Was ist Homöopathie?

Sieh zu, wie die Dinge in der Welt beschaffen sind, und unterscheide an ihnen Stoff, wirkende Kraft, Zweck.
Marc Aurel

Die zunehmende Zerstörung unserer Umwelt, die Vielzahl der Umweltgifte, die Missachtung von Naturgesetzen und die wachsende Kälte im Miteinander der Menschen führen immer häufiger dazu, dass der Kranke die Heilung seiner Beschwerden in der Hinwendung zur Natur sucht. Die Homöopathie als ganzheitliche, sanfte und sichere Heilmethode bietet dem Suchenden eine echte Bereicherung.

Die Homöopathie ist eine Volksmedizin, das heißt, sie ist Gemeingut des Volkes. Die Homöopathie ist von ihrem Grundsatz her Teil der Natur, so wie der Mensch Teil der Natur in höherer Ordnung ist. Was die Natur hervorbringt ist geistiger Besitz des Menschen, dem wir mit Zuneigung, Ehrfurcht und Demut begegnen sollten.

Auf vielfältige und doch so einfache Weise bietet die Homöopathie uns eine einfache Möglichkeit, dem menschlichen, diagnostischen und therapeutischen Zwiespalt entgegenzutreten. In ihrer Individualität ist sie dem erkrankten Menschen zugeneigt, bemisst ehrfürchtig die Kraft ihrer heilenden Arzneien und demütig die wachsende Erfahrung.

Die Homöopathie birgt darüber hinaus auch eine einfache Lösung, unser kränkelndes „Gesundheitssystem“ zu heilen. Denn je mündiger der kranke Mensch ist, desto geringer wird sein Anspruch an das „System“. Außerdem ist die Homöopathie kostensparend, unschädlich und damit menschenwürdig

Name

Der Begriff Homöopathie setzt sich aus zwei griechischen Worten zusammen: homoïon für ähnlich und pathos für Leiden. Das bezieht sich auf den uralten Grundsatz der Medizin, dass Ähnliches mit Ähnlichem geheilt werden kann und soll.

Hahnemann hat vor mehr als 200 Jahren diesen Grundsatz neu entdeckt, für seine Heilweise neu belebt und wurde so zum Begründer der Homöopathie. Die bisher bekannte Medizin nannte er Allopathie.

Grundsätze

Grundsatz der Ähnlichkeit (similia similibus curentur)

Jede konzentrierte, wirksame Substanz erzeugt im gesunden Menschen eine in ihrer Art eigene Krankheit. Je wirksamer, desto heftiger. Das wissen wir von Vergiftungen. Ein Wirkstoff, der nun bei einem Gesunden solche krankhaften Erscheinungen erzeugt, heilt jenen kranken Menschen, dessen Störungen den krankhaften Erscheinungen des Wirkstoffes ähnlich sind.

Grundsatz der Arzneiprüfung

Also prüften Hahnemann und seine ärztlichen Nachfolger viele natürliche Wirkstoffe an einigermaßen gesunden Menschen und nicht, wie sonst in der Medizin üblich, an Tieren. Aus den Ergebnissen dieser Prüfungen, die auch heute immer wieder neu durchgeführt werden, formt sich ein für jeden Wirkstoff eigenes Bild, das Arzneibild, das dem Erscheinungsbild des kranken Menschen ähnlich ist.

Grundsatz der Potenzierung

Um Giftigkeit, Nebenwirkungen und Verschlimmerungen zu vermeiden, wird der Wirkstoff so lange verrieben und verschüttelt, bis sein krankmachender Reiz in einen heilenden Reiz umschlägt. Dadurch werden in dem Wirkstoff Kräfte frei, die in einer bloßen „Verdünnung“, als was die Spötter sie gern bezeichnen, nicht vorhanden wären.

Arznei

Nach diesen Grundsätzen wird die homöopathische Arznei seit 200 Jahren unverändert hergestellt. Sie ist nicht von Menschen erfunden, sondern sie wird aus allen Bereichen der Natur gewonnen – aus pflanzlichen, mineralischen und tierischen Wirkstoffen –, aus der Umwelt des Menschen (wie die Gifte, Toxine) und aus Krankheitsprodukten (wie die Nosoden).

Die Angaben über die Arzneien wurzeln im Wissen der Physik, der Chemie, der Pflanzenkunde, der Tierkunde, der Mineralienlehre, der Vergiftungslehre und der Medikamentenlehre. Die eigentlichen Quellen aber stammen aus der Geschichte ihrer Anwendung, aus der Erfahrung am Krankenbett und aus den Angaben der Arzneiprüfung am sensiblen, gesunden Menschen. Aus diesen Quellen stammen auch die Angaben über die Verfassung, die Anlage, über die subjektiven Empfindungen des Erkrankten und über die Möglichkeit einer bildhaften Erfassung und Vorstellung von einer Arznei (Arzneibild). Durch diese bildhafte Vorstellung versetzen wir Homöopathen uns in die Lage, sie dem Krankheitsbild beziehungsweise dem Bild des Menschen spiegelhaft entgegenzustellen.

Eine ähnlich dauerhafte Gültigkeit von Arzneiherstellung und Heilgesetzen kann keine andere medizinische Methode bisher von sich behaupten.

Mit Alkohol oder Milchzucker wird die Arznei zu Tropfen, Tabletten oder Kügelchen (Globuli) aufbereitet. In sich enthalten sie diejenigen Informationen, Schwingungen und Impulse, die im kranken Menschen einen Reiz in Gang setzen, der ihn zur Selbstheilung befähigt.

Die Verdünnung und besondere Aufbereitung der Arznei (Potenzierung) sind notwendig, um Giftigkeit und Nebenwirkungen auszuschließen und um starke Arzneireaktionen (Verschlimmerungen) zu verhindern.

Diesen Verdünnungen ihre Wirkung abzusprechen, ist beim heutigen Stand der Wissenschaft überholt und angesichts der Erfolge bei Neugeborenen, bei Bewusstlosen und bei Tieren nicht mehr haltbar. Hinzu kommt, dass wir größtenteils Potenzen verwenden, deren Wirkung mit den Möglichkeiten unserer herkömmlichen Medizin messbar ist (Tiefpotenzen und Mittelpotenzen) und deren Verdünnungsgrade mit Spurenelementen, Vitaminen, Hormonen, Fermenten und Katalysatoren vergleichbar sind.

Die homöopathischen Arzneien gehören infolge der Potenzierung zu den billigsten, den unschädlichsten und damit zu den menschenwürdigsten Arzneien überhaupt.

Betrachten wir die Homöopathie von der Gewinnung der Arznei her, so ist sie naturgemäß. Betrachten wir sie von der Prüfung am Menschen her, so ist sie menschengemäß. Betrachten wir sie vom Arzneibild her, so ist sie menschengerecht.

Krankheit Gesundheit Heilung

Die Kunst des Heilens ist: Ordnung schaffen! Ihre Dynamik ist rhythmisch, Rhythmus ist eine Frage des Taktes, Takt ist Ordnung. Schöpferische Ordnung bestimmt den dynamischen Rhythmus der Natur.

Der Mensch in seiner harmonischen Ordnung ist gesund. Seine Gesundheit spiegelt sich im körperlichen, seelischgeistigen und sozialen Gleichgewicht sowie im subjektiven Wohlbefinden seiner Person (Dr. med. Mathias Dorcsi).

Der Mensch in seiner disharmonischen Unordnung ist krank. Seine Krankheit ist folglich ein Verlust seiner Dynamik, seines Rhythmus, seines Taktes, seiner schöpferischen Ordnung. Es handelt sich um ein Ver-Rücktsein seiner Ordnungsschranken.

Krankwerden ist also ein nicht fassbares, nicht messbares, nicht quantitativ wägbares Geschehen am Menschen infolge einer äußeren oder inneren Störung seiner personalen Ordnung. Die äußeren und inneren Störungen sind eine äußere und innere Bedrohung seiner Existenz. Wenn ich bedroht werde, dann heißt das letztlich, dass ich missachtet, gedemütigt, verletzt, gekränkt wurde und krank werde. Gesundheit, Krankheit und Heilung sind von der Verfassung des Menschen in seiner Umwelt und von seiner ererbten Anlage zu bestimmten Schwächen abhängig.

Konstitution

Die Konstitution des Menschen umfasst seine körperlich-leibliche und seelisch-geistige Verfassung in seiner Umwelt. Auch hierzu gibt es einsichtige Angaben aus dem Bereich der Psychologie und Soziologie, denen homöopathische Arzneien zugeordnet wurden. Doch hinter allen Angaben steht der Mensch als Individuum in seinem Schicksal, äußerlich durch seine Erscheinung, innerlich – und in seiner Rolle in der äußeren Welt – durch sein Verhalten. Die Verfassung, das Verhalten, das Handeln und das Leiden sind die eigentlichen Gründe der ärztlichen Begegnung mit dem Erkrankten. Sie sind auch die eigentlichen Gründe mitmenschlichen Verstehens.

Wir begegnen dem leidenden Menschen in seiner jetzigen Verfassung, in seinem Sosein, die eine Entgleisung seines Daseinsdarstellt. Sie ist im Wandel des Lebens erworben und wandelbar wie das Leben selbst. Im Fluss des Lebens wird aus einem roten, warmen, feuchten, kräftigen Menschen eventuell ein blasser, kalter, trockener und schwächlicher Mensch. Oder aus einem frohen, heiteren, lustigen, geselligen Menschen wird eventuell ein stiller, ernster, trauriger, verschlossener Mensch. Der Wandel dieser Verfassung wird bestimmt und ausgelöst durch Einflüsse der Umwelt, durch Lebensumstände, durch Schicksalsschläge.

Die äußeren Erscheinungen (Phänomene) seiner Person spiegeln die inneren Erscheinungen seines Verhaltens und Benehmens wider in Haltung, Mimik und Gestik. So entsteht das Bild der unverwechselbaren Eigenheit seiner Individualität.

Diathese

Die Diathese ist die angeborene Organminderwertigkeit, die Systemminderwertigkeit, die angeborene Krankheitsbereitschaft. Bei den chronischen Krankheiten spielen die Verfassung und die Anlage eine wesentliche Rolle, äußere und innere Einflüsse wirken hier als Auslösungen.

Die Anlage (Diathese) setzt der Wandelbarkeit der Verfassung natürliche Grenzen. Sie beinhaltet – aus einer höheren Ordnung betrachtet – die ererbte Unvollkommenheit seit der Vertreibung aus dem Paradies, während die Umwelteinflüsse (Modalitäten) durch die Unvollkommenheit unserer äußeren Welt gekennzeichnet sind.

„Ihr werdet gestraft sein bis ins vierte und fünfte Glied“ war die apokalyptische Prophezeiung, nachdem wir die Vollkommenheit verließen. Die sogenannte Erbsünde erkannte Hahnemann als Grundlage krankhaften Geschehens am Menschen, als krankmachendes Miasma, das uns an der Wiedergewinnung der Vollkommenheit hindert. Er nannte sie Psora.

Im Weiteren wurden drei große Erbkrankheiten zur Menschheitsplage und bis heute prägen sie den Menschen in seiner Anlage.

  • Erstens: die Tuberkulose als tuberkulinische, Iymphatische, kreative, hilflos unzulängliche Verfassung; eine Mischung aus psorischen und luetischen Anteilen.
  • Zweitens: die Gonorrhöe – oder der Tripper – als sykotische, produktivwuchernde Verfassung.
  • Drittens: die Syphilis – oder Lues – als luetisch-destruktive, zerstörerische Verfassung.

Diese Erbanlagen entscheiden über unsere Anfälligkeit für spezifische Erkrankungen und sind die Wurzel allen Krankwerdens. Sie bestimmen unsere Reaktionsweise auf Krankheitsreize sowie die Regula tionsfähigkeit, die Abwehrfähigkeit, die Widerstandskraft und das Gesundungsvermögen auf solche Reize.

Es verbleibt uns, unsere Unvollkommenheit zu erkennen, anzunehmen als Sosein, mit ihr zu leben im Dasein, um sie zu überwinden im Menschsein.

Die Auffälligkeiten und Eigenheiten der Unvollkommenheit finden nicht nur im sichtbaren wie im unsichtbaren Ausdruck der Person ihre Entsprechung, sondern auch in der bildhaften Beschreibung der Arznei.

Auslösungen

Die Homöopathie ist eine Behandlung des Anfanges und das bedeutet der Auslösungen. Behandler und Patient können die auslösenden Faktoren leicht erfassen und erklären. Wenige Arzneien genügen, um sie bei auslösenden Bedingungen einer Erkrankung einzusetzen und auch um eine echte vorbeugende Behandlung zu betreiben.

Vielen solcher auslösenden Umwelteinflüsse begegnen wir alltäglich, dazu gehören Angst, Ärger, Sorgen, Kummer, Leistungszwang, Demütigung, Heimweh. Auch unsere Lebensumstände können auslösend wirken. Entscheidend ist die Rolle, die wir nach außen spielen dürfen oder spielen müssen, sowie die Art und Weise, wie wir den Konflikten begegnen, die sich durch unser Rollenverhalten ergeben. Begegnen wir ihnen kreativ lösend, aggressiv bekämpfend oder regressiv ablehnend?

Methode

Die Homöopathie ist von der Methode her eine somatopsychische Therapie (keine Psychotherapie!). Das bedeutet, der Arzneireiz setzt am Angriffspunkt der Arzneistoffe an und wirkt über das Organ, über das System und über feine Regelkreise auf die Ganzheit des Menschen und damit auch auf das Seelisch-Geistige.

Sie ist eine Methode, die auf die Enthüllung des Besonderen der Erscheinungen abzielt. Das Besondere aber ist die Ganzheit, die Einmaligkeit, nämlich das, was uns zur Person macht (Verfassung). Was wir am kranken Menschen wahrnehmen, ist das sich Zeigende, sich Offenbarende, das ans Licht Gebrachte, die Vorkommnisse am Leib und in der Seele. Was verdeckt ist, soll aufgedeckt und verarbeitet werden. Die Verarbeitung durch den Homöopathen geschieht im Vergleich der Zeichen des kranken Menschen mit den Zeichen des Arzneibildes (Ähnlichkeitsregel).

Neben der wissenschaftlichen Erforschung der Krankheitsursachen und deren Auswirkungen gibt es noch einen anderen gerechtfertigten Weg in der Wissenschaft: den erkrankten Menschen reden lassen, ihn anschauen, ihm zuhören und ihn verstehen.

Kunst

Die Kunst der Anamnese besteht darin, den ganzen Menschen zu erfassen. Dabei gewichtet der Homöopath die Zeichen, bewertet sie und fügt sie bildhaft zusammen, bis letztlich das Bild des kranken Menschen mit dem Bild der Arznei übereinstimmt. Bei der Erfassung des kranken Menschen ist die Art der Erkrankung von geringster Bedeutung, weil die Erfassung sich in jedem Falle auf den ganzen Menschen richtet. Daher gibt es in der Homöopathie keine Spezialisierung, keine Fachrichtung. Klinische Befunde sind zweifelsohne dringend notwendig, aber allein zu wenig, wenn es darum geht, den Menschen – unter Berücksichtigung der Bedingung seines Organismus, seiner Abhängigkeit von der Umwelt und seiner Beziehung zur Schöpfung – zu erfassen.

So betrachtet ist die Homöopathie eine Erweiterung und Bereicherung unserer modernen Medizin. Sie gibt uns neben den technischen Fortschritten in Diagnostik und Pharmazie bewährte Arzneien und eine menschliche Einsicht in den kranken Menschen.