Kapitel 1

Richard Kolb brachte sein Scharfschützengewehr M40A3 in Position und nahm durch das Zielfernrohr den Eingangsbereich der gegenüberliegenden Betreuungseinrichtung ins Visier.

Die durchgeknallte Hackerin, die sich selbst Dawn Widow nannte, stand bereits seit fünf Minuten vor der Tür und wartete. In ihrem karierten Filzmantel sah sie noch fetter aus, als sie ohnehin schon war. Kolb konnte nicht begreifen, wie sie ihren fast zwanzig Jahre jüngeren Loverboy dazu brachte, mit ihr zu schlafen.

Es war schwierig gewesen, außer diesem Ragnar noch jemand anderen zu finden, der dieser esoterisch angehauchten Tante für Kolbs Zwecke nahe genug stand. So eine Person hatte er schließlich in Gestalt ihrer kleinen Schwester Fiona gefunden, womit er jetzt ein Geheimnis kannte, das Dawn Widow nicht mal mit ihrem Geliebten teilte.

Die Tagesstätte lag in einer ruhigen Wohnstraße und Kolb hatte vom Dach einer Garage aus freies Schussfeld.

»Bumm, du bist tot«, flüsterte er und grinste boshaft, als er Dawns Hinterkopf in den Sucher nahm. Er könnte sie hier und jetzt erledigen – gar kein Problem. Anschließend würde er dann nach und nach alle anderen von Simon Starks Gefährten aufsuchen und umbringen können. Kolb hatte ihre Adressen, kannte ihre Wege und Gewohnheiten, und hätte jeden von ihnen selbst im Dunkeln und auf hundert Meter eindeutig erkannt. Aber das wäre zu einfach gewesen. Es hätte Simon nicht gebrochen, sondern ihn wütend gemacht. Simon Stark konnte ihn, wenn er in die Enge getrieben wurde, zweifellos aufspüren. Kolb würde diesen Gegner nicht noch einmal unterschätzen. Wann Simon Stark herausfand, wem er das alles zu verdanken hatte, bestimmte er, Richard Kolb, ganz allein.

Endlich tat sich hinter der großen Glastür etwas. Dawn Widow hob die Hand und winkte fröhlich hinein. Kolb richtete das Zielfernrohr durch die Tür, um zu sehen, was vor sich ging. Es war Fiona, die sich gerade an der Garderobe zu schaffen machte, an der ihre hellblaue Steppjacke und ihre bunte Wollmütze hingen. Wann immer ihre große Schwester es einrichten konnte, holte sie sie persönlich aus der Tagesstätte ab, statt sie mit dem Behindertentransport in die Wohngruppe fahren zu lassen.

Ein Mann war Fiona behilflich, die Jacke anzuziehen. Das war der Leiter der Einrichtung. Kolb entsicherte das Gewehr und reduzierte seinen Atem. In wenigen Sekunden würde er ein Leben nehmen – ohne Vorwarnung und gottgleich. Das Töten mit dem Gewehr war etwas völlig anderes, als irgendwo eine Sprengfalle aufzubauen, die erst losging, wenn man selbst schon über alle Berge war. Es war unmittelbarer – intimer.

Die junge Frau mit der bunten Wollmütze stürmte ausgelassen zur Tür und riss sie auf. Mit einem Jauchzen warf sie sich draußen ihrer großen Schwester an den Hals und drückte ihr einen Kuss auf die Stirn.

Kolb hatte ihre Schläfe im Visier, doch er zog den Abzug nicht durch. Stattdessen löste er die mit dem Zielfernrohr gekoppelte Kamera aus. Fionas Kopf im Fadenkreuz – das war das Motiv, das er brauchte. Jetzt kam der Betreuer ebenfalls zu den beiden Frauen nach draußen und Dawn schob ihre kleine Schwester gutmütig, aber bestimmt zur Seite, als der Pädagoge sie ansprach. Was immer die beiden zu besprechen hatten, es würde ungesagt bleiben. Kolb schwenkte mit dem Zielfernrohr von Fionas Kopf weg, peilte sein endgültiges Ziel an und drückte ab. Der Schuss war noch nicht ganz verhallt, als das hysterische Kreischen von Dawn Widow, ungekrönte Königin der Hacker, durch die beschauliche Straße hallte.

Teil Eins der Botschaft war überbracht. Richard Kolb packte seine Sachen zusammen und verschwand über die angrenzenden Hinterhöfe wie ein Gespenst. Den fehlenden Teil der Nachricht an Dawn Widow würde er jetzt auf wesentlich unspektakulärere Art zustellen.

***

»Ich mache für heute Schluss, Sophie. Ich gehe noch einen auf mich trinken. Kommst du mit?«

Doch Sophie Palmer winkte ab. »Geh mal alleine, Ragnar. Du hast den untreuen Bastard überführt, aber ich muss jetzt noch den Bericht und die Rechnung für seine zukünftige Ex schreiben.«

»Schade, aber OK. Bis morgen.«

»Bis morgen.«

In der Tür hielt er noch einmal inne und drehte sich zu seiner Chefin um. »Sag mal, das wird jetzt aber nicht zur Regel, oder?«

Sophie hob den Blick von ihren Unterlagen und sah Ragnar fragend an.

»Na, diese unappetitliche Unterwäsche-Schnüffelei. Ist nicht unbedingt das, was ich mir für meine Arbeit bei Palmer & Stark vorgestellt hatte.«

Sophie seufzte. »Hast du geglaubt, wir nehmen jetzt jede Woche einen mordenden Immobilienhai oder einen internationalen Schleuserring hoch? Diese kleinen Aufträge, die du so unappetitlich findest, bringen uns die Butter aufs Brot. Und jetzt zisch ab und gönn dir deinen Drink. Immerhin hast du heute eine Frau davor bewahrt, den Rest ihres Lebens mit einem Mann zu verbringen, der sie hintergeht.«

Sophie hatte natürlich Recht, das wusste er. Ragnar schloss die Tür hinter sich und schlenderte nachdenklich durchs Treppenhaus hinunter zur Straße. Alle anderen in der Firma waren tatsächlich auf das Geld angewiesen, das diese Schmalspurermittlungen einbrachten, aber er eben nicht. Simon ahnte vermutlich, dass er erhebliche Rücklagen hatte, und Dawn hatte sogar eine ungefähre Vorstellung von den Dimensionen seines Vermögens. Nein, wegen des Geldes war er nicht bei der Truppe. Es ging ihm um Freundschaft und darum, mit der Frau zusammenzuarbeiten, die er liebte. Und es ging um Adrenalin, auch wenn er die Verbindung zu Simon Stark ein paar Mal fast mit dem Leben bezahlt hätte. Nun, da war er dann auch schon bei dem eigentlichen Grund, warum er jetzt den Privatdetektiv spielte, statt weiterhin das zu tun, was er früher gemacht hatte. Er konnte nicht ewig weiter als Raubritter durch das Netz ziehen. Die Gegner wurden besser, die Chancen, geschnappt zu werden, größer und größer. Ragnar war nicht so vermessen anzunehmen, dass niemand ihm das Wasser reichen konnte.

Draußen auf der Straße entschied er sich, nicht ins nächste Lokal zu gehen, in dem er nur einen einsamen Drink genommen hätte. Stattdessen schlug er den Weg zum Bahnhof ein.

***

Dawn musste sich schnell wieder in den Griff bekommen, auch wenn sie nahe dran war, überzuschnappen. Fiona brauchte sie jetzt, und so nahm sie sich zusammen. Dawn zog ihre kleine Schwester von dem Leichnam weg, den sie mit großen Augen und bebenden Lippen anstarrte.

»Schon gut, Liebes, nicht hinsehen. Der Peter schläft nur.«

Fiona presste ihr Gesicht gegen Dawns Schulter und klammerte sich so fest an sie, dass ihr das Atmen schwerfiel. Zu allem Überfluss drängten jetzt auch noch die anderen Betreuten aus dem Haus. Die beiden Kolleginnen von Peter Demiac, dem ermordeten Chefbetreuer, waren völlig überfordert. Sie schafften es nicht, ihre Schützlinge im Gebäude zu halten.

Binnen Sekunden entstand ein Tumult, der die ganze Nachbarschaft alarmierte.

Dawn beeilte sich, Fiona aus dem Gedränge zu bugsieren und ein paar Meter Abstand zu der Leiche zu gewinnen. Peter Demiac hatte offenbar eine Kugel in die Stirn bekommen, doch er war nicht auf dem Rücken gelandet, sondern lag auf der Seite. In dieser Stellung war die verheerende Austrittswunde an seinem Hinterkopf sichtbar, und Dawn wusste, dass sie verrückt werden würde, wenn sie auch nur einen einzigen weiteren Blick auf dieses Bild warf.

Minuten später waren Polizei und Rettungswagen da. Für Demiac kam all das zu spät.

Jemand nahm ihr Fiona ab, und ihr selbst wurde von einem Sanitäter eine Rettungsdecke umgelegt. In diesem Augenblick schlug der Schock voll durch und Dawn sackten die Beine weg. Sie begrüßte die einsetzende Ohnmacht wie eine gute Freundin.

***

Irgendein Idiot hatte schon wieder die Tür zum Treppenhaus offen stehen lassen. Ragnar hasste solche Nachlässigkeiten. Missmutig betrat er den Hausflur und warf die Tür hinter sich zu, doch sie fiel nicht ins Schloss, sondern federte vom Rahmen ab und blieb halb offen stehen.

»Was ist denn jetzt kaputt?«, murmelte er genervt und ging zurück. Ragnar sah sofort, was nicht stimmte. Jemand hatte das Schloss gewaltsam geknackt. Der Schließmechanismus war zerstört.

»Verfluchtes Dreckspack«, knurrte er und überlegte, was er jetzt tun sollte. Den Hausmeister verständigen, oder gleich einen Schlüsseldienst, der die Schließanlage auswechselte? Beides war nicht praktikabel. Der Hausmeister hatte bereits Feierabend, und als Mieter eigenmächtig Handwerker zu bestellen, war auch keine gute Idee.

»Ach, dann leck mich doch am Arsch«, brummte er und beschloss, die Angelegenheit zu vergessen. Morgen dürfte der Schaden entdeckt und behoben werden. Bis dahin würden schon keine marodierenden Banden ins Haus einfallen.

Ragnar stieg die Treppen bis in den dritten Stock hinauf und fummelte dabei bereits den Wohnungsschlüssel aus der Jeanstasche. Als er oben ankam und sein Blick auf die Tür fiel, blieb er plötzlich wie erstarrt stehen. Sie stand offen. Nur einen winzigen Spalt weit, aber eindeutig offen.

»Scheiße, was mach ich denn jetzt«, murmelte er verstört.

Hatte er vielleicht einfach vergessen, die Tür richtig zuzuziehen, als er heute Morgen das Haus verlassen hatte? Er war in Eile gewesen, da konnte sowas schon mal passieren.

Aber das Schloss unten wurde geknackt, rief er sich in Erinnerung. Nein, es musste ein Einbrecher sein. Die Frage war jetzt nur, ob noch jemand in seiner Wohnung war oder nicht.

»Ich muss die Polizei rufen«, ermahnte er sich. Stattdessen machte er zwei vorsichtige Schritte auf die Tür zu. Der Gedanke, die Cops zu alarmieren, gefiel ihm einfach nicht. Jahrelang waren sie seine natürlichen Feinde gewesen, wie konnte er sie jetzt um Hilfe bitten?

»Ich sollte das echt lassen«, flüsterte er, doch dann fasste er sich ein Herz und stieß die Tür auf. Im Korridor war es dunkel und auch aus keinem der anderen Zimmer fiel Licht in den Flur. Wenn noch jemand da drin war, saß er im Dunkeln.

Ragnar tastete nach dem Lichtschalter und knipste den Spot über der Garderobe an. Mit angehaltenem Atem lauschte er, ob sich irgendwo da drinnen etwas tat, doch nichts geschah.

Mit klopfendem Herzen betrat er seine vier Wände und schlich den Flur entlang. An der alten Milchkanne, die ihm als Schirmständer diente, machte er Halt und zog einen langstieligen Regenschirm heraus. Ein Baseballschläger wäre ihm jetzt zwar lieber gewesen, aber er konnte nicht wählerisch sein.

»Hallo, ist hier jemand?«, rief er unsicher und umklammerte den Schirm fester. »Kommen Sie lieber raus, bevor ich reinkomme. Ich bin bewaffnet.« Ragnar versuchte, etwas Drohendes in seine Stimme zu legen, doch das gelang ihm nicht. Jetzt kam er zur Wohnzimmertür zu seiner Rechten. Er presste sich mit dem Rücken an die gegenüberliegende Wand und bewegte sich seitwärts aus der Deckung, direkt vor die Türöffnung. Seine provisorische Waffe hielt er dabei schützend vor sich. Auf den ersten Blick konnte er im Wohnzimmer niemanden entdecken. Trotzdem ging er nicht hinein, um sich genauer umzusehen, sondern machte ein paar weitere Schritte seitwärts, bis er in der kleinen Küche ankam. Auf der Arbeitsplatte zwischen Herd und Spüle stand der Messerblock. Ragnar griff sich das größte Messer daraus und warf den Schirm achtlos auf den Küchentisch. Jetzt fühlte er sich schon eine Spur besser. Wenigstens hatte er nun etwas, das offiziell als Waffe durchging.

Von der Küche führte eine weitere Tür ins Wohnzimmer. Als Ragnar auch hier das Licht einschaltete, war der angrenzende Raum endlich gut genug ausgeleuchtet, um ihn von außen bis in den letzten Winkel überblicken zu können. Wenn da drin ein Einbrecher war, musste er schon unter das Sofa gekrochen sein. Die Luft war also offenbar rein. Ragnar ging hinein, sah sich noch einmal um, damit er ganz sicher war, und atmete dann erleichtert aus. Jetzt blieben noch das Schlafzimmer, das Arbeitszimmer und das Bad. Unwahrscheinlich, dass dort jemand ausharrte.

Ach ja? Woher willst du das wissen?

Er wusste es natürlich nicht, aber er wollte es unbedingt glauben. Nachsehen musste er trotzdem.

Kurz darauf hatte er Gewissheit. In keinem der anderen Räume hatte ihm ein Irrer aufgelauert und ihn abgestochen. Ragnar eilte zurück zu seiner Wohnungstür, begutachtete das Schloss und stellte fest, dass es nicht beschädigt war.

»Ok, alles klar. Hab nur vergessen, abzuschließen.«

Die Anspannung wich von ihm und jetzt musste er über sich selbst lachen. Kopfschüttelnd und immer noch schmunzelnd nahm er sich ein Bier aus dem Kühlschrank und ging ins Wohnzimmer, wo er sich in seinen Fernsehsessel fallen ließ.

Auf diesen Schreck würde er sich jetzt einen schönen Film streamen und den Abend gemütlich ausklingen lassen.

»Wo ist denn die verdammte Fernbedienung?«

Er musste sich dringend angewöhnen, das verfluchte Ding immer am selben Platz abzulegen. Jeden Abend der gleiche Mist. Dann stutzte er.

»Wo kommst du denn her?«

Er griff nach dem USB-Stick, der auf seinem Couchtisch an dem Platz lag, wo er seine Fernbedienung vermutet hatte. Das Ding gehörte ihm nicht. Wie kam es hierher?

Ragnar erschrak und sprang auf. Hektisch sah er sich um, rannte erneut in jeden einzelnen Raum, suchte alles ab und kontrollierte am Schluss noch einmal die Tür.

Ragnar schwitzte.

»Aber jemand muss hier gewesen sein«, sagte er laut und kratzte sich verwirrt am Kopf. Fieberhaft überlegte er, wer für so einen üblen Scherz infrage kam. Hacker bekriegten sich untereinander, klar. Aber die meisten beschränkten sich auf Online-Attacken. Wenn das hier jemand gewesen sein sollte, den er aus dem Deep-Web kannte, wäre das äußerst ungewöhnlich. Ein Übergriff in der realen Welt war nicht das Ding der allermeisten Cyber-Freaks. Tatsächlich fiel ihm kein Einziger der üblichen Verdächtigen ein, dem er das zugetraut hätte.

Die Antwort ist vielleicht auf dem Stick. Probiere ihn aus.

Genau das tat Ragnar jetzt auch. Er benutzte dafür einen alten Laptop, der nicht in seinem WLAN hing und auch ansonsten keinen Zugang zum Internet hatte. Wenn auf diesem Ding ein Virus war, würde er zumindest keinen schlimmen Schaden anrichten können. Er fuhr die alte Kiste hoch und steckte den Stick in einen der beiden USB-Ports.

»Ach, sieh an. Ein Video File.«

Statt es anzuklicken, ließ er zunächst einen Virenscanner drüber laufen, auch wenn das nur einen schwachen Schutz versprach. Wenn jemand versuchen wollte, ihn mit Malware reinzulegen, würde er es mit nichts probieren, das ein herkömmliches Schutzprogramm entdecken konnte. Aber es war auch unwichtig – eher eine Formsache. Ragnar wollte wissen, was auf dem Video war.

Die ersten Augenblicke bestanden nur aus Schwärze. Der Player zeigte eine Gesamtlänge von vierzig Minuten und dreiundzwanzig Sekunden an, also beschloss er, abzuwarten.

Schließlich poppte unvermittelt ein Text auf dem Bildschirm auf. Ragnar las stirnrunzelnd.

Dies ist der wichtigste Film, den Du in Deinem Leben sehen wirst. Schaue ihn ganz an – bis zum Ende. Tust du es nicht, ist das, was du gleich siehst, auch dein Schicksal.

Der Film startet jetzt.

Ein dunkles, kerkerartiges Gewölbe war zu sehen. Die Kamera war statisch auf die Mitte des Raumes ausgerichtet. Ansonsten war nichts zu sehen. Es gab weder Mobiliar noch sonst irgendetwas in diesem Verlies.

Dann trat jemand ins Bild. Die Gestalt kam von links hinter der Kamera, sodass Ragnar zuerst nur den Rücken. Im Abstand von knapp zwei Metern vor der Linse blieb er stehen und drehte sich zur Kamera um. Ragnar wusste nicht sofort, wer das war, aber er war sicher, das Gesicht schon einmal gesehen zu haben. Er bekam sofort ein flaues Gefühl im Magen. Offenbar hatte sein vegetatives Nervensystem den Mann bereits erkannt, diese Erkenntnis aber noch nicht ans Bewusstsein durchgegeben. So, wie es sich anfühlte, musste der Kerl allerdings ein übler Bursche sein.

Wenn ich doch nur wüsste, woher …

»Ich bin Vincenter Pablo Caballero«, stellte sich der Fremde auf Englisch vor und Ragnar versagte fast der Schließmuskel. Seine Kinnlade sackte runter und ihm wurde schlagartig eiskalt.

»Ich kenne dich nicht, aber du weißt, wer ich bin. Man sagte mir, du seist in Deutschland, und deshalb fliegen ich und meine Leute mit der nächsten Maschine. Ich werde dich finden. Du hast mir Geld gestohlen, du Hund. Ich zeige dir, was ich mit Dieben mache.«

Caballere gab Leuten, die außerhalb des Bildes waren, Zeichen.

Ragnar wusste genau, wer dieser Mann war. Ein Schlächter und Irrer, der tausende auf dem Gewissen hatte. Er war der Boss eines relativ jungen, aber umso brutaleren Drogenkartells in Mexiko. Seine Organisation schickte sich an, den Zetas und dem Juarez-Kartell den Rang abzulaufen. Ragnar war auf diese Bande gestoßen, als er im Auftrag einer ortsansässigen Bürgerwehr im Netz nach Spuren von zwei Dutzend verschwundenen Zivilisten gesucht hatte. Manchmal tat er so etwas, um seinem sozialen Gewissen gerecht zu werden – sozusagen als Ausgleich zu seinen sonstigen Aktivitäten, die immer nur ihm selbst nützten. Natürlich konnten sich solche Leute nicht einfach an ihn wenden. Dazu hätten sie ihn aufspüren müssen, was unmöglich war. Nein, er trat in der Regel selbst an die Menschen heran, bot seine Hilfe an und wertete es als Auftrag, wenn sie annahmen.

Zwei Maskierte schoben eine Pritsche in den Raum. Es war schlecht zu erkennen, aber dass darauf jemand festgeschnallt war, sah Ragnar trotzdem.

Sollte er einer Demonstration beiwohnen? Warum? Ihm wurde übel.

Er hatte die verschwundenen Dorfbewohner damals nicht gefunden. Dafür war er dem Geldstrom des Kartells auf die Spur gekommen und hatte sich bedient. Einfach so, ohne groß darüber nachzudenken. Es waren Mörder, die er da bestahl. Damit tat er der Welt doch noch einen Gefallen. Und ihn erwischen? Das konnte er mit absoluter Sicherheit ausschließen – hatte er gedacht.

»Enjoy the show«, knurrte Caballero und trat beiseite. Jetzt wurde die Kamera von unsichtbarer Hand vom Stativ gehoben und auf die Pritsche zubewegt. Ragnar kannte den Mann nicht, der da festgeschnallt war, aber er verspürte unendliches Mitleid mit ihm. Er war nicht geknebelt, aber nackt. Mit weit aufgerissenen Augen starrte er in die Kamera. Ragnar sah, dass jeder Muskel seines Körpers zitterte. Der Delinquent war schweißgebadet und seine Lippen bewegten sich tonlos wie bei einem stummen Gebet.

Ragnar wollte es nicht sehen. Es war ihm verboten worden, vorzuspulen oder abzubrechen, aber niemand konnte ihm verbieten, wegzusehen.

Und wenn während des Films Anweisungen eingeblendet werden? Kann ich riskieren, so etwas zu übersehen?

Nein, unmöglich – er durfte nicht wegschauen. Die Anweisung war unmissverständlich gewesen.

Die Männer, die den Todgeweihten auf der Pritsche in den Raum geschoben hatten, verschwanden wieder aus dem Bild. Dafür betrat jetzt eine weitere Person die Szenerie.

»Oh mein Gott, das kann nicht sein«, rief Ragnar entsetzt, als er sah, dass es sich um ein Kind handelte. Ein schmächtiger, schwarzhaariger Junge von vielleicht zwölf Jahren, der mit leeren, kalten Augen kurz in die Kamera blickte, eher er sich dem völlig schutzlosen Bündel Mensch zuwandte. Der Junge flüsterte seinem Opfer etwas auf Spanisch zu, das Ragnar nicht verstand, der Gefesselte aber offenbar sehr wohl, denn er begann zu wimmern und zu flehen. Die Panik in seiner Stimme war grauenvoll und unerträglich. Sicher war dieser Typ auch ein Drogengangster und alles andere als ein Heiliger, aber Ragnar spürte unendliches Mitleid für ihn.

Die Kamera zoomte an den Jungen heran. Jetzt sah man nur noch ihn und den größten Teil des fixierten Mannes. Was rechts und links im Raum vor sich ging, konnte Ragnar nicht mehr erkennen. Umso überraschender war es, als unvermittelt eine Art Instrumententisch von links ins Bild geschoben wurde. Alles, was Ragnar zunächst darauf erkennen konnte, war ein Tuch – offenbar ein Bettlaken, und daneben standen eine Dose Terpentin und eine Flasche, die anscheinend reinen Alkohol enthielt.

Ragnar hatte davon gehört, dass die Kartelle auch Minderjährige als Killer und Folterknechte einsetzten, aber es tatsächlich zu sehen, sprengte sein Vorstellungsvermögen. Er konnte sich nicht im Entferntesten ausmalen, was das werden sollte.

Plötzlich poppte ein Text auf. Sieh nicht weg. Es werden Worte eingeblendet, während die Show läuft. Schreibe sie auf, sie ergeben eine Nachricht. Handelst du nicht danach, sorge ich dafür, dass du als Nächstes auf dieser Pritsche liegst. Señor Caballero wäre hocherfreut, dich in seinem Haus begrüßen zu dürfen.

Dann verschwand der Text wieder und Ragnar war wie betäubt. Der Film kam also nicht vom Kartell selbst. Aber von wem dann? Er spürte, wie ihn eine irrsinnige Angst von innen zu zerfressen begann. Der Junge im Video breitete jetzt das Laken über Brust und Bauch des Gefesselten aus, nahm die Flasche mit dem Terpentin in die Hand, öffnete sie und verspritzte ihren Inhalt auf dem Stoff.

Ragnar verstand nicht sofort, was das sollte, doch als das Kind ein Stabfeuerzeug aus der Tasche zog, wurde ihm schlecht. Jetzt war klar, worauf das hinauslaufen würde. Dem Gefangenen ging es nicht anders. In der Sekunde, in der er begriff, was ihm bevorstand, bäumte er sich brüllend auf und riss verzweifelt an seinen Fesseln. Der Junge blickte derweil ungerührt mit seinen unergründlichen, toten Augen in die Kamera und hielt das Feuerzeug so, dass Ragnar es gut sehen konnte.

»Tu das nicht, Kleiner. Bitte, lass das sein«, flehte er den Bildschirm an und geriet in Panik. Er konnte sich das unmöglich ansehen, ohne den Verstand zu verlieren. Er wendete den Blick ab, doch im selben Moment erschien dieser Satz vor seinem geistigen Auge: Señor Caballero wäre hocherfreut, dich in seinem Haus begrüßen zu dürfen.

Sofort zwang er sich, wieder hinzusehen. In diesem Moment wendete sich der kleine Folterknecht dem Delinquenten zu und ließ die Flamme auflodern. Langsam und bedächtig senkte er den Arm. Die grenzenlose Angst im Gesicht des Opfers ließ Ragnar Tränen in die Augen schießen. Seine Fingernägel krallten sich in die Oberschenkel, und in seinen Schläfen pochte es wie wahnsinnig.

Die Flamme erreichte das mit Terpentin getränkte Tuch. Augenblicke lang tat sich gar nichts. Ragnar wusste, dass dieses Zeug schwer entzündbar war, aber die unendlich erscheinende Zeit, in der die kleine Flamme an dem Tuch züngelte, war trotzdem kaum zu ertragen.

Dann ging alles rasend schnell. Ein kurzes Fauchen ertönte, und einen Wimpernschlag später verwandelte sich das panische Brüllen und Betteln des fixierten Mannes in ein wahnsinniges Kreischen, das Ragnar wie ein Messer ins Gehirn schnitt. Das vorherige Aufbäumen war eine sanfte Woge gewesen, verglichen mit der Urkraft, die der Gefolterte jetzt entfesselte. Binnen weniger Augenblicke war sein gesamter Körper unnatürlich verdreht. Er musste sich fast sämtliche Gelenke ausgekugelt haben – zumindest kam es Ragnar so vor.

Plötzlich riss der Folterer das Tuch mit einem Ruck fort und Ragnar musste feststellen, dass das Grauen tatsächlich noch steigerungsfähig war. Unter dem Laken kam rohes, blutiges Fleisch zum Vorschein. Die ersten zwei oder drei Hautschichten von Bauch und Brust hatte der Junge ihm zusammen mit dem brennenden Tuch vom Leib gezogen. In dieser Sekunde erschien das erste Wort auf dem Bildschirm. Trotz der überwältigenden Übelkeit, die ihn schüttelte, brachte Ragnar es fertig, sich das Wort zu merken. Sein Leben hing davon ab, das war ihm jetzt völlig klar. Dann sprang er auf und rannte in seine Küche, wo er Stift und Zettel liegen hatte. Er konnte nur beten, dass er in den Sekunden, die er dazu brauchte, kein Wort verpasste.

Er wirbelte, verfolgt von infernalischen Schreien aus dem Laptop, durch den Raum, stieß die Stehlampe an der Tür um und rammte mit der Hüfte den Küchentisch. Fieberhaft suchte er die Tischplatte ab. Da war der Kugelschreiber. Ragnar griff hin, aber er wischte den Stift in seiner Hektik vom Tisch.

»Oh Fuck«, heulte er auf und warf sich zu Boden. Der Schreiber war hinter die Getränkekisten gefallen, die er unter dem Tisch lagerte. Er zerrte sie hervor und schob sie beiseite. Der Zeitdruck, zusammen mit dem entsetzlichen Kreischen aus dem Wohnzimmer, machte Ragnar zu einem zitternden Nervenbündel. Je krampfhafter er sich bemühte, den verfluchten Stift zu greifen, desto schlimmer machte er es und schob ihn nur immer weiter fort.

Schließlich siegte die Angst. Er kroch unverrichteter Dinge unter dem Tisch hervor und stürzte zurück ins Wohnzimmer, wo das Schreien jetzt ausgesetzt hatte. Ragnar registrierte es zuerst nicht, denn auf dem Bildschirm stand schon das nächste Wort. Ragnar starrte es an, aber es drang nicht zu ihm durch. Statt es zu lesen, sah er es an wie ein Bild. Dann verschwand es.

Es dauerte ein paar Sekunden, bis ihm klar wurde, dass gerade etwas schiefging.

»Scheiße, das Wort! Was war es?« Ragnar musste sich zwingen, nicht zu hyperventilieren. Wenn er es schaffte, ruhiger zu werden, würde er sich ganz bestimmt daran erinnern können. Doch seine Aufmerksamkeit entglitt ihm und wanderte von der Mitte des Bildschirmes, an der eben noch die Botschaft gestanden hatte, hin zu dem Gemarterten, der keinen Laut mehr von sich gab.

Aber tot war er nicht. Man konnte sehen, dass sich der Brustkorb hob und senkte. Er war vor Schmerz einfach ohnmächtig geworden.

Das kleine Monster, das dem armen Kerl das angetan hatte, griff ungerührt zu dem kleinen Instrumentenwagen neben sich und nahm eine Spritze zur Hand. Ohne zu zögern, rammte er die Nadel in das Bein seines Opfers und drückte den Kolben herunter.

Sekunden später riss der Delinquent die Augen auf und schnappte nach Luft wie ein Ertrinkender. Dann kehrte sein Bewusstsein vollends zurück und auch der Schmerz überrollte ihn erneut mit voller Wucht.

Die Schweine! Die haben ihm Adrenalin gespritzt.

Es war kaum zu fassen, aber Ragnar erlebte wirklich immer noch weitere Steigerungen des Entsetzens. Wer konnte so roh und sadistisch sein?

»Es ist doch ein Mensch, ihr Wahnsinnigen«, wimmerte Ragnar. Auf einmal fiel ihm ein Wort auf, das die ganze Zeit immer wieder wie Hintergrundrauschen durch seinen Verstand zog, beinahe ohne Spuren zu hinterlassen. Doch jetzt, da es ihm für den Bruchteil einer Sekunde bewusst wurde, schaffte er es, es festzuhalten und sich darauf zu konzentrieren. Es war das, an das er sich gerade eben noch nicht mehr erinnern konnte – das, welches er angestarrt hatte wie ein Hirntoter, ohne es zu verstehen.

»Oh, Gott sei Dank, ich habe es«, flüsterte er. Aber jetzt musste er beginnen, die Botschaft aufzuschreiben. Auf dem Video waren noch immer fast fünfunddreißig Minuten übrig, und er wusste nicht, wie lang die Nachricht werden würde. Wieder eilte er in die Küche, zwang sich dieses Mal aber so weit zur Ruhe, wie es eben ging. Gleichzeitig wiederholte er immer wieder die beiden Wörter, die er gleich aufschreiben musste. Das half ihm etwas dabei, die Schreie auszublenden.

Zurück unter dem Tisch, gelang es ihm jetzt, den Stift und den Block aufzunehmen.

Als er wieder in den Sessel vor dem Bildschirm fiel, hielt er beides in der Hand. Er benutzte sein Bein als Schreibunterlage, notierte das Bisherige und wartete auf mehr. Im Video drehte der kleine Satan gerade ein weiteres Fläschchen auf. Was immer es war – er würde es dem geschundenen, armen Schwein gleich in die offenen Wunden schütten, das war Ragnar vollkommen klar.

Jetzt, wo er allmählich begriff, in welche Richtung das Ganze laufen würde, stellten sich erste Anzeichen der Abstumpfung ein. Der Grad dieser Gewöhnung war allerdings noch winzig. Es genügte gerade, Ragnar nicht sabbernd und zitternd zu Boden gehen zu lassen.

Als die Flüssigkeit dann wirklich in die noch rauchenden Wunden eindrang, konzentrierte Ragnar seinen Blick genau in der Mitte des Bildschirmes – dort, wo die nächsten Worte erscheinen mussten. Er verbot sich, das Gesicht des Gefolterten anzusehen oder irgendetwas anderes. Die Augen zu schließen war zwar keine Option, aber ihm fiel ein Trick ein. Statt einfach nur hinzuschauen, verdrehte er seine Augen zu einem Schielen. Sofort verschwammen alle Details, sodass die Wucht der Bilder nicht mehr so stark war.

Auf diese Weise schaffte Ragnar es, den ganzen Film durchzuhalten. Immer, wenn eines der Wörter eingeblendet wurde, stellte er seinen Blick für eine Sekunde scharf, um es zu lesen, schrieb es auf und starrte dann weiter schielend und mit den Fingern in den Ohren auf den Fernseher. Den Ton auszuschalten wagte er nicht. Wenn sich der Absender dieser Botschaft noch einmal an ihn wenden sollte, musste er das mitbekommen. Vielleicht hing auch davon sein Leben ab.

Nervenzerfetzende fünfunddreißig Minuten später war der Mann endlich tot und das Video endete, ohne dass sich Caballero oder der, der ihm das Band gebracht hatte, noch einmal zu Wort meldete.

Minutenlang starrte Ragnar auf den Text, den er sich nach und nach notiert hatte. Er begriff es nicht. Es ging gar nicht um ihn. Er, Ragnar, war dem Erpresser scheißegal. Es ging um Simon.

***

»Ich arbeite mit meinen allerbesten Freunden zusammen. Das ist ein Privileg, für das ich gar nicht dankbar genug sein kann.«

Die Kellnerin nahm freundlich lächelnd das Trinkgeld entgegen und bedankte sich. Dann sagte sie: »Sie sind ein sehr glücklicher Mann. Ich würde viel dafür geben, mit so einem Team zu arbeiten.«

»Ich weiß«, entgegnete Simon und lehnte sich entspannt zurück. Die Servicekraft entfernte sich mit dem Geschirr, und Simon dachte darüber nach, was für ein unverschämtes Glück er hatte, Menschen wie Sophie, Ragnar, Frieder, Dawn und Mehmet begegnet zu sein – vor allem Sophie. Sie hatte ihn buchstäblich aus der Gosse geholt und an ihn geglaubt, als niemand mehr einen Cent auf ihn gewettet hätte. Und jetzt waren sie ein Paar, das bereits über Hochzeit nachdachte und darüber, ein Kind zu adoptieren. Abdul, der kleine Waisenjunge aus Syrien, den sie bei ihrem letzten großen Fall im vergangenen Sommer knapp vor dem Tod gerettet hatten.

Sophie besuchte ihn seither täglich in dem Heim, in dem er untergebracht worden war, nachdem das Amt keine lebenden Verwandten ermitteln konnte.

Er hatte die Liebe gefunden, den Alkoholismus überwunden und einen Job, der ihn ausfüllte und ernährte.

»Die schlechten Zeiten sind vorüber, alter Junge«, murmelte er zufrieden.

Die Blicke, die ihn von der anderen Straßenseite gegenüber dem Café, in dem er saß, durch die Scheibe fixierten, bemerkte er nicht.

***

Dawn war noch immer von den Beruhigungsmedikamenten benebelt, als die Tür des Fahrstuhls hinter ihr wieder zu glitt. Der Lift führte direkt in ihre loftartige Maisonettewohnung, in der sie unten lebte und oben ihren Rechnerpark stehen hatte.

Unten in der Fahrstuhltür hatte ein Briefumschlag gesteckt, den sie geistesabwesend an sich genommen hatte, ohne ihm weitere Beachtung zu schenken. Sie hielt ihn immer noch in der Hand, als sich die Stille ihres Zuhauses plötzlich wie ein Leichentuch über sie legte. Es hatte keinen Sinn, sich etwas vorzumachen – dieser unbegreifliche Mordanschlag hatte sie komplett umgehauen. Wenn sie sich jetzt nicht irgendwie ablenkte, würde ihr Kreislauf bald die Grätsche machen oder sie würde überschnappen – vermutlich beides zugleich. Sie wünschte, Ragnar könnte jetzt an ihrer Seite sein. Er vermochte es wie kein Anderer, ihr Halt und Geborgenheit zu geben, wenn die Dinge schlecht liefen.

Dawn hob den Umschlag in ihrer Hand prüfend vor ihre Augen und versuchte zu erraten, was da wohl drin sein mochte.

Sie brachte ihre geheimnisvolle Post zur Küchenzeile, griff sich eine Schere als Ersatz für einen Brieföffner aus der Besteckschublade und schlitzte den Brief ohne Umschweife auf.

Im Innern befand sich nur ein gefalteter Zettel in der Größe einer gewöhnlichen Notizbuchseite. Es gab keinen Absender, was Dawn stutzig machte. Sie zögerte kurz, ob sie die Nachricht überhaupt lesen sollte, doch dann siegte ihre Neugier und sie faltete den Zettel auseinander. Als sie das tat, stellte sich heraus, dass darin doch noch etwas anderes eingefaltet war. Ein Foto fiel heraus und landete mit der Bildseite auf dem Boden.

»Na hallo, was ist das denn?«, rief sie überrascht und bückte sich. Als sie das Foto umdrehte und sah, was darauf war, setzte ihr Herz für einen Moment aus. Plötzlich wollte sie nicht mehr lesen, was in der Nachricht stand, die sie in ihren zitternden Fingern hielt. Doch sie konnte sich nicht dagegen wehren. Wie von selbst drehten ihre Hände die Schrift nach oben und führten das Geschriebene vor ihre Augen.

Als sie zu Ende gelesen hatte, war nichts mehr, wie es vorher gewesen war. Dawn bebte vor Verzweiflung und Wut zugleich. Dann brach sie hemmungslos in Tränen aus.

»Du Mistkerl!«, krächzte sie mit erstickter Stimme. »Du verfluchter, perverser Mistkerl.«