10

Lucy Sharpe schlug die langen Beine übereinander, ihre bloßen Waden strichen über das Leder der speziell angefertigten Liegesessel. Sie genehmigte sich ein Glas Champagner, als die Gulfstream IV auf ihrem Weg nach Florida die endgültige Flughöhe von neuntausend Metern erreicht hatte. Für ihre Liebe zum Luxus bat sie nie um Entschuldigung, stattdessen ließ sie andere daran teilhaben. Auf diese Weise hatte sie glückliche Mitarbeiter, auch wenn diese nicht immer begeistert von den Aufträgen waren.

Mit aufrichtiger Dankbarkeit prostete sie den beiden Männern zu, die zu den besten ihrer Leute gehörten, und sah jedem von ihnen einen Moment lang in die Augen.

»Vielen Dank, dass ihr eure Termine umgeschmissen habt!«

Max Roper verzog die Lippen zu einem seltenen, ironischen Lächeln.

Dan Gallagher zwinkerte, seine Augen leuchteten so grün wie irisches Gras. »Klar doch, Luce.« Sein Lächeln, bei dem einem das Herz stehen bleiben konnte, enthüllte eine kleine Unvollkommenheit. Doch selbst der leicht schiefe Vorderzahn tat seinem Charme keinen Abbruch. »Als hätten wir eine andere Wahl.«

»Das habt ihr immer«, erinnerte ihn Lucy und nippte an dem prickelnden Getränk. »Ihr könnt jederzeit aus jedem Grund jeden Auftrag ablehnen.«

Was sie aber nie tun würden. Lucy zahlte ihren Topleuten das Vierfache von dem, was andere Sicherheitsfirmen zahlten, darum hatte sie auch die besten Mitarbeiter. Und die besten der Besten saßen jetzt vor ihr.

Max’ Gesicht hatte wieder den üblichen reglosen Ausdruck angenommen. »Ich hätte mir lieber am Sonntag von meinem Platz an der Fünfzig-Yard-Linie das Spiel der Steelers angesehen, als Romeros Arsch zu retten.«

»Ich weiß, dass du noch nicht einmal dazu gekommen bist, deine Koffer auszupacken, Max.« Sie schenkte ihm ein mitfühlendes Lächeln. »Mit etwas Glück schaffst du es zum nächsten Spiel.«

Sie saßen in einer Cocktaillounge, die Stewardessen tauchten nur auf, wenn Lucy auf den Knopf unter ihrer Armlehne drückte. Geschäftliches erledigte sie am liebsten ungestört.

Dan streckte seine ein Meter zweiundneunzig aus und verschränkte die Hände hinter dem blonden Schopf. »Jetzt mal ehrlich, Luce. Wie schlimm steht’s in Miami?«

»Noch ist alles unter Kontrolle«, sagte sie und dachte an das Telefongespräch, das sie am Morgen mit ihrem Kunden geführt hatte. »Aber ich will kein Risiko eingehen, und Alex muss bei der Klientin bleiben.«

»Die nicht die richtige ist«, warf Max ein. »Nicht die wirkliche Nachrichtentante.«

Lucy nickte. »Er beschützt im Moment Jasmine Adams, und ich möchte auch, dass es so bleibt. Kimball Parrish soll glauben, alles laufe super mit seinem zukünftigen Star. Aber ich brauche mehr Leute, die dort unten die Augen offen halten, damit wir die Situation wirklich im Griff haben.«

Max hatte früher im Dienst der Drogenfahndung karibische Schmuggler enttarnt, und Dan war verdeckter Ermittler beim FBI gewesen; sie waren genau die Richtigen für Lucys Pläne. »Es ist ungeheuer wichtig, dass Alex engen Kontakt zu der Klientin hält und sichtbar für unseren Kunden ist, der bald wieder in Miami eintrifft.«

Sie gab ihnen einen Überblick über die Fakten. Wie immer zeigte Max keinerlei Reaktion, sein scharfer Verstand sammelte die Einzelheiten. Nur ein Aufflackern der goldenen Punkte in den schokoladenbraunen Augen signalisierte sein Interesse. Kein Muskel in seinem Gesicht bewegte sich, und auch sein Körper blieb völlig ruhig. Lucy hätte diesem Bär von Mann ihr Leben anvertraut, und sie legte das Leben ihrer Klienten Tag für Tag in seine Hände. Das einzig Bedauernswerte war, dass sie nie auch nur den kleinsten Anhaltspunkt hatte, was er dachte. Und genau darauf schien Max Wert zu legen.

Dan Gallagher war das genaue Gegenteil. Als Max vor ein paar Jahren Dan für die Bullet Catcher vorgeschlagen hatte, war Lucy zunächst erstaunt gewesen, dass die beiden Männer Freunde waren. Sie waren zusammen aufgewachsen, hatten in Pennsylvania dieselbe Schule besucht und waren auch danach enge Freunde geblieben, arbeiteten so oft wie möglich zusammen. Anders als beim unergründlichen Max wusste Lucy bei Dan immer, woran sie war. Er machte aus seinen Gefühlen und Ansichten kein Geheimnis, sie spiegelten sich in ständig wechselnden Gesichtsausdrücken. Dan war andauernd in Bewegung, die Klienten mochten seine Art, die Dinge leichtzunehmen, und seinen Sinn für Humor. Noch mehr gefiel ihnen, dass er mit der Waffe oder auch den bloßen Händen töten konnte, wann immer es notwendig war.

Keiner der beiden hatte je einen Klienten verloren. In den fünf Jahren seit Bestehen der Firma hatte Bullet Catcher nie jemanden verloren.

Wenn Jessica Adams noch am Leben war, würde dieser Rekord weiterhin Bestand haben. Die beiden Männer würden sie finden und beschützen; Alex konnte auf seinem Posten bleiben und den Job erledigen, mit dem sie ihn beauftragt hatte.

»Wir gehen mit der üblichen Vorsicht vor«, sagte sie. »Und Alex wird Jasmine Adams weiterhin vor allen gefährlichen Situationen bewahren.«

Dan lachte trocken auf. »Dann sollte sie sich vor allem von ihm fernhalten.«

»Er benimmt sich«, versicherte Lucy ihnen.

Max hob eine Augenbraue. »Ich habe gehört, er hätte in Genf eine neue Form des Servierens erfunden.«

Lucy verkniff sich ein Lächeln. »Als ob ihr beide euch noch nie gegen die Avancen von Klientinnen wehren musstet.«

»Von Klientinnen schon«, sagte Dan lachend. »Aber nicht von den Frauen der Klienten.«

Max schüttelte den Kopf. »Romero ist ein Hitzkopf und viel zu hübsch für den Job.«

Dan boxte ihn leicht auf die Schulter. »Mal gut, dass du dir deswegen keine Sorgen machen musst, Max.«

»Alex hat die Situation im Griff«, sagte Lucy. »Und er weiß, welche Konsequenzen ein Fehler für ihn hätte.«

Dan fuhr mit dem Zeigefinger über die Kehle und ließ die Zunge aus dem Mund hängen. »Adiós, señor Romero.«

»Oder noch schlimmer«, sagte Max leise. »Adiós Kunde.«

Lucy hatte ihnen nicht die ganze Wahrheit gesagt, was ihr das Herz auf unwillkommene Weise schwer machte. Sie hatte sich aus anscheinend guten Gründen darauf eingelassen, diesen Auftrag in spezieller Weise zu behandeln. Hoffentlich würde es nicht ein paar Leute den Job oder gar das Leben kosten.

»Alex weiß, dass ihr unterwegs seid«, sagte sie. »Ruft ihn auf dem Handy an, sobald ihr in Miami eintrefft, er wird euch dann auf den neusten Stand bringen.«

»Fliegst du sofort nach New York zurück?«, fragte Dan, während die Aperitifs serviert wurden.

Lucy sah mit erhobenen Augenbrauen zur Stewardess. »Ich habe etwas Geschäftliches in Miami zu erledigen.«

Dan und Max waren zu erfahren, um nachzufragen, und Lucy war erleichtert, dass sie nicht auf den Gedanken kamen. Sie erzählte ihren Leuten nur höchst ungern direkte Lügen.

Alex war in Miami aufgewachsen, aber in all den Jahren hatte er nie etwas von der blühenden Pornoindustrie in den heruntergekommenen Gewerbegebäuden von Hialeah mitbekommen. Ohne Jazz Adams und ihre unermüdliche Recherche hätte er nie die Studios und Lagerhäuser entdeckt, die große Mengen US-amerikanischer Pornos für den südamerikanischen Markt produzierten und vertrieben. Offensichtlich wurde gutes Geld dafür gezahlt, nackte amerikanische Mädchen anzuschauen.

Nachdem sie handelseinig geworden waren, hatte Jazz vor Energie nur so gesprüht. Sie hatte ihn sogar überredet, mit dem kleinen BMW zu fahren. Denn dann – so ihre Argumentation – würde sie überzeugender als Jessica wirken, und sie könnten Desirée Royalle leichter finden. Außerdem hatte der Z4 ein eingebautes Navigationssystem.

Daher saß Alex nun auf dem Beifahrersitz eines Sport-Cabrios neben einer tollkühnen und wunderschönen Frau, die sich nicht nur weigerte, beschützt zu werden, sondern sich auch kopfüber in jede gefährliche Situation stürzte, die er vermeiden wollte.

Im nahezu menschenleeren Studio setzte Jazz all ihren Charme ein, um an einem gelangweilten Türsteher vorbeizukommen, der sie anscheinend kannte. Drinnen irrten sie durch leere Büroräume, ehe sie auf einen Schneideraum stießen, in dem ein großer Mann mit Locken an einem Computer saß.

Er sah hoch und wurde bleich, als er Jazz erblickte. »Was machen Sie denn hier?«

Sie ging einen Schritt vor, dann hielt Alex sie am Ellbogen fest. »Ich suche Desirée Royalle.«

Der Mann schob seinen Stuhl zurück und drehte den Bildschirm zur Seite. Er sah Alex an, dann ging sein Blick wieder zurück zu Jazz. »Dachte, Sie hätten genug von ihr.«

»Ich habe noch ein paar Fragen. Wissen Sie, wo ich sie finden kann?«

Alex hörte Schritte und wandte sich um – darauf vorbereitet, notfalls zwei Männer unschädlich zu machen, um Jazz zu beschützen.

»Wen?« Die Stimme und auch die Schritte waren die einer dunkelhaarigen Frau, die ein Footballhemd der Miami University in leuchtendem Orange trug. »Ach …« Ihr Blick streifte Jazz. »Sie wollen zu Denise Rutledge.«

»Die ist nicht da«, sagte der Mann rasch. »Ist für ein paar Wochen weg, vielleicht auch noch länger.«

Die Frau sah ihn ungläubig an. »Sie hat doch nächste Woche einen Dreh, Howie. Könnte gut sein, dass sie heute noch reinschaut, um das Skript zu holen.« Sie hielt ein paar Seiten in die Luft und seufzte dann. »Du hast sie rausgeschmissen, stimmt’s?«

Howie starrte sie an. »Sie hat gekündigt.«

»Mein Gott!«, murmelte die Frau. »Sie wollte doch nur helfen.«

Ohne ein weiteres Wort ging sie wieder durch den Flur zurück. Jazz sah ihr einen Augenblick hinterher und wandte sich dann an Howie. »Ich muss Denise unbedingt sprechen. So schnell wie möglich.«

Er stand auf, sein schierer Leibesumfang wirkte auf unbeholfene Weise bedrohlich, Alex legte die Hand an die Waffe.

»Sie hat genug von Ihnen«, sagte Howie. »Sie hat genug vom Studio. Ich habe weder eine Telefonnummer noch eine Adresse oder sonst irgendeine Ahnung, wie ich sie erreichen könnte. Und niemand anders wird Ihnen bei Ihrer Story helfen.« Er wies mit dem Kopf in Richtung Eingang. »Hauen Sie ab!«

»Komm schon«, drängte Alex.

Sie rührte sich so lange nicht von der Stelle, dass er schon glaubte, sie würde einen Streit anfangen, um an Informationen zu kommen; aber das tat sie dann doch nicht. Sie sah erst Howie an, dann den Computer, drehte sich auf dem Absatz um und verließ den Raum.

Sobald sie aus dem Gebäude traten, zog Jazz Alex am Arm. »Komm, suchen wir sie.«

»Denise Rutledge?«

»Nein, die Frau, mit der wir gerade gesprochen haben. Sie weiß was.« Jazz sah sich um. »Sie hat in die Tasche gegriffen und ein Päckchen Zigaretten rausgeholt. Wir müssen uns nur nach der Raucherecke umschauen.«

Sie gingen am Lagerhaus entlang und bogen um die Ecke. Da stand die Gesuchte auch schon unter einem provisorischen Sonnendach und paffte wütend.

Jazz ging auf sie zu. »Kann ich Sie kurz sprechen?«

Die Frau blinzelte durch den Qualm und nickte. »Sicher. Aber ich werd Ihnen nicht helfen können.«

Natürlich nicht, dachte Alex, wahrscheinlich hat sie auch Angst rauszufliegen. Aber warum bloß?

»Ich bin nicht die, für die Sie mich halten«, sagte Jazz und blieb neben einem dreißig Zentimeter hohen überquellenden Metallaschenbecher stehen. »Ich heiße Jazz Adams, und Denise hat mit meiner Schwester gesprochen.«

Ungläubig riss die Frau die Augen auf. »Scheiße, nein! Sie sehen ganz genauso aus.«

Jazz schob die Hände in die Hosentaschen ihrer Jeans; ihre Körperhaltung strahlte mit einem Mal etwas Vertrauenserweckendes und Einladendes aus. »Ich weiß. Wir sind eineiige Zwillinge. Wie heißen Sie?«

»Carla. Skript-Supervisor.«

Jazz streckte die Hand aus, und die Frau schlug ein. »Hi, Carla! Ich muss wirklich dringend Denise finden. Wissen Sie vielleicht, wie ich das anstellen kann. Heute? Jetzt gleich?«

Carla zuckte die Achseln. »Glaub nicht, dass sie einen Telefonanschluss hat, sie wohnt irgendwo draußen in West Kendall. Aber vielleicht hat sie längst die Biege gemacht. Nach Wisconsin oder Minnesota.«

»Warum sollte sie dorthin fahren?«

»Ihr Sohn lebt da. Keine Ahnung, wo genau. Weiter im Norden, wo einem der Arsch abfriert. Deshalb hat sie doch den ganzen Scheiß hier gemacht und hat mit Ihnen … mit Ihrer Schwester geredet.«

»Wegen ihrem Sohn?«, fragte Alex.

Carla drückte ihre Kippe inmitten Hunderter anderer aus. »Jedes Mal wenn wir in den Pausen hier draußen gestanden und eine geraucht haben, hat sie nur über ihn gequatscht. Der Kleine lebt bei seinen Großeltern väterlicherseits. Denise hat keine Ahnung, wo der Vater ist. Sie will das Sorgerecht, aber die Großeltern sind dagegen.«

»Warum?«, fragte Jazz.

»Versicherung«, sagte Carla, als sei das die selbstverständlichste Sache von der Welt. »Der Junge hat irgendwas Seltsames mit dem Herzen, und Denise ist nicht versichert. Die Großeltern haben das Schlupfloch im Gesetz entdeckt und sich das Sorgerecht verschafft.«

Jazz sah Alex verwirrt an, dann konzentrierte sie sich wieder auf Carla. »Wie hätte das Gespräch mit meiner Schwester ihr da helfen können?«

»Denise hat geglaubt, die Leute wären aufgebracht, wenn Channel Five berichten würde, dass die armen Schauspieler schlecht bezahlt und noch schlechter behandelt werden.« Carla verzog das Gesicht. »Als ob so was jemals passieren würde!«

»Das ist die ganze Story?« Jazz konnte ihre Überraschung nicht verbergen. »Ein Bericht über die schlechten Arbeitsbedingungen von Pornostars?«

»Keine Stars, Süße. Wir sind nicht in Hollywood, und Denise ist nicht Jenna Jameson. Das Zeug ist Export-Mist, die Mädchen sind im wahrsten Sinne des Wortes nackte Arbeiterinnen, ausgebeutet. Seit das Internet mitmischt, ist der Job noch härter. Denise hat gehofft, wenn man im Fernsehen sehen würde …« Carla sah nach hinten auf das Lagerhaus. »Aber Howie …«

»Was?«, drängte Jazz. »Was hat er getan?«

Carla schüttelte rasch den Kopf. »Nichts. Ich will nur meinen Job behalten, genau wie alle anderen. Denise – wär eh bald draußen gewesen. Die schaffte das dauernde Hungern nicht mehr, und, ganz unter uns, das ist ein Job für jüngere Mädels.«

An der anderen Ecke des Parkplatzes verließ ein Mann das Gebäude; sie drehten sich um und sahen zu, wie Howie seinen massigen Körper durch die Wagen schob. Er drehte den Kopf und warf einen Blick zurück. Dann verschwand er um die Ecke.

»Howie Carpenter«, sagte Carla voller Verachtung. »Der Typ hat überhaupt kein Herz.«

»Was macht er hier?«, fragte Jazz.

»Ein Scheißgeld.« Carla schob die Marlboro-Packung zurück in ihre Hosentasche. »Ich muss los. Grüßen Sie Denise von mir, falls Sie doch noch auf sie stoßen.«

Nachdem Carla verschwunden war, sah Jazz Alex fragend an. »Meinst du, sie hat die Wahrheit gesagt?«

»Keine Ahnung.« Er legte ihr die Hand auf den Rücken und ging zum Wagen. »Krankenversicherung für Pornodarsteller scheint mir kein Thema zu sein, das für einen großen Sender von Interesse wäre. Außerdem gibt es den ersten Zusatzartikel unserer Verfassung. Wir leben in einem freien Land – außer Sex mit Kindern und Tieren ist in diesem Geschäft nicht mehr viel illegal.«

Jazz öffnete den BMW mit der Fernbedienung und verzog das Gesicht. »Die Sache ist zu igittigitt für das überregionale Fernsehen. Jessica würde ihre Zeit nicht damit vergeuden. Sie ist ja schließlich nicht beim Enquirer.«

»Schon mal von Snuff-Pornos gehört?«

»Leute, die vor laufender Kamera beim Sex ermordet werden?« Jazz verdrehte die Augen und zog ihren Laptop unter dem Fahrersitz hervor. »Moderne Märchen. Es muss um etwas Handfesteres gehen.«

»Vielleicht wollte sie einfach die heimliche Pornoindustrie in Hialeah an die Öffentlichkeit bringen.«

Jazz dachte darüber nach, während der Computer hochfuhr, schüttelte dann aber den Kopf. »Kein überregionales Thema.«

Ihre Finger glitten über die Tasten, und ihm fiel auf, dass sie die Zungenspitze herausstreckte, wenn sie sich konzentrierte. Gebannt sah er auf ihre Hände, ihre Zunge und alles, was dazwischenlag.

Sie war einfach anbetungswürdig.

Diese Erkenntnis traf ihn so hart wie die Hand seiner kubanischen Großmutter, wenn er den Namen Gottes missbraucht hatte. Das war es, was ihn in den letzten Tagen in solche Verwirrung gestürzt hatte. Viele Frauen hatten schon seine Aufmerksamkeit erregt, seine Zuneigung gewonnen und waren von ihm beschützt worden – und er tat nichts lieber, als einer Geliebten all das zu geben.

Aber vor Jazz Adams war ihm noch keine Frau begegnet, für die er einen solchen Respekt empfand. Dieses ultrascharfe Gedächtnis, die talentierten Finger und diese Furchtlosigkeit … dazu noch ein Körper, der ihn dermaßen scharf machte, dass jede Zelle förmlich nach Sex schrie.

»Sie hat wirklich keinen Telefonanschluss«, stellte Jazz fest. »Aber vielleicht kann ich trotzdem ihre Adresse rausbekommen.«

Während sie in ihre Arbeit vertieft war, klingelte sein Telefon. Das Display zeigt Dan Gallaghers Nummer, und Alex unterdrückte einen Fluch. Nicht nur, dass er inzwischen auf dem Beifahrersitz saß, er musste sich auch noch damit abfinden, Unterstützung zu bekommen. Er verzog die Lippen zu einem gequälten Lächeln, als er das Handy aufklappte. Jazz und er waren schon ein eigenartiges Paar: Sie hassten Hilfe, hatten sie aber gleichzeitig verzweifelt nötig.

»Der einzigartige Dan«, sagte er ins Handy. »Herzlich willkommen in Miami, amigo!«

Jazz warf ihm einen kurzen Blick zu. Dan lachte auf. »He, Alex. Wir sind im Delano. Netter Laden.«

»Wenn man auf barbusige Supermodels steht«, sagte Alex.

»Die vielleicht ausgenommen.« Dan lachte wieder. »Wo bist du?«

»Ist besser, wenn du es nicht weiß. Wir treffen uns später am Abend, aber kannst du mir gerade einen Gefallen tun und Raquel bitten, die Adresse von Denise Rutledge herauszufinden? Irgendwo in Dade County, wahrscheinlich in Kendall.«

»Bleib dran!«

Es klickte, Jazz sah ihn scharf an. »Wer ist Raquel und warum kommt sie an Adressen?«

Alex grinste, der leichte Unmut in ihrem Ton gefiel ihm. »Komm schon, Jazz! Denkst du, du wärst die Einzige, die sich im Netz auskennt?«

»Zumindest die Einzige in diesem Fahrzeug«, murrte sie.

»Raquel ist Lucy Sharpes Assistentin.«

Dan war wieder zurück in der Leitung. »Ich hab sie.« Er las vor, und Alex gab die Daten in das Navi ein.

Jazz blieb der Mund offen stehen, als sie sah, wie auf dem kleinen Bildschirm eine Karte der westlichen Vororte von Miami erschien. Ein Stern markierte den Ort, an dem Denise lebte.

»Danke, Mann!«, sagte Alex. »Ich ruf später noch mal an.« Er wies mit dem Handy auf das Navigationsgerät. »Raquel ist richtig gut. Beinahe schon eine volle Kraft bei Bullet Catcher.«

Jazz schluckte einen unwillkommenen Anflug von Neid herunter. »Schön für sie«, sagte sie und drückte auf den Knopf für das automatische Faltdach.

Sie fuhr schnell, in Gedanken versuchte sie, die Puzzlestückchen zusammenzusetzen. Immer wieder kam sie auf Miles Yoder zurück, und als sie auf der US 1 an einer Ampel halten musste, beichtete sie Alex, dass das Aufsichtsratsmitglied von Yellowstone sie gestern Nacht versetzt hatte. Alex zog sofort den Schluss daraus, dass Jessica eine Affäre mit Yoder hatte.

»Niemals. Er ist verheiratet. Das würde Jessica nie machen.«

Er schlug die Augen zum Himmel auf. »Du solltest endlich das Podest umstoßen, Jazz. Wir haben uns doch darauf geeinigt, dass deine Schwester auch nur ein Mensch ist. Was soll man denn sonst denken? Ein mächtiger Typ lässt seine Frau im Hotelzimmer zurück, um ein gut aussehendes, sexy Häschen zu treffen, das ihn zu nächtlicher Stunde um ein Rendezvous gebeten hat. Hört sich nicht gerade nach einem Vorstellungsgespräch an, querida.«

»Du irrst dich«, beharrte sie. »Er ist doch gar nicht aufgetaucht.«

»Dafür gibt es zwei Erklärungen«, sagte er nachdenklich. »Die Frau könnte aufgewacht sein, oder Jessica liegt gefesselt und geknebelt bei ihm im Biltmore, und er hat dich nur an der Nase rumgeführt.«

Verdammt, diese Möglichkeit hatte sie nicht in Betracht gezogen! »Er hat gemerkt, dass ich nicht Jessica bin, und ist wieder gegangen.« Sie schloss die Augen und ging noch einmal die Gesichter durch, die sie in der Bar gesehen hatte. Im Internet hatte sie keine neueren Fotos von Miles Yoder gefunden. Die letzten stammten von 1999, als er einen Haufen Aktien aus dem Technikbereich abgestoßen hatte und geradezu lächerlich reich geworden war.

Sie bog mit dem Schlitten in eine Seitenstraße ein, fuhr an vollkommen gleich aussehenden Häusern vorbei, die sich nur durch die Müllhaufen in den Vorgärten und Auffahrten unterschieden. Das Arbeiterviertel aus den frühen Achtzigern zeigte nur hie und da ein wenig neue Farbe.

Alex sah auf die Hausnummern und Auffahrten. »Sie ist auf dem Parkplatz aus einem zerbeulten Plymouth Reliant gestiegen«, sagte er. »Goldfarben. Vielleicht dreiundachtziger Baujahr.«

»Hier ist es«, sagte Jazz und fuhr auf die Auffahrt eines kleinen, farblosen Farmhauses ohne Land … und ohne einen Plymouth Reliant vor der Tür. »Hoffentlich ist sie da.«

Die Klingel funktionierte nicht, und niemand reagierte auf ihr Klopfen. Jazz atmete enttäuscht aus, ging zum Fenster und warf einen Blick hinein. Durch die heruntergelassenen Jalousien sah sie ein schmuddeliges Sofa, dessen Kissen auf dem Boden verstreut waren, ein paar überquellende Aschenbecher und ein People-Magazin, auf dem eine geöffnete Mineralwasser-Dose stand.

Jugendliche fuhren auf ihren Fahrrädern vorbei und riefen sich auf Spanisch etwas zu. Ein paar Häuser weiter schob ein korpulenter Mann einen alten Rasenmäher in die Garage. Sonst hielten sich wohl alle in ihren Häusern auf, um der Hitze zu entgehen.

»Komm mit!«, sagte Jazz und ging um das Haus herum.

»Warte!«, rief Alex ihr nach. »Lass mich vorgehen.«

Sie blieb seufzend stehen. »Du bist wohl ganz heiß darauf, die Kugel abzufangen?«

An der Seite gab es nur zwei Fenster, die Jalousien waren ebenfalls heruntergezogen. Alex hob die Kette von einem Tor, das in einen kleinen, verwahrlosten Garten führte, und rüttelte an der gläsernen Schiebetür.

»Nicht verschlossen«, sagte er, als sie in der rostigen Schiene zurückratterte.

Jazz steckte den Kopf hinein. »Jemand zu Hause?«, rief sie. Dann sah sie Alex an. »Sicher willst du es dir nicht nehmen lassen, den Ort als Erster zu durchsuchen.«

»Als ob du hier draußen warten würdest!« Er trat ins Haus und rief erneut. Jazz war ihm dicht auf den Fersen, als er die Küche betrat, die Hand an der Waffe.

»Denise«, versuchte sie es noch einmal. »Sind Sie da?«

Das Haus war nicht groß, allerhöchstens neunzig Quadratmeter Wohnfläche. Von der Küche führte ein kleiner Flur in ein Schafzimmer und das Bad, alle Zimmer stanken wie der Aschenbecher am Studio. Das Doppelbett war nicht gemacht, und überall auf dem Boden lag Kleidung. Die fünf Schubladen der Kommode standen offen, obenauf lag ein halbes Dutzend Fotos eines Jungen mit blauen Augen, als hätte jemand im Zorn die Rahmen umgeschmissen.

Jazz ging ins Wohnzimmer, auf dem Boden stand ein leerer Karton und daneben ein Stapel DVD-Hüllen. Sie hockte sich hin und sah den Haufen durch. Pornos. Allesamt.

Sie hielt Frühreife Fotzen hoch und winkte Alex heran. »Was meinst du? Arbeitsurlaub?«

Er nahm ebenfalls eine DVD. »Vielleicht hat sie sich nur ihr Werk angeschaut.«

Jazz erhob sich und sah sich um. Was war das für eine Frau? Abgesehen von den Filmen hätte es das Haus jeder normalen alleinstehenden Frau seien können. In der Spüle stand eine abgewaschene Tasse. Der Geschirrkorb war leer, der Kühlschrank beinahe auch. Im Abfalleimer lagen ein paar Fast-Food-Verpackungen.

Außer Tabak und Koffein sah sie keine Drogen. Keinerlei Anzeichen für das wilde Leben einer Pornodarstellerin. In den offenen Schubladen im Schlafzimmer fand sich auch nichts Verdächtiges. Überall Fehlanzeige.

Nicht einmal ein Koffer. Hatte sich Denise tatsächlich auf den Weg zu ihrem Sohn gemacht?

»Sieh mal, was ich im Abfall gefunden habe.« Alex hielt ein rechteckiges Papierschildchen hoch. Neiman Marcus. Café au lait. Größe 36.

Jazz schnappte kurz nach Luft. »War sie etwa in Jessicas Wohnung und hat das Kleid mitgenommen?«

Er sah sich das Etikett kopfschüttelnd an. Jazz nahm ein Bild des blonden Jungen in die Hand; er musste zehn oder elf sein und lächelte, wie man es auf einem typischen Schulfoto tat.

»Das muss ihr Sohn sein.« Sie drehte den Rahmen um und versuchte den billigen Karton wegzuschieben, aber er klemmte fest, andere Bilder mussten daruntergeschoben worden sein. »Vielleicht steht der Name der Schule auf dem Foto, und wir kriegen dort ein paar Hinweise. Vielleicht ist sie los, um ihn zu suchen und –« Der Karton löste sich plötzlich, und mehrere zusammengefaltete Papiere flatterten zu Boden.

Alex hob sie auf, während Jazz die Rückseite des Fotos betrachtete.

In einer Kinderhandschrift stand dort: »Grady, acht Jahre, Middlebrook Grundschule.«

»Jazz.« Alex’ Stimme klang unheilvoll. Er saß auf dem Bett, in der Hand die Papiere. »Das solltest du dir ansehen.«

Er reichte ihr den Stapel. Obenauf der Ausdruck eines Online-Kalenders. Jazz erkannte ihn sofort wieder, sie hatte ihn auf Jessicas Computer gesehen. Die nächsten sechs Seiten waren die Kopien der Stalker-E-Mails. Haargenau die gleichen, die Alex ihr schon gezeigt hatte. Sie sah ihn an.

»Kann sie die auch aus der Wohnung haben?«

Er schüttelte den Kopf. »Nein. Unsere Kopien sind in einer Mappe in meinem Wagen. Das sind ihre eigenen.«

Die Worte verschwammen vor ihren Augen. Ich schaue Dich gerne an. Ich möchte wissen, wie Du schmeckst. Ich werde Dich ficken, und meine Kamera wird Deine Schreie aufzeichnen.

»Alex…« Jazz runzelte die Stirn. »Könnte Denise der Stalker sein? Vielleicht war sie diejenige, die Jessicas Gesicht zwischen die Pornobilder geschnitten hat … vielleicht wollte sie ihr damit Angst machen.«

»Oder sie erpressen. Lies weiter!«

Das nächste Blatt sah genauso aus wie die anderen, aber Jazz hatte den Text noch nie gesehen.

Du bist zu weit gegangen, Jessica. Ich werde dein Leben, deine Karriere und deinen guten Namen zerstören. Und werden das nicht tolle Schlagzeilen? Arme Jessica Adams! Tat schlimme Dinge, wurde erwischt und beging Selbstmord.

Jazz’ Knie gaben nach. »Lass uns abhauen!«, sagte sie, faltete die Papiere in der Mitte zusammen und steckte sie in ihre Tasche.

Sie wollte den stechenden Schmerz in der Brust nicht spüren und hatte das dringende Bedürfnis, sofort etwas zu unternehmen. Mit schnellen Schritten ging sie in den Garten und bog um die Ecke. Vor dem Haus hörte sie Gelächter und blieb hinter einer Hecke stehen. Drei Jugendliche sprachen mit jemandem, der in einem schwarzen Fahrzeug saß. Durch die dunkel getönten Scheiben konnte sie den Fahrer nicht erkennen.

Einer der Jungen ließ sein Fahrrad am Straßenrand fallen und ging zu Jessicas BMW. Sie hatten das Verdeck aufgelassen. Jazz fluchte leise. In diesem Viertel lud ein solcher Wagen geradezu zum Diebstahl ein. Sie wollte sich gerade bemerkbar machen und dem Jungen sagen, er solle verschwinden, als der Wagen plötzlich anfuhr. Die drei Jungen steckten die Köpfe zusammen und sahen verstohlen ein ums andere Mal zum Cabrio.

Spanische Satzfetzen drangen zu ihr herüber. Sie hätte den Kerlen liebend gerne sofort die Leviten gelesen, hielt es aber für besser, Alex dazuzuholen. Er konnte sie auf Spanisch vertreiben. Auf Zehenspitzen schlich sie hinter das Haus, Alex schloss gerade die Schiebetür.

»Ein paar Jugendliche treiben sich bei Jessicas Auto rum. Kannst du sie wegscheuchen?«

Alex nickte und zog am Türgriff. »Vielleicht sollte ich abschließen.«

»Warum? Willst du ihr einen persönlichen Gefallen tun? Hier gibt es doch sowieso kaum was zu stehlen.«

Vor dem Haus stand niemand mehr. Die Fahrräder waren verschwunden, die Jungen mit ihnen, der Wagen sah unberührt aus.

»Eigenartig«, sagte Jazz. »Sie schienen großes Interesse am Wagen zu haben.«

Auf Alex’ Stirn erschien eine steile Falte, er sah sich um, konnte die Übeltäter aber nirgends entdecken. »Hast du verstanden, was sie gesagt haben?«

»Sie haben Spanisch gesprochen«, sagte Jazz. »Erst mit jemandem in einem anderen Wagen, der ist dann weggefahren, und sie haben sich an dem BMW zu schaffen gemacht.«

Er streckte die Hand aus. »Ich fahre.«

Sie kramte in der Tasche nach ihren Schlüsseln; im Grunde war es ihr ganz recht, das Steuer aus der Hand zu geben. Sie wollte auf ihrem Laptop nachschauen, ob sich in Jessicas Dateien Hinweise fanden, wo Denise sein könnte.

Der Laptop!

Sie riss die Beifahrertür auf und sprang in den Wagen, suchte unter dem Fahrersitz nach ihrem Computer, aber ihre Hand stieß nur auf einen glatten, runden Gegenstand. »Verflucht noch mal! Ich glaube, der scheiß Laptop ist weg.«

Alex stieg ein und startete den Wagen. »Wir sind in Miami. So war das schon immer.«

Jazz tauchte noch einmal zwischen seinen Beinen ab und griff unter den Sitz. Als sie den zylinderförmigen Gegenstand beiseitegeschoben hatte, ertasteten ihre Finger eine Kante des Computers. Wie war er so weit nach hinten gerutscht? Sie versuchte, den Laptop herauszuziehen, ohne ihren Kopf in Alex’ Schoß zu legen. Plötzlich stach ihr ein starker Geruch in die Nase. Sofort richtete sie sich wieder auf. »Ist das Benzin?«

Alex setzte gerade zurück und schnüffelte. »Scheint so. Vielleicht leckt die Benzinzufuhr.« Er atmete noch einmal tief ein. »Kannst du dich noch an irgendetwas erinnern, was die Jungs gesagt haben?«

Die Worte waren schnell herausgesprudelt und für sie kaum zu unterscheiden gewesen. »Aparto?«

Er sah sie scharf an und schnüffelte wieder. »Was für ein Fabrikat hatte der andere Wagen?«

»Es war ein schwarzer Viertürer. Könnte ein Lexus gewesen sein.« Der Benzingestank war inzwischen so durchdringend, dass sie beunruhigt war. Oder lag das an Alex’ bestürztem Gesichtsausdruck? »Estallido«, sagte sie, es war ihr wieder eingefallen. »Sie haben estallido gesagt.«

Alex bremste scharf, und sie flog nach vorn. »Raus aus dem Wagen!«, schrie er, stellte auf Parken und schob sie zur Tür. »Raus!«

Sie rissen beide fast gleichzeitig die Türen auf. Aber noch bevor sie aussteigen konnte, stand er schon an ihrer Seite und zog sie hoch. »Raus mit dir!« Er schubste sie zum Haus. »Lauf!«

»Mein Laptop«, schrie sie und sträubte sich.

»Vergiss ihn!« Er zog sie weiter.

Sie wirbelte herum, versuchte ihn abzuschütteln. »Ohne ihn werde ich Jessica nie finden! Ich brauche die Informationen.«

»Jazz, im Wagen ist eine Bombe – lauf!«

Der Zylinder unter dem Fahrersitz – der Geruch. Sie hatten eine Rohrbombe in den Wagen gelegt.

Zehn Sekunden genügten, um den Laptop zu holen. Er war ihre einzige Chance, ohne ihn würden sie Jessica nie finden. Jazz riss sich los und rannte zum Wagen.

»Mierda!«, knurrte Alex, hielt sie am T-Shirt fest und riss sie nach hinten. Dann raste er in schwindelerregendem Tempo zur offenen Fahrertür und ließ sich auf die Knie fallen. Bückte sich, schmiss etwas auf den Rücksitz und zog den Laptop heraus. Sprang auf die Füße und war gerade ein paar Meter vom Wagen weg, als die Bombe mit einem ohrenbetäubenden Knall hochging.

Die Druckwelle warf sie rücklings ins Gras. Alex fiel auf sie, brennende Splitter regneten auf sie herab, es stank nach Schwefel, und die Luft war voller Rauch.

In Jazz’ Ohren knallte und knackte es, und sie spürte Alex’ warmen Atem im Gesicht. Er drückte sie auf den Boden. »Mach das nie wieder!«, sagte er drohend.

Bremsen quietschten, und er fuhr hoch. »Lauf!« Ohne einen Blick zurückzuwerfen, drängte er sie in Richtung Haus.

»He, Romero!« Der Ruf ließ sie beide erstarren. Jazz fiel mit einem Schlag wieder der schwarze Wagen mit den dunklen Scheiben ein, der gestern versucht hatte, sie von der Brücke zu drängen. Gleich würde er hinter Alex’ Schulter auftauchen, und jemand würde aus dem Fenster eine Waffe auf sie richten.

Doch hinter Jessicas BMW stand nur ein kleiner Geländewagen, aus dem zwei Männer sprangen. Einer rannte auf sie zu, und der andere, ein wahrer Koloss, ging mit raschen Schritten zum verbrannten Wagen.

Jazz blinzelte durch den Rauch, der Gestank nach Benzin und verkohltem Leder verursachte ihr Schwindelgefühle. Warum stand Alex immer noch am selben Ort? Warum lief er nicht fort oder erschoss den großen Blonden, der auf sie zukam?

»Wusste ich doch, dass wir dich hier finden«, sagte der Mann mit einem schiefen Lächeln.

Alex seufzte. »Verdammt! Ich hasse es, wenn jemand schlauer ist als ich.«

Der Mann am Wagen sah auf und schnaubte. »Ist ja nicht gerade schwer.«

In Alex’ Augen schwelte es mindestens ebenso heftig wie in den Überresten des BMW. »Leck mich, Roper! Weg hier. Und zwar schnell.«