Aus der Tiefe

Adam Falcon stach bei Sonnenaufgang in See, und Margaret Deveral, die Frau, die er heiraten wollte, stand im kalten Nebel auf dem Kai und winkte ihm zum Abschied. Bei Sonnenuntergang kniete Margaret mit versteinertem Blick über der reglosen weißen Gestalt, die die kriechenden Brandungswellen an den Strand gespült und verkrümmt hatten liegen lassen.

Die Einwohner der kleinen Stadt Faring scharten sich flüsternd um sie. »Der Nebel hing schwer über dem Wasser … vielleicht ist er auf dem Geisterriff aufgelaufen. Seltsam, dass nur seine Leiche zurück in den Hafen von Faring getrieben ist – und so schnell.«

Jemand murmelte: »Er wollte zu ihr zurückkehren – lebendig oder tot!«

Die Leiche lag oberhalb der Flutmarke – so als sei sie von einer mächtigen Welle dorthin geworfen worden – schlank, zu Lebzeiten jedoch kräftig und männlich, und selbst im Tode noch düster attraktiv. Die Augen waren geschlossen, und auch wenn es seltsam klingt, sah es aus, als schliefe er nur. An der Seemannskleidung, die er trug, hingen Fetzen von Meeresalgen.

»Merkwürdig«, murmelte der alte John Harper, der Inhaber des Sea Lion Inn und der älteste ehemalige Seemann in Faring. »Er ist tief hinabgesunken, denn diese Algen wachsen nur am Grund des Ozeans, da bin ich sicher – nur in Meereshöhlen, in denen man auch Korallen findet.«

Margaret sagte kein Wort, sie kniete nur da, die Hände an ihre Wangen gepresst, mit weit aufgerissenen, leeren Augen.

»Nimm ihn in die Arme, Kind, und gib ihm einen Kuss«, drängten sie die Bürger von Faring sanft, »denn das hätte er sich auch gewünscht, wenn er noch am Leben wäre.«

Das Mädchen gehorchte mechanisch, und als sie seinen kalten Körper spürte, durchfuhr sie ein Schauder. Dann, als ihre Lippen die seinen berührten, schrie sie auf und wich zurück.

»Das ist nicht Adam!«, kreischte sie und blickte sich hektisch um.

Die Leute ringsum nickten sich traurig zu.

»Sie ist nicht mehr bei Verstand«, flüsterten sie, und dann hoben sie die Leiche auf und trugen sie zu dem Haus, in dem Adam Falcon gelebt hatte – das Haus, in das er seine Braut hatte bringen wollen, sobald er von seiner Reise zurückgekehrt war.

Sie nahmen auch Margaret mit sich, umarmten sie und versuchten, sie mit sanften Worten zu trösten. Aber das Mädchen ging wie in Trance mit ihnen, und seine Augen starrten noch immer seltsam ins Leere.

Sie legten Adam Falcons toten Körper auf das Bett und stellten an Kopf- und Fußende Totenkerzen auf. Das Salzwasser tropfte von seiner Kleidung auf das Bett und bildete schließlich kleine Pfützen auf dem Boden. In der Stadt Faring herrscht, wie an so vielen finsteren Küsten, der weit verbreitete Aberglaube, dass ungeheuer düsteres Unheil droht, falls man einem Ertrunkenen die Kleider auszieht.

Margaret saß in dieser Totenkammer, sprach mit keinem ein Wort und starrte nur wie gebannt auf Adams dunkles, ruhiges Gesicht. Als sie dort saß, trat John Gower, ein Verehrer, den sie einst zurückgewiesen hatte – ein launischer, gefährlicher Mann – zu ihr, blickte ihr über die Schulter und sagte: »Der Tod auf See verändert den Menschen doch auf seltsame Weise, wenn dies wirklich der Adam Falcon ist, den ich kannte.«

Die Umstehenden warfen ihm finstere Blicke zu, was ihn zu überraschen schien. Einige der Männer erhoben sich und führten ihn stumm zur Tür.

»Du hast Adam Falcon gehasst, John Gower«, sagte Tom Leary, »und du hasst auch Margaret, weil sie einen besseren Mann dir vorgezogen hat. Beim Teufel, du wirst das Mädchen nicht mit deinem gefühllosen Gerede quälen. Verschwinde, und lass dich nicht wieder blicken!«

Gower sah ihn grimmig an, aber Tom Leary baute sich mutig vor ihm auf, und die Männer von Faring erhoben sich hinter ihm, sodass John ihnen schließlich wortlos den Rücken zukehrte und ging. Mir schien jedoch, als sei das, was Gower gesagt hatte, nicht als Hohn oder Beleidigung gemeint gewesen, sondern vielmehr einem plötzlichen, erschreckenden Gedanken entsprungen.

Als er das Haus verließ, hörte ich, wie er etwas vor sich hinmurmelte: »… sehr ähnlich, und ihm doch seltsam unähnlich …«

Die Nacht war inzwischen über Faring hereingebrochen, und in der Dunkelheit leuchteten die Fenster der Häuser auf. In den Fenstern von Adam Falcons Haus schimmerte das Licht der Totenkerzen, in deren Schein Margaret und einige andere bis Sonnenaufgang still Wache hielten. Jenseits der warmen Lichter der Stadt raunte der düstere, grüne Titan über den Strand, ganz leise, so als liege er in einem Schlummer, jederzeit bereit, sich mit hungrigen Klauen auf sein nächstes Opfer zu stürzen. Ich schlenderte zum Strand hinunter, legte mich auf den weißen Sand und blickte auf die wogende Weite hinaus, die sich in müden Wellenbewegungen ein- und wieder ausrollte, wie eine mächtige schlafende Schlange.

Die See – große, graue, uralte Dame mit eiskalten Augen. Ihre Gezeiten sprachen zu mir, wie sie es seit meiner Geburt getan hatten – im Rauschen der flachen Wellen auf dem Strand, im Schrei der Meeresvögel, in der ohrenbetäubenden Stille. Ich bin sehr alt und auch sehr weise (raunte die See). Ich gehöre nicht zu den Menschen; ich töte Menschen und werfe ihre toten Körper wieder zurück an das erbärmliche Land. In meiner Brust pulsiert Leben, aber es ist kein menschliches Leben (flüsterte die See); meine Kinder hassen die Söhne der Menschen.

Ein Kreischen zerstörte die Stille, und ich sprang auf und sah mich erschrocken um. Über mir leuchteten die kalten Sterne, ihre funkelnden Geister tanzten auf der eisigen Meeresoberfläche. In der Stadt war es dunkel und still – dunkel bis auf die Totenlichter in Adam Falcons Haus, still bis auf das Echo des Kreischens, das unheilvoll in der Stille widerhallte.

Ich war einer der Ersten, die die Tür des Totenzimmers erreichten – und blieb, wie alle anderen, bestürzt stehen. Margaret Deveral lag tot auf dem Boden – ihr schlanker Körper zerquetscht wie ein schmales Schiff zwischen mächtigen Felsen. Über ihr kauerte John Gower, der sie in seinen Armen wiegte, während in seinen weit aufgerissenen Augen der Glanz des Wahnsinns aufleuchtete. Die Totenkerzen flackerten noch immer unruhig, aber auf Adam Falcons Bett lag keine Leiche mehr.

»Gott sei uns gnädig!«, stieß Tom Leary hervor. »John Gower, du bist ein Sohn der Hölle – was ist das für ein Teufelswerk?«

Gower blickte auf.

»Ich habe es dir gesagt«, brüllte er. »Sie wusste es – ich wusste es – dieses kalte Ungeheuer, das die spottenden Wellen an Land getragen haben, war nicht Adam Falcon! Sein Körper war von irgendeinem Dämon besessen! Hör mir zu! Ich bin zu Bett gegangen und habe versucht, zu schlafen. Aber ich musste andauernd daran denken, dass dieses liebe Mädchen neben diesem kalten, unmenschlichen Ding sitzt, von dem alle glaubten, es sei ihr Geliebter, und schließlich bin ich wieder aufgestanden und habe durch das Fenster dort geschaut. Margaret saß da, sie war eingeschlafen, und die anderen, diese Narren, haben sich irgendwo im Haus schlafen gelegt. Und dann sah ich …«

Er schüttelte sich, als ihn ein eiskalter Schauer durchfuhr.

»Dann sah ich, wie Adam die Augen öffnete, und sein Körper erhob sich, ganz heimlich, von dem Bett, auf dem er gelegen hatte. Ich stand wie erstarrt vor dem Fenster, völlig hilflos, und das widerliche Wesen fiel mit ausgestreckten, schlangenähnlichen Armen über das unwissende Mädchen her, und in seinen Augen brannte ein höllisches Feuer. Dann wachte Margaret auf und schrie, und dann – heilige Maria, Mutter Gottes! – schlang der Tote seine entsetzlichen Arme um sie, und sie starb ohne einen weiteren Laut.«

Gowers Stimme verwandelte sich in unverständliches Gebrabbel, und wie eine Mutter ihr Kind schaukelt, wiegte er die tote Frau sanft hin und her.

Tom Leary schüttelte ihn. »Wo ist Adams Leiche?«

»Er ist in die Nacht hinaus geflohen«, antwortete John Gower tonlos.

Verstörten sahen die Männer einander an.

»Er lügt«, murmelten sie in ihre dichten Bärte. »Er selbst hat Margaret getötet und die Leiche irgendwo versteckt, um uns diese absurde Geschichte auftischen zu können.«

Ein tiefes Knurren erschreckte die Anwesenden, und wie auf ein Kommando drehten sie sich um und blickten hinüber zum Henkershügel oberhalb der Bucht, auf dem das bleiche Skelett von Lügenmaul Canool im Licht der Sterne glänzte.

Sie befreiten das Mädchen aus Gowers Armen, der sie eng umklammert hielt, und legten sie vorsichtig auf das Bett zwischen die Kerzen, die für Adam Falcon bestimmt gewesen waren. Ganz still lag sie da, kreideweiß, und die Männer und Frauen flüsterten sich zu, dass sie eher aussah, als sei sie ertrunken, nicht, als sei sie zu Tode gedrückt worden.

Wir stützten John Gower, während wir ihn durch die Straßen der kleinen Stadt führten. Er widersetzte sich nicht. Vielmehr schien es, als wandle er in Trance. Er murmelte ständig etwas vor sich hin.

Am Marktplatz blieb Tom Leary stehen.

»Das ist wirklich eine seltsame Geschichte, die John Gower uns da erzählt hat«, begann er, »und zweifellos ist sie gelogen. Aber trotzdem – ich bin kein Mann, der einen anderen aufknüpft, wenn er sich nicht völlig sicher ist. Lasst ihn uns im Lagerhaus dort einsperren, während wir nach Adams Leiche suchen. Wir haben hinterher noch genügend Zeit, ihn aufzuhängen.«

So geschah es, und bevor wir uns zum Gehen wandten, drehte ich mich noch einmal zu John Gower um, der zusammengekauert, mit dem Kopf auf der Brust, dasaß – wie ein Mann, der des Lebens müde ist.

So suchten wir entlang der dunklen Kaimauern, auf den Dachböden der Häuser und zwischen gestrandeten Bootswracks nach der Leiche von Adam Falcon. Unsere Suche führte uns hinauf in die Hügel hinter der Stadt, wo wir kleinere Gruppen und Paare bildeten und uns über die karge Landschaft verteilten.

Mein Begleiter war Michael Hansen, und wir hatten uns bald so weit von einander entfernt, dass ich ihn in der Dunkelheit nicht erkennen konnte, als er plötzlich einen Schrei ausstieß. Als ich zu ihm rannte, verwandelte der Schrei sich in ein Kreischen, das schließlich erstarb und sich in der unheimlichen Stille auflöste. Michael Hansen lag tot auf der Erde. In der Finsternis schlich eine dunkle Gestalt davon, als ich vor der Leiche stand und sich jedes meiner Haare einzeln aufstellte.

Tom Leary und die anderen kamen angelaufen, scharten sich um uns und fluchten, John Gower habe auch diese Tat begangen.

»Er ist irgendwie aus dem Lagerhaus entkommen«, vermuteten sie, und wir kehrten so schnell wir konnten in die Stadt zurück.

Und bei Gott, John Gower war aus dem Lagerhaus entkommen, er war dem Hass der Stadtbewohner entkommen und allen Sorgen des Lebens. Er saß da, wie wir ihn verlassen hatten, mit dem Kopf auf der Brust – irgendjemand musste in der Dunkelheit zu ihm gekommen sein. Obwohl sämtliche Knochen in seinem Leib gebrochen waren, wirkte er, als sei er ertrunken.

Dann legte sich ein grauenhafter Schrecken wie dichter Nebel über die Stadt Faring. Wir versammelten uns vor dem Lagerhaus, und alles war totenstill, bis uns entsetzliche Schreie, die von einem Haus am Rande der Stadt zu uns drangen, sagten, dass der Schrecken wieder zugeschlagen hatte. Wir eilten zum Stadtrand, doch wir fanden nur blutrote Zerstörung und Tod – und eine dem Wahnsinn nahe Frau, die uns, bevor sie starb, noch wimmernd erzählte, die Leiche von Adam Falcon sei mit furchtbaren, flammenden Augen durch das Fenster eingebrochen, um zu zerstören und zu töten. Überall im Raum lag grüner, fauliger Schleim, und am Fensterbrett hingen Fetzen von Meeresalgen.

Dann wurden die Männer von Faring von einer törichten, schamlosen Furcht erfasst, und alle flohen sie in ihre Häuser. Sie verschlossen und verriegelten die Türen und Fenster und kauerten sich mit den Waffen in ihren zitternden Händen und einem schwarzen Entsetzen in ihren Herzen zusammen – denn welche Waffe kann die Toten töten?

In dieser tödlichen Nacht schlich das Böse durch Faring und machte Jagd auf die Söhne der Menschen. Und die Menschen erschauderten und wagten es nicht einmal, aufzublicken, wenn das Krachen einer Tür oder eines Fensters davon kündete, dass der Teufel in das Haus eines weiteren Unglücklichen eindrang, und wenn bald darauf lautes Kreischen und unsinniges Gebrabbel zu hören waren, die von den grauenhaften Taten im Inneren dieses Hauses erzählten.

Dennoch gab es einen Mann, der sich nicht hinter seiner Tür verbarrikadierte, um sich wie ein Schaf abschlachten zu lassen. Ich bin nie ein tapferer Mann gewesen, und es war auch nicht etwa Mut, der mich hinaus in die furchtbare Nacht trieb. Nein, es war die Kraft eines Gedankens, der in mir geboren wurde, als ich auf das tote Gesicht von Michael Hansen starrte. Der Gedanke hatte etwas sehr Vages, Unwirkliches, etwas Schwebendes und beinahe Greifbares – aber nur beinahe. Er verbarg sich irgendwo in den hintersten Winkeln meines Verstandes, und ich konnte nicht eher ruhen, bis ich beweisen oder widerlegen konnte, was ich noch nicht einmal als konkrete Theorie zu formulieren vermochte.

So schlich ich also, mit wirren Gedanken und ziemlich durcheinander, vorsichtig durch die Schatten. Vielleicht hatte die See, befremdlich und wankelmütig selbst jenen gegenüber, die zu ihren Auserwählten zählten, mir etwas ins Unterbewusstsein geflüstert und die Ihren dadurch verraten. Ich weiß es nicht.

In diesen dunklen Stunden strich ich am Strand umher, und als im ersten grauen Licht der Morgendämmerung eine teuflische Gestalt auf das Ufer zuging, erwartete ich sie dort.

Allem Anschein nach war es Adam Falcons Leiche, die auf entsetzliche Weise wieder zum Leben erweckt worden war, und mir nun im grauen Zwielicht gegenübertrat. Ihre Augen waren geöffnet. Es schimmerte ein kaltes Licht in ihnen, in dem sich die Untiefen der Meereshölle widerzuspiegeln schienen. Da wusste ich, dass es nicht Adam Falcon war, der mir dort gegenüberstand.

»Meeresdämon!«, brachte ich mit zitternder Stimme hervor. »Wie du das Aussehen von Adam Falcon annehmen konntest, weiß ich nicht. Ich kann nicht sagen, ob sein Schiff auf einen Felsen gelaufen ist, ob er über Bord gegangen ist oder ob du über die Planke und über die Reling geklettert bist und ihn von seinem eigenen Boot geworfen hast. Ich habe auch keine Ahnung, durch welchen faulen Meereszauber es dir gelungen ist, dein teuflisches Aussehen so zu verändern, dass du ihm ähnelst.

Aber eines weiß ich. Adam Falcon hat tief unter den blauen Fluten seinen Frieden gefunden. Du bist nicht er. Ich habe es erst vermutet – jetzt weiß ich es. Dieser Schrecken ist vor unendlich langer Zeit auf die Erde gekommen – vor so langer Zeit, dass die Menschen die Erzählungen alle längst vergessen haben, außer Menschen wie ich, die von den anderen Narren genannt werden. Ich kenne sie, diese Erzählungen, und weil ich sie kenne, fürchte ich dich nicht – und werde dich jetzt töten. Denn auch wenn du kein Mensch bist, kannst du doch von einem Menschen getötet werden, der dich nicht fürchtet – selbst wenn derjenige noch sehr jung ist und als verrückter Narr gilt. Du hast deinen teuflischen Stempel auf dieser Gegend hinterlassen; Gott allein weiß, wie viele Seelen du geraubt, wie viele Menschen du heute Nacht in den Wahnsinn getrieben hast. Die Alten erzählten sich, du und deinesgleichen könntet an Land nur in Menschengestalt Böses tun. Fürwahr, du hast die Söhne der Menschen getäuscht, du bist durch anständige, hilfsbereite Hände in ihre Mitte gelangt – durch Männer, die nicht wussten, dass sie ein Ungeheuer aus den Tiefen des Meeres trugen.

Nun hast du deine schändlichen Taten vollbracht, und schon bald wird die Sonne aufgehen. Du musst vor Sonnenaufgang tief unter den grünen Wassern sein und dich in den verfluchten Höhlen aalen, die kein menschliches Auge je erblickt hat, es sei denn, im Tode. Dort liegen der Schutz und die Sicherheit der See – doch ich allein stelle mich dir in den Weg.«

Er rauschte wie eine turmhohe Welle auf mich zu, und seine Arme wickelten sich wie grüne Schlangen um meinen Körper. Ich wusste, dass sie mich zerquetschen wollten, und dennoch fühlte ich mich, als würde ich ertrinken – und mit einem Mal verstand ich den Ausdruck auf Michael Hansens Gesicht, der mich so verwirrt hatte: Es war der Ausdruck eines Ertrinkenden gewesen.

Ich blickte in die unmenschlichen Augen des Ungeheuers, und es kam mir vor, als starrte ich in die unbekannten Tiefen sämtlicher Ozeane – entsetzliche Untiefen, in die ich jeden Moment stürzen, in denen ich ertrinken würde. Und ich spürte Schuppen …

Der Dämon packte mich an Nacken, Arm und Schulter und bog mich nach hinten, um mir die Wirbelsäule zu brechen. Aber ich rammte ihm mein Messer in den Körper – einmal, zweimal, und immer wieder und wieder. Er brüllte laut auf – das einzige Geräusch, das ich je von ihm gehört habe – das wie das Donnern der Wellen klang, die an den Felsen brechen. Er hielt mich so fest umklammert, dass ich glaubte, ich befände mich hundert Faden tief im grünen Wasser, so schwer lastete der mächtige Druck auf mir. Dann, als ich erneut zustach, ließ er endlich von mir ab und blieb gekrümmt im Sand liegen.

Für eine Weile ringelte er sich vor mir, bis er reglos liegen blieb. Er hatte bereits begonnen, sich zu verändern. Meermenschen nannten die Alten ihn und seinesgleichen, und sie wussten, dass diese Wesen über seltsame Fähigkeiten verfügten – so können sie beispielsweise die Gestalt eines Menschen annehmen, wenn sie von den Händen seiner Mitmenschen aus dem Meer gezogen werden. Ich beugte mich hinab und riss der Kreatur die menschliche Kleidung vom Leib.

Dann fielen die ersten Strahlen der Sonne auf die schleimige, vermodernde Masse aus Meeresalgen, aus der mich zwei grauenhafte, tote Augen anstarrten – am Rand des Meeres lag ein formloser Haufen, den die erste große Welle wieder dorthin tragen würde, wo er hergekommen war: in die jadegrüne Kälte des tiefen Ozeans.