Laß diese Reise niemals enden
Das Tun kommt aus dem Sein allein
Allein aus Dimensionen, die
Illusionen und Sensationen lohnen
Give me more …
1
Am 13. März, einem Donnerstag, ist FALCO gegen Abend im Kurhaus Stühlinger auf dem Semmering mit seinem Biografen verabredet. Es ist ein kühler Tag, aber trocken, nur gegen Abend kommt ein wenig Nieselregen auf.
Noch ehe der Autor das Hotel verlassen konnte, um FALCO zu treffen, rief Hans Mahr an: »Eure Unterredung ist verschoben, FALCO ist gerade mit Isabella nach Wien gereist, das Baby kommt.«
Die letzten Tage hatten FALCO und Isabella noch diskutiert, wie das Kind heißen sollte. FALCO gefiel Katharina, wenn es ein Mädchen würde, Isabella war sehr für Bianca.
Und ein Junge?
»Wie wäre es mit Fidelius?«, fragte FALCO die völlig konsternierte Isabella. Aber am Ende einigte man sich auf Stefan. Es waren wildbewegte Stunden: Am 13. März um 20.10 Uhr kam das Kind zur Welt, von dem FALCO lange Zeit überzeugt war, der Vater zu sein. Katharina Bianca hatte bei der Geburt schwarzes Haar, war 48 Zentimeter groß und drei Kilogramm schwer. Die Geburt verlief, den Wünschen der Mutter entsprechend, ganz sanft, ohne Spritzen, ohne Kaiserschnitt. FALCO war im Kreißsaal dabei, als der Arzt Dr. Volker Korbel mithalf, das Baby zur Welt zu bringen. »Ich habe gesehen, wie natürlich es ist, wenn ein Mensch zur Welt kommt«, sagte FALCO später. Und er war sicher: »Nachdem die Kleine zum ersten Mal laut losbrüllte, wusste ich, dass sie meine Stimme geerbt hatte.«
Damals stand eindeutig fest, dass sich FALCO dieses Kind aufs sehnlichste wünschte. Obwohl er Isabella erst relativ kurze Zeit kannte und das Kind – so rechnete er es sich später aus – beim allerersten Zusammensein in der Steiermark gezeugt worden sein musste, zweifelte er im tiefsten Inneren nicht an seiner Vaterschaft. »Emotionell war es für mich eine ganz klare Entscheidung, ich wollte, dass sie das Baby bekam.«
Aber für ihn waren auch viele andere Dinge ausschlaggebend. Billy Filanowski: »Er hat zu dem Zeitpunkt tief in seinem Inneren nach Beständigkeit gesucht. Er wollte eine fixe Beziehung und er wollte ein Kind als Bestätigung der Beziehung.«
Isabella hatte mit ihm auch über Abtreibung gesprochen, es war sogar schon ein Termin dafür in einem Krankenhaus vereinbart worden, doch FALCO hatte Isabella überredet, den Eingriff nicht vorzunehmen. »Wir diskutierten eine Nacht lang und wir kamen beide zu dem Schluss, dass wir das Kind brauchten. Zeitweise trank ich viel zu viel. Ich futterte in mich hinein und hungerte es wieder herunter. Ich lebte ungesund und völlig planlos und ohne gescheites Ziel. Und ehe ich Isabella kennengelernt hatte, war sie ähnlich konfus. Ich wollte allem einen Riegel vorschieben, ich wollte etwas haben, für das ich da sein musste.«
Auch als er einmal zufällig den Mutterschaftspass von Isabella fand und feststellte, dass das Datum der letzten Menstruation nachträglich ausgebessert worden war, ließ sich FALCO nicht durcheinanderbringen. Über Isabella sagte er: »Sie ist eine sehr starke Frau, oft von einer stoischen Ruhe, die mich aus der Fassung bringt. Sie ist ganz anders als ich. Sie kann drei Tage lang schweigen und sich nur mit sich selbst beschäftigen. Aber sie ist bei ihrem Tun unbeirrbar. Als ich sie kurze Zeit kannte, nach zwei, drei Wochen, da dachte ich, dass sie völlig bescheuert sein müsse. Dinge, die mich aus der Fassung brachten, schienen ihr nichts auszumachen. Aber mit der Zeit lernte ich, dass das die Kraft ist, die in ihr ruht und die sie so widerstandsfähig macht.«
Damals meinte er noch: »Vielleicht ergänzen wir uns deshalb so gut, ich bin vom Typus her rasch nervös und ungeduldig und gereizt, ich schwappe regelrecht über vor lauter Spontaneität. Aber die Bella ist immer diszipliniert.«
Kurz vor der Geburt bildete sich FALCO ein, er könne seine kleine Familie nicht in einer Wohnung mitten in der Stadt belassen. »Ich rannte herum und sagte, wir sollten uns ganz schnell eine neue Bleibe im Grünen suchen, so wie wir jetzt leben, zwischen den Häusern, den Autos, dem Lärm und dem Dreck, ist das nicht gut für ein kleines Kind.« Bella hörte sich die Argumente eine Weile ruhig an und dann antwortete sie: »Wovon redest du schon wieder, großer Mann? Das ist doch hirnverbrannt. So viele Kinder sind schon in Wohnungen mitten in der Stadt groß geworden. Warum sollten wir uns jetzt den Kopf schwer machen?« FALCO: »Ich saß da und dachte, sie hat eigentlich recht. Wie oft sehen Männer – und gerade so Zampanos wie ich – Probleme, die gar nicht vorhanden sind?« Er hatte zwar vor, später einmal mit Bella und dem Kind wegzuziehen – und letztendlich hatte er den Plan mit seinem Haus in Gars am Kamp auch verwirklicht –, doch Bella brachte ihn dazu, nicht überstürzt zu handeln.
Als das Kind geboren war, entschloss sich FALCO, die Termine der nächsten Wochen abzusagen: »Ich werde bei meiner Tochter bleiben. Ich verlange von meinem Manager einfach Vaterschaftsurlaub.« Beinahe generalstabsmäßig lief dann der Plan ab, nach dem eine Mitarbeiterin seines Büros die nächsten Verwandten verständigte. Zuerst wurde Isabellas Mutter angerufen, dann ihr Vater, schließlich FALCOS Vater. Maria Hölzel, die Mutter, war zu der Zeit gerade auf Mallorca und FALCO erreichte sie erst am anderen Morgen.
Die ganze Zeit im Krankenhaus hatte FALCO einen kleinen Kassettenrekorder laufen lassen, um die ersten Schreie seines Kindes aufzunehmen. Noch in der Nacht, gegen Viertel vor zwei, rief er seinen besten Freund, Billy Filanowski, an und spielte ihm die Kassette vor. »Er war total aus dem Häuschen«, erzählte Billy Filanowski am anderen Tag, »er war völlig ausgeflippt und glücklich.«
In der Klinik in der Lazarettgasse in Wien hatte es noch einen Zwischenfall gegeben. Während Isabella versorgt wurde und in den Kreißsaal kam, bat man FALCO in ein Büro. Er musste einige Papiere ausfüllen und dann verlangte man von ihm eine Vorauszahlung von 10.000 Schilling.
»Aber hören Sie mal«, sagte FALCO, »ich habe nichts bei mir außer meinen Autoschlüssel, einen Führerschein und einen Kassettenrekorder. Ich ahnte nicht, dass ich sofort bezahlen müsse. Sie bekommen ihr Geld morgen.«
»Das geht nicht. Sie müssen jetzt bezahlen. Sie können uns auch einen Scheck dalassen.«
»Aber ich sage Ihnen doch, ich habe nichts dabei«, antwortete FALCO, den die Umstände zu nerven anfingen. »Oder meinen Sie etwa, ich würde mit meiner Frau und meinem Kind abhauen, ohne zu bezahlen?«
Zu Billy Filanowski sagte er gereizt am Telefon: »Jetzt weiß ich wenigstens, dass ich mir nächstes Mal viel Geld einstecken muss, wenn ich wieder Vater werden sollte. Den Leuten ist Geld das wichtigste.«
Aber FALCO wurde nie wieder Vater.
Und das Kind, das sein Leben so sehr veränderte – so sollte sich später herausstellen –, war nicht seines.
Diese Stunden um die Geburt von Katharina Bianca setzten plötzlich eine neue, empfindsame und rührende Seite FALCOS frei. Alle, die ihn in jener Zeit erlebten, waren verblüfft, wie fürsorglich und gefühlsbetont er mit einem Male sein konnte. Er sprach davon, dass das Leben bisher – mit all seinen überwältigenden Erfolgen – bloß der Prolog dafür gewesen war, was nun passierte. FALCO übertraf mit dem Verkauf seiner Platte »FALCO 3« zu dieser Zeit alles bisher Dagewesene. Er hatte mit der »Amadeus«-Single die Spitze aller drei großen amerikanischen Charts erklommen, von überallher, aus Japan, Großbritannien, den USA, kamen Reporter und wollten Interviews mit ihm. Aus Los Angeles war ein Musikredakteur der Times nach Wien geflogen, die Londoner Sun hatte zwei Reporter geschickt und das amerikanische Klatschmagazin People war ebenfalls vertreten.
In dieser bewegten Nacht dachte FALCO intensiver über Leben und Tod nach als je zuvor. Er sagte: »Mir ist etwas Großartiges passiert. Ich habe erlebt, wie mein Kind geboren wurde. Und nichts wird von nun an so sein wie früher.«
Das, was er immer angestrebt hatte, jemanden zu haben, für den es sich zu leben lohnte, schien plötzlich greifbar geworden zu sein. »Ich bin ein sehr friedliebender Mensch, ich hasse geradezu körperliche Auseinandersetzungen. Das war schon in meiner Kindheit so, und deshalb sind mir die anderen Jungen in der Schule regelrecht auf die Nerven gegangen, wenn sie damit angaben, wie sie sich verprügelt hatten. Das alles hat mich nie interessiert. Ich verdrückte mich bei Schlägereien immer, und ich dachte nie daran, mich als Mann beweisen zu müssen, indem ich jemand anderen verprügelte. Aber das ist jetzt ganz anders. Da ist etwas mit mir geschehen. Da ist ein Kind zur Welt gekommen und ich weiß, für dieses Kind würde ich mich kaputt machen. Damit diesem Kind nichts zustößt, würde ich alles tun. Keiner könnte mich aufhalten, nicht einmal mit einem Panzer.«
FALCO in jener Nacht: »Die Entscheidung, das Kind haben zu wollen, war eine Art von Selbstüberlistung. Ich stelle mir das schon seit zwei oder drei Jahren vor – wie es mir mit Hilfe eines Kindes gelingen könnte, die Natur zu täuschen und den Tod übers Ohr zu hauen. Das Kind ist das Element meines Lebens geworden.«
Er verschiebt die US-Promotionstour für seine neue Platte in den Mai. »Ich wollte eigentlich gar nicht fahren. Wozu auch? Soll ich nach Amerika gehen und den Leuten erklären, weshalb sie meine Platten gekauft haben?«
Schließlich tritt er Mitte Mai als Gast in den drei großen Morning-Shows des New Yorker Fernsehens auf und wird dabei für CBS von Maria Shriver, der Nichte der Kennedys und Ehefrau von Arnold Schwarzenegger, interviewt. Er macht noch einen Abstecher nach Los Angeles, um seinen Song für die Fernsehsendung »Solid Gold« aufzunehmen.
Immer wieder erwähnt er sein Kind: »Das Leben hat, bei allen Qualitäten, die durch den Erfolg kamen, für mich seit der Geburt andere Aspekte dazubekommen.« Als er im Spielwarenladen F. A. O. Schwarz an der Fifth Avenue von Manhattan einen riesengroßen Teddybären sieht, beschließt er, den Teddy für Katharina Bianca mitzunehmen. Das schafft gewaltige Probleme, denn der Bär ist so voluminös, dass er nicht als gewöhnliches Handgepäck mit ins Flugzeug darf. FALCO wiederum weigert sich standhaft, den Bären im Frachtraum transportieren zu lassen oder per Post zu verschicken, was ihm eine Mitarbeiterin der Airline anbietet. Er bucht für den Teddy lieber einen eigenen Sitzplatz und genießt die Blicke der anderen Reisenden, wie er von New York nach Wien an der Seite eines riesigen Bären fliegt und für sich den Lunch und für den Bären Kuchen und Champagner bestellt. Die englische Millionen-Zeitung The Sun schrieb am nächsten Tag: »FALCOS Exzentrik schlägt immer neue Kapriolen. Jetzt nimmt er schon seinen Teddy zu einem 1.200-Dollar-Luft-Picknick mit!«
2
Die Ambivalenz in FALCOS Leben war gegen Mitte und Ende der 80er-Jahre auffällig und allgegenwärtig geworden. Er suchte nicht nur im Privaten stets das, was er gerade nicht hatte, er gab sich auch nach außen hin anders als der Hans Hölzel, den seine alten Freunde gekannt hatten. Die Journalistin Conny Bischofberger bekam 1985 von der angesehenen Züricher Zeitung Die Weltwoche den Auftrag, FALCO zu porträtieren. Sie vereinbarte einen Termin mit ihm und zog nach dem Interview mit Hans Hölzel für sich Bilanz: »Ich wollte mit diesem arroganten Zyniker eigentlich nichts mehr zu tun haben. Er war mir überhaupt nicht sympathisch.«
Später revidierte Conny Bischofberger ihre Meinung: »Ich habe nie zuvor und nie wieder einen Menschen getroffen, zwischen dessen wahrem Ich und der Person, die er in der Öffentlichkeit darstellt, eine ähnlich große Diskrepanz herrschte. Sogar seine Gesichtszüge veränderten sich mit seiner Rolle. Je länger ich Hans Hölzel kannte, desto mehr öffnete er sich allerdings und ließ seine verletzliche, weiche, empfindsame Seite erkennen. Aber es gab auch dann noch immer wieder Abende, wo man einfach nicht an ihn herankam, weil er in die Gestalt des coolen Falken geschlüpft war.«
Wer auch immer behauptete, die Kultfigur FALCO geschaffen zu haben – es stimmt nicht. Nur ein Einziger hat FALCO, wie ihn die Welt kannte, geformt: Hans Hölzel. Er liebte die selbst erfundene Kunstform der Person FALCO in den schicken Designeranzügen, den Maßhemden, den blank geputzten Schuhen und dem pomadisierten Haar – und er litt darunter. Einmal sagte FALCO: »Von mir wird erwartet, dass ich scharf bin – und sarkastisch.«
Mit knallharter Ironie und geschliffenen Sätzen polierte er sein Image: »Zwischen Isabella und mir lag Brigitte Nielsen – im wahrsten Sinne des Wortes. Mit der Nielsen wollte ich nicht in die Hitparade, sondern nur ins Kissen. Das war part of the deal«, sagte er einmal zynisch über die Affäre mit der Ex-frau von Sylvester Stallone, der Dänin Brigitte Nielsen, mit der er den Song »Body Next To Body« eingespielt hatte. Es wurde kein berauschender Erfolg. In einem Interview meinte FALCO später: »Unsere Platte war miserabel. Was die Horizontale anbelangt, sah es schon rosiger aus.«
Es gibt eine Menge Fotos aus dieser Zeit, auf denen man FALCO lachen sieht. Aber es gibt kaum ein Foto, auf dem er wirklich amüsiert und fröhlich wirkt: das Lachen ist ein Zähnezeigen. »Er wollte die Menschen nicht nahe an sich heranlassen«, analysiert Horst Bork diese Gewohnheit. »Er baute eine Mauer zwischen sich und der Welt auf. Er wollte nie Everybodys Darling sein, er war immer der Typ, der sagte: Wenn es richtig ist, komme ich auf dich zu. Diese Kumpeleien in der Branche haben ihn teilweise zutiefst gestört. Er hat immer gesagt, du brauchst in Wien nur zu sterben, dann hast du viele Freunde. Wir waren einmal bei der Beerdigung des großen Schauspielers Helmut Qualtinger, einem guten Bekannten von Hans, und Hans kam schon leicht angesäuselt zum Friedhof. Danach sind wir in eine Kneipe in der Nähe des Zentralfriedhofs gegangen, er war sehr melancholisch, trank eine Menge und sagte, ich hoffe, dass nicht ich bald hierhermuss.«
Das war Anfang Oktober 1986. FALCO stand auf dem Höhepunkt seines Ruhms. Er hatte nicht einmal mehr zwölf Jahre zu leben.
»Hans Hölzel hat diese Äußerlichkeiten des FALCO gebraucht. Praktisch als Schutz vor sich selber«, glaubt Conny Bischofberger. »Nur so hat er es geschafft, der sensible Kerl zu bleiben, der er eigentlich war – und den unbeschreiblichen Wirbel um seine Person in den Griff zu kriegen.«
Wenn er schon selbst nicht immer mit diesem Zwiespalt zurechtkam, den Frauen, die er kennenlernte, gelang es fast nie, zwischen dem glamourösen Kunstobjekt und dem Jungen aus Wien-Margareten zu unterscheiden. Es kam noch etwas dazu. Hans Hölzel bekam sein Problem mit den Drogen, ob Alkohol, Tabletten oder Schlimmerem, nie mehr recht in den Griff. »Ich glaube, dass jede Beziehung unter einem schlechten Stern steht, wenn ein Partner permanent damit zu tun hat«, sagt Horst Bork. »Wobei ich Psychopharmaka auch zu den Drogen zähle. Es muss nicht immer Kokain sein, auch ein legal verschriebenes Arzneimittel kann zur Droge werden. Ich glaube, dass unter diesen Umständen nicht nur bei Musikern Beziehungen scheitern, das geht bei allen Menschen so. Wenn noch dazu die ganze Welt zusieht, wie bei einem Star, ist es umso schlimmer.«
Anfangs blieb Hans ganz gern zu Hause, um die Zeit mit Katharina Bianca und Bella zu verbringen. Am 11. September 1987 kaufte er dann in Gars am Kamp, etwa eine Autostunde von Wien entfernt, eine alte Jugendstilvilla auf einem über viertausend Quadratmeter großen Grundstück für zwei Millionen Schilling, die er feudal renovieren ließ, um Bella und dem Kind eine Bleibe im Grünen zu schaffen. Gleichzeitig spürte er aber, dass diese fürsorgliche Seite an ihm die Fans verwirrte. Einmal sagte er: »Der Yellow Press verhalf ich damals zu neuen Schlagzeilen: ›Katharina macht aus dem wilden Falken einen lieben Papa.‹ Es tat weh. Und ich wusste: Ich muss da gnadenlos durchgehen.«
Die Affären häuften sich. Die Gelassenheit von Isabella, die Hans Hölzel anfangs so imponiert hatte, machte ihn mit der Zeit rasend, weil er mehr und mehr zu dem Schluss kam, dass sich hinter der vermeintlichen Ruhe einfach nur Gleichgültigkeit und Kälte verbarg. Ein enger Wegbegleiter von Hans Hölzel erinnerte sich: »Wenn sie Streit hatten, zertrümmerte Hans einen Stuhl und Bella saß daneben und lackierte ungerührt die Fingernägel. Das machte Hans noch wütender.«
Wenn Hans Hölzel eine Aussprache suchte, rief er bei seinem Freund Hans Mahr an: »Ich komm vorbei zum Käse essen.« Oder er bat Marie-Louise Heindel etwas für ihn zu kochen. Marie-Louise Heindel war – wie er oftmals sagte – für ihn »die Schwester, die ich nicht gehabt habe«. Marie-Louise Heindel: »Einmal fragte er mich, wieso er sich immer in die ausgeflippten Frauen verliebe – und nie ganz normale Mädchen kennenlerne. Ich meine: Er hatte keine Chance, sich in eine ganz normale Frau zu verlieben. Er verlangte von jeder, dass sie am Anfang der Beziehung ihr bisheriges Leben völlig aufgab, um sich nur auf ihn zu konzentrieren. Er war manchmal egozentrisch, aber gleichzeitig sehr liebevoll.«
Nach der Affäre mit Brigitte Nielsen verliebte sich FALCO in die Schauspielerin Daniela Böhm. In einem Interview mit der Zeitschrift News erzählte er später einmal: »Ich lernte sie in einem Wiener Fitnesscenter beim Brustdrücken kennen, während ich noch mit Isabella verheiratet war. Daniela war genau das Gegenteil von dem, was ich zu Hause hatte: ein sanftes, intelligentes, weltgewandtes Mädchen. Gezeichnet von ihrer Liebe zu Konstantin Wecker, die sie geradewegs zu mir führte. Sie war die erste Frau, die mich sitzen ließ – nach einem Jahr. Und ihr Abschied entbehrte nicht einer gewissen Ironie. Sie sagte: ›Pass auf, Alter, dich drück ich nicht durch. Mein Letzter war schon der Wahnsinn, aber du bist der Gipfel.‹«
Als Hans Hölzel am 19. Juni 1988 in Las Vegas Isabella Vitkovic geheiratet hatte, war im Grunde auch bereits alles vorbei. Er bereute den Schritt in die Ehe bald: »Viele meiner Fans fragen sich: Ist der Alte völlig wahnsinnig geworden? Ich darf mich eben nicht mit der kleinbürgerlichen Denkungsart arrangieren … Ich werde mir den Ausrutscher ins bürgerliche Lager nie verzeihen.«
Das Ende war vorherzusehen, die Scheidung folgte unausweichlich. Viele Jahre später zog Hans Hölzel Bilanz: »Ich habe mir nie die falschen Frauen ausgesucht, sondern die Frauen den falschen Mann. Wenn mich jemand fragt: ›Was hat deine Freundin veranlasst, dich zu verlassen?‹, kann ich nur antworten: ›Na, ich natürlich!‹.« Wie die Scheidung im Detail ablief, erzählte FALCO in News: »Ich ging vier Monate auf Weltreise und setzte der ganzen Affäre nach zehn Monaten ein gentlemanmäßiges Ende: Ich packte drei Millionen Schilling cash in Tausenderscheinen in einen Koffer, fuhr nach Graz, zeigte Bella die Banknoten und stellte die alles entscheidende Frage: ›Ja oder nein?‹ Es war die einfachste Scheidung der Welt.«
Wieder behält der Zyniker die Oberhand, wieder überdeckt Hans Hölzel mit griffigen Sprüchen die Wunden, die ihm zugefügt worden sind.
Doch der größte psychische Schmerz sollte ihm erst bevorstehen.
3
»Hans war vernarrt in Kinder. Und die Kinder haben ihn geliebt. Er hatte sofort Kontakt zu ihnen«, erzählt Marie-Louise Heindel. »Wenn er bei uns anrief, war immer seine erste Frage: ›Wie geht’s dem Buam?‹«, erinnerte sich Conny Bischofberger. Als sich herauskristallisierte, dass Katharina Bianca nicht FALCOS Kind war, rief er Conny Bischofberger an, um mit ihr ein Interview zu vereinbaren und zu der Affäre Stellung zu nehmen.
Nach der Scheidung musste er monatlich 7.000 Schilling für Katharina Bianca bezahlen, aber Hans Hölzel überwies freiwillig wesentlich mehr, 20.000 Schilling pro Monat. An ihrem ersten Schultag holte er sie vom Unterricht ab. »Da musste ich für alle anderen Kinder die Schultüten signieren.«
Nichts im Leben – darüber sind sich alle Freunde heute einig – hat den Menschen Hans Hölzel ähnlich tief getroffen wie das Ergebnis des Vaterschaftstests. In seinem Innersten muss er schon lange Zeit Zweifel über die Vaterschaft gehegt haben. Aber es dauerte bis zum Herbst 1993, ehe er sich dazu entschloss, einen medizinischen Test zu machen. Conny Bischofberger erzählte er darüber: »Mir ist klar geworden, dass die Kleine gar nix von mir hat. Ich meine damit nicht nur das Aussehen, sondern auch den Charakter, das Wesen. Und wenn ich mit ihr spazieren gehe, und ein Freund, der das Mädchen noch nie gesehen hat, sagt, du, die schaut dir aber überhaupt nicht ähnlich, dann ist das der Moment, wo man anfängt zu zweifeln.« Der Entschluss, einen Vaterschaftstest zu verlangen, war keine Augenblicksentscheidung. Der Zweifel schwelte länger ihn ihm. »Er hat die Zweifel wohl verdrängt«, meint Horst Bork, »aber es hat an ihm immer die Frage genagt, ob er wirklich der Vater sei.«
Hans Hölzel suchte die Öffentlichkeit, als er wusste, dass er nicht der Vater des Kindes war. Er wollte agieren, nicht reagieren. »Ich habe lange überlegt, weiterhin den Vater zu spielen und so zu tun, als wäre nichts gewesen. Doch das pack ich einfach nicht. Mit der Lüge könnte ich nicht auf Dauer leben.« Und: »Früher oder später wäre alles doch ans Tageslicht gekommen, je älter das Mädchen wird, desto augenscheinlicher wird die Angelegenheit ja. Ich bin für klare Verhältnisse. Auch für das Kind.«
Er hinterlegte bei einem Wiener Notar einen Brief für Katharina Bianca und ein Sparbuch, mit der Auflage, ihr das Schriftstück und das Sparbuch zu ihrem 18. Geburtstag, im Jahr 2004, auszuhändigen. Elf Jahre zuvor sagte er: »Mein größter Wunsch wäre, dass sie dann das, was ich jetzt getan habe, verstehen kann.« Horst Bork: »Ich habe kürzlich mit Katharina Bianca gesprochen, für sie ist FALCO immer noch der Vater. Für ihn war sie auch bis zu seinem Ende seine Tochter.
Isabella Hölzel sagte Conny Bischofberger damals: »Ich war mir bis zuletzt hundertprozentig sicher, dass der Hans und nicht mein Exmann ihr Vater ist. Dass die Kleine das jetzt erfahren muss, das tut verdammt weh. Keiner kann sich vorstellen, wie es mir geht. Ich mache mir die größten Vorwürfe.«
Die Journalistin fragte: »Hätten Sie mit FALCO nicht Stillschweigen vereinbaren sollen?«
»Im ersten Moment hab ich mir gewünscht, wir könnten das Geheimnis für uns bewahren. Aber vielleicht ist es besser so.«
Das Ergebnis des Vaterschaftstests war niederschmetternd. Billy Filanowski sagte nach dem Tod von Hans Hölzel: »Die Sache mit dem Kind hat er nie verkraftet. Eigentlich hat er sich immer nach einer Familie gesehnt.«
Hans Hölzel fühlte sich nicht nur in seiner männlichen Eitelkeit getroffen, für ihn war es ein neuer, vielleicht sogar der letzte Beweis, dass es niemanden – außer seiner Mutter – gab, der ihn wirklich uneigennützig liebte. Er fühlte sich hintergangen und betrogen. Und er begann sich wieder wochenlang in Alkohol- und Drogenexzesse zu stürzen. »Hilfeschreie eines Menschen«, meint Conny Bischofberger, »der schwere psychische Wunden erlitten hat.«
Mehr noch: Es kamen danach Gerüchte auf, Hans Hölzel könne zeugungsunfähig gewesen sein. »Bei dem Konsum an Frauen«, konstatierten Vertraute ironisch, »hätte man doch hin und wieder von Abtreibungen oder unehelichen Kindern hören müssen. Aber da war einfach nichts. Keine Vaterschaftsklage, wie es bei anderen Musikern so oft vorkommt, keine Geschichten in der Presse, rein gar nichts.«