Zum ersten Mal sah ich die »Visionen«, wie ich sie nannte, während meiner Kindheit in Virginia. Sie sahen aus wie Menschen, und doch wusste ich, dass nichts an ihnen gewöhnlich war. Ihre Gesichter und ihre Kleidung, die Art, wie sie ihre Haare trugen – das alles reichte von völlig antiquiert bis hin zu frappierend neumodisch. Schon auf den ersten Blick wusste ich, dass sie nicht aus meiner Welt im frühen 18. Jahrhundert stammen konnten; dazu kam, dass niemand außer mir sie sehen konnte. Meine Familie nannte mich »verrückt«, als ich sie einmal auf eine dieser Visionen hinzuweisen versuchte. Danach habe ich gelernt, Stillschweigen darüber zu bewahren. Es gab nur eine einzige Person, die mir glaubte, und das war meine Großmutter.

Dann geschah das Unvorstellbare. Nach sieben Tagen verdichteten sich die Visionen. Sie wurden zu echten Menschen, zu Männern und Frauen, die jedermann sehen konnte, und sie nahmen die Gebräuche und Umgangsformen unserer Zeit an. Doch stets schienen auf ihr Eindringen in unsere Welt eine Reihe erschreckender Ereignisse zu folgen. Ohne erkennbare Ursache brannten Häuser bis auf die Grundmauern nieder, Nachbarn wurden vermisst und Hochzeiten vereitelt, und allgemein machte sich das Gefühl breit, die Welt sei aus den Fugen geraten. Erst als ich in den Zwanzigern war, erfuhr ich die Wahrheit über die Visionen. Das war, als meine Großmutter starb und mir ihren kostbaren Schlüssel hinterließ, den sie stets an einer eng anliegenden Kette um den Hals getragen hatte. In einem Brief erklärte sie mir ihr Geheimnis: Sie war eine Zeitreisende. Und da ich nun im Besitz ihres Schlüssels war, war ich ebenfalls eine.

Meine Großmutter erklärte mir, dass wir genau wie die Visionen sind – jeder Zeitreisende, der seine Gegenwart verlässt, lebt wie ein Geist und ist nur für die Hüter der Zeit und die wenigen Menschen mit der Gabe des Sehens sichtbar, solange er nicht sieben Tage in der anderen Zeit verbracht hat. Nur ist es leider nicht vorgesehen, dass die Hüter der Zeit lange genug in einer anderen Zeit bleiben, um diese beeinflussen zu können. Selbst die kleinsten Handlungen von Außenstehenden führten zu schwerwiegenden Konsequenzen. Wenn ein wohlmeinender Hüter der Zeit versuchte, den Tod eines geliebten Menschen oder einen Schicksalsschlag rückgängig zu machen, waren die Folgen danach noch entsetzlicher. Für meine Großmutter war klar, dass unsere Rolle als Hüter der Zeit nur darin bestand zu beobachten, zu lernen und den natürlichen Zeitstrang zu bewahren; und ich war davon ebenso überzeugt wie sie. Ich wusste, dass unsere Macht bezähmt und gezielt eingesetzt werden musste. Das war der Beginn der Zeitgesellschaft.

Im Gründungsjahr 1830 hatte ich zwanzig Mitglieder aus allen Teilen der Vereinigten Staaten versammelt. Jahrzehnte später, im Jahr 1880, während ich dieses Handbuch schreibe, ist die Gesellschaft auf 200 Mitglieder angewachsen. In Europa und dem Nahen Osten gibt es noch andere, ältere Vereinigungen wie die unsere; meistens agieren wir als Verbündete.

Ziel und Aufgabe der Zeitgesellschaft war es schon immer, andere Menschen zu finden, die den Schlüssel und das Zeitreise-Gen besitzen, damit wir unsere Gaben gemeinschaftlich einsetzen können und ein stärkeres Ganzes werden, um Amerikas Geschichte zu bewahren und seine Zukunft zu schützen.

– MILLICENT AUGUST,
PRÄSIDENTIN UND GRÜNDERIN DER ZEITGESELLSCHAFT