5. Kapitel

11. Juli 1988

Ich werde den Namen des Ortes, an den wir jetzt zum ersten Mal fahren, niemals aussprechen. Ich habe ihn einmal gehört und dann sofort in der Tiefe meines Gedächtnisses versenkt. Lea und Niklas werden vielleicht manchmal ein Ortsschild sehen, an dem wir vorüberfahren, und es hoffentlich gleich wieder vergessen. Oskars Häuschen liegt nicht im Dorf. Es versteckt sich hinter hohen Büschen an einem Teil des Seeufers, der nicht öffentlich zugänglich ist. Auch den Namen des Sees werde ich nicht nennen. Er ist ein Kleinod, und die Bayern sind stolz auf ihn. Aber es gibt vieles, worauf sie stolz sind, das ist kein Kriterium, falls uns ­jemand sucht. Von nun an werden wir zum Papa an den See fahren, aber der wird namenlos bleiben. Keiner soll unsere Kinder nach ihm fragen können, Oskars Freiheit liegt in meiner Hand.

Die Jagdhütte ist ihm zugefallen, so, als hätte sie jemand für seine Zwecke gebaut. Sie gehört einer alten Frau, die vor vielen Jahren hier ihre Gäste untergebracht hat. Das kleine Haus stand leer, Oskar hat es auf einer seiner verzweifelten Irrfahrten durch Deutschland gefunden. Die Frau, die es ihm um ein Butterbrot vermietet, hat nicht nachgefragt, was dieser Fremde, der zu jung ist, um ein beschauliches Leben ohne Arbeit zu führen, hier will.

Mehr weiß ich nicht.

Lilly seufzte und klappte ihr Tagebuch zu. Sie war mit den Kindern am Münchner Hauptbahnhof in die U-Bahn gestiegen und irgendwohin gefahren, es spielte keine Rolle. Nach zwei Stationen war sie wieder ausgestiegen, hatte ein Taxi genommen und eine Wohnadresse in der Nähe einer anderen U-Bahn-Station genannt. Die Adresse gehörte zu einem anonymen Wohnblock, der nach dem Zweiten Weltkrieg rasch in die Höhe gezogen worden und an Scheußlichkeit kaum zu überbieten war. Lilly klingelte pro forma irgendwo und sah aus den Augenwinkeln, dass das Taxi währenddessen wegfuhr. Chris hatte die Hintergrundlogistik für München vorbereitet. Sie stellte sich vor, dass der Polizist, falls ihnen einer gefolgt war, mit Funk die Kollegen verständigte. Aber wovon verständigte? Dass das observierte Objekt in der Fraunhoferstraße ausgestiegen war? Dieses Versteckspiel hier in München war wahrscheinlich eine unnötige Vorsichtsmaßnahme, aber was war schon unnötig, wenn es um so viel ging! Nun saßen sie in einem kleinen, billigen Restaurant an einem Tisch mit einer blau-weiß karierten Tischdecke aus Papier und warteten auf einen anderen Freund von Ralf und damit auf ihr Gepäck. Mit Chris hatten sie inzwischen keinen persönlichen Kontakt mehr, das war zu gefährlich, er stand Ralf zu nahe. Sie hatte den Unbekannten von einer Telefonzelle angerufen, nachdem sie die letzten zehn Minuten bis in das Lokal zu Fuß gegangen waren.

Lea und Niklas waren in ihre Micky-Maus-Hefte vertieft und aßen einen Schinken-Käse-Toast. Die Küche, deren Tür offen stand, sah nicht so vertrauenswürdig aus, dass Lilly es gewagt hätte, das Angebot des Tages zu bestellen. Für einen Augenblick kehrte Ruhe ein. Sie hatte alles getan, was sie tun konnte. Sie dachte dankbar an das Wort Fügung, das in ihrem Leben seit einiger Zeit eine wichtige Rolle spielte, und stellte es sich bildlich vor. Sie sah eine Fuge vor sich, den leeren Raum zwischen zwei Elementen aus konkreter Materie, und fragte sich, ob Gott oder wie immer die lenkende Qualität da oben hieß, diese Leere nützte, um seine Wunder zu wirken. Oskar hatte endlich ein gutes Versteck, das war das eine. Das zweite Wunder war die neue Liebe von Johanna. Lilly war dabei, als sich die beiden zum ­ersten Mal begegnet waren.

Ein verregneter Nachmittag in Johannas Wohnung. Die ­beiden jüngeren Kinder waren unter Decken und Stühlen im Wohnzimmer herumgekrochen und unterhielten sich in ihrem „Haus“. Die beiden älteren tauschten im Kinderzimmer wahrscheinlich Geheimnisse aus, als es an der Tür läutete: „Es ist der Postler, der meinen Telefonanschluss erneuert. Der alte hat einen Wackelkontakt“, sagte Johanna, nachdem sie geöffnet hatte, und verschwand wieder in ihrem Vorzimmer. Der Postler stellte sich als Rudi vor, als er später die Einladung zu einer Tasse Kaffee annahm, und war ein Unikat. Das fing schon bei seiner Optik an. Auf den ersten Blick wirkte er nicht besonders attraktiv, weil es so schien, als hätte die Natur seine Einzelteile etwas sperrig zusammengesetzt. Auf den zweiten Blick hatte er graue, wache Augen, einen Mund, der alles, was er sagte, durch eine spezielle Mimik unterstützte, und eine schmale, hübsche Nase. Er war mittelgroß, schmal gebaut und seine Bewegungen wirkten so, als hätten sich die Arme und die Beine noch nicht auf ein gemein­sames Ballett geeinigt. Er selber bezeichnete sich als Freak für Elektrotechnik und hatte eine Höhere Technische Lehranstalt absolviert. Bei der Post war er durch Zufall gelandet und liebte seine Kundenkontakte als „kostenloses Kino, denn Elektrodrähte sprechen nicht“. In seiner Freizeit reparierte er antike Radios und wusste alles über Schallwellen. Und wie es der Zufall wollte, wusste er auch einiges über Abhörtechniken und Wanzen.

Er hatte Johanna beim zweiten Rendezvous von der „ehrenvollen Aufgabe der Post“ erzählt, verdächtige Bürger abzuhören, und dass er dagegen war, wie sorglos in seinem Amt mit der Intimsphäre dieser Menschen umgegangen wurde. Sie hatte ihm noch nicht gesagt, dass seine Insider-Informationen dringend benötigt wurden. Noch war sie in der Annäherungsphase und nicht sicher, ob sie ihm trauen konnte. Außerdem hatte sie genug damit zu tun, ihre Gefühle zu sortieren. Sollte sie ihrem Mann sagen, dass sie die Ehe, die aus ihrer Sicht fast nur noch auf dem Papier bestand, beenden wollte? Er wollte schon lange, dass sie mit den Kindern nach Connecticut übersiedeln sollte, wo er inzwischen seine Karriere aufgebaut hatte. Johanna hatte nach langem Überlegen gespürt, dass die Liebe, die noch da war, für diesen großen Schritt nicht reichte. Doch war Rudi tatsächlich der Mann, mit dem eine neue Beziehung möglich war, und würden die Kinder ihn akzeptieren?

Lilly war eine gute Zuhörerin und merkte, dass sie Oskar in seinem Ringen, sich zwischen zwei Frauen zu entscheiden, immer besser verstand. Sie war auch froh darüber, dass jetzt endlich ihre Freundin etwas von ihr brauchte. Johanna war in den letzten Monaten mit Ralf gemeinsam ihre wichtigste Stütze in Wien gewesen.

Sie war so in Gedanken versunken, dass sie erschrak, als der Fremde sie ansprach. Er hatte warme, mitfühlende Augen, und als er ihr den Koffer in die Hand drückte, spürte sie, wie ihr unter seinen aufmerksamen Blicken die Tränen kamen. Er war ein großer, etwas übergewichtiger Mann, und als er sie für einen Augenblick spontan in die Arme nahm, genoss sie seine Weichheit. Er wusste nicht, dass sie in den nächsten Minuten in eine U-Bahn um die Ecke steigen, wieder zum Hauptbahnhof zurückfahren und mit einem Regionalzug zum See fahren würden. Es war nur der Mann, der den Koffer brachte. Sie dachte für ­einen Augenblick voller Dankbarkeit an Ralf und Chris, die im Hintergrund die Fäden gezogen hatten.

Lilly war nur einmal in Bayern gewesen. Auf der Insel Frauen­chiemsee mit Oskar. Sie dachte an den romantischen Abstecher auf einer ihrer Reisen in den Bregenzerwald und spürte, dass sie die Bilder, die hochstiegen, zurückdrängen musste: eine laue Nacht am See. Der kleine Steg vor dem Kloster liegt verlassen da, jetzt legen keine Segelboote, die vom Festland kommen, mehr an. Oskar hat seine Jacke ausgezogen und sie zärtlich um ihre Schultern gelegt. Sie liegt, mehr als sie sitzt, in seine Arme ge­kuschelt, und er singt ein russisches Wiegenlied für sie, das er von einer seiner vielen Reisen mitgebracht hat. Wenn man sagt, dass einem schöne Erinnerungen niemand wegnehmen kann, so stimmte das auch für Lilly. Aber niemand hatte ihr erzählt, dass sie auch an ihrem wunden Herzen scheuerten.

Eigentlich liebte sie es, Zug zu fahren. Sie mochte es, wenn die Landschaft so schnell vorüberzog und ein Bild dem nächsten die Hand gab. Doch heute hatte sie kein Auge dafür und war genervt von Leas und Niklas’ Spiel, mit dem sie sich die Zeit vertrieben: „Ich sehe etwas, was du nicht siehst …“ Sie ging im Kopf jedes Detail ihres Plans durch, der erst aufgegangen war, wenn sie sicher bei Oskar angekommen waren, und rieb ihre Hände aneinander, um das Jucken ihres Ausschlags zu lindern.

Der Bahnhof der Kreisstadt lag am Südende des Sees, und Lilly wusste, dass der kleine Ort, in dem Oskar lebte, eine halbe Stunde südöstlich davon lag. Sie nahm ein Taxi und fuhr zu einer Adresse, ausreichend weit davon entfernt, um keine Spur zu legen. Es war ein ehemaliger Bauernhof, der, durch einen Güterweg erreichbar, zwischen zwei Orten lag. Die Besitzer hatten ihn zu einer zünftigen Wirtschaft mit Biergartenatmosphäre um­gebaut. Die letzten Gäste waren schon von der Wiese in den einfachen Gastraum übersiedelt, weil der See feuchte Nachtluft auf ihre Sitzkissen gelegt hatte. Es war gut so. Sie folgte weiter Oskars Anweisungen und ging, als die Rücklichter des Taxis in der Ferne verschwunden waren, den Güterweg zurück bis zur Hauptstraße. Lilly mit ihrem unauffälligen, grauen Koffer und einer Taschenlampe in der Hand, Lea und Niklas dicht neben sich. Sie lächelte einen Augenblick und dachte an Ralfs Ent­setzen, als sie bei ihrer ersten Aktion mit ihrer edlen, braunen Wildlederreisetasche, die er heimlich zum Bahnhof bringen sollte, ins Büro gekommen war. Das war immer so. Wenn sie besonders angespannt war, tauchten harmlose, erfreuliche Bilder auf, die sie für einen Augenblick aufheiterten. Als pubertierende ­Jugendliche hatte ihr Vater immer zu ihr gesagt: „Du verkennst den Ernst der Lage.“ Aber Lilly hatte sich davon nicht beeindrucken lassen. Sie hatte schon als Kind gelernt, dass es manchmal besser war, sich aus der Realität ein Stück zu entfernen.

Und dann war er endlich da. Oskar, den sie nach ihrer Ankunft am See aus einer Telefonzelle angerufen hatte, sprang aus einem alten, rostigen Range Rover, der Letizia, seiner Vermieterin, gehörte, umarmte seine Frau und seine beiden Kinder, und für ­einen Augenblick war alles wieder gut. Sie waren wieder zusammen und alle Strapazen der Reise waren vergessen.

Das alte Jagdhaus aus Holz hatte grüne Fensterläden mit ­ausgeschnittenen Herzen. Es war klein, kaum mehr als fünfzig Quadratmeter groß, aber sehr gemütlich. Letizia, die aus dem Tessin stammte, hatte ihrem Mieter ein paar italienische Lampen geliehen, die bei ihr auf dem Speicher verstaubten, und ein altes Doppelbett aus Birkenholz in die Kammer gestellt, in der Lilly und Oskar schlafen würden. Der Raum war so klein, dass sie nur am Fußende aus dem Bett steigen konnten, aber sie war froh darüber, sie brauchte eine geschützte Höhle.

Den Kindern hatte Oskar, der inzwischen ein beeindruckendes handwerkliches Geschick entwickelt hatte, in einer Nische im Hauptraum, in dem neben einem bemalten Bauernschrank auch ein Herd und ein einfaches Spülbecken standen, Stockbetten gebaut. Das kleine Bad mit Dusche und Toilette roch etwas modrig, aber das war nur für Lilly mit ihrem überfeinen Geruchssinn so. Sie saßen an dem einfachen Holztisch, die Kinder auf dem Schoß ihres Vaters, und er fütterte sie – es war inzwischen schon fast Mitternacht – mit Spaghetti und Tomatensoße: „Ein Löffel für die Lea, ein Löffel für den Niklas.“ Lea, die so Große, Vernünftige, genoss das Spiel und war endlich wieder Kind. Seit Oskar auf der Flucht war, gab es keine strengen Regeln mehr, wenn sie ihn trafen. Niemand musste ins Bett, weil es spät war, niemand musste sich um jeden Preis die Zähne putzen. Als die beiden in den Armen ihres Vaters mit verschmierten Mündern eingeschlafen waren, dachte Lilly an ihre Abreise heute Mittag. Es war, als ob ihre Fahrt ins Krankenhaus, mit Lea auf dem Arm, schon wieder weit in der Vergangenheit lag. Doch dann blieb ein einzelnes Bild von den vielen, die noch einmal vorüberzogen, stehen und trieb ihr die Tränen in die Augen: Es war kurz, bevor sie die Wohnung verließen. Die Inszenierung sollte beginnen. Es war wichtig, dass alles echt aussah, falls ihnen jemand im Treppenhaus begegnete. Lea lag schon in ihrem Arm und hatte den Kopf vereinbarungsgemäß ermattet an ihre Brust gelegt. Doch dann verließ sie ihre Rolle abrupt und sagte alarmiert: „Mama, hast du unsere Pässe?“ In welcher Welt waren sie gelandet? Es gab nur noch ein Kind. Und das war Niklas. Sie sah auf ihre schlafenden Gesichter, die jetzt ganz entspannt waren. Gut, dass es für fast acht Wochen so etwas Ähnliches wie Normalität geben würde. Die schwierige Zeit mit den beiden tapferen Kleinen hatte auch ihre Verschiedenartigkeit zutage gebracht. Bei Lea, die schon als ganz kleines Kind stark und selbstbestimmt gewesen war, hatte sich diese Eigenschaft noch verstärkt. Sie dachte klar und strukturiert, beobachtete umsichtig das Große, Ganze und hatte ständig alles im Auge, was geschah. Im Zweifelsfall stellte sie sich selber zurück. Sie schien keinen Wert darauf zu legen, „Everybody’s Darling“ zu sein, und lächelte nur dann, wenn es einen echten Anlass gab oder sie jemanden trösten wollte. Clarissa, ihre Großmutter, bevorzugte aus diesem Grund – doch sicher auch, weil er ein männlicher Erbe war – Niklas und nannte ihn „mein Sunnyboy“. Er hatte wenig Interesse an Perspektiven. Für ihn zählte nur der Augenblick. Wenn man ihn fragte, was er essen wollte, sagte er meistens „weiß nicht“, weil er die Frage erst beantworten konnte, wenn er Hunger hatte. Er zeigte keine besonders ausgeprägten sozialen Züge, war aber so herzenslieb und charmant, dass das auch niemand von ihm erwartete. Er half brav im Haushalt, wenn man es von ihm verlangte, kam aber nicht freiwillig auf die Idee und wollte sich nicht über Probleme unterhalten. Ähnlich wie in ihrem Charakter waren sie auch im Aussehen sehr unterschiedlich. Lea, mit ihrem kurzen Blondschopf, hatte die starken Haare ihrer Großmutter väter­licherseits. Niklas mit seinem glatten Haar, wie sein Großvater mütterlicherseits, hatte die Farbe seines Vaters, ein dunkles Braun, geerbt. Er konnte, weil er Veränderungen jeder Art nicht mochte, nur selten dazu überredet werden, zum Friseur zu gehen. So unterschiedlich sie auch waren, so sehr liebten die beiden einander. Es gab kaum Streit, aber vielleicht hatten sie auch keine Gelegenheit dazu, es gab genug Gefahren von außen.

30. Juli 1988

Es gibt zwei Wahrheiten. Die eine davon mag ich. Wir leben an einem paradiesischen Platz. Vor unserem Haus spielen Lea und Niklas auf einer großen Wiese Federball und Fußball, meistens mit ihrem Vater. Ich liege währenddessen unter der Linde, die mich mit ihrem Duft an den Garten meiner Oma im Bregenzerwald erinnert, in einem rot gestreiften Liegestuhl und vergesse die Welt mit Büchern, die Ralf als Schundromane bezeichnen würde. Letizia, mit der ich mich gerne unterhalte, bringt sie mir aus der Bibliothek im Hauptort mit und mischt manchmal ­unauffällig ein Hildegard-von-Bingen-Buch aus ihren eigenen Beständen dazu. Ich mag die Weisheiten dieser klugen Frau aus dem 12. Jahrhundert. Gleichzeitig genieße ich es, dass der literarische Anspruch meiner „Seelentröster“, wie Ralf sie immer nennt, auf einer Skala von null bis zehn bei unter Null liegt und dass es immer um dasselbe geht: Heldin findet nach Irrwegen Held. Das wichtigste daran ist für mich, dass die Geschichte gut ausgeht.

In der Ferne, nicht mehr in Ruf-, aber in Sichtweite, liegt das alte, bayerische Holzhaus mit dem großen Bauerngarten, in dem sich Blumen, Gemüse, Heilpflanzen und Küchenkräuter gegenseitig unterstützen, hilfreich zu sein. Das behauptet jedenfalls Letizia, die ihr Anwesen damals, als sie Hildegard-von-Bingen-Fastenkuren angeboten hat, „Seeruhe“ nannte. Der weiße Schrift­zug auf dem verwitterten Holz ist fast verblasst. Jetzt ist sie 70 und schenkt ihr Wissen nur noch her.

Letizias schlohweißes Haar ist zu einem Zopf geflochten, den sie am Hinterkopf aufsteckt. Ganz ähnlich geformte Zöpfe bäckt sie jeden Samstag aus selbst gemahlenem Dinkelmehl und bringt sie uns noch warm zum Frühstück. Wenn sie lebendig und mit jugendlichem Elan über die Wiese läuft, dann flattert ihr langer, naturfarbener Leinenrock um ihre Knöchel und ihre Füße stecken in braunen, runden, bequemen Gesundheitsschuhen. Aber am meisten bin ich von ihren unterschiedlichen Oberteilen fas­ziniert, die sie über einer weißen Bluse mit rundem Spitzen­kragen trägt. Sie sind alle ebenfalls aus Leinen und in die Mitte hat Letizia ein rotes Herz oder eine bunte Blume oder einen Stern aus andersfarbenen Leinen genäht. Wenn die Touristen im Hauptort sie fotografieren, wundert sie sich immer. „Ich bin eine gewöhnliche alte Frau, was gefällt denen an mir?“

Am Morgen, wenn ich in unserem Refugium erwache, schlendere ich im Bademantel zu dem kleinen Kieselstrand am See. Niemand sieht mich. Die öffentliche Badewiese ist weit weg. Ich steige nackt ins Wasser, und etwas in mir erinnert sich daran, dass dieses Leben in der Natur, so wie Gott mich erschaffen hat, ein vertrauter Zustand ist. In Mellau gibt es nur die Bregenzer Ache. Der große See, der in der Vorarlberger Landeshymne besungen wird, war in meiner Kindheit viel zu weit weg. „Meor sand Burô, meor brûchod s Wássôr blos fùrs Vëah“09, hatte meine Oma gesagt, wenn ich sie als Kind dazu überreden wollte, mit mir an den Bodensee zu fahren. Ich habe erst nach ihrem Tod von meiner Mutter erfahren, dass sie gar nicht schwimmen konnte und nicht einmal einen Badeanzug besaß. Jetzt ist der Neusiedlersee ein beliebtes Ausflugsziel für mich. Aber eben nur ein Ausflugsziel. Hier, an diesem Gewässer, dessen Name ungenannt bleibt, erfahre ich zum ersten Mal, dass es in mir eine tiefe Sehnsucht nach dieser Berührung des Wassers gibt, die jetzt gestillt wird. Es ist wie Samt auf meiner Haut und wäscht alle düsteren Gedanken weg. Meine Gebete werden von den Naturwesen gehört. Sie sind überall. In den kleinen Wellen, die zu mir sprechen, im Rauschen der Bäume, die am Ufer stehen, in den Steinen, die ich zum Haus trage und dort, unter der Linde, zu meinem Hausaltar lege. Mama und Ella waren schon immer so. Sie lebten, seit ich mich zurückerinnern kann, im Einklang mit der Natur. Nach ihrer Rückkehr in den Bregenzerwald hat meine Mutter ihre alten Gewohnheiten, die mein Vater als Hokuspokus bezeichnet hatte, wieder aufgenommen. Für mich war es damals zu spät. Ich wollte meine Loyalität zu meinem Papa nicht durch den spirituellen Unfug, wie er es nannte, gefährden, auch wenn mir das nicht bewusst gewesen war.

Jetzt trösten mich meine Naturverbundenheit und die Rituale, die ich liebe. Und wenn ich ganz still am Wasser stehe, kommen manchmal Nachrichten für mich. Das erste Mal, als die unsichtbaren Wesen zu mir sprachen, dachte ich, dass ich mir das nur einbilde, und Vaters Satz war da, noch ehe ich etwas dagegen tun konnte: „Du mit deiner blühenden Fantasie!“ Er hatte es immer spöttisch gesagt, als ob es eine schlechte Eigenschaft wäre, die ich besser loswerden sollte.

Doch inzwischen höre ich auf sie, wenn sie zu mir sprechen. Ich brauche jemanden, der mich stützt. Oskar ist keine Stütze. Er lebt hier mit unseren Kindern wie mein drittes Kind. Er genießt meine Fürsorge und meine Zärtlichkeit, ich verberge alles vor ihm, was ihn belasten könnte. Wenn er wieder alleine ist, muss er der Starke sein, dann muss er mit der Angst, der Einsamkeit und der Ungewissheit zurechtkommen. „Du bist meine Tankstelle“, sagt Oskar, und ich weiß, dass es stimmt. Aber wo tanke ich? Ich kann hier, in unserer selbst gewählten Isolation, nicht mit Ralf, Johanna und Ella reden. Die nächste Telefonzelle ist zwanzig Minuten weit entfernt. Sie steht mitten im Ort, direkt neben der Post, und wir dürfen nicht auffallen. Ich schreibe an die drei und an Mama Rundbriefe, die nur an eine einzige sichere Adresse gehen und von dort persönlich verteilt werden. Es dauert lange, bis sie von Wien in den Bregenzerwald kommen, aber alles andere ist zu gefährlich. Diesen Rundbrief wirft Letizia in den Postkasten. Sie weiß nichts davon, dass es mein einziger Kontakt nach außen ist. Oskar hat ihr bis heute nicht gesagt, dass wir uns hier verstecken.

Seit ich die Wesen am Wasser hören kann, suche ich bewusst die Stille. Mir war bisher nicht klar, dass diese Fugen in meinem Leben, die nicht mit Beschäftigung ausgefüllt sind, so wichtig sind. Nur wenn es einen leeren Raum dafür gibt, können die Fügungen aus anderen Ebenen zu uns kommen.

Gestern habe ich eine besonders schöne Nachricht gehört:


„Und wo immer du hingehst, gibt es Schwarz und Weiß.

Und welche Seite du wählst, bestimmst du selbst.

Und wenn du die weiße Seite wählst, dann werden

dich die dunklen Schatten verfolgen.

Aber nur ein wenig.“


Der Wind bestätigt mit einem Rauschen in den Bäumen, dass alles gut wird, und kräuselt die Wellen auf dem See. Ich will die Nachricht so verstehen, dass Oskar nichts passiert. Es geht um ihn und nicht um mich.

Die andere Wahrheit gibt es auch. Ich bin keine glückliche Frau und Mutter auf Urlaub. Ich bin mit meinem Mann auf der Flucht und habe ständig Angst. Angst, dass sich jemand zufällig in unser Refugium verirrt, Angst, dass Oskar bei seinen unvorsichtigen Ausflügen von einer Verkehrskontrolle geschnappt wird. In der ersten Woche verschwand er für ein paar Stunden mit dem Range Rover, und als er zurückkam, hatte er zwei auffällige, rot-gelb lackierte Mountainbikes im Auto. Er strahlte wie ein Kind: „Meine Elfe, ab jetzt können wir größere Ausflüge machen.“ Letizia hatte ihm schon vor unserer Ankunft für die Kinder zwei alte Fahrräder überlassen. Sie stammen von ihren Enkeln, die längst erwachsen sind und in den USA leben.

Unser erster Ausflug mit den Fahrrädern führt uns am See entlang. Brote, Wasserflaschen und Saft in den Packtaschen. Regenmäntel besitzen wir noch keine. Es ist ein strahlender Tag, wir werden sie nicht brauchen. Wir baden in kleinen Buchten, lassen unsere Haut von der Sonne trocknen und teilen unser Picknick mit den Enten und Schwänen.

Wenn das Glück kommt und mein schweres Herz leicht wird, dann will ich, dass es so lange wie möglich bleibt. Eigentlich sollten wir längst umkehren. Aber es ist wie eine Sucht. Das Gefühl von Freiheit, der Fahrtwind im Haar, die glücklichen Kinder, die vor uns fahren, die neue Landschaft, die keiner von uns kennt, treiben uns voran.

Als das Gewitter kommt, sind wir fast drei Stunden von unserem Haus entfernt. Wir stellen uns unter, aber es hört nicht auf. Es verwandelt sich ohne Übergang in Dauerregen. Ich spüre die Redewendung „aus heiterem Himmel“ hautnah. Wir müssen zurück. Am Anfang ist es für Lea und Niklas noch ein schönes Spiel. Sie fahren durch jede Pfütze und halten ihre kleinen Gesichter jauchzend in den Regen. Doch bald werden sie müde und frieren. Als Lea ein Schild sieht, auf dem „Gasthaus 200 Meter“ steht, tröstet sie ihren Bruder: „Wir können bald rasten, halte noch ein bisschen durch.“

Es ist ein kleiner Ort, in dem das typische Holzhaus im länd­lichen Baustil steht. Vor der Tür laden eine große Breze und ein Bierkrug aus Plastik zum Verweilen ein. Oskar und ich sehen einander an. Dann schüttle ich den Kopf. Es stehen viele Räder vor der Tür, hier haben sich schon andere ins Trockene geflüchtet. Wir dürfen uns nicht in Gefahr bringen. Ich sehe auf unsere teuren, bunten Räder und wünschte, dass Oskar daran gedacht hätte, dass sie zu auffällig sind. Wir müssen weiter. Niklas beginnt zu weinen und wirft sich auf die Erde. Er will und kann nicht mehr. Sein Vater versteckt sein Fahrrad irgendwo am Weg im Gebüsch, er wird morgen zurückkommen, um es zu holen, und nimmt ihn Huckepack. Wir müssen immer wieder stehen bleiben, weil er sich nicht so lange anklammern kann und abrutscht. Lea schweigt. Sie fährt zäh und tapfer vor sich hin. Ich streichle und lobe sie. Aber ich weiß, dass sie todmüde ist und wir einen Fehler gemacht haben.

Ein Spruch, dessen Urheber ich vergessen habe, taucht auf: „Alle Eltern fügen ihren Kindern Schäden zu. Sie sind wie eine Impfung, die der Lebensertüchtigung dienen.“ Ich nehme ihn und werfe ihn in meinen virtuellen Mistkübel. Was für ein Schrott! Ich wünschte, ich wäre eine achtsamere Mutter. Manchmal bin ich selber wie ein egoistisches Kind. Ich kann mir nicht verzeihen, dass ich Lea und Niklas diese Strapaze zugemutet habe. Und was ist mit Oskar? Er ist vierzehn Jahre älter als ich. Er könnte doch auch derjenige sein, der vernünftig ist! Ärger flammt in mir hoch. Aber nur für eine Sekunde. Negative Gefühle sind nicht erlaubt, die Zeit ist zu kostbar.

Am nächsten Tag liegen Lea und Niklas im Bett. Ich mache ihnen Zitronentee und Essigsocken. Sie haben sich erkältet und fiebern. Ich bete, dass sie ohne Arzt gesund werden, wir können uns nicht leisten, medizinische Hilfe in Anspruch zu nehmen. Das Wort „ausgestoßen“ taucht auf. Ich zerlege es in zwei Teile und sehe vor mir, wie wir, die wir bis vor Kurzem zur sogenannten „guten Wiener Gesellschaft“ gehört haben, aus diesem Kreis hinausgestoßen wurden. Oskar, weil er in dubiose Geschäfte ver­wickelt ist, ich, weil ich seine Frau bin.

Ich denke daran, wie ich in der Zeitung von anderen Frauen gelesen habe, deren Männer eines Verbrechens beschuldigt werden. Ich habe mir keine großen Gedanken über sie gemacht. Ich habe mich nicht gefragt, wie es ihnen und ihren Kindern ergeht in diesem fremdbestimmten Leben. Man kann sich von dem Mann, den man liebt, abwenden oder sich dem alten Sprichwort fügen: „Mitgehangen, mitgefangen.“

Letizia kommt immer häufiger zu uns. Sie bringt selbst ­ge­backenen Obstkuchen mit, bleibt zum Kaffee und bittet
­Oskar manchmal um einen kleinen Gefallen. Gestern war er wieder einmal in ihrem alten Holzhaus. Er musste Sieben­schläfer, die sich ein Nest hinterm Kühlschrank gebaut hatten, aus der Küche vertreiben, und Lea und Niklas durften zu-­
sehen.

Je öfter sie uns besucht, desto schwieriger wird es, die Wahrheit vor ihr zu verbergen. Und was, wenn sie eines Tages Zeitung liest und unser Foto sieht? Sie hätte allen Grund, uns anzuzeigen oder uns zumindest als Verräter von ihrem Grund zu jagen. Im ­Augenblick gibt es keinen konkreten Anlass, dass wir in der Zeitung stehen, aber das kann sich täglich ändern.

Einmal in der Woche fahre ich mit ihr zu einem der großen Supermärkte im Niemandsland. Sie freut sich, dass ich sie beim Einkaufen begleite, und bleibt am Weg immer bei einem Bauern stehen und wir kaufen Gemüse, Eier, Käse und geräucherte Würste. Brot brauchen wir keines. Sie bäckt, seit wir bei ihr sind, statt einmal zweimal in der Woche und versorgt uns mit ihrem köstlichen Dinkelbrot nach einem Rezept von Hildegard von Bingen.

In der Nacht schlafe ich mit Oskar. Er ist ausgehungert, und ich gebe ihm, was er braucht. Manchmal spiele ich ihm einen Orgasmus vor. Ich habe die Frauen nie verstanden, die ihren Körper zu einer Lüge zwingen. Jetzt weiß ich, warum wir Frauen das tun. Mein Herz lässt es nicht zu, Nein zu sagen. Ich weiß, dass die Einsamkeit ihn wieder auffressen wird, wenn wir weg sind. Er muss jede einzelne seiner Zellen mit meiner Liebe auffüllen. Jetzt, solange ich noch da bin.

Mir fällt auf, wie unterschiedlich Oskar und ich sind. Nicht nur unsere Persönlichkeiten. Das weibliche Gehirn tickt ganz offensichtlich anders. Meine Libido rauscht in den Keller, wenn ich im Stress bin. Mein Wunsch nach Zärtlichkeit und körperlicher Nähe wird sofort blockiert, wenn dunkle Wolken am Horizont auftauchen. Es sei denn, ich kann in Ausnahmesituationen aus mir heraus und in den Augenblick treten. Doch jetzt ist Alltag. Auch wenn es ein geliehener Alltag ist. Oskar ist viel robuster. Er muss eine dunkle Wolke nicht vertreiben, um geil zu werden. Er kann sie einfach für diese Zeit ignorieren.

Letizia fährt fast täglich in den Hauptort. Dort gibt es einen Bücherladen, in dem sie häufig schmökert. Ich habe sie gebeten, für mich ein Buch zu bestellen: Das Tao der weiblichen Sexualität. Ella hat es mir vor langer Zeit empfohlen. Meine Scheide wird seit Längerem nicht mehr feucht. Ich helfe mit Spucke nach und hoffe, dass Oskar es nicht merkt. Als Letizia mir drei Tage später meine Bestellung vorbeibringt, ziehe ich mich mit einer Decke unterm Arm an den kleinen Strand zurück.

Ich schließe die Augen, bitte um eine Nachricht und öffne das Buch irgendwo. Der Satz springt mir entgegen, und ich weiß, dass ich gemeint bin: „Wenn die unteren Tore nicht verschlossen sind, fließt unverfeinerte Sexualkraft automatisch aus dem Körper in die Erde hinab.“ Ich lege das Buch zur Seite und strecke mich auf meiner Decke aus. Ich höre den Bäumen und dem Wasser zu und forsche still, ohne mich zu verurteilen. Ich habe meine „unteren Tore“ mein Leben lang geöffnet, ohne darüber nachzudenken, was es bedeutet. Ich habe Männer aus unterschiedlichen Gründen in meinen Schoß eingeladen. Weil ich mich ihrer Liebe ver­sichern wollte, weil ich nach Versöhnung gesucht habe, weil ich nicht Nein sagen konnte, weil, weil, weil …

Ich lasse meine Nächte mit Oskar über mich ergehen, an­statt mich darum zu kümmern, dass unsere Sexualität ein bewusstes Kunstwerk wird, das uns beide stärkt. Ich muss mit ihm reden.

Ich setze mich auf und lese weiter: Die Scheide ist das Jadetor, die großen Schamlippen das göttliche Feld, die kleinen Scham­lippen die roten Perlen, die Klitoris die kostbare Perle, die Gebärmutter ist der himmlische Palast. Eine neue, schöne Welt tut sich auf. Wieso haben wir in unserer Kultur aus dem weib­lichen Schoß einen schmutzigen Ort gemacht? Ein göttliches Feld, rote Perlen sind unser Eigen. Nicht Lippen, für die wir uns schämen müssen. Ich sage das Wort Schamlippen ein letztes Mal. Manchmal habe ich sie aus Protest auch Lustlippen genannt, aber jetzt wird mir klar, dass es um viel mehr geht. Ich kenne meinen Unterleib kaum, ich wusste nicht, dass er ein kostbarer Tempel ist und ich seine Hüterin. Meine Sexualität war bisher wie ein Besitz gewesen, den ich nach Gutdünken verteilt habe. Aber was ist mit mir? Was wollte mein Körper
in all den Jahren? Ich habe ihn mit großer Selbstverständ­lich­keit benützt und mir diese Frage noch nie gestellt. Ein paar Seiten später lese ich als Überschrift „Gefesselte Gefühle und alte Wunden“ und weiß, auch ohne den Text zu lesen, dass ich Angst vor Kontrollverlust habe.

Das Thema „erfüllte Sexualität“ ist viel umfassender, als ich dachte.

Lillys Rolle als Frau, Mutter und Beschützerin ihres Mannes fiel ihr nicht schwer. Sie war ihr auf den Leib geschrieben. Sie hatte schon als Kind gelernt, die Gefühle anderer wichtiger zu nehmen als ihre eigenen, und war eine Meisterin im Aufspüren und Ausgleichen von Stimmungen. Und sie sprach doch nicht mit Oskar über ihre Sexualität. Er war so glücklich und entspannt, und ­Lilly beschloss, ihr Problem mit sich selber auszumachen. ­Außerdem merkte sie, dass es ihr nicht leichtfiel, über sexuelle Probleme zu reden. Es war ihr peinlich. Auch im Bregenzerwald war das kein Thema, das man bei Tisch besprach.

Stattdessen bat sie Letizia, ihr einen kleinen Handspiegel zu besorgen, und ging von nun an nach dem Frühstück häufig ­alleine an den kleinen Strand und lernte ihren Körper kennen. Oskar, der keine Ahnung von ihrem Forschungsprojekt hatte, respektierte, dass sie Zeit für sich selber brauchte, und ließ sie un­gestört.

Am Anfang war es nicht einfach. Sie las und wünschte, Ella wäre hier, damit sie mit ihr reden könnte. Doch dann begann sie vorsichtig, die vorgeschlagenen Übungen auszuprobieren.

In der Nacht öffnete sie bewusst ihre „unteren Tore“ und hieß Oskar willkommen. Es war ein Geschenk an sie beide, und die Spannungsschmerzen in ihrem Unterleib hörten sofort auf. ­Außerdem fand sie neue Wege, ihr Feuer anzufachen. Sie bat Letizia, ihr aus einem Geschäft für Pflegebedarf einen Plastiküberzug für eine Matratze mitzubringen. Sie begründete es mit ihrer Sorge, dass eines der Kinder vielleicht einmal ins Bett machen könnte, weil es schlecht träumte. Sie hatte ein Duftöl aus Wien mitgebracht, und wenn sie sich jetzt in der Nacht gegen­seitig massierten und ihre glitschigen Körper aneinander rieben, war es fast wie früher.

Auf eine gewisse Weise lebte die ganze Familie in einer Fantasiewelt. Es gab keine anderen Menschen, nur Letizia, die manchmal vorbeikam. Es gab keine Zeitungen, keine Hiobsbotschaften, keine Aggressionen, keine schlechte Laune und keinen Streit. Jeder von ihnen, auch Lea und Niklas, war sich bewusst, dass die Zeit, die ihnen zur Verfügung stand, ein Ablaufdatum hatte wie eine Konservendose. Sie sah das Wort „konservieren“ vor sich und bemerkte, dass es auch für ihre Situation stimmte: Jetzt mussten sie kostbare Gegenwart anhäufen, damit sie später, wenn der Alltag ohne Oskar wieder einkehrte, von den Erinnerungen zehren konnten. Sie dachte daran, dass Österreich die „Insel der Seligen“ genannt wurde. Man muss vieles ausblenden, damit dieser Satz Wahrheit wurde.

Einige Tage vor ihrer Abreise kam Letizia vorbei und lud sie zu einem Abendessen in ihr Haus ein. Lilly wollte Lea und Niklas nicht alleine in der Hütte lassen und diskutierte mit Oskar, der das übertrieben fand: „Wir sind doch nur einen Steinwurf weit weg.“ Sie sagte ihm nicht, dass sie etwas wiedergutzumachen hatte, dass sie ihre Kinder schon einmal im Stich gelassen hatte. Damals hatte sie sich geschworen, dass das nie mehr vorkommen durfte. Sie ließ Oskar, der sie mit unterdrückter Gereiztheit aufforderte, ihren Muttertrieb nicht zu übertreiben, einfach stehen und ging mit ihrem Tagebuch an den See und blätterte zurück.

Ich liege mit unseren Kindern in einem Zelt. Es ist groß genug für vier. Wir warten auf Oskar. Das Picknick, das ich vorbereitet habe, haben wir ohne ihn gegessen. Die Situation ist absurd. Neben uns, ein paar hundert Meter weiter, liegt der Tennisklub, in dem wir manchmal spielen. Mein Vater hat mir, als ich vier Jahre alt war, einen Tennisschläger gekauft und mich trainiert. Er war begeistert von meinem Talent. Aber im Bregenzerwald gab es kein Verständnis für diesen „Firlefanz“. „Meor bruchôd kan Sport, meor wedod vom Veahhüotô mûod.“10

Oskar ist ein begeisterter Tennisspieler, und als er in mein Le­ben kam, kehrte auch das Spiel auf dem roten Sand zurück. Am Anfang, als ich noch hoffte, dass die Beziehung zu Sybille ein kalter Windhauch ist, der vorüberzieht, haben wir unsere wöchentliche Tennisstunde aufrechterhalten. Meistens war das meine einzige Gelegenheit, um ihm, ohne dass die Kinder zuhören konnten, Vorwürfe zu machen. Seit ich im Zorn meinen Schläger nach ihm übers Netz geworfen habe, spielt er nicht mehr mit mir.

Die große Wiese am Strand der Alten Donau, auf der wir unser Zelt aufgeschlagen haben, gehört zum Badestrand des Klubs. Unsere Wohnung ist mit dem Auto eine Viertelstunde weit entfernt. Lea und Niklas haben sich ein Campingabenteuer mit uns gewünscht. Oskar und ich können nicht miteinander verreisen, weil er Sybille liebt. Wenn er Zeit hat wegzufahren, dann mit ihr. Es ist meine Idee gewesen, dass wir den Kindern zuliebe eine gemeinsame Nacht hier verbringen sollen. Ich missbrauche sie, aber es ist mir nicht bewusst. Ich hoffe, dass die Nähe im Zelt, dass dieses gemeinsame Erlebnis ihn daran erinnert, was er verliert, wenn er sich nicht besinnt. Ich bin eine Idiotin. Das wusste ich nur viel zu lange nicht.

Die Kinder schlafen. Oskar ist immer noch nicht da. Ich stehe auf und schleiche leise aus dem Zelt. Sie haben einen guten Schlaf. Ich werde nicht lang weg sein. In der Sauna schwitze ich mir meinen Ärger und meinen Frust heraus. Sie liegt im ersten Stock des Tennisklubs, und wenn ich auf die Terrasse trete, sehe ich unser Zelt in der Ferne.

Als Lea im Pyjama weinend in die Sauna kommt, überlege ich mir gerade, ob ich noch einen Aufguss machen soll: „Wo bist du, Mama? Der Niklas ist aufgewacht und hat aus Angst ins Zelt gekackt.“

Lilly atmete tief durch. Es war gut, dass sie die Geschichte aufgeschrieben hatte. Sie nahm den Zorn, der in ihr aufgestiegen war, hob einen Stein auf, warf ihn ins Wasser und schickte den alten Groll mit. Das war Vergangenheit. Endgültig.

Als sie zurückkam, hatte Oskar schon eine Lösung gefunden. Er schlug vor, dass Lea und Niklas nicht in den Stockbetten im Wohnzimmer schlafen sollten, sondern in ihrem Ehebett, und dass sie gemeinsam mit Letizia kochten.

Es gab eine köstliche Fischpastete als Vorspeise, ein Spezialrezept aus dem handgeschriebenen Kochbuch von Mémé, das Lilly geerbt hatte, und einen hervorragenden Coq au vin aus glücklichen Hühnern vom Bauern in der Nähe, den ihre Vermieterin fertig gekocht mitgebracht hatte. Lilly liebte diese Frau, die so gut zu ihnen war, inzwischen fast so wie ihre Oma im Bregenzerwald.

Als Letizia zum Nachtisch einen selbst gebackenen Schokoladenkuchen auspackte und ihren hausgemachten Likör dazu servierte, nickte Lilly Oskar zu. Es wurde Zeit, die Wahrheit zu sagen.

Er sah der alten Frau gerade in die Augen und erzählte ihr die Geschichte der Esmeralda. Es wurde ein langer Abend, und als Lilly am nächsten Tag erwachte, fühlte sie sich leichter. Sie hatte eine mütterliche Freundin gewonnen, der sie von nun an das Herz ausschütten konnte.

Der August ging mit strahlendem Wetter zu Ende und damit auch die Sommerferien. Lilly und Oskar hatten eine Entscheidung getroffen, die nicht nur ihr Leben, sondern auch das Leben ihrer Kinder stark veränderte.

30. August 1988

Ich sehe die beiden am Ende des Weges stehen. Sie winken, und ich registriere ihr Lächeln. Niklas hat den breiten Mund seines Vaters und seine leichten O-Beine geerbt. Sie stehen da, der kleine Kerl eine gelungene Kopie des großen. Oskar hat seinen Arm um seinen Sohn gelegt, als ob er Angst hätte, dass er ihm in letzter Sekunde wegläuft.

Ich winke zurück und drehe mich ein letztes Mal um, blind vor Tränen. Warum lächeln sie? Wollen sie es uns leicht machen? Oder ist ihnen nicht klar, was dieser Abschied bedeutet? Niklas hat ein Jubelgeheul angestimmt, als wir ihn gefragt haben, ob er bei seinem Papa bleiben will. Er ist noch nicht schulpflichtig.

Ich fahre in dem Leihauto, das Letizia auf ihren Namen für mich gemietet hat, ohne meinen Sohn nach Hause und Lea ohne ihren Bruder. Es ist das erste Mal, dass wir länger getrennt
sein werden. Lea lächelt nicht. Sie spürt meine Hand, die ihre ­umkrampft, und als ich sie loslasse, weil ich beide Hände am Lenkrad brauche, tut mir mein Herz weh. Hinter mir sitzt eine tapfere, kleine Erwachsene.

Ich fahre automatisch. Die Straße am Ufer entlang, rechts Tannen, links Tannen, dann durch den Ort und Richtung Autobahn. Meine Gedanken sind bei Niklas.

War es richtig, ihn bei seinem Vater zu lassen? Bei einem Mann auf der Flucht, der in einer kleinen Blockhütte lebt und täglich Angst hat, dass ihn jemand entdeckt? Einem Mann, der mit ­einem falschen Namen seine Schuhe zum Schuster bringt und dessen Herz fast still steht, wenn er einen Polizisten sieht?

Ich sehe Lea im Rückspiegel. Sie hat die Augen geschlossen. Es war ein langer, kostbarer Tag gewesen, den wir alle bis zur Neige ausgekostet haben. Der Satz „das letzte Mal zu viert, für lange Zeit“ hatte sich wie eine kaputte Schallplatte, die stecken geblieben ist, in mir festgesetzt. Und jedes Mal, wenn es mir ­gestern mühsam gelungen war, einen glücklichen Moment zu ­produzieren, hatte dieser hässliche Satz ihn sofort wieder zunichte gemacht. Ich schaue kurz in den Rückspiegel, ob Lea schon schläft, und lasse die Wochen mit Oskar noch einmal Revue passieren. Diese Zeit in einem „seltsamen sozialen Biotop“, wie Ralf es nennen würde. Ich vermisse meinen besten Freund. Nicht nur seine Wärme und seine Klugheit, sondern auch seine spitze Zunge. Wenn jemand mich erreicht, ohne dass ich mich kritisiert fühle, dann er. Er wird nicht einverstanden sein, wenn ich ihm erzähle, wie sehr ich mich in diesem Sommer selber zurückgestellt habe. Aber ich habe mich trotzdem erholt. Mein Ausschlag ist weg. Er ist mein Barometer. Wenn meine Hände zu jucken beginnen, weiß ich, dass ich meine Grenzen überschritten habe.

Ich denke wieder an Oskar, an die Umarmungen, die kleine Sperre der Fremdheit in den ersten Stunden nach unserer Ankunft. An den tapferen Einsiedler, der in seiner Einsiedelei plötzlich von Gefühlen überwältigt wurde. An unseren Versuch, so etwas wie Alltag zu leben. Eine ganz normale Familie zu sein. Gestern waren wir zum ersten Mal in der Kreisstadt in der ­Konditorei am See gewesen. Oskar wollte zum Abschied etwas „Normales“ unternehmen. „Es wird nicht auffallen, es sind so viele Touristen hier im Sommer …“ Die Kinder lieben den Zwetschkendatschi, den es dort gibt. Letizia hatte ihn uns manchmal mitgebracht. Wir tranken zur Feier des Tages ein Glas Sekt. Welche Feier? Weil wir wieder nach Wien zurückfahren und ­unsere Familie auseinandergerissen wird?

Wir standen an einem der Stehtische, als die Bedienung durch den Raum eilte und laut rief: „Herr Moosbrugger, bitte!“ Oskar sagte automatisch: „Ja, bitte?“ Ich wurde rot und erstarrte. Moosbrugger, er hatte auf unseren Bregenzerwälder Familiennamen reagiert, so vertraut war er ihm schon geworden. Oskar sagte schnell zur Bedienung: „Sorry, ich habe Sie falsch ver­standen.“ Ein dicker Mann, der offensichtlich der ans Telefon gerufene Träger des Namens war, sah uns irritiert an, als er sich an uns vorbeizwängte. Niklas und Lea hatten nichts gesagt. Sie kannten den Namen. Sie hatten gelernt, dass sie ihre Zeichnungen für den Papa mit Moosbrugger unterschreiben mussten. Die Zeichnungen hingen in der kleinen Jagdhütte überall an den Wänden. Die Vorsichtsmaßnahme war ursprünglich für Letizia gedacht, Oskar hatte sich bei ihr mit seinem ausgeliehenen Namen vorgestellt.

Im Rückspiegel sehe ich, dass Lea die Augen wieder geöffnet hat. Jeder in dieser Familie schützt sich auf seine Weise. Ich weiß, dass sie manchmal, wenn sie nicht will, dass ich ihre Gefühle ­mitbekomme, so tut, als ob sie schläft. Sie sitzt so ernst und blass hinter mir, dass ich einen hilflosen Versuch mache, sie zu trösten: „Lass uns etwas singen“, schlage ich mit munterer Stimme vor. Lea sagt ganz leise: „Ich vermisse den Papa und Niklas, ich mag nicht singen.“

Ich fahre weiter, und meine Tränen tropfen auf meinen Pullover. Es dauert eine Weile, bis ich sagen kann: „Ich auch, Lea.“ Sie gibt keinen Laut von sich, und ich weiß, dass sie ihr Schluchzen unterdrückt, um mich zu schonen.

Die Autobahn ist fast leer. Ich halte bei der nächsten Rast­möglichkeit an. Es gibt keine anderen Autos. Ich hole Lea vom Rücksitz und trage sie wie ein Baby zu einer der beiden Bänke, die am Waldrand stehen. Ich halte sie im Arm, und dann weinen wir beide. Wir haben noch nie gemeinsam geweint.

Ich fühle mich so trostlos und verzweifelt wie schon lange nicht mehr. „Du bist ein Leuchtturm in dieser Welt, genährt vom göttlichen Licht.“ Ich höre den Satz und weiß, dass die Naturwesen ihn geschickt haben. Lea braucht eine starke Mutter.

Lilly richtete sich auf. Sie spürte, wie die Energie ihre Wirbel­säule stärkte und putzte sich entschlossen die Nase. Dann lächelte sie ihre Tochter zärtlich an: „Wir kehren jetzt um und fahren nicht nach Wien, wir fahren zur Oma.“ Lea lächelte unter Tränen zurück, sie liebte ihre Oma über alles.

Eigentlich sollte das Auto am Abend in Wien zurückgegeben werden, Ralf wartete in der Redaktion auf sie, und ihre Tochter sollte sich zu Hause noch einleben können, ehe die Schule ­begann. Das war der Plan gewesen. Sehr logisch, aber im Augenblick nicht durchführbar. Sie brauchten jetzt keine leere Wohnung, voll von Erinnerungen an Oskar und Niklas. Sie brauchten Trost, und den gab es im Bregenzerwald.

Es wurde eine lange Nacht in den Bergen. Lillys Mutter und Ella warteten schon auf sie, als sie am späteren Nachmittag in Bregenz ankamen, wo sie das Auto zurückgab. Dann fuhren sie mit Ellas Jeep aufs Vorsäß. Nicht weit von dort hatte sie ihren Schwitzhüttenplatz mit einer Feuerstelle. Es war ihre Idee gewesen: „First Nations“, das war der Name, mit dem die Indianer angesprochen werden wollten, „erzählen ihre Geschichten immer am Feuer. Außerdem kann uns dort niemand abhören.“

Lea schlief, in eine warme Decke gehüllt, im Arm ihrer Großmutter, und Lilly, mit dem Geruch des Heiligen Salbeis in der Nase, den Ella verbrannte, vertraute wieder darauf, dass alles gut wird. In dieser gewaltigen Natur, in der ihr Leben wie ein kleiner Funke war, nahmen die Dramen, die sie erlebte, einen anderen Platz ein. Einen, der ihnen zukam im großen Gefüge.

Wer das Meer liebt, liebt auch den Bodensee. An manchen Tagen, wenn der Dunst den Horizont verschleiert, entsteht die Illusion einer nie enden wollenden Weite. Die drei Frauen und das Kind saßen am nächsten Tag an seinem Ufer. Nicht an dem wilden Platz am Rohrspitz, den Lilly so liebte und den sie erst als Erwachsene kennengelernt hatte. Nein, sie saßen im Bregenzer Strandbad. Mit seinem gepflegten Rasen, den geschnittenen Hecken und der Badeordnung, an die sich alle halten sollten.

Lilly liebte Naturstrände, aber darum ging es heute nicht. Sie musste Lea Erlebnisse an einem See mitgeben, sie hatten fast zwei Monate am Wasser gelebt, und sie sollte in der Schule etwas erzählen können. Jetzt spielte sie mit der Tochter von Annemarie. Annemarie war eine Mellauerin und auf dem Gymnasium ihre Freundin gewesen. Sie hatten sich, nachdem sie vor ein paar Jahren einen Bregenzer Hotelbesitzer geheiratet hatte, aus den Augen verloren. „Komm doch mit Lea ein paar Tage zu uns. Für mich wär’s schön, wenn du Steffi am Nachmittag mit ins Schwimmbad nehmen könntest.“

Lilly fand ihren Stammplatz im Strandbad unter einer der beiden alten, riesigen Trauerweiden, deren Zweige bis ins Wasser reichten. Sie sammelte mit ihren Augen Bilder ein, die Lea in der Schule erzählen konnte: Den täglichen Spaziergang zum Kiosk, wo sie und Steffi ihr Eis kauften, das sie von den Fußballspielern, die in der Sonne lagen und zu bequem waren, sich ihr Bier selber zu holen, als Lohn bekamen. Das Erlebnis mit dem riesigen Fisch, den der Sohn des Bademeisters gefangen hatte und der bitterlich weinte, als seine Mutter sich weigerte, ihn zum Abendessen zu braten. Die Geschichte von dem kleinen Jungen mit dem Sonnenhut aus Stroh, den Lea gefunden hatte. Er war mit seinen eineinhalb Jahren allein durchs Schwimmbad gewackelt, weil seine Mutter nicht bemerkt hatte, dass er aus seinem Kinderwagen ausgestiegen war.

Lilly schaffte es, auch ein Leben jenseits von Oskar zu leben. Zumindest für diese kurze Zeit. Doch es gab kein Leben jenseits von Niklas. Sie vermisste ihn mit jeder Faser ihres Herzens und war froh, dass Lea durch ihre Spiele mit Steffi abgelenkt war.

Annemarie hatte viel zu tun, das Hotel war noch immer voll, obwohl die Festspielgäste, die jedes Jahr zu Tausenden zum Spiel an den See kamen, schon abgereist waren. Es gab nicht viele Gelegenheiten des Austausches für die beiden Freundinnen aus früherer Zeit. Doch am späteren Abend, wenn die meisten Gäste schon gegangen waren und Lea bei Steffi im Kinderzimmer im obersten Stock des Hotels schlief, fanden sie zu ihrer alten Vertrautheit zurück.

Es war an ihrem letzten gemeinsamen Abend. Annemarie hatte sich am späteren Nachmittag freigenommen und war mit Lilly zu Fuß auf die Fluh, einem kleinen Ort, der nur aus ein paar Häusern und einer Kirche bestand, gewandert. Sie wusste inzwischen, dass Lilly immer wieder mit den Kindern heimlich Oskar besuchte. Als sie nach einem guten Essen im Gasthaus Adler bei einem Glas Weißwein saßen, sagte Annemarie: „Wenn du jemals in Vorarlberg jemanden brauchst, der dir dabei hilft, dann bin ich für dich da.“ Sie sagte nicht „bei der Flucht“, sie hatte schon gelernt, dass Worte verdächtig sind. Lilly sah ihr ernst in die Augen und antwortete: „Du weißt, worauf du dich da einlässt?“ Und als Annemarie nickte, reifte Lillys nächster Plan.

Sie kannte inzwischen das Hotel und seine Abläufe gut. Die Erforschung von möglichen Fluchtwegen war für sie so selbstverständlich geworden wie Zähneputzen. Sie hatte beobachtet, dass fast täglich ein Wäschereiwagen kam, der ganz nah an einen der Seitenausgänge heranfuhr und die großen Säcke Schmutzwäsche einlud. Annemarie hatte erwähnt, dass der Besitzer der Wäscherei ihr Schwager war.

Am Vormittag ihrer Abreise traf sie Markus Längle, ihren Anwalt. Er machte Urlaub in seiner Heimat, und Lilly erzählte ihm, dass sie Oskar und Niklas versprochen hatte, an Weihnachten mit Lea wiederzukommen. Er warnte sie dringend davor: „Bist du verrückt? Weihnachten ist die gefährlichste Zeit! Die Ermittler wissen genau, dass hier die meisten Emotionen im Spiel sind, und verstärken ihre Bemühungen. Wenn du Oskar schützen willst, dann musst du darauf verzichten!“ Entnervt erwiderte Lilly: „Und was ist mit Niklas? Soll er ohne mich und seine Schwester Weihnachten feiern?“ Markus schoss zurück: „Wenn du schon nicht an Oskar denkst, dann denk an deine Kinder. Ein Vater im Gefängnis ist schlimmer, als an Weihnachten getrennt zu sein.“

Im Zug nach Wien fragte Lea nach ihrer Oma. „Wieso steigen wir nicht in Salzburg aus? Sie ist doch auch ganz allein, seit der Papa sie nicht mehr besuchen kann.“ Lilly schämte sich. Ihre Abneigung gegen ihre Schwiegermutter hatte die Krise überdauert.

In Salzburg regnete es. Wie schon so oft. Sie rief ihre Schwiegermutter an, die sich sofort beschwerte, dass sie sich nicht rechtzeitig angekündigt hatten. Lilly sah von der Telefonzelle aus auf die Anzeigentafel und hoffte, dass sie in einen der Züge, die regelmäßig aus Deutschland kamen, gleich wieder einsteigen konnte: „Dann besuchen wir dich eben nicht“, dachte sie, obwohl die nächsten drei Stunden kein Zug fuhr, und änderte ihre Meinung, als sie Leas Gesicht sah.

Das Treffen im Österreichischen Hof, in dem Lilly anschließend die Rechnung bezahlte, war deprimierend. Clarissa war wütend auf Oskar, der ihr nicht erlaubte, sie zu besuchen, und wütend auf Lilly, die ihr nicht sagte, wo er sich versteckt hielt. Sie wandte sich mit verzerrtem Gesicht an Lea und sagte: „Und wieso weiß dieses Kind etwas, was man mir verheimlicht?“ Lilly hätte gern gesagt: „Weil dieses Kind hundert Mal emotional kompetenter ist als du“, aber sie schluckte die Beleidigung hinunter. Lea warf ihrer Mutter einen kurzen Blick zu und antwortete: „Omi, es dauert nicht mehr lange, du musst nur noch ein bisschen Geduld haben. Der Papa wird bald ein Gericht finden, das ihm zuhört, dann können wir ihn gemeinsam besuchen.“

Der Satz, dass man in der Not zusammenhalten muss, war keiner, den die beiden Frauen, die denselben Mann liebten, beherzigen konnten. Die Kluft war schon zu tief. Und so blieb es dabei, dass die Kinder ihre einzige Verbindung waren.

15. September 1988

In Wien ist alles schwierig, ich habe Mühe, mich wieder einzuleben. Mein Bett ist ein einsamer Ort, Oskars warmer Körper fehlt mir. Und es tut weh, ohne Niklas am Tisch zu sitzen. Sein leerer Platz ist wie eine Wunde, die sich nicht schließen will. Meine Entscheidung nagt an mir. Ich weiß, dass sein Vater ihn braucht. Er lindert seine Einsamkeit und lenkt ihn von der Trostlosigkeit seiner Lage ab. Niklas ist auch sein Schutzschild. Wer wird schon hinter einem freundlichen Mann, der mit seinem Kind am See entlang radelt, einen gesuchten Verbrecher vermuten? Aber braucht sein Sohn ihn? Oder wird ihm eine Last auferlegt, die seine kleine Seele nicht verkraften kann?

Gestern habe ich mit Oskar telefoniert. Er war noch ganz schockiert darüber, dass er mit Niklas bei seinem wöchentlichen Einkauf im Supermarkt in eine Verkehrskontrolle geraten ist. Sie haben die beiden durchgewinkt, und Niklas hat anschließend seinen Vater gezeichnet, der in einem kleinen roten Auto einem blauen Mann mit Schirmmütze davonfährt.

Gleichzeitig denke ich an Lea, die mir am Tisch gegenübersitzt, und bin froh, dass sie jetzt endlich den Raum bekommt, den ein Kind braucht. Sie war Niklas’ Beschützerin, und jetzt ist ihr kleiner Bruder für eine Weile nicht mehr da. Ich weiß, dass ich an ihrer Rolle schuld bin und dass alles viel früher angefangen hat. Ich liebe meine Kinder und gleichzeitig war mir meine Zeitschrift sehr wichtig. Wie oft hatte Lea Niklas an der Hand und fühlte sich für ihn verantwortlich, wenn sie gemeinsam in die Kindergruppe gingen?

Ich spüre meine Trauer, dass es die Wahrheit ist, und meine Erleichterung, dass ich es jetzt ein Stück wiedergutmachen kann.

Ich weiß nicht genau, wie es Lea geht. Sie ist wieder fröhlich und genießt, dass ich mehr Zeit für sie habe. Aber wie sieht es in ihrem Inneren aus? Wenn ich sie frage, sagt sie: „Ich bin sicher, dass es dem Niklas gut geht beim Papa.“

Lea muss lügen. Ich muss lügen. Wir erzählen allen, dass Niklas bei seiner Großmutter im Bregenzerwald ist, und ich hoffe, dass das niemand überprüft.

Ich wundere mich, dass ich nicht verhört werde. Sie wissen, dass ich zwei Monate verschwunden war. Wieso fragen sie mich nicht? Ralf hat eine Antwort: „Es ist sinnlos, dich zu verhören. Als Oskars Frau darfst du die Aussage verweigern. Es ist besser, wenn sie dich engmaschig überwachen und du möglichst wenig Verdacht schöpfst.“

Ich schöpfe Verdacht.

Johanna und Rudi sind inzwischen ein Paar. Er wird mir alles über Abhörtechniken erzählen. Ich werde meine Bewacher weiter an der Nase herumführen, und inzwischen macht es mir sogar manchmal Spaß. „Ma moß das Bescht drus macho“11, Mutters Leitsatz kommt mir wieder einmal zugute.

In der Redaktion war der Berg der Berichterstattung über das Verschwinden von Paolo Vicente und Oskar Baldini so gewachsen, dass Ralf inzwischen mehrere Ordner mit unterschiedlichen Inhalten angelegt hatte. Lilly nahm sich zuerst den mit dem Titel „Oskar und der Fall“ vor und las nach, was die Medien den Sommer über geschrieben hatten. Es hatte sich inzwischen, wie bei fast allen interessanten Themen, eine Gruppe von Spezialisten gebildet. Zwei von ihnen hatten sich ganz besonders in den Skandal verbissen.

Lilly merkte, wie ihr Ausschlag, den sie fast schon vergessen hatte, wieder anfing zu jucken, während sie las. Ralf kam herein und sagte, als er sah, dass sie sich an ihren Händen kratzte: „Erspar dir den Müll, lies lieber, was sie über dich schreiben.“

Er gab ihr den Ordner, auf dem „Lilly und der Fall“ stand, und wies nicht darauf hin, als er das Zimmer wieder verließ, dass sie mindestens zehnmal das Foto wiedersehen würde, auf dem sie sich glückstrahlend vor dem Landesgericht auf den Armen von Paolo und Oskar zeigte. Es war eines der Lieblingsbilder der Fotoredaktionen, wenn es um Lilly ging, und die Berichterstattung teilte sich in zwei Lager. Die einen verurteilten sie, dass sie einem gesuchten Kriminellen die Stange hielt, die anderen lobten sie dafür, dass sie zu ihrem Mann stand. Auch wenn es für die meisten keinen Zweifel gab, dass an den Vorwürfen etwas dran war. Sie las mehrfach die Überschrift „Wo ist Frau Baldini?“ und „Polizei versagt, Oskar Baldini mit seiner Frau auf der Flucht“.

Es gab erfundene Herzschmerz-Geschichten, als ob die Gazetten dabei gewesen wären, als sie sich in die Arme gefallen waren. Lilly war eine Persönlichkeit des öffentlichen Lebens geworden, auch wenn die Umstände wenig schmeichelhaft waren. Sie saß verloren an ihrem Schreibtisch, der ihr seltsam fremd vorkam, und merkte, dass die zwei Stunden, die sie mit „dem Fall“ verbracht hatte, ihr den Boden unter den Füßen weggezogen hatten. Es war fast noch einfacher, mit Oskar auf der Flucht zu sein, als sich den Vorverurteilungen und der Häme auszusetzen, die ihr hier begegnete. Wo würde das alles hinführen? Während sie mit ihrer Familie an den unterschiedlichen Fluchtorten Alltag spielte, wurde in Österreich neues Belastungsmaterial produziert. Sie glaubte Oskar, dass er kein Schiff in die Luft gesprengt hatte. Aber was war stattdessen passiert? Er musste sie endlich ins Vertrauen ziehen. Die Ungewissheit war grausamer als jede Wahrheit.

Als Marion, die Redaktionsassistentin, hereinkam und sie fragte, ob sie schon eine Entscheidung getroffen hatte, was sie schreiben wollte, kehrte sie mit ihren Gedanken „vom Fall“ zu ihrer Zeitschrift zurück. Das letzte Heft war vollständig ohne sie über die Bühne gegangen, nun stand bereits die Produktion des nächsten an. Sie nahm die Liste der Themen, die in der Konferenz vorgeschlagen worden waren, in die Hand. Lilly merkte, dass sie sich für nichts wirklich interessierte. Sie stand auf und ging zu Ralf hinüber, der sich mit heißem Wasser aus seinem ­eigenen Kocher gerade eine Tasse Tee machte. Er war zu bequem, jedes Mal die Küche aufzusuchen, und hatte in seinem Zimmer eine luxuriöse Tee-Ecke etabliert. Es gab feine Tässchen aus ­Chinaporzellan oder robuste Becher, und seine Gäste konnten zwischen mehr als zehn Sorten Tee wählen, die in schwarzen Blechdosen mit bunten Blumenmustern luftdicht verschlossen wurden.

„Soll ich dir einen Kaffee holen?“, fragte er, als er ihr Gesicht sah. Lilly nickte. Ralf hatte ihr schon viele Vorträge darüber gehalten, wie ungesund ihr Lieblingsgetränk sei, ihr geschildert, wie es ihren armen Körper übersäuerte. Es hatte sie bisher nicht beeindruckt. Sie war sich sicher, dass Kaffee ihren viel zu niedrigen Blutdruck regulierte, und versorgte sich eher nach dem Lust- als nach dem Gesundheitsprinzip. Seit Lillys Leben seine Leichtigkeit verloren hatte, war auch das Geplänkel zwischen ihnen eine Seltenheit geworden. Als er die Tasse vor ihr abstellte, läutete der altmodische Wecker, der von seinem Großvater stammte und auf seinem Schreibtisch stand. Sie stand auf und wollte wieder gehen. Doch Ralf hielt sie zurück: „Bleib, ich kann meine Achtsamkeitsübung später machen.“

Lilly bewunderte seine Gewohnheit, alle vier Stunden zu überprüfen, ob die Qualität der Zeit, die er verbrachte, zu ihm passte. Er fragte sich täglich mehrmals, ob er noch auf seiner Spur war, ob seine Tätigkeit ihm in diesem Augenblick entsprach und gleichzeitig seinen höheren Zielen diente.

„Du kannst dir mit etwas Achtsamkeit viel Müll in deinem Leben ersparen“, hatte er zu Lilly gesagt, wenn sie wieder einmal, wie er es nannte, „gesprungen war, bevor sie nachgedacht hatte“. Eine Weile hatte sie dann versucht, ihr Leben auf seine Weise zu regulieren. Mit dem Effekt, dass sie sich kontrolliert und eingesperrt vorgekommen war. Seit sie in den Fall verwickelt war, hatte sich ihre Spontaneität gelegt. Sie konnte sich nicht mehr leisten, in den Tag hineinzuleben. Es gab viel zu viel, was sie bedenken musste.

„Ralf, ich muss zuerst, bevor ich die nächste Geschichte starte, mein Leben organisieren. Ich muss alles darüber wissen, wie ich abgehört werde.“ Ralf nickte: „Warum schreibst du nicht eine Geschichte über die verwanzte Stadt? Wenn wir berücksichtigen, was es für die Psyche der Menschen bedeutet, wenn sie in ständiger Unsicherheit und Psychoterror leben, könnte das ein gutes Thema für uns sein.“

Lillys Lethargie war mit einem Schlag weg. Sie hatte wieder etwas, in das sie sich verbeißen konnte. Sie freute sich auf das Gespräch mit Rudi. Er würde einer ihrer Informanten sein, auch wenn sie ihn selbstverständlich schützen würde.

Johanna hatte gekocht. Sie saßen zu dritt in ihrer gemütlichen Wohnküche in der Berggasse, die von Lillys Wohnung zu Fuß eine Viertelstunde entfernt lag, und aßen einen köstlichen Tafelspitz mit Blattspinat und Kartoffelrösti. Rudi hatte vor dem ­Essen überprüft, ob es Wanzen gab, und kam mit einem breiten Grinsen zurück: „Sie sind nicht listig genug. Ich verstehe nicht, warum sie dich nicht auch abhören.“ Rudi liebte das Wort listig. Er verwendete es selten widmungsgemäß, und Lilly hatte inzwischen verstanden, dass „listig“ so ziemlich alles bedeuten konnte. Dass etwas interessant war, dass er sich wunderte, dass jemand besonders geschickt war.

Beim Essen erzählte Lilly von ihrer Zeit am See und nannte auch vor ihren Freunden seinen Namen nicht. Sie wollte, dass er in ihrer eigenen Erinnerung so verblasste, dass sie ihn selbst im Schlaf nicht wusste.

Dann ging Rudi auf den Balkon, rauchte eine Zigarette und kam, wie zu einem neuen Auftritt, in seiner Rolle als Beamter der Post zurück. Es störte ihn nicht, dass er Betriebsgeheimnisse ausplauderte. „Man muss wissen, wo man hingehört“, hatte er gesagt, als Lilly ihn gefragt hatte, ob er es sich leisten konnte, mit ihr befreundet zu sein. Dann spitzte er seinen Mund auf eine ganz bestimmte Weise, so wie andere ihren Bleistift spitzen, bevor sie etwas Wichtiges schreiben wollen, und sagte langsam und bedächtig: „Es beginnt so: Jemand vom Gericht ruft bei uns an und erteilt einen Auftrag zur Telefonüberwachung. Weil das meistens schnell gehen muss, kommt die schriftliche Anweisung erst später. Hier ist übrigens schon die erste Stelle, wo die Bürger viel zu wenig vor illegalen Übergriffen geschützt werden. Von dem Moment an wird in der Post alles aufgezeichnet, was von diesem Anschluss aus gesprochen wird. Dazu brauchen wir nicht einmal das Haus zu verlassen. Das funktioniert alles intern.“

Rudis Arme und Hände hatten vor Begeisterung ver­gessen, dass sie normalerweise nicht so recht wussten, wie sie sich gut koordinieren konnten, und bewegten sich sicher und prä­zise, als sie den Wählersaal, einen Raum, häufig in doppelter Turnsaalgröße, und die Gestellreihen mit den Wählern dar­stellten. „Ein Wähler ist ein technisches Gerät, das einem Te­lefonanschluss zugeordnet ist, und jedes Wählamt hat etwa ­dreißigtausend solcher Anschlüsse zu betreuen. Wir beheben Störungen, und wenn jemand abgehört werden soll, dann schließen wir einfach an die betreffende Telefonnummer ein Tonbandgerät an. So weit, so gut. Das Problem ist, dass wir jedes Mal, wenn von diesem Anschluss telefoniert wird, hinstürzen müssen, um das Tonband einzuschalten. Am Tag ist es noch leichter, da leuchtet nur ein Alarmlicht auf. In der Nacht gibt es zusätzlich den Alarmton, und dann wird der arme Postler aus dem Schlaf gerissen und rennt durch die Gestellreihen, um den Anschluss zu finden. Wenn wir vier oder fünf Zielpersonen zu überwachen haben, was häufig vorkommt, dann rennen wir wie die Blöden ständig durch den Saal. Technisch könnten wir das viel listiger lösen. Aber nachdem die Post Steinzeitmethoden bevorzugt und der Eingriff in dienstlich zugewiesene Gerätschaften verboten ist, spielen wir noch immer ‚lauf, Postler, lauf‘. Das verschafft dir einen Vorteil. Du kannst davon ausgehen, dass du sechzig Sekunden Zeit hast, bis der Beamte das Tonband eingeschaltet hat. Das merkst du daran, dass es knackt. Von diesem Moment an darfst du nur noch Belang­losigkeiten reden, und wenn du nicht willst, dass deine Anrufer identifiziert werden können, dann telefoniere niemals mit deinem abgehörten Telefon, weil meistens zusätzlich eine Rück­verfolgung der Gespräche angeordnet wird. Das dauert je nach Betriebssystem im Amt zwischen zwei und fünf Minuten.“

Rudi war so in Fahrt, dass er vergaß, dass hier keine Exper­tinnen vor ihm saßen, und erklärte im Detail den Unterschied zwischen einem 48er-Wählsystem und dem moderneren OHS. „Wir in Floridsdorf arbeiten noch mit dem altmodischen 48er, ich werde einen Kollegen in deinem Wählamt anrufen, dann wissen wir, wie viel Zeit du hast, bis ein Gespräch rückverfolgt werden kann.“

Und er war nicht aufzuhalten. „Das mit den Wanzen ist komplizierter. Dazu müssen sie in deine Wohnung hinein. Das ist aber auch kein Problem. Das Haus wird observiert, um deine Gewohnheiten kennenzulernen. Dann kommt ein Spezialist, öffnet dein Schloss, und schon bist du verwanzt. Wir werden später zu dir hinübergehen und deine Räume untersuchen. Es gibt ein paar Lieblingsplätze für die kleinen Tierchen.“

Die Nachspeise gab es aus strategischen Gründen bei Lilly. Sie aßen Mousse au Chocolat nach einem alten Rezept von Mémé, dann legten sie eine CD von Tanita Tikaram ein, und die beiden Frauen sangen und tanzten laut und ausgelassen. Bei der Stelle „different thoughts are good for me“ brüllten sie besonders laut mit, der Satz war für die Abhörer gedacht. Währenddessen untersuchte Rudi in aller Ruhe die Wohnung. Lilly beobachtete ihn, während sie sich zur Musik bewegte, und war beeindruckt, wie seine sonst etwas ungelenken Bewegungen vollständig verschwunden waren. Sein ganzer Körper war geballte, gut koordinierte Konzentration. Wenn er eine Wanze fand, machte er ihnen begeistert mit dem Daumen das Okay-Zeichen. Niemand sprach. Es war ein absurdes Bild. Ein Mann stand auf einer Leiter und starrte auf die Deckenbeleuchtung, während zwei Frauen ihn in einem wilden Tanz umrundeten.

Alle drei Kinder waren heute bei Tilde. Sie hatte eigentlich zu wenig Platz für die Rasselbande, aber das improvisierte Matratzenlager mit Pizzaservice war ein Abenteuer, zu dem sie nicht Nein sagen konnte. Sie war nicht in die Details von Lillys Plänen eingeweiht, aber wenn ihre Augen sich begegneten, tauschten sie Botschaften aus.

Die Wanzen blieben, wo sie waren. Es genügte Lilly, dass sie den feindlichen Posten, wie Rudi es nannte, enttarnt hatte. ­Außerdem konnten sie von nun an gezielt falsche Meldungen verbreiten. Das Badezimmer war der Besprechungsraum, hier gab es keine Wanze. Rudi empfahl ihr, immer zur Sicherheit gleichzeitig die Dusche anzustellen.

Als Johanna und Rudi gegangen waren, setzte sich Lilly aufs weiße Sofa und öffnete den ersten Brief von Oskar. Rudi hatte in Floridsdorf ein Postfach eingerichtet, und Letizia hatte sich bereit erklärt, seine Briefe mit nach München zu nehmen, damit, falls die Finte aufflog, der Poststempel die Fahnder nicht an den See führte.

Mein Lieb,

es gibt keinen Tag, wo ich nicht tausendmal an Dich denke und Dich vermisse. Der Moment, als Du mit Lea im Auto weggefahren bist, hat mir fast das Herz gebrochen. Auch für Niklas war es eine Zeit lang schwer. Vor allem am Abend. „Ich will zur Mama“, hat er gesagt, „ich will, dass sie mir eine Gutenachtgeschichte erzählt.“ Ich kam mir so egoistisch vor, dass ich ihn bei mir behalten habe! Gleichzeitig bin ich sicher, dass er in einem Alter ist, wo er den Kontakt zu mir braucht und auch genießen kann. Inzwischen sind wir ein Herz und eine Seele und leben wie zwei Trapper in der Wildnis. Das Wetter ist hier für Ende Oktober noch sehr schön, und wir fahren fast täglich mit dem Kajak auf den See, fangen Fische und braten sie am Abend vor der Hütte am Lager­feuer. Die meisten Nahrungsmittel holen wir uns mit den Rädern von den Bauern aus der Umgebung, und am Abend kochen wir Marmelade von dem Obst ein, das wir von den Apfel- und Birnbäumen in Letizias Garten pflücken. Niklas ist auch ein sehr geschickter Handwerker geworden. Wir reparieren bei uns und bei Letizia alles selber. Vom Wasserhahn bis zur Schublade, die klemmt.

Gestern haben wir begonnen, Krippen zu bauen. Letizia will sie für uns auf den Weihnachtsmarkt der Pfarre bringen, das kommt einem guten Zweck zugute.

Manchmal tue ich mir schwer, Niklas zu erziehen. Er ist ziemlich eigenwillig, und wenn er etwas nicht machen will, habe ich keine Chance. Wie hast Du das geschafft? Aber vielleicht geht es gar nicht darum, ihn zu erziehen. Wenn ich nicht an ihm ziehe und ihn einfach sein lasse, ist er das bravste Kind. Ich bin Dir sehr dankbar, dass ich mit unserem Sohn leben darf. Mir geht es viel besser, seit ich diese wunderbare Aufgabe habe. Und ich vermisse Lea sehr.

Nächste Woche machen Niklas und ich eine Reise nach Kiel, es liegt nördlich von Hamburg am Meer. Dort gibt es einen Anwalt, den ich besuchen will. Er ist ein berühmter Straf­verteidiger und an unserem Fall interessiert. Ich weiß, dass
es riskant ist, das ganze Land zu durchqueren. Aber ich habe keine andere Wahl. Wir werden vorsichtig sein. Letizia wird ein kleines Wohnmobil für uns mieten, dann sind wir relativ sicher. Kannst Du etwas über Paolo erfahren? Ich frage mich, was aus ihm geworden ist.

Ich hoffe, dass ihr es schafft, an Weihnachten zu kommen. Ich kann mir nicht vorstellen, mit Niklas ohne Euch vor dem Christbaum zu stehen. Ich zähle die Tage, bis ich Dich wieder in die Arme schließen kann, und umhülle Dich und Lea mit meiner Liebe,

Dein Mann für immer.

Oskar

Lilly faltete die Zeichnung auseinander, die Niklas für sie und Lea dazugelegt hatte. Eine vierköpfige Familie stand vor einem kleinen Haus. Die Blumen an den Seiten waren fast so groß wie die Menschen, und die Sonne beugte sich tief vom Himmel herunter, sodass ihre Strahlen die Köpfe berührten. In seiner großen, runden Schrift hatte ihr Sohn „Niklas Moosbrugger“ an den rechten unteren Rand geschrieben.

Es war seine Unterschrift, die Lilly endgültig aus der Fassung brachte. Sie war alleine und konnte es sich leisten, einfach aus sich herauszubrüllen: „Ich halte es nicht mehr aus! Ich will mein Kind zurück, ich will, dass der Albtraum aufhört, ich will mich nicht mehr fürchten, ich will mich nicht mehr verstecken!“

An diesem Abend beschloss Lilly, dass sie Kristina treffen wollte. Sie brauchte jemanden, der in einer ähnlichen Lage war wie sie.

Kristina freute sich über ihren Anruf. Lilly hörte es an ihrer Stimme. Sie war am Semmering und lud die ehemalige Geliebte ihres Mannes ein, zu kommen. Oder hatte sie damals vielleicht doch nichts gewusst?

Der erste Teil ihrer Fahrt war wie aus dem Film Und täglich grüßt das Murmeltier, in dem sich die Szenen immer wieder­holen. Sie fuhr nervös die vielen Serpentinen auf den Semmering. Das Haus überraschte sie wieder, weil es zur Landschaft, aber nicht zu Paolo passte.

Kristina erwartete sie in der Haustür, ihr weißblondes Haar war zu einem losen Knoten hochgesteckt, ihr feines, blasses, fast altersloses Gesicht mit den hellblauen Augen strahlte eine Güte aus, die Lilly wieder die Schamröte ins Gesicht trieb. „Wie konnte er diese Frau mit mir betrügen, unfassbar!“, dachte sie. Als hätte sie ihre Worte gehört und wollte sie beruhigen, breitete Kristina die Arme aus und sagte mit einer tiefen, warmen Stimme: „Willkommen, wie schön, dass Sie da sind!“

Damit war der alte Film zu Ende, weil Paolo fehlte. Es war seltsam, dass er nicht hinter ihr auftauchte und den Biedermann spielte. Als ob Kristina wieder mitgehört hätte, sagte sie: „Ich vermisse ihn, es ist so leer hier ohne ihn.“

Sie saßen am Kamin am offenen Feuer und sprachen über alles, aber nicht über ihre Männer. Nach dem einfachen Abendessen, das sie gemeinsam zubereitet hatten, nahmen sie ihre dicken ­Jacken und gingen hinaus in die Natur. Sie wussten beide, dass es das Signal war, über Paolo und Oskar zu reden. Keine wäre auf die Idee gekommen, im Haus einen wahren Satz zu sagen.

Sie gingen eine Weile schweigend und warteten so lange, bis sie sicher waren, dass nur noch die Natur ihnen zuhörte. Dann sagte Kristina: „Ich weiß, wo Paolo ist, und ich rede manchmal mit ihm. Es ist hart für ihn, so weit weg zu sein, aber er ist in Sicherheit.“ Lilly sagte das Gleiche. Sie wussten, dass sie ein­ander keine Details erzählen konnten. Sie schwiegen lange.

Als Kristina wieder sprach, verfiel sie auf ganz natürliche ­Weise ins Du: „Ich weiß, dass Paolo mit dir eine – für ihn sehr lange – Affäre hatte. Er geht offen damit um, das ist ein Grundprinzip unserer Beziehung. Früher, wenn ich von den anderen Frauen hörte, habe ich darunter gelitten wie ein verwundetes Tier. Aber das ist lange her. Inzwischen sind so viele an mir vorbeigezogen, dass es nicht mehr wehtut. Ich habe akzeptiert, dass wir sehr unterschiedlich sind. Ich brauche Sex nicht. Das hat mit meiner Kindheit zu tun. Ich habe etwas erlebt, was meinen Wunsch nach körperlicher Vereinigung für immer abgetötet hat. Paolo braucht Sex wie einen Bissen Brot. Ständig. Wir hatten die Wahl, uns zu trennen oder einen Weg zu finden, der unserer Liebe Beständigkeit verlieh. Ich weiß, dass er bei mir bleiben wird. Ich bin seine Mutter, seine Gefährtin, seine Muse, seine beste Freundin und seine Frau.“

Lilly wunderte sich nicht, dass sie „Mutter“ an erster Stelle nannte. „Und warum wolltest du mich kennenlernen?“ Sie verstand nicht, warum eine Frau freiwillig die Geliebte ihres Mannes besichtigen wollte. Kristina antwortete gelassen: „Du bist anders und passt nicht in sein Beuteschema. Er sprach von dir auf eine Weise, die mich nicht bedrohte, aber neugierig machte. Und als du da warst, habe ich in dir eine mögliche Version von mir gesehen. Eine erotische Frau, die ich hätte sein können, wenn mein Onkel mich nicht missbraucht hätte. In dieser Nacht haben Paolo und ich seit vielen Jahren das erste Mal wieder miteinander geschlafen.“

Als Lilly spät in der Nacht ihr Auto startete und wieder nach Hause fuhr, dachte sie für einen Augenblick daran, wie sie damals aus dem Haus geflüchtet war, weil Paolo und Kristinas Liebesspiel sie verletzt hatte. Jetzt hatte sie eine neue Freundin, auch wenn klar war, dass sie nicht vieles gemeinsam hatten, was sie im Alltag verband.

Während Lilly an ihrer Geschichte „Die verwanzte Stadt“ arbeitete und gerade Interviews mit abgehörten Umweltaktivisten auswertete, kam Ralf mit einem Packen Papier und warf ihn auf den Tisch: „Du bist eine miserable Autofahrerin, ich habe es dir immer schon gesagt. Hier ist der Beweis.“

Es waren Überwachungsprotokolle, und Lilly las die Stelle, die Ralf mit einem gelben Marker hervorgehoben hatte: „Frau Baldini wechselt ohne zu blinken die Spur, dann überfährt sie eine Sperrlinie und biegt hundert Meter weiter bei einem Geradeauspfeil nach links ab. Anschließend fährt sie mit überhöhter Geschwindigkeit geradeaus und überquert die nächste Kreuzung bei Gelb.“ Lilly brach in schallendes Gelächter aus und konnte gar nicht mehr aufhören. Wie naiv waren ihre Über­wacher eigentlich? Glaubten sie wirklich, dass sie Oskar mit ihrem eigenen Auto besuchen würde? Gleichzeitig war sie überrascht, wie viele Verkehrsübertretungen ihr innerhalb weniger Minuten gelungen waren. Vielleicht sollte sie sich doch disziplinieren.

„Woher hast du diese Protokolle?“

„Ich habe mit der Wühlmaus Mittag gegessen. Er wollte mir einen Deal vorschlagen. Information gegen Information. Ich überrede dich, dass du ihn über Oskar informierst, im Gegenzug gibt er uns alles, was er aus der Justiz erfährt.“ Die Wühlmaus war der Spitzname für den Kollegen, der sich in den „Fall Esmeralda“ verbissen hatte. Lilly mochte ihn nicht. Er hatte sie schon einmal damit bedroht, dass er ihre Spur bis nach Deutschland verfolgen würde, und ihr später einen Deal vorgeschlagen. Jetzt wollte er sie über Ralf, mit dem er vor Jahren für dasselbe Magazin gearbeitet hatte, umstimmen.

Das Lachen hatte gutgetan. Aber nur einen Augenblick lang. Lilly war verstimmt. Diese ganze Bespitzelung hing ihr zum Hals heraus. Sie wollte endlich wieder einfach nur eine Jour­nalistin sein. Kollegin unter Kollegen. Es gab keine normalen Gespräche mehr. Jeder wollte mit ihr über den Fall reden. Die Redakteurinnen der Frauenzeitungen wollten ein Porträt über ihre Tapferkeit schreiben, die anderen hofften auf ein Interview zu Oskars Lage. Das war der Preis dafür, dass sie wieder ein „normales Leben“ führte.

Ralf hatte sich dafür eingesetzt: „Du kannst so nicht weitermachen. Du musst wieder hinaus, Pressekonferenzen wahrnehmen, durch die Innenstadt spazieren, mit mir Lokale besuchen, du kannst dich nicht auch noch in Wien verstecken.“

In der Nacht nahm sie ihr Tagebuch zur Hand und schrieb über ihren Spießrutenlauf.

Ich spüre ihre Blicke. Sie sind überall. Wenn ich Blumen kaufe, sieht mich die Verkäuferin mitleidig und lüstern zugleich an. Sie wird ihrem Mann heute beim Abendessen erzählen, dass die „Frau des Verbrechers, der geflüchtet ist“ heute hier war. Wenn ich über den Markt schlendere, erkennen mich die Standler von meinem Bild in den Zeitungen wieder. Früher war ich die ­nette junge Frau, die sie mochten, weil sie meistens lächelte, wenn sie ihr Wechselgeld entgegennahm, und sie schenkten mir einen Pfirsich. Sie schenken mir noch immer einen Pfirsich, aber jetzt sehe ich das Mitleid in ihrem Blick. Ich muss mich daran ­gewöhnen, dass sie hinter mir tuscheln, sobald ich ihnen den Rücken kehre. Doch es gibt Schlimmeres als das Mitleid und die Sensationsgier. Manchmal, wenn ich das Haus verlasse, steht einer der Fotografen vor meiner Tür und drückt einfach ab. Ich kenne sie fast alle. Doch sie fragen mich nicht, weil sie wissen, dass ich Nein sagen werde. Sie brauchen neue Bil­der, und ich bin eine öffentliche Person. Und wenn ich meine alten Lokale besuche, in denen mich jeder kennt, werde ich angestarrt, als ob mir über den Sommer ein Buckel gewachsen wäre.

Doch es gibt auch Gutes. Alte Freunde, die im Strom der Zeit verloren gegangen sind, melden sich wieder und bieten ihre Hilfe an. Kolleginnen und Kollegen solidarisieren sich mit mir und garantieren eine faire Berichterstattung, falls ich mich äußern möchte, und gestern kam ein großer Auftrag einer deutschen Zeitung. Sie wollen meine Geschichte zum Thema „Sex im Alter“ als Serie bringen und damit mein Buch promoten, das in zwei Wochen erscheint.

Und plötzlich, als ob das Leben mir eine kleine Verschnaufpause in diesem schrecklichen Kriminalroman gönnen möchte, bin ich zum ersten Mal als Gast in einer Talkshow eingeladen. Es soll um ältere Frauen gehen, die jüngere Männer lieben. Ich bereite mich innerlich darauf vor und übe meine Brandrede, dass Frauen auch hier benachteiligt sind: „Wer hat sich je darüber gewundert, wenn ein alter Mann sich in eine jüngere Frau verliebt? Im Gegenteil. Er wird für seine Potenz gelobt und die Zwanzig- oder Dreißigjährige an seiner Seite gilt als Statussymbol. Der schöne Greis wird in der Literatur besungen, die schöne Greisin kommt nicht vor. Sie wird ihres Unterleibes beraubt und ins Reich der Dürre abgeschoben …“

Da kam Ralf herein und setzte sich mit einer Pobacke auf ­meinen Schreibtisch: „Lilly, du willst doch nicht im Ernst in dieser Talkshow auftreten? Weißt du, was das bedeutet, wenn Millionen dein Gesicht auf dem Bildschirm sehen? Und ein paar Wochen später möchtest du dich wieder an eurem See verste­cken? Und wer garantiert dir, dass der Moderator dich nicht auf dein persönliches Schicksal anspricht? Es ist eine Livesendung, du kannst es nicht verhindern.“

Kurz war die Tür zu meinem engen Käfig offen. Jetzt hat Ralf sie wieder geschlossen. Er hat recht. Mitgefangen, mitgehangen. Für mich gibt es kein normales Leben mehr. Ich fürchte mich schon vor meiner Buchpräsentation.

Es war ein Abend, der hätte glanzvoll sein können. Lilly, mit ihrem Gespür für gute Inszenierungen, hatte einen riesengroßen, altmodischen Kosmetiksalon in der Innenstadt für das Event ausgewählt. Sie kannte ihn, weil sie seit Jahren hier die drei ­einzigen Dinge, die sie in ihre Schönheit investierte, erledigte: Augenbrauen zupfen, Wimpern färben, Beine enthaaren. Zeit genug, um in den Nebenkabinen die Geständnisse der reifen Damen mitzuhören und in ihrem Notizbuch unter Wahrung der Anonymität eine der kleinen Geschichten zu verarbeiten.

Die fast hundert Gäste aßen, tranken und hörten den Worten des Verlegers und ihrer Lesung zu. Sie fühlte sich wohl wie schon lange nicht. Dann kamen die Interviews. Die Kollegen stellten sich für ein Gespräch mit ihr bei der Pressedame des Verlages an, das Interesse war groß.

Als das Ereignis zu Ende war und Lilly erschöpft mit Ralf
im Gläsernen Elefanten einen Absacker trank, war sie zutiefst deprimiert: „Sie meinen nicht mich und mein Buch. Sie wollen alle mit mir über Oskar reden.“ Ralf legte den Arm um sie: „Die Umstände sind, wie sie sind. Du kannst nur mit dem Fluss fließen …“

Lilly seufzte und sprach mit Ralf über Weihnachten.

09 Wir sind Bauern, wir brauchen das Wasser nur fürs Vieh.

10 Wir brauchen keinen Sport, wir werden vom Viehhüten müde.

11 Man muss das Beste daraus machen.