Botschaft der Vereinigten Staaten

London, England,

14.00 Uhr Ortszeit

(09.00 Uhr E. S. T. USA)

 

»Ihrer Ansicht nach geht der Krieg gegen den Terror nicht weit genug. Die Mitglieder von Majestic-12 haben die Angriffe des 11. September zwar nicht geplant - das zu denken, wäre ein Irrtum -, aber sie machen sie sich nach Kräften zunutze ...«

Der Mann auf dem Fernsehbildschirm war Benjamin Y. Rosenthal, der Mossad-Agent, der vor einer Stunde auf dem Dach des King's Towers getötet worden war.

Book II. schaute gebannt zu. Hinter ihm stand Scott Moseley, der Mann vom State Department.

Auf den Schreibtischen um sie herum lagen Dokumente verstreut - hunderte von Dokumenten. Alles, was Benjamin Rosenthal über Majestic-12 und die weltweite Kopfgeldjagd gewusst hatte.

 

Book blätterte noch einmal die Akten durch:

Überwachungsfotos von Männern in Limousinen, die gerade bei Wirtschaftsgipfeln eintrafen.

Mitschriften abgehörter Telefonate.

Gestohlene Akten des US-Verteidigungsministeriums.

Sogar zwei Dokumente vom französischen Geheimdienst - dem berüchtigten DGSE. Das eine war ein DGSE-Dossier über einige der weltweit einflussreichsten Geschäftsleute, die vor sechs Monaten vom französischen Präsidenten zu einem Essen eingeladen worden waren.

Der Inhalt des zweiten Dokuments war explosiver. Es schilderte die kürzlich erfolgte Festnahme von 24 Mitgliedern des Islamischen Dschihad durch die DGSE. Die Terroristen hatten geplant, mit einem Tankflugzeug den Eiffelturm zu rammen. Bemerkenswert daran war vor allem, dass Shoab Riis, eine der Führerfiguren des Islamischen Dschihad, zu den Festgenommenen zählte. Normalerweise hätte die Festnahme eines solch hochrangigen Terroristen weltweit Schlagzeilen gemacht. Die Franzosen aber hielten Riis' Festnahme geheim.

Rosenthal hatte eine Randnotiz hinzugefügt: »Alle wurden ins DGSE-Hauptquartier in Brest geschafft. Kein Gerichtsverfahren. Keine Zeitungsmeldungen. Keiner der 24 ist je wieder aufgetaucht. Verbindung zu Kormoran/Chamäleon möglich. Arbeitet Frankreich mit M-12 zusammen? Der Angelegenheit weiter nachgehen.«

Den interessantesten Hinweis aber enthielten die Videoaufzeichnungen, die der Mossad von Rosenthals Befragung angefertigt hatte.

Einfach ausgedrückt: Rosenthal hatte auf einem Pulverfass gesessen.

Erstens hatte er die Zusammensetzung von M-12 gekannt.

Der Vorsitzende: Randolph Loch, Militärindustrieller, 70 Jahre alt, Präsident der Loch-Mann Industries, Partner des Verteidigungsministeriums. L-M-Industries stellten unter anderem Ersatzteile für Militärhubschrauber wie den Huey und den Black Hawk her. In Vietnam und bei Desert Storm hatten sie ein Vermögen verdient.

Der stellvertretende Vorsitzende: Cornelius Kopassus, der legendäre griechische Großreeder.

Arthur Quandt, Patriarch des Stahlimperiums der Familie Quandt.

Warren Barkshire, der weltweit erfolgreichste Investor.

J. D. Cairnton, Präsident des großen Astronox-Pharmaziekonzerns.

Jonathan Killian, Präsident und CEO der Axon Corporation, des riesigen Waffenkonzerns, der Raketen und Kriegsschiffe fertigte.

Die Liste ging noch weiter.

Abgesehen von einigen Einzelvermögen - wie der Familie Walton in Amerika, den Albrechts in Deutschland oder den Mattencourts in Frankreich - hätten dies die Top Ten der Reichsten der Welt sein können.

Und wie Major Benjamin Rosenthal herausgefunden hatte, würde das Vermögen all dieser Männer beträchtlich wachsen, wenn eine bestimmte Entwicklung eintrat.

Rosenthal auf dem Bildschirm: »Ihr Vermögen gründet auf militärischer Aktivität. Der Zweite Weltkrieg hat den Grundstein für das Quandt-Stahlimperium gelegt. In den Sechzigern war Randolph Loch einer der eifrigsten Befürworter des Engagements in Vietnam. Der Krieg benötigt Öl. Der Krieg erfordert die Herstellung tausender neuer Schiffe, Helikopter, Kanonen, Bomben, Medikamenten-Kits. In einer Welt des Big Business ist der globale Krieg das größte Geschäft überhaupt.«

Und an anderer Stelle:

»Betrachten Sie einmal den gegenwärtigen >Krieg gegen den Terror<. Die Vereinigten Staaten haben viertausend Bomben auf die Berge Afghanistans abgeworfen, und mit welchem Ergebnis? Sie haben keine Brücken, Nachschubwege oder militärischen Nervenzentren zerstört. Aber wenn viertausend Bomben eingesetzt werden, müssen viertausend Bomben ersetzt werden. Und das heißt, man muss sie kaufen. Und was kam nach Afghanistan? Überraschung, Überraschung: Ein neuer Krieg wurde begonnen, diesmal mit dem Irak.«

Ein weiterer Ausschnitt:

»Man sollte den Einfluss dieser Männer nicht unterschätzen. Sie küren Präsidenten und stürzen sie. Angefangen vom Impeachment gegen Bill Clinton bis zum Aufstieg eines ehemaligen KGB-Agenten namens Wladimir Putin zum russischen Präsidenten hat Majestic-12 stets ein Wörtchen dabei mitgeredet, wer wie lange an den Schalthebeln der Macht saß. Selbst wenn sie nicht direkt den Wahlkampf eines bestimmten Präsidenten finanzieren, sind sie doch in der Lage, ihn jederzeit zu stürzen.

Zu diesem Zweck hat Majestic-12 enge Kontakte mit den weltweit wichtigsten Geheimdiensten geknüpft. Der Direktor der CIA: ein ehemaliger Geschäftspartner von Randolph Loch. Der Chef des MI-6: Cornelius Kopassus' Schwager. Dieser Killian hat in der Vergangenheit den Direktor der DGSE regelmäßig zu Hause besucht.

»Denn«, sagte der Mossad-Agent lächelnd, »wer weiß besser über die politischen Führer eines Landes Bescheid als der jeweilige Geheimdienst?«

Rosenthal wurde wieder ernst:

»Der Krieg, den M-12 über alles schätzte, der ihnen größeren Reichtum verschafft hat, als sie sich je erträumt haben, war der Krieg, der niemals ausgefochten wurde: der Kalte Krieg zwischen den USA und der Sowjetunion.

Desert Storm. Bosnien. Somalia. Afghanistan, Irak. Diese Kriege verblassen im Vergleich zu der unermesslichen Goldmine des Kalten Krieges. Denn während der amerikanisch-sowjetische Rüstungswettlauf stattfand und es in Korea und Vietnam zu indirekten Konfrontationen kam, scheffelten die Mitglieder von M-12 ein gewaltiges Vermögen.

1991 aber geschah das Undenkbare: Das Sowjetimperium brach zusammen und mit alldem war Schluss.

Als die Berliner Mauer fiel, überflutete das amerikanische Konsumdenken wie nach einem Dammbruch die ganze Welt. Und die größten Gewinner der Globalisierung waren nicht mehr die amerikanischen Rüstungsproduzenten, sondern die Hersteller von Konsumartikeln: Nike, Coca-Cola, Microsoft und europäische Firmen wie BMW und L'Oreal. Kosmetikhersteller, man stelle sich das vor!

Seitdem suchen die Mitglieder von Majestic-12 nach einem sicheren Weg, das vergangene goldene Zeitalter wieder auferstehen zu lassen ...«

In diesem Moment nahm Rosenthal schwungvoll ein weiteres Dokument aus einem Aktenordner und hielt es in die Kamera.

»... nach einem neuen Kalten Krieg.«

 

Book II. hielt das Dokument gerade in der Hand.

Das Fernsehbild gefror.

Book überflog das Schriftstück.