinlich? Sehr
gut. Verraten Sie es keinem oder seien Sie mutig und erzählen Sie
es allen. Posten Sie es per Facebook, Twitter oder an einer
Litfass-Säule. Plakatwerbung ist günstiger, als Sie denken.
Sie waren nie verliebt, nie im Urlaub und auch nie
Teenager? Dann müssen Sie ein Kind sein. Perfekt, legen Sie das
Buch einfach weg. Kinder sind spontan.
Schnulleralarm
Wir empfehlen gerne: Schaffen Sie sich Kinder an -
oder leihen Sie sich welche. Sie sind die besten Trainingspartner,
wenn es um Spontaneität geht. Warum?
Um diese Frage zu beantworten, lohnt ein Blick in
unser Gehirn. Es besteht von außen betrachtet aus zwei Abschnitten,
die entfernt an Halbkugeln erinnern und deshalb Hemisphären (linke
und rechte Gehirnhälfte) genannt werden. Beide Gehirnhälften sind
miteinander verbunden und tauschen die ihnen vorliegenden
Informationen aus. Gehirnforschung ist ein sehr komplexes Thema,
vereinfacht ausgedrückt ist die rechte Gehirnhälfte für die
Bereiche Intuition, Kreativität und Gefühle verantwortlich. Die
linke Gehirnhälfte steuert das rationale Denken (Logik und Sprache)
sowie analytische und mathematische Prozesse. Wenn wir zum Beispiel
einen Hund sehen, dann analysiert die linke Gehirnhälfte
nacheinander, was wir sehen: Vier Beine, Fell, einen Schwanz, der
sich hin- und herbewegt. Daraus entsteht in der rechten
Gehirnhälfte das Symbol Hund. Die rechte Gehirnhälfte erfasst das
Gesehene ganzheitlich, so dass wir nicht bei jedem Hund die
einzelnen Informationen von Neuem durchgehen müssen. Wir denken
dann nicht: Mal sehen: Vier Beine, stimmt. Was macht er für
Geräusche? Bellen! Okay! Hat er ein Fell? Ja, auch. Gut, das muss
ein Hund sein. Dank der rechten Gehirnhälfte wissen wir einfach,
dass es ein Hund ist, wir können ihn als Ganzes wahrnehmen. Um die
Welt in ihrer Vielfalt wahrzunehmen, brauchen und nutzen wir beide
Gehirnhälften. Kinder sind noch sehr von ihrer rechten Gehirnhälfte
geleitet, die genau jene Fähigkeiten zur Verfügung stellt, die wir
für spontanes Handeln benötigen. Mit Beginn der Schulzeit wird dann
die linke
Gehirnhälfte überproportional gestärkt. Lesen, Schreiben, Rechnen
werden trainiert. Leider vernachlässigen wir ab diesem Zeitpunkt
bis ins Erwachsenenalter die Funktionen der rechten Gehirnhälfte
etwas - wir trainieren sie zu wenig.

Je anstrengender ein Kind mit einer ausgeprägten
rechten Gehirnhälfte ist, da es sich eben nicht an die Prinzipen
»Zeit« oder »Planung« hält, desto besser eignet es sich als
Sparringspartner für Ihr Spontaneitäts-Training. Kinder spielen
ohne zu planen. Ein Wort gibt das nächste.
Vater, 41 Jahre, und Tochter, 5 Jahre, im
Schwimmbad.
Tochter: | »Ich bin jetzt ein Wasseradler.« |
Vater: | (mit leicht skeptischem Unterton) »Was ist denn ein Wasseradler?« |
Tochter: | »Ist doch egal, Papa. Spiel einfach mit, die können alles!« |
Vater: | »Gut, dann bin ich die Prinzessin auf der Erbse …« |
Wasseradler, der
Lebt unter Wasser und bewegt sich mit einer Art
Flügelschlag fort. Er ist unbesiegbar. Selbst Wasserdrachen können
ihm nichts anhaben. Er ernährt sich von Prinzessinnen und
Erbsen.
Wir sind fasziniert von der Fantasie, die Kinder
haben, und von ihrem ver-rückten Blick auf Dinge, Wörter und Sätze.
Letzten Sommer sind wir bei einem Spaziergang am Meer einem Vater
begegnet, der in Erklärungsnot kam, als sein Sohn ihn fragte:
»Papa? Wer sitzt eigentlich auf einer Sandbank?«
Gute Frage, man konnte nämlich vom Ufer aus sogar einzelne
Sitzplätze sehen, die die Wellen in die Sandbank gegraben
hatten.
aus dem Film »Der Ja-Sager« mit Jim Carrey
Oder wie finden Sie diese Feststellung: »Im Winter
muss es ja schneien, damit der Rasen mal Ruhe hat vor all den
Menschen und Tieren, die auf ihm rumlaufen.«
Unser erster Gedanke als Erwachsene ist natürlich
von der linken Gehirnhälfte gesteuert, und wir möchten dem, was wir
gerade gehört haben, widersprechen. Schalten wir aber die rechte
Gehirnhälfte dazu, müssen wir ganz ehrlich zugeben: Wir haben keine
Ahnung, ob das nicht vielleicht DOCH der wahre Grund für Schneefall
im Winter sein könnte. Vielleicht sieht der sommerliche Rasen im
Garten immer so runtergetreten aus, weil es im Winter nicht genug
geschneit hat? Kommen Sie, springen Sie über Ihren Schatten und
lassen Sie Wissenschaft Wissenschaft sein. Denken Sie zur
Abwechslung unkonventionell kindlich, das müssen Sie nämlich in
unerwarteten Situationen auch tun.
Spielen fällt uns mit Kindern leichter, denn dann
dürfen wir spielen. Unsere Rolle als Erwachsene verpflichtet uns
gerade dazu, mit Kindern spielen zu müssen. Niemand wird uns
schräg anschauen, wenn wir Tiere wie den Wasseradler erfinden. Die
Regeln der Erwachsenenwelt sind außer Kraft gesetzt. Sie dürfen
auch als Architekt Lego-Häuser bauen, die keine Türen haben, dafür
aber einen schönen Aussichtsturm. Versuchen Sie das mal in der
Erwachsenenwelt … Es sei denn, Sie sind ein
Stararchitekt, dann dürfen Sie das tatsächlich und bekommen auch
noch viiiiel Geld dafür. Kinder lachen 450 Mal am Tag, Erwachsene
durchschnittlich 15 Mal. Wohin sind die restlichen 435 Lacher
verschwunden? In den Keller? Oder auf die andere Seite des Gehirns?
Mit Beginn der Schulzeit scheinen wir diese Fähigkeiten zu
verlieren. Sie blitzen noch einmal in der Pubertät auf, unserer
persönlichen Sturm-und-Drang-Zeit.
In unseren Spontaneitäts-Trainings arbeiten wir mit
einem spielerischen Ansatz und staunen immer wieder, mit welcher
Begeisterung sich alle Teilnehmer, vom Geschäftsführer bis zum
Angestellten, von der Ärztin bis zur Hausfrau, darauf einlassen,
spielen zu dürfen. Wir übernehmen dabei die Rolle der Kinder, die
zum Spiel auffordern. Wortwörtlich hören wir in Vorgesprächen Sätze
wie diese: »Das ist doch kindisch, aber machen Sie mal.
Schauspieler als Trainer, na, die muss ich ja nicht ganz ernst
nehmen.« Wir erteilen die Erlaubnis dazu, spielerisch und völlig
gefahrlos Spontaneitäts-Erfahrungen zu machen, die jeder Teilnehmer
mit in seine Alltagswelt nehmen kann. So ist es für viele schon ein
großes Aha-Erlebnis, ver-rückte Ideen oder Vorschläge eines anderen
zu akzeptieren, wenn diese unerwartet kommen und von der eigenen
Vorstellungswelt abweichen. Eine Kindergärtnerin erzählte, dass sie
immer enttäuscht war, wenn die Kinder ihre Pläne für den Tag
durchkreuzten, weil sie sich so tolle Ideen ausgedacht hatte, um
den Tag mit ihnen zu verbringen. Nach dem Training konnte sie sich
auf die Kinder und deren Pläne ganz neu einlassen und zusammen mit
ihnen den Tag gestalten. Ihre Vorbereitungen macht sie nach wie vor
gut und originell, nur ist sie jetzt bereit, diese vorbereiteten
Ideen als eine Möglichkeit von vielen zu sehen. Die Tage mit den
Kindern empfindet sie seitdem deutlich kooperativer.
Ein Außendienstmitarbeiter eines Pharmaunternehmens
fiel es nach dem Training leichter, nach einer für ihn unerwarteten
Fachfrage eines Arztes auch mal einzugestehen, dass er zu diesem
speziellen Thema im Moment keine Antwort parat habe. Die
Aufrichtigkeit gegenüber dem Arzt verbesserte sogar das
Vertrauensverhältnis. In den spielerischen Übungen im Seminar
hatten die Kindergärtnerin und der Außendienstmitarbeiter schnell
erlebt, wo sie sich in ihren jeweiligen Handlungsroutinen
festgefahren hatten. Gerade die Übungen haben am Ende beiden
ermöglicht, spontaneres Verhalten zuzulassen.
Und die gute Nachricht für Sie: Sie waren auch mal
ein Kind, auch Sie hatten eine gut trainierte rechte Gehirnhälfte.
Vergrößern Sie gemeinsam mit uns Ihren Wohnraum um 100%.
Francis Picabia
Und es kommt noch besser: Egal wie alt oder
eingerostet Sie sind, Sie können Ihre rechte Gehirnhälfte jederzeit
erfolgreich trainieren.
Bei welcher Gelegenheit sind Sie von Kindern mal
richtig überrascht worden? Welches Spiel haben Sie mit Kindern
gespielt und würden es lieber nicht erzählen? Wann haben Kinder Sie
mal richtig sprachlos gemacht?
Sie sind spontan, wenn Sie sich auf den Moment
einlassen! Denken Sie an Ihre erste Liebe.
Sie sind spontan, wenn Sie sich von Ihren eigenen
Plänen befreien oder einen Plan einfach mal verwerfen! Denken Sie
an Ihren letzten Urlaub.
Sie sind spontan, wenn Sie sich aus Ihrem Korsett
von Regeln und Konventionen befreien! Denken Sie an Ihre
Jugend.
Sie sind spontan, wenn Sie die Welt spielerisch
betrachten, so als hätten Sie sie noch nie gesehen! Denken Sie an
Ihren vierten Geburtstag.
Treffer versenkt
Wir wurden kürzlich von unserer eigenen
Spontaneität überrascht. Es gibt Momente im Leben, da meint man,
alles versenkt und nur noch eine Spur der Verwüstung hinterlassen
zu haben. Und auf einmal kommt alles ganz anders, als man
denkt.
Wir öffnen mal unsere Backstage-Türen: Die
Zusammenarbeit mit einem Kunden beginnt immer mit einem
Vorgespräch. Nichts Neues für uns. Zuerst ein wenig Small Talk:
»Ja, wir haben gleich hergefunden, das Wetter ist wunderbar, und
die Fußballergebnisse sind auch so wie immer …« Anschließend
stellen wir unsere Art zu arbeiten vor. Dann konkretisieren wir die
gemeinsame Zusammenarbeit. Dabei sitzt man mit zwei bis vier
Personen nett beim Kaffee zusammen.
Bei einem Vorgespräch für einen Auftrag kam es aber
anders. Unserer potenzieller Kunde - eine Bank - hatte eine
Unternehmensberatung gebeten, die verschiedenen Anbieter von
Businesstheater mal gründlich unter die Lupe zu nehmen. Wir kamen
in einen großen Raum, in dem acht sehr wichtig aussehende Personen
mit Anzug an einem Tisch saßen, jeder von ihnen ein Namensschild
vor sich. Direkt gegenüber ein Tisch für uns beide, ebenfalls mit
Namensschildern versehen. Und los ging es: Ohne weitere Vorstellung
der Anwesenden
oder eine Einführung in den Gesprächsverlauf hagelte es
Fragen:

»Herr Voller, Herr Schmitt, wie würden Sie denn
unsere Problematik genau auf die Bühne bringen?«
Wir hatten bis dahin nicht die geringste Ahnung, um
was es überhaupt gehen sollte.
»Herr Voller, Herr Schmitt, die IT-Abteilung und
der Einkauf haben Kommunikationsprobleme - welche Sätze würden
diese Problematik in Ihrem Theaterstück versinnbildlichen?«
Wir hatten bis dahin immer noch keine Ahnung, wer
diese acht Personen überhaupt waren. Wie wär’s mit einer kleinen
Vorstellungsrunde, Jungs?
Wir standen, so gut es ging, Rede und Antwort. Die
Herrschaften machten sich nach jeder Antwort eifrig umfangreiche
Notizen. Eine Weile ging das so weiter: Eine Frage eines
Gesprächsteilnehmers, eine Antwort von einem von uns. Frage,
Antwort, kritzel, kritzel, schreib, schreib, Frage, Antwort,
kritzel, kritzel, schreib, schreib…
Bis Folgendes passierte: Zunächst wollten wir alles
richtig machen, den potenziellen Kunden nicht verlieren. Bloß keine
Fehler machen, uns der Situation bestmöglich stellen. Aber gedacht
habe wir: Was ist das denn hier für eine abgefahrene Veranstaltung?
Die sind ja jetzt schon komischer als wir auf der Bühne. Wir wurden
begutachtet und fühlten uns wie die Verkäufer in einem Baumarkt,
die von einem Kunden mit einer Checkliste zur Wohnungsrenovierung
ausgefragt werden. Es hätte uns nicht verwundert, wenn sie auch
noch gefragt hätten:
»Wie viele Umdrehungen machen Sie?«
»Gleichstrom - Wechselstrom?«
»Kreuz- oder Schlitzschrauben?«
Für einen Moment waren wir in einem Tagtraum
eingetaucht. Schließlich tranken wir jeder einen Schluck Kaffee,
tauschten Blicke aus und spürten, wie angespannt und verärgert wir
langsam ob dieser komischen Situation wurden, die sich gerade als
Zeitverschwendung herausstellte. KaninchenFeeling! Der Bauch wusste
es, bevor der Kopf es erkannte, dieses Scheißgefühl war das letzte
und deutlichste Signal, dass dies nicht der richtige Ort für uns
war. Wir schauten uns noch einmal an und haben wohl beide in dem
Moment gedacht: Wenn die weitere Zusammenarbeit in diesem Projekt
so abläuft, dann wollen wir den Auftrag nicht.
Und auf einmal habe wir beide den Turbolader
Spontaneität zugeschaltet, alle Erwartungen an die Situation über
Bord geworfen, das Schwert in die Hand genommen und nach unseren
Regeln weitergespielt. Wir ließen keine Fragen mehr zu, sondern
stellten nur noch selber Fragen, um zu klären, was aus unserer
Sicht für die Zusammenarbeit wichtig war. Dabei versäumten wir auch
nicht, darauf hinzuweisen, dass wir uns in dieser Form eine
Zusammenarbeit nicht vorstellen könnten und wie eine solche
Veranstaltung laufen müsse, damit wir dabei wären. So läuft es und
nicht anders. Punkt. Wir waren mit uns zufrieden, obwohl der
Auftrag verloren schien. Anschließend sind wir Eis essen gegangen
und haben uns über die Situation amüsiert.
Am gleichen Abend bekamen wir einen Anruf, dass wir
auf der internen Punkteskala überall die höchste Punktzahl
erreicht, die Problematik voll erfasst und den Job sicher in der
Tasche hätten - es würde jetzt nur noch um Formalien gehen. Yeah!
Strike!
Aber oft kommt es dann noch mal ganz anders, als
man denkt. Aufgrund der Finanzkrise wurde der Auftrag abgesagt. Das
Unerwartete sagt vorher nicht Bescheid. Gut so!
Wenn alles aus dem Ruder läuft und Sie die
Kontrolle verlieren, haben Sie gar keine andere Wahl, als spontan
zu sein. Entscheiden Sie sich für den Moment, setzen Sie sich in
Ihr eigenes Cockpit und geben Sie Gas. Drehen Sie auf. Versuchen
Sie nicht, es jemanden recht zu machen, dem man es sowieso nicht
recht machen kann - zumindest nicht Sie und nicht in diesem Moment.
Wenn man Sie nicht akzeptieren will, wie Sie sind, dann versuchen
Sie nicht, sich zu verbiegen. Es würde nicht klappen.
Letztendlich haben wir in dem Gespräch mit der Bank
nur auf unseren Bauch gehört. Aber darf man das in dieser
durchgeplanten Welt? Bauchentscheidungen? Gefühle? Faustregeln? Das
sind ja gleich drei Wünsche auf einmal. Auf das, was wir in einem
Überraschungsei finden, freuen wir uns, warum nicht auch auf andere
Überraschungen, zum Beispiel überraschende
Bauchentscheidungen?
Kopf oder Zahl? Ich nehme Bauch!
Wie oft haben Sie schon nach einer Entscheidung
gesagt: »Hätte ich mal auf meinen Bauch gehört! Eigentlich wusste
ich doch, was richtig war!«?
In schwierigen Situationen vergisst man in der
Regel, dieses Bauchgefühl ernst zu nehmen. Wir nehmen es eher als
störend wahr, weil es so unerwartet und schnell kommt. Nur wohl
durchdachte Entscheidungen sind gute Entscheidungen.
Zumindest glauben wir das. In Situationen, in denen wir spontan
reagieren wollen, muss aber schnell eine Entscheidung her. Viel
Zeit zu überlegen bleibt da meistens nicht. Also warum nicht auf
die Intuition, die innere Stimme hören? Der Bauch ist in solch
einem Moment der beste Partner, den wir haben. Das Bauchgefühl gibt
uns einen Anhaltspunkt für unser Verhalten und es arbeitet verdammt
schnell. Nutzen Sie diese Kraft. Immer wenn Ihre innere Stimme
sagt: »Das kann man doch nicht machen«, ist das ein gutes Zeichen,
auf den Bauch zu hören.
Kürzlich sprachen wir mit einer Gruppe von
Sparkassenmitarbeitern über ein neues Beratungstool. Es handelte
sich dabei um eine Art »Wimmelbild«, wie man sie aus Bilderbüchern
für Kinder kennt. In diesem Stil wurden die Vorteile eines
speziellen Mehrwert-Girokontos als Bild dargestellt. So sieht man
zum Beispiel in der einen Ecke des Bildes einen Kunden, dem im
Ausland sein Geld gestohlen wurde und der nun den weltweiten
Bargeldservice seiner Sparkasse in Anspruch nimmt. Ein anderer Teil
des Bildes zeigt einen Kunden, der den kostenlosen Ticketservice
des Kontos in Anspruch nimmt, bei dem er lokale Veranstaltungen zu
vergünstigten Eintrittspreisen kaufen kann. Die Mitarbeiter der
Sparkasse sagten, dass sie das Bild eigentlich gut und praktisch
fänden und oft den Impuls verspürten (Bauchgefühl!), es im
Kundengespräch zu nutzen, aber sich dann doch nicht trauten, denn
»das kann man doch nicht machen, das ist doch nicht seriös«.
Nachdem sie ihr Bauchgefühl trainiert hatten, konnten sie ihm
nachgeben. Ihre Kunden haben das Bild dankbar als Beratungshilfe
angenommen und waren froh, dass ihnen die Vorteile des Kontos
einmal so einfach und klar präsentiert wurden.
Das Bauchgefühl haben Sie wahrscheinlich
(hoffentlich!) auch, wenn Sie mit dem Auto unterwegs sind und
einparken müssen. Sie verlassen sich auf Ihr Bauchgefühl und
entscheiden spontan, ob die Parklücke groß genug für Ihr Auto ist.
Wir haben auf einem Parkplatz noch nie jemanden gesehen, der
ausgestiegen ist und mit dem Zollstock vorm Einparken die Lücke
ausgemessen hat. Oder denken Sie an die Fernsehshow »Wer wird
Millionär«. Sobald die vier Antwortmöglichkeiten eingeblendet
werden, startet unser Bauchgefühl. Wir haben einen Impuls für die
richtige Antwort, und öfter, als wir denken, ist diese dann am Ende
sogar richtig. Die Spannung der Sendung entsteht auch deshalb, weil
der Moderator Günther Jauch die spontanen Entscheidungen der
Kandidaten hinterfragt, um so die Bauchentscheidung den rationalen
Überlegungen gegenüberzustellen, was letztendlich zu der
Unsicherheit der Kandidaten führt.
Es gibt so viele Signale dafür, dass der Impuls für
eine Handlung oder Entscheidung schon längst gefallen ist, ehe der
Kopf davon etwas mitbekommt. Horchen Sie mal in sich hinein. Gibt
es bei Ihnen auch solche Situationen? Wir kennen diesen Impuls von
unseren Auftritten auf der Bühne. Würde man eine
Zeitlupenwiederholung einer unserer Shows zeigen, könnte man genau
sehen, wann eine Idee für eine Szene entsteht. Dann verändert sich
unsere Körperspannung. Wir atmen anders, holen tief Luft, lehnen
uns leicht nach vorne und gehen in die Szene, denn wir haben für
uns gelernt, diese Impulse zu beachten und danach zu handeln.
Wenn wir Workshops geben, ist dieser Impuls ebenso
sichtbar. Zwei Teilnehmer spielen eine kurze Szene, die anderen
schauen zu. Jeder soll selbst entscheiden, ob und wann er in die
Szene reingeht und mitmacht - ganz spontan. Sobald ein
Teilnehmer eine Idee für die Entwicklung der Szene hat, verändert
sich seine Haltung. Das geht so weit, dass er schon fast aufsteht
und … sich dann doch wieder in seinem Sessel zurücklehnt. Schade.
Meistens ärgern sich diejenigen anschließend, weil jemand anders
mit genau der gleichen Idee auf die Bühne ging. Was ist passiert?
Der Teilnehmer hat die Signale seines Körpers falsch interpretiert,
die Angst, einen Fehler zu machen, siegt über die Spontaneität.
Wenn wir einen Teilnehmer in einem solchen Moment auffordern, in
die Szene zu gehen, sein Bauchgefühl also unterstützen bzw.
verstärken, ist er meist ganz erleichtert, seine Idee einbringen zu
dürfen, denn ein anderer hat die Entscheidung getroffen und ist
damit verantwortlich für einen eventuellen Fehler. Warten Sie nicht
auf die Entscheidung von außen. Übernehmen Sie die Verantwortung,
sich in das Spiel des Lebens einzubringen. Sonst macht es jemand
anderes, und Sie ärgern sich.
Ja, aber darf ich denn auf meinen Bauch hören? Das
kann doch nicht richtig sein, das ist doch nur ein Gefühl und damit
nicht wissenschaftlich belegt.
Dazu passt eine Geschichte, die aus dem Buch von
Malcolm Gladwell, »Blink - The Power of Thinking Without Thinking«
(Deutscher Titel: »Blink! Die Macht des Moments«) stammt. Der Autor
erzählt darin, wie das Getty-Museum in Los Angeles plante, die
antike griechische Statue eines Jünglings anzukaufen, den
sogenannten Kouros. Um die Echtheit zu prüfen, wurden verschiedene
Verfahren angewendet: Gesteinsproben wurden im Labor »mittels
Elektronenmikroskop, Elektronenstrahl-Mikroprobe,
Massenspektrografie, Röntgendiffraktions- und
Röntgenfluoreszenzuntersuchungen« analysiert. Kurz, viele
komplizierte Techniken, von denen wir auch keine Ahnung haben, wie
sie im Einzelnen funktionieren. Letztendlich präsentierte
das Museum stolz den Neuerwerb, und einige Experten begutachteten
die Statue. Sie alle spürten Zweifel an der Echtheit. Malcom
Gladwell beschreibt die Reaktionen der Experten wie folgt:
»Irgendetwas störte ihn, ohne dass er genau hätte
sagen können, was …«
»Aber in dem Moment, in dem Houghton die Statue
enthüllte, hatte sie eine Ahnung, ein instinktives Gefühl, dass mit
dem Jüngling irgendetwas nicht in Ordnung war.«
»Er werde nie vergessen, was er beim Anblick (…)
gedacht habe, erzählte er. Es war ›frisch‹ - ›frisch‹, erinnerte er
sich. Und ›frisch‹ ist normalerweise nicht gerade das erste Wort,
das einem beim Anblick einer zweieinhalbtausend Jahre alten Statue
einfallen sollte.«
Aufgrund dieser intuitiven Experten-Reaktionen und
den damit zunehmenden Zweifeln an der Echtheit der Statue wurde zur
Klärung eine Konferenz einberufen, und bis heute konnte nicht
abschließend geklärt werden, ob die Statue ein Original oder eine
Fälschung ist.
Im Katalog des Getty-Museums findet sich bis heute
ein Foto des Kouros mit der Bildunterschrift »Zirka 530 vor
Christus oder moderne Fälschung.«
Wir wollen damit zum Ausdruck bringen, dass auch
die scheinbar wissenschaftlichsten Analysen und Tests nicht
unbedingt verlässlicher sind als unser Bauchgefühl. Wir behaupten
sogar, dass in neun von zehn Fällen eine Entscheidung aus dem Bauch
heraus genauso richtig ist wie eine wohl durchdachte. Wie oft war
eine gut geplante Entscheidung am Ende doch die falsche? Das soll
Ihnen Mut machen, in unerwarteten
Situationen auf Ihren Bauch zu hören. Erstens: Es geht schnell.
Zweitens: Sie haben eine Entscheidung getroffen und drittens und am
wichtigsten: Sie haben Verantwortung übernommen und es geht
weiter.
So. Was sagt Ihr Bauch dazu? Meinen Sie, man darf
auf Bauchentscheidungen hören? Oder sollte man doch lieber alles
rational durchplanen? Sie wollen noch mehr Belege? Sollen Sie
haben.
Professor Dr. Gerd Gigerenzer ist Psychologe und
Direktor am Max-Planck-Institut für Bildungsforschung in Berlin. In
seinem Buch »Bauchentscheidungen« legt er sehr anschaulich dar,
dass wir Bauchentscheidungen auf der Basis von Faustregeln treffen:
»Eine Faustregel unterscheidet sich grundlegend von einer
Bilanzmethode mit Pro und Kontra; sie versucht, die wichtigste
Information herauszugreifen, und lässt den Rest außer Acht.«
Ein einfaches Beispiel für eine Bauchentscheidung
sei, so Professor Gigerenzer, das Fangen eines Balles. Würde man
erklären wollen, was genau dabei passiert, müssten wir hoch
komplizierte mathematische Berechnungen zur Flugbahn des Balls, zu
unserem eigenen Bewegungsverlauf etc. anstellen. Letztendlich
rechnen wir aber nicht, sondern fangen den Ball einfach. Sobald wir
beginnen, darüber nachzudenken, liegt der Ball schon längst am
Boden. Amerikanische Baseballspieler habe folgende Faustregel
entwickelt: »Wenn ein Ball hoch ankommt, richtet der Spieler den
Blick auf den Ball, beginnt zu laufen und passt seine
Geschwindigkeit so an, dass der Blickwinkel konstant bleibt.« Als
Probe aufs Exempel empfiehlt Gigerenzer, einen Tennispartner, der
im Spiel führt, mal danach zu fragen, wie es ihm gelänge, so eine
gute Vorhand zu spielen. Sobald Ihr Gegner anfängt, darüber
nachzudenken,
wird seine Vorhand nicht mehr so gut sein, und Sie gewinnen das
Spiel.
Unser Gehirn eignet sich unbewusst Fähigkeiten an,
auf die wir in vielen Situationen vertrauen, ohne darüber
nachzudenken. Indem wir über unser Handeln nachdenken, schränken
wir unsere Fähigkeit, intuitiv zu handeln, eher ein. Wer »Tim-und
Struppi«-Comics kennt, erinnert sich vielleicht an Kapitän Haddock,
der in einer Geschichte gefragt wird, ob er nachts mit dem Bart
über oder unter der Bettdecke schlafe. Die Konsequenz: Der Kapitän
kann die ganze Nacht nicht mehr schlafen, weil er über diese Frage
nachdenkt.
Befinden wir uns in Situationen, in denen wir uns
entscheiden müssen, haben wir den Glaubenssatz »Mehr ist immer
besser!« verinnerlicht, so Professor Gigerenzer.
Bauchentscheidungen zeichnen sich jedoch dadurch aus, dass sie auf
überraschend wenig Informationen beruhen, deshalb erscheinen sie
uns bzw. unserem Bewusstsein auch wenig vertrauenswürdig, denn sie
beruhen auf dem Glaubenssatz »Weniger ist mehr!«. Wir können
unseren Bauchentscheidungen besonders gut in Bereichen vertrauen,
schlussfolgert Professor Gigerenzer, die uns wohl bekannt sind, in
denen unser Gehirn bereits die Möglichkeit hatte, zu üben.
Richard Branson, englischer Milliardär und Gründer
u.a. von Virgin Records, Virgin Airlines, hat für sich die Regel
aufgestellt, alles innerhalb von 30 Sekunden zu entscheiden. Er
zwingt sich damit regelrecht dazu, auf seinen Bauch zu hören, und
fährt bislang sehr gut mit dieser Methode.
Der Journalist und Pulitzer-Preisträger Joseph T.
Hallinan erklärt in seinem Buch »Lechts oder Rinks. Warum wir
Fehler machen«, weshalb zusätzliche Informationen die Vorhersagen
von Experten nicht verbessern. Er beschreibt einen Versuch
von Paul Slovic, Professor am Oregon Research Institute. In dem
Versuch erhielten Experten für Pferdewetten fünf
Einzelinformationen zu einem Pferd und dem Jockey, die sie sogar
selbst wählen durften. Im Anschluss daran bekamen Sie 10, 20 und am
Ende 40 Einzelinformationen. Und Sie können es sich schon denken:
Die Experten hatten mit nur fünf Informationen die gleiche
Trefferquote wie mit 40. Die Entscheidungen verbesserten sich also
nicht aufgrund von mehr Informationen. Denken Sie an die
30-Sekunden-Regel von Richard Branson. Sie können Ihrem Bauch
vertrauen.
Auch im Supermarkt bei der Wahl der richtigen
Kassenschlange vertrauen wir nicht unserem Bauch. Stattdessen
versuchen wir, auf der Basis der vorhandenen Informationen die
»richtige« Schlange zu wählen. Wir überprüfen, wie viele Teile in
den einzelnen Einkaufswagen liegen, wie fit der Kassierer zu sein
scheint, wie viele Rentner vor uns stehen, die in aller Ruhe das
Kleingeld aus dem Portmonee klauben. Letztendlich helfen uns die
ganzen Informationen meist nicht weiter und die andere Schlange
kommt immer schneller vorwärts.
Ein Bauingenieur sagte uns mal nach einem Training:
»Ich habe so viel mit Zahlen und harten Fakten zu tun, dass ich im
Umgang mit meinen Kollegen gar nicht mehr merke, dass mein Bauch
mir empfiehlt, mit ihnen auch mal über was anderes als über unsere
Zahlen zu sprechen. Allein dass ich in diesem Training darüber
geredet habe, führte dazu, dass ich sensibler für meine
Bauchgefühle geworden bin. Nun muss ich es aber auch umsetzen und
ihnen folgen.«
Sechs Warnhinweise: Was passiert, wenn Sie spontaner werden
Wollen Sie wirklich spontan werden? Überlegen Sie
es sich gut. Es geht um eine unerwartete Situation, die sich vorher
nicht angekündigt hat. Sie können nicht planen, sondern müssen aus
dem Moment heraus schnell entscheiden und Verantwortung für die
Folgen übernehmen. Und das Gemeine: Die Folgen kennen Sie noch
nicht. Und nicht genug davon. Es kommt noch schlimmer! Sobald Sie
Ihre Anti-SpontaneitätsWege verlassen, können auch noch
Nebenwirkungen auftreten. Wir fühlen uns verpflichtet, Sie über die
sechs wichtigsten Nebenwirkungen zu informieren.
1. Warnhinweis: Sie könnten kreativer werden

Hat sich die Spontaneität als Lebensphilosophie
bereits in Ihr Leben eingeschlichen? Haben unsere Beispiele Sie
vielleicht schon inspiriert? Das kann gut passieren, Sie wissen ja,
wie das ist: Beschäftigt man sich erst einmal mit einem Thema, dann
taucht es überall um einen herum auf. Denken Sie bereits assoziativ
und verbinden Dinge und Themen miteinander, die auf dem ersten
Blick nichts miteinander zu tun haben und erst durch ihre
Verknüpfung einen neuen Sinn ergeben? Hat Ihnen kürzlich jemand
gesagt: »Mann, bist du spontan!«? Nichts anderes ist Kreativität.
Spontane Menschen sind kreativ. Denken Sie an die Methodik des
»Brainstormings«. Dabei geht es darum, Ideen zu einem Thema zu
sammeln und spontane
Ideen zu nutzen, um kreative Lösungen für Aufgaben und Probleme zu
entwickeln. Beim Brainstorming wird jede Idee zu einem Thema
unkritisiert aufgenommen und beflügelt so die nächste. Spontane
Menschen verhalten sich genau so. Sie erweitern ihr Leben durch
»Spontaneitäts-Bereiche«, in denen zunächst alles erlaubt ist. Das
feuert automatisch ihre Kreativität an. Und mit Kreativität meinen
wir nicht, dass Sie unbedingt das Zeug zu einem großen Künstler
haben müssen. Kreativität benötigen Sie auch bei der Lösung von
alltäglichen Problemen im Beruf wie im Alltag. Spontane Menschen
reagieren flexibler. Sind Sie schon flexibler in Ihrem Denken und
Handeln geworden? Beginnt es Ihnen vielleicht sogar schon, Spaß zu
machen?
2. Warnhinweis: Sie könnten sich zu einem Teamplayer entwickeln
Spontane Menschen bringen anderen Menschen mehr
Aufmerksamkeit entgegen. Sie erleben, dass Spontaneität auch etwas
mit Teamarbeit und Kooperation zu tun hat, und sorgen dafür, dass
ihr Gegenüber gut dasteht. Spontane Menschen akzeptieren fremde und
eigene Ideen uneingeschränkt. Sie stehen selber gut da, weil Sie
präsenter sind. Entscheidungen werden schneller fallen und können
dem Leben einen neuen Rhythmus geben. Oder, wie ein Marketingleiter
einmal nach einem Training mit uns bemerkte: »Wir müssen auch im
Job ständig präsent sein, damit ein guter Rhythmus entsteht und
sich jeder auf den anderen verlassen kann.« Ein anderer Kunde, ein
Anwalt, bestätigte uns das: »Früher habe ich bei Plädoyers im
Gerichtssaal immer auf den Boden geschaut, keinen Kontakt
aufgebaut. Ich habe versucht, keinen Fehler zu machen und mich an
alles zu erinnern. Seit dem Spontaneitäts-Workshop rede ich viel
freier und selbstbewusster. Ich nehme Kontakt mit dem Richter und
dem gegnerischen Anwalt auf. Das hilft und bringt zudem mehr
Spaß.«

3. Warnhinweis: Sie könnten Spaß haben
Wenn Anwälte Spaß haben, muss doch was dran sein.
Wir kommen vom Theater. Wir spielen Theater. Spielen ist auch beim
Thema Spontaneität ein entscheidender Faktor. Wir gehen spielerisch
mit Situationen um. Spontaneität zu trainieren bringt Spaß.
Spontane Menschen lachen viel. Wenn wir unsere Businesstrainings in
Tagungshotels vorbereiten, fragen wir in der Regel im Hotel an,
welche Veranstaltungen parallel in den Nachbarräumen stattfinden.
Das laute Lachen unserer Kursteilnehmer hat das eine oder andere
Mal schon gestört. Wie soll man denn auch einem langweiligen
Meeting folgen, wenn die Teilnehmer nebenan sich vor Lachen auf dem
Boden wälzen? Eine wesentliche Facette einer spontanen
Lebenseinstellung ist, Spaß dabei zu haben, andere Menschen zum
Lachen zu bringen, ihnen Freude zu bereiten und auch selbst mehr zu
lachen. Wer spontan handelt, kann andere Menschen damit zum Lachen
bringen, ihnen einen schönen Tag bereiten. Zum Glück setzt es sich
langsam durch, dass Schulungen auch Spaß machen dürfen. Lachen
lockert auf und unterstützt uns dabei, uns auf neues Denken und
damit Spontaneität einzulassen. Einige unserer amerikanischen
Kollegen haben ihre Workshops in Playshops umbenannt. Eine
hervorragende Idee.

4. Warnhinweis: Sie könnten Ihr Leben in Balance bringen
Sie sind auf einem Spielplatz. Es gibt eine Wippe,
schön, groß und stabil. Sie wollen gerne wippen. Sie lieben es zu
wippen. Sie sitzen auf der einen Seite der Wippe und jemand mit dem
gleichen Gewicht auf der anderen. Perfekt. So ist alles
ausbalanciert, und das gemeinsame Wippen kann losgehen. Nach einer
Weile hat Ihr Gegenüber aber keine Lust mehr, springt ab und geht.
Und da sitzen Sie nun ganz allein und langweilen sich. Sie fühlen
sich unzufrieden, dicke Tränen kullern über Ihre Wangen. Ihnen
fehlt die Balance. Sie bleiben einfach am Boden kleben. Genauso
verhält sich das im Leben, nur vielleicht ohne die dicken Tränen.
Sie brauchen immer ein Gegengewicht, das für Ausgleich sorgt.
Dummerweise gibt es im Leben keinen Stillstand, alles ist ständig
in Bewegung. »Wipp-Partner« kommen und gehen. Und wir balancieren
mehr als zwei Seiten einer Wippe. Das sogenannte
Life-Balance-Modell empfiehlt die folgenden vier Bereiche
gleichberechtigt auszubalancieren, um ein zufriedenes Leben zu
führen.





Spontanen Menschen gelingt es, diese Bereiche in
Balance zu halten. Auf der Wippe des Lebens bleiben sie nicht unten
sitzen, sondern bewegen sich. Finden sie keinen »Wipp-Partner«,
stellen sie sich in die Mitte der Wippe und versuchen allein, die
Balance zu finden, um die Schaukel in Bewegung zu halten. Und wenn
sie mit einem neuen Partner auf der Wippe spielen, der ein anderes
Gewicht hat, richten sie sich wieder neu aus, setzen sich weiter
nach vorne oder hinten, Hauptsache Balance. Ein Leben ohne
Spontaneität ist, als würden wir mit der Wippe am Boden kleben
bleiben. Spontane Menschen wischen sich ihre Tränen ab und begeben
sich auf die Suche nach Balance auf dem Spielplatz des
Lebens.
5. Warnhinweis: Sie könnten authentischer und sympathischer werden
Spontane Menschen verändern sich in ihrer
Kommunikation. Sie sehen Fehler anderer nicht mehr so eng. Und noch
besser, sie stehen zu ihren eigenen Fehlern - sie lassen sie zu,
statt sie zu verstecken. Spontane Menschen wissen, dass es nichts
bringt, Fehler zu verstecken. Kurz: Sie übernehmen Verantwortung
für ihr Handeln. Den fehlerfreien Menschen gibt es nicht. Deshalb
nehmen sie die Dinge mit Humor und zeigen sich damit menschlicher
und authentischer.
Nach einem Spontaneitäts-Training kann es schon mal
passieren, dass der Vorstand eines großen Unternehmens auf der
Bühne steht und seinem Außendienstmitarbeitern ein neues Produkt
vorstellt. So bei einer Firmenveranstaltung geschehen: Auf die
Frage aus dem Publikum, warum denn ausgerechnet dieser
Verkaufspreis gewählt wurde, antwortete er: »Wir konnten uns
zwischen zwei Preisen nicht entscheiden, letztendlich haben wir uns
für den höheren entschieden. Ob das ein Fehler war, werden wir in
einem Jahr wissen.« Überraschter und anerkennender Applaus im
Publikum. Das ist authentisch.

Wenn wir Firmentrainings durchführen, dann wissen
wir meist nichts über die Hierarchien in der Gruppe. Als Trainer
interessiert es uns nicht unbedingt, wer Abteilungsleiterin ist
oder wer in der Poststelle arbeitet. Das führt dazu, dass wir
niemanden im Workshop davor schützen, vor den anderen Fehler zu
machen. Wenn eine Führungskraft dann in einer Übung, wie alle
anderen auch, einen Fehler macht, ist die Freude bei den
Teilnehmern immer besonders groß. Spätestens dann wissen auch wir
Trainer, wer in der Hierarchie weit oben steht. Wenn die
Mitarbeiter dann noch sagen: »Mensch, ich wusste gar nicht, dass
der Chef auch über seine Fehler lachen kann«, haben wir die
perfekte Arbeitsatmosphäre für den weiteren Verlauf des Workshops.
Und von dieser gemeinsamen Erfahrung profitieren alle Teilnehmer am
Ende für ihr Berufs- und Privatleben.

6. Warnhinweis: Sie könnten Geld sparen
Spontane Menschen sparen viel Geld, weil sie ab
sofort keine Abenteuer- oder Erlebnisurlaube mehr buchen müssen.
Eine Expedition zum Nordpol kostet 19.900 Euro. Sie können sich das
Geld auch sparen, wenn Sie eine Expedition in die Welt der
Spontaneität unternehmen. Das Basiscamp haben Sie bereits erreicht.
Wie bei einer Nordpol-Expedition auch, werden Sie richtig gefordert
und entdecken gleichzeitig neue Welten, diesmal in sich selbst. Nur
die Minusgrade können wir Ihnen beim Spontaneitäts-Training nicht
bieten. Doch ein kleines Kühlhaus mit 16 Quadratmetern bekommen Sie
schon für 19.800 Euro. Damit hätten Sie 100 Euro gespart.

Sechs Ausreden: Warum Sie auf keinen Fall spontan sein wollen
Wir haben Ihnen mit den Warnhinweisen viele gute
Gründe geliefert, welche Gefahren auf Sie lauern, wenn Sie sich
dafür entscheiden, spontaner zu werden. Sollte Ihnen das nicht
reichen, dann greifen Sie doch einfach auf Ihre eigenen Ausreden -
die gängigsten - zurück. Wir haben mal eine Auswahl
zusammengestellt.
Stellen Sie sich folgende Situation vor: Ihr Chef
ist auf die großartige Idee gekommen, uns zu einer
Firmenveranstaltung einzuladen. Sie hatten den ganzen Tag Meetings
und Workshops, jetzt ist es kurz vor 19 Uhr, und Sie warten mit
Ihren
Kollegen auf den Beginn der Vorstellung. Sie stehen nichts ahnend
zusammen an einem Stehtisch und unterhalten sich. Was Sie nicht
wissen: Wir starten unsere Show nicht auf der Bühne, sondern schon
vorher bei Ihnen an den Stehtischen. Dafür verkleiden wir uns nicht
als lustige Peruaner mit Panflöten oder getarnt als Kellner, nein,
wir kommen mit Zettel und Stift bewaffnet auf Sie und Ihre Kollegen
zu. Eigentlich möchten wir, dass Sie uns überraschen, uns Probleme
machen. Wir kommen also zu Ihnen und sagen:
»Guten Abend, wir sind heute für Ihre Unterhaltung
zuständig, schreiben Sie uns bitte spontan einen Satz auf diesen
Zettel, der auf der Bühne gesagt werden muss. Anonym. Schreiben Sie
nicht Ihren Namen auf den Zettel. Und nein, wir werden auch nicht
Ihre Handschrift analysieren lassen. Wir bauen Ihre Sätze lediglich
in unsere Show ein. Spontan. Viel Spaß.« Aus den Reaktionen der
anwesenden Mitarbeiter leiten wir jetzt die sechs folgenden
Ausreden ab. Wenn wir also an die Stehtische kommen, teilt sich das
Publikum schon mal in zwei Gruppen. Die einen sagen spontan:
»Oh toll, ich darf wirklich ALLES schreiben?
Super! Heute zeige ich es denen da oben aber mal
richtig.«
Besagte Person schnappt sich gleich vier Zettel und
verschwindet diabolisch grinsend zum nächsten Stehtisch. Es bleiben
aber noch vier Leute am Tisch stehen. Die Mehrheit reagiert wie
folgt:
»Äh … Jetzt?«
»Mein Kollege schreibt für mich mit, der hat doch
vier Zettel genommen.«
»Mir fällt nichts ein.«
»Ich bin nicht spontan.«
»Muss es auch noch lustig sein?«
»Ich hab schon was geschrieben.«
»Ich bin Ihr Auftraggeber.«
»Ich will aber nicht auf die Bühne.«
»Ich bin wirklich nicht spontan.«
»Mein Kollege hat die besseren Ideen.«
»Kann ich das morgen abgeben?«
»Ich gehöre gar nicht dazu.«
»Ich weiß nicht, ob ich nachher noch da
bin.«
»Ich glaube, Sie haben schon genug Zettel.«
»Ich kann nicht schreiben.«
»Ich bin in leitender Position.«
»Ich habe eine Allergie gegen
Kugelschreiber.«
»Ich bin nur zufällig hier.«
»ICH BIN WIRKLICH EINFACH NICHT SPONTAN.«
Wir nennen diese Art von Menschen Show-Stopper.
Mit einem Show-Stopper als Mitspieler - egal ob auf der Bühne, in
der Partnerschaft oder am Arbeitsplatz - geht es nicht weiter. Was
ist aber, wenn Sie selbst der Show-Stopper sind? Wenn Sie nicht
spontan sein möchten oder einfach nie spontan sind?
Gut, Sie sind wirklich nicht spontan. Dann wollen
wir Sie auch nicht weiter von Ihrem unspontanen Leben abhalten.
Lassen Sie uns einfach mal herausfinden, was dagegen spricht,
spontan zu sein und diesen Zettel, den wir Ihnen gegeben haben,
auszufüllen. Schauen wir uns an, wie so eine spontane Situation
entsteht und was Sie am besten dagegen unternehmen können. Wie
gehen Sie spontanen Situationen aus dem Weg? Welche Mechanismen
blockieren Ihre spontanen Entscheidungen? Was hält Sie davon ab,
einen einfachen Satz -
Subjekt, Prädikat, Objekt - auf einen Zettel zu schreiben? Oder
anders gefragt: Welche Ausreden verwenden Sie gerne, um sich davor
zu drücken, spontaner zu reagieren?
Ausreden werden benutzt, wenn man irgendetwas nicht
offen und ehrlich zugeben möchte. Man lügt sich selbst in die
Tasche und ist am Ende auch noch unzufrieden mit sich selbst. Das
eigentliche Thema, das man mit der Ausrede vermeiden wollte, ist
nur kurzfristig beiseitegeschoben worden. Meistens stehen hinter
den Ausreden Bedenken, irgendeine Angst oder Lustlosigkeit. Es
lohnt sich, die Themen hinter den Ausreden genauer zu betrachten,
denn wenn man weiß, was eigentlich dahintersteckt, fällt es
leichter, aus der Vermeidungshaltung in die Handlung zu kommen und
Spontaneität zu riskieren.
Kommen wir zurück zu unserem Beispiel mit dem
Zettel und Stift. Welche Ausreden begegnen uns beiden immer wieder
und was könnte sich dahinter verbergen? Bei welcher Ausrede
erkennen Sie sich wieder?
Ausrede Nr. 1: »Ich will so bleiben, wie ich bin« - »Du darfst.«
Sie möchten, dass alles so bleibt, wie es ist. Ihr
Lieblingssätze lauten: »Das habe ich schon immer so gemacht. Ich
habe noch nie blöde Zettel ausgefüllt und ich mache es heute auch
nicht. In der Drogerie greife ich auch immer zu demselben Duschgel,
und wenn sich bei dem Produkt mal die Verpackung ändert, ärgere ich
mich. Gerade gestern habe ich festgestellt, dass meine
Lieblings-Tagescreme durch ein anderes Produkt ersetzt worden ist.
Warum muss man was ändern, wenn es doch funktioniert?«
Gut, das ist natürlich ein guter Grund, nicht
spontan zu sein. Auch wenn andere sagen, die einzige Konstante sei
die Veränderung. Das Argument »Verändern Sie sich, sonst werden Sie
verändert« lassen Sie nicht gelten. Ist doch toll, wenn andere mich
verändern. Wenn Dinosaurier spontan gewesen wären, könnten wir sie
heute im Zoo anschauen, und wer will das schon?
Ausrede Nr. 2: »Unter Zeitdruck geht schon mal gar nichts!«
Eine unerwartete, also spontane Situation tritt in
der Regel unerwartet auf, wer hätte das gedacht. Sie hatten keine
Zeit, sich vorzubereiten, und wir kommen einfach an Ihren Tisch und
verlangen von Ihnen, einen Zettel auszufüllen, ganz spontan. Sie
geraten unter Zeitdruck, weil Sie meinen, schnell und auch noch
witzig reagieren zu müssen. Sie hassen Zeitdruck, das schränkt Sie
in Ihrer Entscheidungsvielfalt ein. Sie konnten nicht alles optimal
durchplanen. Das ist wie beim Arbeitsspeicher eines Computers, Sie
sind überlastet. Zeitdruck hindert Sie daran, spontan zu reagieren.
Was würde passieren, wenn Sie bestimmen könnten, wann Sie uns Ihren
Zettel mit dem Satz zurückgeben? Wenn wir unterwegs sind und die
Zettel verteilen, sagen wir immer dazu: »Sie haben so viel Zeit,
wie Sie wollen. Wir kommen nachher wieder vorbei.« Sobald dieser
Zeitdruck wegfällt, kommen die Teilnehmer meist schon nach einer
Minute wieder, wollen ihren Zettel abgeben oder sogar noch einen
zweiten und dritten, weil sie auf einmal so viele Ideen haben. Die
meisten merken gar nicht, in welcher kurzen Zeit sie dann doch
spontan etwas aufgeschrieben haben.
Aber das zieht nicht bei Ihnen? Zeitdruck ist
Zeitdruck. Daran lässt sich nichts ändern? Sehr gute Ausrede!
Merken! Setzen!
I Don’t Like Mondays.
Ralfs Geheimnis. Bitte nicht
weitersagen.
An einem grauen und regnerischen Montegmorgen
bekam ich einmal eine Anfrage einer Kollegin, einen Moderationsjob
zu übernehem. Es war früh am Morgen, ich hatte noch keinen
Überblick über meine kommenden Termine und einfach keine Energie,
das spontan zu entscheiden. Also sagte ich zu ihr: »Montag
entscheide ich nie was, ich rufe dich morgen zurück.« Sie lachte
und erwiderte, sie sei noch nie so charmant vertröstet
worden.

Ausrede Nr. 3: »Das ist mir nicht sicher genug.«
Super Ausreden bislang. Aber da geht noch mehr.
Selbst wenn Sie sich dazu durchringen, einen Satz auf den Zettel zu
schreiben, erlauben Sie uns nicht, ihn in unsere Show einzubauen,
sondern fragen stattdessen:
»Wie ist es denn um meine Sicherheit bestellt? Wenn
ich jetzt was auf Ihren Zettel schreibe, dann könnte ja rauskommen,
dass das von mir stammt. Dann hat mich mein spontanes Verhalten
möglicherweise in eine gefährliche Lage gebracht. Vielleicht ist
der Satz oder das Schreiben an sich schon ein Fehler. Was für
Sicherheiten habe ich denn, wenn ich spontan handle? Ich besitze
einen Bausparvertrag, habe die Riesterrente abgeschlossen, mein
Partner und ich fahren ein Auto aus Schweden, wir haben eine
Rechtsschutzversicherung
bei der Advocard. Wir leben in einem sicheren Umfeld. Gated
communities of spontaneous life. Ich möchte nicht alles durch mein
spontanes Verhalten gefährden. Meine Zurückhaltung ist doch viel
sicherer.«
Unseren Einwand, dass es doch gar keine
verlässliche Sicherheit gäbe, lassen Sie natürlich nicht gelten und
kontern gleich mit Ihrer nächsten Ausrede.
Ausrede Nr. 4: »Ich bin ein Urmensch.«
Wir fragen noch einmal ungläubig nach. Doch Sie
haben tatsächlich zu uns gesagt: »Ich bin ein Urmensch und kann
nichts auf diesen Zettel schreiben.«
Okay, wir sind echt gefährlich. Wir stehen vor
Ihnen. Bewaffnet mit einem Zettel und einem Stift und auch noch gut
gelaunt. Aber Sie wissen, dass Sie gleich etwas tun müssen. Sie
spüren die Gefahr, die von dieser Situation ausgeht. Sie riechen
unseren Atem. Es gibt keinen Ausweg. Doch da blitzt eine Lösung
auf, die Sie seit Jahrtausenden in Ihrem Unterbewusstsein
gespeichert haben - von Generation zu Generation weitergegeben. In
gefährlichen Situationen wie dieser - wir kommen mit Zettel, Stift
und einer kleinen, spontanen Aufgabe auf Sie zu - wollen Sie nur
weglaufen (ganz spontan auf die Toilette) oder Sie wollen mit uns
kämpfen (einfach zuschlagen, uns umhauen und dann über dem Feuer
rösten und verspeisen). Das hat schon seit Tausenden von Jahren gut
funktioniert. Ein Verhalten, das wir Menschen seit Urzeiten
pflegen, es heißt: »Fight or Flight«. Kampf oder Flucht.
Weder »Fight« noch »Flight« ist heutzutage eine
gute Lösung in unerwarteten Situationen, in denen Sie lieber Ihren
Kopf benutzen sollten, um weiter handlungsfähig zu bleiben. In
gefährlichen Situationen, wenn wir beispielsweise einem Tiger oder
einem Mammut gegenüberstehen, mag diese Methode sinnvoll sein und
unser Überleben sichern. Im Großstadtdschungel des 21. Jahrhunderts
passiert das aber eher selten. Unsere gefährlichen Situationen
heißen Meetings, Diskussionen mit dem Partner, unerwartete
Ereignisse. Dabei wollten wir doch nur einen einfachen Satz von
Ihnen. »Fight or Flight« hindert uns also eher, spontan zu sein.
Gut so, denken Sie?
Ausrede Nr. 5: »Ich bin nicht witzig.«
Vier Ausreden haben Sie uns schon präsentiert.
Aber wir bleiben hartnäckig mit Zettel und Stift bei Ihnen stehen.
Das zählt schon als »Spontaneität mit vorher Bescheid sagen«, oder?
Sie jedoch sagen: »Ich bin einfach nicht witzig.«
Gut, sind wir auch nicht immer, wir können auch
keine Witze auswendig vortragen. Wer hat denn überhaupt was von
Witz gesagt? Spontanes Verhalten hat nicht unbedingt etwas damit zu
tun, witzig sein zu müssen. Wir kennen alle den folgenden Typ von
Mensch: Hunderte von Witzen für jede Situation parat, aber sonst
total unspontan. Sie sollten einfach nur einen Satz aufschreiben,
und der muss nicht amüsant sein. Vergessen Sie also den Anspruch
»witzig zu sein« sofort wieder. Es geht nur darum, die Aufgabe zu
lösen. Wenn Ihre Lösung auch noch amüsant ist, schöner
Nebeneffekt.
Humor, Witz und andere Menschen zum Lachen zu
bringen, ist ein Nebenprodukt von Spontaneität. Es freut uns, wenn
Sie mit Ihrer spontanen Art Ihre Kollegen, Freunde und Ihren
Partner
zum Lachen bringen. Aber richten Sie Ihre Spontaneität nicht
darauf aus. Spontan handeln bedeutet, einem Impuls und einem
inneren Antrieb zu folgen, wenn Sie dabei sich und anderen Spaß
bereiten, dann freuen Sie sich. Bewusst komisch zu sein, klappt
meistens nicht. Wenn Sie aber versuchen, spontaner zu agieren,
werden Sie und Ihre Umgebung vermutlich auch mehr zu lachen haben,
ganz ungewollt.
Witze und Comedy funktionieren, weil etwas
Unerwartetes passiert und Dinge kombiniert werden, die sich auf den
ersten Blick nicht kombinieren lassen. Das ist ein Grund, warum
spontane Menschen oft auch als witzig wahrgenommen werden. Sie
machen unerwartete Sachen, kombinieren etwas in unerwarteter Weise
und nehmen die Dinge mit Humor.
Wir machen nun etwas, das man eigentlich nicht
darf. Wir erklären Ihnen einen Witz, wir überschreiten den Rubikon
für Comedians. Bitte erzählen Sie es nicht unseren Kollegen. Ach
ja, und dass Sie es gleich wissen: Es ist der beste Witz der
Welt.
Der Leberwurstwitz | |
Metzger: | »Guten Tag.« |
Kunde: | »Guten Tag.« |
Metzger: | »Bitte schön, was darf es denn sein?« |
Kunde: | »Ich hätte gerne Leberwurst, aber von der fetten Groben.« |
Metzger: | »Tut mir leid, die hat heute Berufsschule.« |
Und … gelacht? Oder kannten Sie den schon? Was
passiert hier? In der Metzgerei ist etwas Unerwartetes geschehen -
eine Wendung, mit der keiner gerechnet hat. Die Erwartungshaltung
wird gebrochen. Ein Witz startet meistens von einer neutralen,
positiven Plattform. Alles ist friedlich, niemand rechnet damit,
dass die Situation eine unerwartete Wendung nehmen könnte. Das ist
die Ausgangsbasis für den Witz. Alles ganz harmlos:
Eine kleine Metzgerei auf dem Land. Ein Sketch im
Stil der 80er-Jahre. Ein Kunde betritt den Laden, nehmen wir einmal
Didi Hallervorden, für die Jüngeren unter Ihnen Bastian Pastewka.
Draußen scheint die Sonne, drinnen riecht es nach Wurst. Der
Metzger, ein älterer, gemütlicher Herr mit weißer Schürze und
Schlachtermesser in der Hand steht hinter der Theke. Eine perfekte
Rolle für Diether Krebs. Der Kunde hält den Einkaufszettel seiner
Frau in der einen Hand und in der anderen eine Stofftasche. Man
kennt sich.
Und dann folgt die unerwartete Wendung: Cindy aus
Marzahn ist übrigens die Dame in der Berufsschule. Der Witz
funktioniert, weil etwas Unerwartetes passiert, weil Konventionen
gebrochen werden. Der Kunde möchte, wie es ihm seine Frau
aufgeschrieben hat, fette grobe Leberwurst kaufen. Der Metzger
bezieht die Frage aber auf seine Angestellte. Er bricht die
Erwartungen des Kunden und wirft unsere Erwartungen an die
Geschichte über den Haufen, die Story entwickelt sich in eine
Richtung, mit der keiner rechnete.
Das ist ein Grund, warum spontane Menschen als
witzig wahrgenommen werden. Sie verlassen das sichere Terrain und
agieren auf unerwartete Weise. Auf sprachlicher Ebene kombinieren
sie Dinge, die auf den ersten Blick nicht zusammenpassen. Sie
handeln unerwartet. Sie begeben sich mit ihrer Spontaneität aufs
Glatteis und legen eine wunderbare Kür hin. In der Regel machen sie
das aber nicht mit der Intention, lustig zu sein.

Eine Partnervermittlung hat 4.000 Singles
befragt, worauf sie bei ihrem Partner Wert legten. 96% der
Befragten antworteten, dass Humor als Eigenschaft vorhanden sein
müsse, um eine Partnerschaft einzugehen. Wann haben Sie zum letzten
Mal Ihren Partner oder Ihre Kollegen zum Lachen gebracht? Obwohl
wir es beruflich machen, andere Menschen zum Lachen zu bringen,
sagt meine Frau oft zu mir, dass ich so ernst wäre. Miene Aufgabe
lautet seitdem, auch zu Hause spontaner zu sein. Denn eigentlich
lache ich gerne und viel. Ralfs persönlicher Vorsatz: Bringe deine
Frau und deine Töchter zum Lachen. Mindestens 5 Mal am Tag. Bei
meinen Törchtern klappt es schon wunderbar. Bei meiner Frau nicht
immer. Aber immer öfter. Wer witzig ist, ist nicht automatish
spontan.
Bei der Moderation einer dreitägigen
Firmenveranstaltung arbeiteten wir einmal mit einem ganz besonderen
Konzept. Gleich zu Beginn der Tagung vollzogen wir mit den
Teilnehmern einen Zeitsprung von acht Stunden. Die Mitarbeiter
kamen am Freitagmittag an und gingen durch eine »Zeitschleuse«. Sie
mussten ihre Uhren abgegeben und bekamen neue, auf denen es acht
Stunden später war, also 21 Uhr statt 13 Uhr. Nach diesem Rhythmus
verbrachten wir ein komplettes Wochenende miteinander. Eine gute
Basis, um spontaner zu reagieren.
Wir haben den Firmenmitarbeitern von außen eine
unerwartete Situation vorgegeben und alle eingeladen, dieses Spiel
mitzuspielen. Wir verabredeten gemeinsam, als Gruppe in dieser
Zeitschleife zu leben. Alle hatten Lust mitzuspielen. In einer
spielerischen Stimmung traut man sich eher, unerwartete Dinge zu
tun. Obwohl es eigentlich Mittagszeit war, zeigten unsere Uhren 21
Uhr an. Wir haben deshalb sofort mit der
Party begonnen. Teilnehmer, die normalerweise lieber früh ins Bett
gehen, lebten sich begeistert auf der Tanzfläche aus und sind erst
morgens um 6 Uhr (nach unserer Zeitrechnung!) ins Bett gegangen
oder haben gleich bis zum Frühstück durchgefeiert. Teilnehmer, die
sonst als korrekt und vorbildlich gelten, sind »tagsüber« an den
Tischen eingeschlafen. Die Zeitverschiebung hat allen ein Stück
Routine und Sicherheit genommen. Und wenn man sich, animiert durch
solche »Spielregeln«, anders verhält als normalerweise, dann traut
man sich auch, neue Verhaltensweisen auszuprobieren und vielleicht
sogar zum Partykönig zu werden. Die Teilnehmer waren aufgedreht und
guter Laune.
Sehr zum Nachteil für einen Gastredner, Autor eines
der komischsten Bücher der letzten Jahre, der zu einer Lesung auf
dieser Veranstaltung eingeladen worden war. So witzig sein Buch
ist, so unspontan verhielt er sich im Umgang mit den Zuschauern. Er
reagierte weder auf gut gelaunte Zwischenrufe noch auf irgendwelche
Reaktionen aus dem ausgelassenen Publikum. Er hielt sich an seinem
Text und dem vorbereiteten Ablauf fest. Es wurden für ihn und die
Teilnehmer der Veranstaltung sehr zähe 55 Minuten.
Was lernen wir daraus? Wer witzig ist, muss nicht
auch automatisch spontan sein. Aber wer spontan ist, kann auch sehr
witzig sein.
Ausrede Nr. 6: »Das war so nicht abgesprochen.«
Jetzt haben Sie uns, wie wir mit Zettel und Stift
so an Ihrem Tisch stehen, einfach stehen gelassen und uns im
Weglaufen noch zugerufen: »Das war so nicht
abgesprochen.«
Kann es sein, dass Sie Angst haben, die Kontrolle
zu verlieren? Traurig stammeln wir, dass es gar nicht darum ginge,
die Kontrolle komplett abzugeben. Sie dürfen jederzeit selbst
entscheiden, wie viel Kontrolle Sie abgeben. Nur ist es leider so,
dass manches nicht kontrollierbar ist. Das Unerwartete lässt sich
nicht kontrollieren und kommt - auf die Gefahr hin, dass wir uns
wiederholen - unerwartet. King Kong kommt um die Ecke oder die
Kindergärtnerin ist krank, und dann wäre es doch schön, trotzdem
handlungsfähig zu bleiben.
Hinter der Ausrede »Kontrollverlust« steht die
Sorge, ab jetzt in das Chaos des Unvorhersehbaren abzutauchen und
nur noch das tun zu müssen, was Ihnen gerade spontan in den Sinn
kommt. »Schmitt und Voller haben das doch in ihrem Buch
gesagt.« Sie befürchten, Ihren Kollegen, Freunden, ihrer
Familie kein verlässlicher Partner mehr zu sein. Dabei fügen Sie
nur eine weitere Facette zu Ihren Handlungsmöglichkeiten hinzu. Sie
entscheiden nach wie vor selbst, wann und wie spontan Sie sind. Sie
entscheiden auch selbst, wie Sie ab jetzt vorgehen: Ob Sie offen
für Spontaneität sind, lieber geplant, gewohnt und sicher durchs
Leben gehen oder einen Kompromiss eingehen. Bei unserem
Zettel-Beispiel sieht der Kompromiss zum Beispiel so aus:
Wenn wir von unseren Zuschauern die Antwort
bekommen: »Ich will nichts auf den Zettel schreiben«, dann sagen
wir: »Toll, das ist doch schon ein Satz, schreiben sie DEN doch
auf.« So waren Sie spontan und haben dennoch die Kontrolle
behalten.
Trotzdem, die absolute Sicherheit gibt es leider
nicht. Behalten Sie Ihr Ziel, Ihre Vision im Auge. Was möchten Sie
erreichen und welche Methoden können dabei hilfreich sein? Manchmal
ist es sinnvoll, genau nach Plan vorzugehen. Die
Kunst besteht darin, im richtigen Moment den Plan beiseitezuwerfen
und auf den Bauch zu hören bzw. sich auf die Situation einzulassen
und spontan zu handeln. Dazu brauchen Sie Navituition.
Navituition
Vor einer Weile waren wir zu einem Training in der
Nähe von Frankfurt unterwegs. Unser Flug hatte Verspätung. Um am
gleichen Abend noch ein kurzes Gespräch mit unseren Kunden zu
führen, mussten wir schnellstmöglich das Tagungshotel, etwa 100
Kilometer von Frankfurt entfernt, erreichen. Alles war genauestens
geplant. Der Mietwagen mit Navigationssystem gebucht. Das Navi
programmiert und los ging’s. Autobahn - Bundesstraße - Landstraße -
ein kleines Dorf, in keinem Haus brannte noch Licht zu dieser
späten Stunde, kein Mensch auf der Straße. Enge Einbahnstraßen.
Nach einer Weile standen wir in der finstersten Nacht in einer
Sackgasse, vor uns eine hübsche, akkurat und sauber gemauerte Wand,
während die freundliche Stimme aus dem Navigationssystem uns
anhielt, jetzt acht Kilometer weiter geradeaus zu fahren. Beim
Wenden mischte sie sich wieder ein und drängte uns, bei der
nächsten Gelegenheit umzudrehen. Es war Zeit, den Plan hinter uns
zu lassen und spontan zu entscheiden. Wir schalteten das Navi aus
und fuhren nach Gefühl zurück zur nächsten großen Straße. Von dort
aus hangelten wir uns an Orts- und Straßenschildern entlang, die
uns irgendwie bekannt vorkamen. Wir folgten den Schildern und
landeten schließlich noch vor Mitternacht in dem
Tagungshotel.

Manchmal muss man seine Werkzeuge - Intuition und
Navigation - geschickt und spontan kombinieren. Kopf oder Bauch?
Navigation oder Intuition? Beides. Wir nennen es
»Navituition«.
Was immer Ihr Plan ist, versuchen Sie ihn mit
»Navituition« zu erreichen. Auf der Bühne improvisieren wir, um
eine Geschichte zu erzählen. Sie nutzen Ihre spontanen Fähigkeiten,
um andere Ziele zu verfolgen. Vielleicht wollen Sie auf der
Karriereleiter weiter nach oben, Ihr erstes Buch schreiben, mehr
Zeit mit Ihrer Familie verbringen, eine Weltreise machen, im Umgang
mit Ihren Kollegen schneller und flexibler reagieren, mehr Kunden
glücklich machen. Oder einfach nur mit mehr Spaß und Neugier durchs
Leben gehen. Seien Sie sich Ihrer Ziele bewusst und erlauben Sie
sich, den spontanen Weg einzuschlagen, aber zwingen Sie sich nicht
dazu. Es geht nicht um die Frage »Bauch- oder Kopfentscheidung?«,
sondern darum, welche Methode gerade besser geeignet ist, um ans
Ziel zu gelangen. Navituition beinhaltet Bauch- und
Kopfentscheidung. Seien Sie unkonventionell, überraschen Sie sich
selbst und haben Sie Spaß dabei. Es funktioniert. Wir wissen, wovon
wir sprechen.
Vielen Dank für Ihre Ausreden. Benutzen Sie sie
ruhig mit einem wissenden Lächeln weiter, denn ab sofort sind Sie
sich darüber im Klaren, was tatsächlich hinter den Ausreden
steht.
Ach ja, nur für den Fall, dass Sie wissen wollen,
was passiert, wenn man sich nur auf sein Navigationssystem verlässt
und die Intuition ausschaltet. Hier zwei Beispiele:
Südkoreanische Touristen vertrauten ihrem
Navigationssystem blindlings, als sie die Ostküste von Australien
erkunden wollten. Nichts konnte sie stoppen - bis ihnen ein Sumpf
in die Quere kam. Da verließen die Insassen schließlich doch ihren
Wagen und schlugen sich zu Fuß durch ein Waldgebiet, bis sie von
Waldarbeitern entdeckt und zurück in die Zivilisation geführt
wurden. Die südkoreanischen Touristen, die kein Englisch sprachen,
waren im Mietwagen von Brisbane nach Rockhampton an der Ostküste
unterwegs, also rund 600 Kilometer. Das Navigationsgerät führte sie
von der Autobahn zunächst auf unbefestigte Straßen und dann auf
Waldwege. Sie ignorierten sämtliche Warnschilder, mussten mehrere
Gatter öffnen und Felsbrocken aus dem Weg räumen und fuhren
unbeirrt weiter, bis ihr Wagen im Cordalba-Wald bei Childers
stecken blieb. Polizeichef Geoff Fay riet daraufhin Autofahrern,
den gesunden Menschenverstand nicht auszuschalten, wenn sie mit
Navigationsgerät unterwegs seien.
Ähnlich erging es einem 69-jährigen deutschen
Rentner, der mit seinem Mercedes C-Klasse in einer Gasse im
österreichischen Villach stecken blieb. Als er weder vor- noch
zurückfahren konnte, verletzte sich der Senior auch noch. Weil es
so eng war in der Gasse, wollte der Renter seine Seitenspiegel
einklappen und klemmte sich dabei einen Finger zwischen Auto und
Hausmauer ein. Villachs Feuerwehr und Polizei halfen ihm, sein Auto
über den einzigen verbleibenden Weg - die Heckklappe des Wagens -
zu verlassen. Der Rentner kommentierte sein Dilemma anschließend
wie folgt: »Ich sah schon, dass es immer enger wurde, aber ich
dachte mir halt, wenn das Navi das sagt, dann wird es schon
passen.«
Die Hoffnung stirbt zuletzt
Kurze Bestandsaufnahme: Das Leben fordert Ihnen
immer wieder Spontaneität ab. Spontaneität ist der Schlüssel, um
eingefahrene Wege zu verlassen, die zu innerer Unzufriedenheit
führen. In einer Welt, die sich ständig wandelt, kann man es sich
nicht leisten, still zu stehen und auf dem zu beharren, was mal
funktioniert hat. Erinnern Sie sich an das Bild mit der Wippe. Sie
müssen sich bewegen. Verstehen Sie uns nicht falsch, Sie sollen
jetzt nicht hektisch jedem Trend hinterherrennen und auch nicht
ständig auf Wippen balancieren - obwohl, warum eigentlich nicht? -
und Sie sollen auch nicht genauso verrückt wie diese Welt werden.
Aber wir würden uns freuen, wenn Sie in dieser verrückten Welt die
Ruhe bewahren. Und zwar gerade dann, wenn es sich anfühlt, als wäre
Ruhe grade ganz unmöglich. Vertrauen Sie darauf, dass Sie diesen
Anforderungen locker gewachsen sind. Wie ein Porsche dafür gebaut
ist, mit 280 Sachen auf der Autobahn zu fahren, genauso ist der
Mensch dafür ausgerüstet, spontan zu sein, mit all den Ängsten und
der Aufregung, die dazugehören.
Spontanes Handeln lässt sich nicht einstudieren.
Man kann aber mit unerwarteten Situationen rechnen und deshalb in
solchen Momenten etwas sicherer auftreten und handeln. Letztendlich
ist es notwendig, eine spontane Grundhaltung zu verinnerlichen und
immer wieder zu überprüfen, in welchen Situationen es sich lohnen
könnte, spontaner zu sein: Trabe ich auf alten
Anti-Spontaneitäts-Wegen dahin und will ich das? Oder möchte ich
lieber etwas Neues ausprobieren und mehr Spannung und Action in
mein Leben bringen? Vielleicht entscheiden Sie sich bewusst dafür,
nach Plan zu handeln,
dann aber auch mit dem Risiko, dass der Plan vielleicht nicht
aufgeht.
Spontaneität ist kein Hexenwerk. Wir alle tragen
die Anlagen dazu in uns und tun es bereits, ohne es immer gleich zu
merken. Deshalb geht es darum, diese spontanen Momente wahrzunehmen
und unseren Handlungsspielraum langsam zu erweitern. Sehen Sie Ihre
Spontaneität als Werkzeug in Ihrem Werkzeugkoffer, das Sie bei
Bedarf einsetzen können. Vielleicht müssen Sie nur schauen, wohin
Sie dieses Werkzeug gerade verlegt haben - wir helfen Ihnen gerne
bei der Suche.
Sportler müssen trainieren, um ihr Leistungsniveau
zu halten. Spontane Menschen müssen trainieren, um spontan zu
bleiben. Die schlechte Nachricht lautet also: Sie müssen üben, üben
und noch mal üben. Nichts kommt automatisch ohne eigenes Zutun. So
verhält es sich leider auch mit der Spontaneität. Vielleicht fällt
es dem einen oder anderen leichter - sei es, weil er schon
trainierter oder besonders talentiert ist. Egal, wer sich schwerer
tut, muss mehr trainieren. Wir wissen aber, dass es jedem Menschen
möglich ist, sich zu entwickeln und zu verändern. Sollten Sie sich
in letzter Zeit zu sehr auf Ihre linke Gehirnhälfte verlassen
haben, keine Panik, Sie haben Ihre rechte Gehirnhälfte noch. Legen
Sie das Buch zur Seite und klopfen Sie mal an Ihre Schläfen. Hören
Sie, wo es hohler klingt?

Haben Sie jetzt wirklich an die Schläfen geklopft?
Super! Sie sind auf dem richtigen Weg!
Ich will nicht auf die Bühne! Soll ich trotzdem weiterlesen?

»Die ganze Welt ist Bühne
Und alle Frau’n und Männer bloße Spieler.
Sie treten auf und gehen wieder ab,
Sein Leben lang spielt einer manche Rollen.«
Und alle Frau’n und Männer bloße Spieler.
Sie treten auf und gehen wieder ab,
Sein Leben lang spielt einer manche Rollen.«
William Shakespeare, »Wie es euch gefällt«
Ja! Sie sollen weiterlesen, denn Sie stehen jeden
Moment auf der Bühne des Lebens, auf der es jeden Tag unzählige
Vorstellungen gibt. Neue und alte Geschichten. Geschichten, bei
denen wir spontan ausrufen möchten: »Das gibt’s doch gar nicht!«
Aber doch, das gibt es: Den Stau mitten in der Nacht auf der
Autobahn. Die plötzlich entflammte Liebe zu einer Schulfreundin,
die man doch eigentlich schon 20 Jahre kennt. Die überraschende
betriebsbedingte Kündigung. Der Lottogewinn. Viele schöne und
unangenehme Situationen, die unerwartet auftauchen und auf die wir
uns nicht vorbereiten können. Wir können uns aber darauf
vorbereiten, DASS in unserem Leben Unerwartetes passiert. Oder noch
besser, wir können uns daran gewöhnen, dass in unserem Leben
Unerwartetes passiert. Ab jetzt sagen wir Ihnen vorher »Bescheid«
und geben Ihnen Tipps, wie Sie sich darauf vorbereiten können,
unvorbereitet zu sein. Alles klar? Alles klar!