12. KAPITEL
V on den fünf Leuten im Besprechungszimmer wirkte Cord am entspanntesten. Der Bart gab ihm ein verwegenes Aussehen und ließ seinen eleganten schwarzen Anzug weniger seriös erscheinen. Aber seine ausgeprägte Männlichkeit erlaubte ihm, alles mit Stil zu tragen … oder gar nichts, dachte Susan und sah ihn in Gedanken nackt vor sich.
Imogene war ruhig, fast geistesabwesend, Preston gab sich ganz als Geschäftsmann. Beryl führte Protokoll.
Susan fühlte sich unbehaglich. Sie schaute zu Cord, nur um festzustellen, dass er sie anblickte. Er zwinkerte ihr sogar zu. War ihm der Ausgang der Abstimmung gleichgültig? Wollte er mit diesem raffinierten Plan nur Preston verärgern?
Sie war so in Gedanken, dass sie kaum mitbekam, wovon die anderen sprachen. Erst als sie wütende Stimmen hörte, nahm sie sich zusammen und konzentrierte sich.
„Das ist mein Geburtsrecht“, sagte Cord gerade kalt. „Das habe ich erst nach Jahren begriffen, aber ich gebe es nicht auf. Auf Kompromisse lasse ich mich nicht ein.“
„Das ist dein Pech“, meinte Preston knapp. „Sollen wir jetzt abstimmen?“
„Von mir aus gern.“
Cord saß so selbstsicher da, als könnte er gar nicht anders. Woran dachte er jetzt, wo ihm der Sieg zu entgleiten schien? An Rache? Oder war er nur entschlossen, dieser Familie wieder anzugehören, ob sie wollten oder nicht? Verantwortung für seinen Anteil zu überneh-men und endlich sesshaft zu werden?
„Ich stimme mit Ja“, sagte er leichthin, und Susan verbannte die Gedanken aus ihrem Kopf.
Niemals hätte Imogene gegen ihren eigenen Sohn gestimmt. Sie sah weder Cord noch Preston an. „Ich stimme mit Nein.“
„Ich ebenso“, schloss sich Preston an. „Susan?“
Offenbar war er sich ihrer sicher. Ungeduldig blickte er sie an, bereits siegesgewiss, dass er den Vorsitz der Gesellschaft nicht verlieren würde.
In Cords Blick konnte sie gar nichts lesen. Er wartete einfach ab. Er hatte nicht versucht, sie zu seinen Gunsten zu überreden, warum auch? Er nahm ja an, dass sie sowieso auf Prestons Seite stand.
„Susan!“, forderte Preston ungeduldig.
Irgendwo muss Vertrauen doch anfangen, dachte sie schmerzlich. Cord war so gewöhnt daran, niemandem zu vertrauen, dass es ihm fast zur zweiten Natur geworden war.
„Ich stimme mit Ja“, sagte sie ruhig.
Völliges Schweigen legte sich über den Raum. Preston war bleich geworden und presste die Lippen zusammen. Vielleicht war sogar Cord über die Wendung der Ereignisse erstaunt.
Susans Entschluss war so spontan gekommen, dass sie selbst über-rascht war, aber tief in ihrem Inneren hatte sie das Gefühl, dass sie Cord jetzt nicht einfach im Stich lassen konnte. Hätte er verloren, hätte er sich mit dem Ergebnis niemals zufriedengegeben, sondern weitergemacht und die Blackstone Company am Ende vielleicht doch ernsthaft bedroht. Sie wollte ein Ende machen, auch auf das Risiko hin, Prestons und Imogenes Zuneigung zu verlieren.
Warum auch nicht? Sie war zu müde, um sich darüber zu sorgen, und verbittert darüber, dass sowohl Cord als auch Preston so herzlos mit ihr gespielt hatten. Sie war nur ein Pfand gewesen, das sie nach Lust und Laune hin und her geschoben hatten, ohne sie einzuweihen.
Imogene beugte sich vor und faltete die Hände auf dem Tisch. „Machen wir ein Ende damit“, begann sie leise, während sie von Cord zu Preston schaute. „Wir waren einmal eine Familie, und ich möchte, dass wir es wieder sind. Ich selbst habe auch Fehler gemacht, und wenn du mir vergeben kannst, Cord, wäre ich sehr froh.“
Susan war ihre Schwiegermutter nie sympathischer gewesen. Jetzt wandte Imogene sich an ihren Sohn, ohne auf Cords Antwort zu warten. „Ich weiß, dass es für dich nicht leicht ist, den Vorsitz zu teilen, aber ich bitte dich, alles zu tun, damit die Blackstone Company nicht leidet. Cord gehört zur Familie, er ist genauso ein Blackstone wie du. Ich hoffe, wir können der Sache Einhalt gebieten, bevor sie uns völlig zerstört. Susan war die Einzige von uns, die von Anfang an begriffen hat, wohin das führt. Wenn ihr um euretwillen nicht aufhören wollt, dann tut es um meinetwillen … und ihretwegen. Gott weiß, wie viel sie für eure Feindschaft bezahlt hat.“
Susan zuckte zusammen. Sie hasste es, ihre Gefühle von Imogene ans Licht zerren zu lassen. Still und bleich schaute sie auf ihre Hände. Jetzt lag es an den beiden Männern, ob sie Frieden schlossen oder den Kampf weiterführten. Egal wie sie sich entschieden, sie war zu erschöpft, als dass es ihr noch wichtig gewesen wäre.
„Ich habe dich stets beneidet“, begann Preston abwesend. „Dir fiel immer alles so leicht. Vance war schon schwer zu erreichen, aber du … wenn du anwesend warst, wurde ich unsichtbar. Alle haben nur dich gesehen.“
Cord starrte seinen Cousin über den Tisch hinweg an. Sein Gesicht war ausdruckslos. Es war unmöglich zu erraten, was er dachte.
Ungläubig schüttelte Preston den Kopf, als könnte er nicht begreifen, wie weit ihre Feindschaft sie gebracht hatte. Er straffte sich und sah Cord direkt an. „Mit sechzehn ging ich mit Kelly Hartland. Ich war unglaublich verliebt in sie. Du warst gerade aufs College gekommen, und für sie war das offenbar unwiderstehlich. Als sie dich an einem Wochenende zu Hause auf einer Party kennenlernte, hat sie mich wie eine heiße Kartoffel fallenlassen.“
„Kelly Hartland? Ich kann mich kaum an sie erinnern. Ich bin ein paar Mal mit ihr ausgegangen, aber es war nichts Ernstes.“ Cord zuckte die Ach seln.
„Für mich schon. Ich habe dich dafür gehasst, dass du sie mir weggenommen hast, obwohl du dir nichts aus ihr gemacht hast. Mit sechzehn dachte ich, sie wäre die Liebe meines Lebens. Als deine Affäre mit Judith nach hinten losging, war das ein Anlass für mich, es dir endlich heimzuzahlen. Ich bin nicht unbedingt stolz darauf, aber ich kann es eben leider nicht mehr ändern.“
Cord holte tief Luft, und auch ohne ihn anzusehen, wusste Susan, dass ihn die Erwähnung von Judith tief getroffen hatte, weil er sich schuldig fühlte an der Art und Weise, wie man sie behandelt hatte. Dennoch konnten die beiden Männer trotz aller Geschehnisse die Blutsbande zwischen sich nicht leugnen.
„Judith war meine Frau.“ Cords Stimme war schmerzerfüllt, als er wieder sprach. „Wir heirateten, nachdem wir von hier weggegangen waren. Ein Jahr später ist sie gestorben.“ Seine Augen schimmerten plötzlich. „Ich trage mehr Schuld als irgendjemand sonst an ihrem Tod.“ Selbst nach so vielen Jahren hatte die Bitterkeit, die er über ihren sinnlosen Tod empfand, nicht nachgelassen.
Schweigen folgte, bis Susan die Stille nicht mehr ertragen konnte. Ohne jemanden anzusehen, schob sie den Stuhl zurück und verließ den Raum. Ihr tat das Herz in der Brust weh, aber sie konnte nicht weinen. Die Zeit dafür war vorbei.
Matt ging sie in ihr Büro. Ihr war so kalt, dass sie das Gefühl hatte, ihr würde nie wieder warm werden.
Dieser ganze hasserfüllte Streit wegen Frauen, die längst Vergangenheit waren. Und auch in Susans Situation lag eine gewisse Ironie. Wollten die beiden Männer sie eigentlich um ihrer selbst willen oder nur, weil der eine vom anderen dachte, er wollte sie?
Kaum hatte sie die Tür hinter sich geschlossen, kam Cord herein. „Warum bist du gegangen?“
„Ich fahre nach Hause.“ Ihre Beine waren wie Blei, als sie zum Schreibtisch ging, um ihre Handtasche zu holen. Sie vermied Cords Blick und versuchte, an ihm vorbeizugehen.
Mit einem Schritt versperrte er ihr den Weg. „Ich brauche dich, Susan. Du weißt, dass ein Wechsel im Vorstand nicht einfach ist. Bis jetzt hatte nur die Familie damit zu tun, aber nun müssen eine Menge mehr Leute informiert werden. Ich brauche deine Hilfe. Du kannst mit einem Blick mehr ausrichten als viele andere mit einem Baseballschläger.“
„Wenn ich nicht gedacht hätte, dass du das allein schaffst, hätte ich nicht für dich gestimmt“, entgegnete sie müde. „Lass mich bitte vorbei.“
„Warum hast du überhaupt für mich gestimmt? Ich war darüber genauso überrascht wie die anderen.“ Er legte eine Hand auf ihren blo-ßen Arm.
„Ich bin müde, ich will nach Hause“, wiederholte sie.
Cord merkte, dass sie bleich und angespannt war und Schatten unter den Augen hatte. Obwohl sich alles in ihm dagegen sträubte, sie jetzt gehen zu lassen, sah er, dass sie am Ende ihrer Kräfte war. „Ich fahre dich.“
„Nein.“ Ihre Antwort kam schnell und bestimmt.
Er unterdrückte einen Fluch. „Na gut, wenn du nicht willst, dass ich dich fahre, wird dich sicher Imogene …“
„Ich besitze ein Auto und kann selbst fahren. Ich werde mich schon nicht in irgendwelchen herunterhängenden Stromleitungen verheddern.“
Es fiel ihm schwer nachzugeben. „Na schön. Dann komme ich heute Abend vor bei.“
„Nein“, unterbrach sie ihn und sah ihn endlich an. Schmerz und Enttäuschung standen ihr ins Gesicht geschrieben. „Nicht heute Abend.“
„Aber wir müssen reden.“
„Ich weiß. Vielleicht später. Ich glaube nicht, dass ich so schnell damit klar kom me.“
„Wann?“
Sie zuckte die Schultern. Ihre Lippen zitterten. „Ich weiß nicht. Vielleicht in ein paar Jahren.“
„Verdammt!“, dröhnte er. Mit seiner Beherrschung war es vorbei.
„Bitte lass mich in Ruhe! Meine Aktien und meine Stimme habe ich dir gegeben, also habe ich sowieso nichts mehr, was du willst.“ Sie drängte sich an ihm vorbei, ohne ihn anzusehen.
Draußen brannte die Sonne vom Himmel herunter und blendete sie. Susan nahm die Sonnenbrille aus der Handtasche. Die Sonne tat ihr gut, und sie beschloss, sich zu Hause auf die Veranda zu setzen und zu schlafen. Zu etwas anderem war sie im Moment nicht fähig.
Vorsichtig fuhr sie nach Hause. Zum Glück stellte Emily keine unnötigen Fragen. Wie ein Roboter zog sich Susan aus, dann wählte sie eine weite kurze Hose, die sie sonst zu Gartenarbeiten anzog, und eine schlichte Bluse. Zum ersten Mal seit Tagen konnte sie wieder frei atmen. Es war vorbei. Sie hatte so viel verloren, aber jetzt konnte sie sich endlich ausruhen.
Sie streckte sich auf einer Liege in der Sonne aus. Ihre Augenlider waren schwer, und sie versuchte gar nicht erst, die Augen offen zu halten.
Nur einmal weckte Emily sie mit Eistee, den sie dankbar zu sich nahm. Ihre innere Kälte war verschwunden, ihr war nun wieder angenehm warm, und sie schlief weiter und wachte erst am späten Nachmittag auf. Emily hatte ihr etwas zu essen bereitet, und Susan setzte sich an den Tisch.
„Tut mir leid“, murmelte sie. „Ich bin immer noch so müde.“
Emily tätschelte ihr den Arm. „Sehen Sie doch ein bisschen fern, da können Sie die Füße hochlegen und sich entspannen.“
„Hört sich gut an“, seufzte Susan.
Später vor dem Fernseher schlief sie sofort wieder ein. Als sie erwachte, sah sie direkt in Cords Gesicht.
Mit neuer Energie setzte sie sich auf. „Was machst du hier?“
„Darauf warten, dass du aufwachst“, erklärte er ruhig. „Ich wollte dich nicht erschrecken. Und jetzt werde ich genau das tun, was ich bereits machen wollte, als ich dich zum ersten Mal gesehen habe.“
„Und das ist?“
„Dich über die Schulter werfen und wegtragen.“ Sanft fasste er sie an den Handgelenken, und zu ihrem Erstaunen fand sich Susan plötz-lich auf seiner Schulter wieder.
Susan griff nach seinen Gürtelschlaufen, um Halt zu finden. „Lass mich runter!“, keuchte sie, während er den Fernseher ausschaltete und dann das Licht ausmachte. „Was soll das?“
„Das wirst du gleich sehen.“
Erst als er sie nach draußen in die warme, duftende Nacht getragen hatte, fing sie an, sich zu wehren. „Lass mich runter! Wohin bringst du mich?“
„Fort“, entgegnete er schlicht. Seine Stiefel knirschten auf dem Kies auf der Auffahrt, wo sein Geländewagen stand. Er öffnete die Tür und setzte Susan ganz sanft auf dem Beifahrersitz ab.
„Emily hat deine Sachen gepackt“, informierte er sie und küsste sie flüchtig. „Dein Gepäck ist bereits im Wagen. Es ist alles erledigt, du musst nur noch mitkommen. Wenn du schlafen willst, hinten liegt noch die Decke.“ An seinem Blick sah sie, dass er sich noch gut an die Nacht erinnerte, wo sie sie gebraucht hatten.
Wie benommen vor Überraschung saß sie da, während Cord auf der Fahrerseite einstieg. Er kidnappte sie, und das auch noch mit Emilys Hilfe! Eigentlich hätte Susan empört sein müssen, aber sie war immer noch zu erschöpft.
„Woher wusstest du, dass ich nicht davonlaufe?“
„Zwei Gründe.“ Er ließ den Motor an und fuhr im Rückwärtsgang die Auffahrt hinunter. „Erstens, du bist zu klug, um das bisschen Energie zu verschwenden, das du noch hast.“ Er bremste und schaltete in den ersten Gang. „Zweitens, du liebst mich.“
Diese Argumente konnte sie nicht widerlegen. Sie liebte Cord von ganzem Herzen, obwohl er sie sehr verletzt hatte, als er und Preston sie in ihrem Spiel wie eine Schachfigur benutzt hatten.
Cord warf ihr einen prüfenden Blick zu. „Du willst mir nicht widersprechen?“
„Nein.“
Ihre teilnahmslose Feststellung erschütterte ihn bis ins Mark. Susan liebte ihn, aber hatte jede Hoffnung aufgegeben.
Als Susan heute Morgen das Büro verlassen hatte, war sein erster Gedanke gewesen, ihr Zeit zu geben, um sich zu erholen. Doch dann war er zu dem Entschluss gekommen, dass es höchste Zeit war, um sie zu kämpfen und sie zurückzugewinnen.
Susan saß ganz still da. Schließlich fragte sie: „Wohin fahren wir?“
„Ans Meer“, erwiderte er. „Du wirst nichts anderes tun als essen, schlafen und am Strand liegen, bis du wieder zugenommen hast und diese Ringe unter deinen Augen verschwunden sind.“
Einen Augenblick lang dachte sie über seine Worte nach. Sie waren schon viel zu weit gefahren, als dass er einen Strand meinen konnte, den sie kannte. Sie seufzte. „Welchen Strand?“
Er lachte. „Wenn du es unbedingt wissen willst, er liegt in Florida. Reicht dir das?“
Bevor sie ankamen, schlief Susan doch noch ein. Am frühen Morgen parkte Cord den Wagen an einem kleinen Haus am Meer und rüt-telte Susan sanft wach.
Das Haus lag direkt am Strand, davor erstreckte sich eine glitzernde Bucht. Im Sternenlicht wirkte der weiße Sand wie Schnee. Als Susan ausstieg, strich ihr eine leichte Brise durchs Haar, die nach Ozean und frischem Regen duftete.
Es war ein schlichtes weißes Strandhaus mit großen Fenstern und niedrigen Decken. Susan folgte Cord hinein. Die kleine, freundliche Küche war in Weiß und Gelb gehalten, in einer Nische stand ein Glastisch, darüber hing ein Ventilator. Das Wohnzimmer war mit Korbstühlen ausgestattet. Dann zeigte Cord ihr das Schlafzimmer und stellte den Koffer, den Emily gepackt hatte, ans Bettende.
„Dein Bad ist da drüben.“ Er wies auf eine Tür, die von dem Raum abging. „Ich bin in dem Zimmer gegenüber, wenn du irgendetwas brauchst.“
Cord küsste sie auf die Stirn und verließ das Zimmer. Susan stand da und blinzelte vor Erstaunen. Sie hatte immer gedacht, Cord wollte nur Sex von ihr. Warum ließ er sie dann jetzt allein schlafen? Warum hatte er sich solche Mühe gegeben, mit ihr bis nach Florida zu fahren?
Aber das Bett lachte sie an, und sie duschte rasch und schlüpfte dann nackt unter die Laken, zu müde, um nachzusehen, ob Emily ein Nachthemd für sie eingepackt hatte. Über den rätselhaften Cord konnte sie auch morgen noch nachdenken.
Am nächsten Morgen wurde sie durch den Duft von Kaffee und gebratenen Eiern geweckt. Cord stand in der Küche und drückte Susan eine Tasse heißen Kaffees in die Hand. „Guten Morgen!“
Susan begriff gar nichts mehr. „Solltest du angesichts deiner neuen Position nicht besser in der Firma sein?“
Er zuckte die Schultern und strich sich großzügig Marmelade auf den Toast. „Das kann man so oder so sehen. Ich glaube, ich habe meine Prioritäten schon richtig gesetzt.“
Susan schnitt ihren Toast sorgfältig in Streifen. Sie war sich über-haupt nicht sicher, warum Cord sie hergebracht hatte. Zum ersten Mal seit Wochen war sie wieder richtig ausgeschlafen, und sie hatte eine Menge Fragen.
„Du hattest das alles schon sorgfältig geplant, bevor du nach Biloxi zurückgekommen bist, nicht wahr?“
Er sah auf. „Es hing alles vom ersten Schritt ab. Als ich anfing, Druck zu machen, musste Preston Aktien verkaufen und seine Position schwächen, um mir mein Geld zurückzuerstatten. Er hat meine Übernahme sozusagen finanziert, denn mit dem zurückgezahlten Geld habe ich die erste Anleihe aufgekauft. Als ich dafür das Geld bekam, nahm ich es, um die zweite zu kaufen.“
Cord hatte eiserne Nerven bewiesen. Susan war beeindruckt. „Du hattest daneben keine anderen Rücklagen?“
„Natürlich habe ich Geld“, gab er zurück. „Ich bin ein ziemlich guter Spieler, egal ob mit Karten, Würfeln, Pferden … oder Öl. Ich habe zwar schon ein paar Mal mein Hemd verloren, aber meistens gewinne ich.“
„Öl?“, fragte sie erstaunt. „Wolltest du die Hügel für dich selbst pachten? Also gibt es gar keine Gesellschaft, für die du arbeitest?“
Er zuckte die breiten Schultern unter seinem hellblauen Poloshirt. „Die Hügel waren nur ein Vorwand“, gab er zu. „Damit konnte ich Preston unter Druck setzen. Ich wollte, dass er die Pacht verweigert, damit ich ihm drohen konnte.“
Susan erinnerte sich dunkel, dass er Preston absichtlich dazu gebracht hatte, ihm die Hügel zu verweigern. Sie alle waren nur seine Marionetten gewesen und hatten getan, was er wollte.
„Also gibt es gar kein Öl dort? Kein Wunder, dass du es nicht eilig hattest, einen Pachtvertrag zu unterschreiben!“
„Das habe ich nicht gesagt.“ Er legte seine Hand auf ihre. „Iss doch endlich deinen Toast“, empfahl er. „Hast du noch kein Gutachten veranlasst?“
„Nein, noch nicht.“
„Nun, es besteht durchaus eine Chance auf ein Erdöl- oder Erdgasvorkommen.“
Sie aß einen Bissen, dann schob sie den Teller weg. „Ich bin wirklich nicht hungrig, tut mir leid.“
„Ist schon gut. Du wirst bald wieder Appetit bekommen.“ Er stand auf und begann den Tisch abzuräumen. Als Susan ihm helfen wollte, stoppte er sie mit einer Handbewegung. „Moment, Lady. Stell den Teller hin. Du bist nicht zum Arbeiten hier.“
„Ich kriege es gerade noch hin, einen Teller wegzuräumen“, teilte sie ihm sanft mit.
„Setz dich. Ich muss dir wohl erst mal die Regeln erklären.“
Auf seine gespielt ernste Anweisung setzte sie sich wieder hin. Cord nahm ihr gegenüber Platz und erklärte: „Du bist hier, um dich auszuruhen. Ich koche, ich wasche ab, ich mache alles.“
„Und wie lange wird dieses Paradies andauern?“, fragte sie lächelnd.
„So lange, wie es eben dauert“, antwortete er leise.
Er meinte es ernst. Die folgenden Tage vergingen ohne Aufregung. Nach dem Stress der letzten Wochen war es genau das, was Susan brauchte. Sonnenaufgang und Sonnenuntergang bestimmten ihre Zeit. Anfangs schlief sie viel und beschäftigte sich nicht mit quälenden Fragen. Sie ruhte sich bloß aus, aß, schlief, und all das unter der schweigsamen Aufmerksamkeit, die Cord ihr schenkte.
Sie schlief nicht nur allein, sie war vollkommen ungestört und kam langsam wieder zu Kräften. Die Depression und die Müdigkeit, die sich gegenseitig bedingt hatten, verschwanden. Es war fast wie eine Wiedergeburt, und sie freute sich im Stillen darüber.
Auch für Cord musste ihre Erholung unübersehbar sein, und jede Nacht wartete sie darauf, dass er zu ihr käme. Fast bekam sie Angst, er begehrte sie nicht mehr, doch dann begriff sie, dass er darauf wartete, dass sie den ersten Schritt tat.
Doch aus Unsicherheit schwieg sie. Sie wusste nicht genau, was sie eigentlich wollte. Sie liebte ihn zwar immer noch, aber da war trotzdem dieses Gefühl, von ihm benutzt worden zu sein. Und solange sie Zweifel hatte, musste sie unnahbar bleiben. Zudem wollte sie nicht nur eine Affäre mit Cord, sondern mehr. Sie wollte seine Liebe, eine richtige Beziehung, und sie wollte seine Kinder.
In der fünften Nacht zog ein Gewitter vom Golf her auf und entlud sich mit solcher Wucht über dem Haus, dass die Fensterläden schlugen. Susan erwachte mit einem Schrei auf den Lippen, bevor sie begriff, wo sie war. Dann rollte sie sich wieder unter der Bettdecke zusammen und lauschte auf den Regen, der gegen das Fenster prasselte. Solange das Gewitter nicht in einen Tornado ausartete, genoss sie das Schauspiel der Naturgewalten eher, als dass sie sich ängstigte.
Unvermittelt öffnete sich die Tür, und Cord kam herein. Im Aufleuchten eines Blitzes sah sie, dass er nackt war.
„Bist du in Ordnung?“, fragte er sanft. „Ich dachte, vielleicht hast du Angst.“
Sie setzte sich auf und strich sich das Haar aus der Stirn. „Mir geht’s gut. Ich bin nur erschrocken.“
„Gut.“ Er wollte das Zimmer wieder verlassen.
„Cord, warte!“, rief sie. Zögernd drehte er sich um.
„Ich glaube, wir sollten reden“, versuchte sie es.
„Gut.“ Er wirkte verunsichert. „Ich zieh mir was an und komme wieder.“
„Nein.“ Susan streckte ihm die Hand entgegen. „Das ist doch nicht nötig, oder?“
„Nein“, erwiderte er. „Aber ich wusste nicht, ob es dir vielleicht etwas aus macht.“
„Nein … bitte setz dich.“ Sie rückte ein wenig zur Seite und wickelte sich die Decke um.
Cord ließ sich aufs Bett fallen und stopfte sich ein Kissen hinter den Rücken, bevor er seine langen Beine ausstreckte und die Lampe anmachte. „Wenn wir reden, will ich dich sehen können.“
Susan steckte die Beine unter die Decke und versuchte, sich von Cords Nähe nicht durcheinanderbringen zu lassen. Sie richtete ihre Aufmerksamkeit auf sein Gesicht. Auf sein wissendes Lächeln hin errötete sie und musste selbst lachen.
„Tut mir leid. Du hast ein Talent, mich erröten zu lassen.“
„Ich sollte eher rot werden, wenn ich deine Gedanken richtig lese.“
Er hatte recht. Susan brachte sich rasch wieder unter Kontrolle. Was jetzt kam, war ihr viel zu wichtig, um sich ablenken zu lassen.
„Bevor ich anfange, möchte ich ein für alle Mal etwas klarstellen. Ich liebe dich. Wenn du damit nicht umgehen kannst oder wenn es dir unangenehm ist, dann haben wir nichts zu besprechen, und du kannst genauso gut wieder in dein Zimmer gehen.“
Er rührte sich nicht von der Stelle. „Das weiß ich schon lange“, sagte er. Seine Augen waren dunkel vor Leidenschaft. „Ich wusste es, als wir zum ersten Mal miteinander geschlafen haben. Wenn du mich nicht geliebt hättest, hättest du dich niemals so hingegeben.“
„Und trotzdem konntest du mir nicht vertrauen? Du hast mich im Ungewissen gelassen, obwohl du wusstest, dass ich mir Sorgen machte und wie es mich quälte, dass ich gegen dich kämpfen musste.“ Allein die Erinnerung daran verursachte ihr einen stechenden Schmerz, und sie holte Luft, um ihr inneres Gleichgewicht wiederzufinden.
„Zu meiner Verteidigung muss ich sagen, dass ich nicht erwartet hatte, jemanden wie dich zu treffen“, sagte Cord. „Du hast mich kalt erwischt, Susan Blackstone, und ins Straucheln gebracht. Ich habe mich so viele Jahre nur auf mich allein verlassen, dass ich es selbst kaum glauben konnte, was geschah. Du hast Preston so stur verteidigt. Wie sollte ich da nicht glauben, dass du sofort zu ihm rennst, wenn ich dir gesagt hätte, dass ich gar nicht vorhatte, die Firma Bankrott gehen zu lassen, sondern nur die Aktienmehrheit haben wollte?“
„Aber verstehst du denn nicht?“, rief sie aus. „Ich habe Preston gerade deswegen verteidigt, weil ich dachte, dass du die Firma ruinieren willst, um Judith an ihm zu rächen!“
„Nein, ich war nicht auf Rache aus, obwohl ich ihn das glauben lassen wollte. Ich trage selbst zu viel Schuld an der Sache, als dass ich das Recht hätte, mich an irgendjemandem zu rächen. Aber so, wie die Dinge lagen, als ich wegging … Honey, du hast keine Ahnung, wie bitter ich geworden war. Ich wollte zurück nach Hause, aber nur aus einer Machtposition heraus. Ich wollte nicht einfach so wieder hier leben. Ich wollte akzeptiert werden und ein Teil der Welt sein, zu der ich früher gehört habe, als ich zu jung und zu hitzköpfig war, um es zu schät zen.“
„Und du denkst, wenn du mir das alles erzählt hättest, hätte ich dir das unmöglich gemacht?“ Susan musste die Tränen zurückhalten.
Er legte die Hände um ihr Gesicht und streichelte sanft ihre Wangen. „Weine nicht“, murmelte er. „Ich habe dir gesagt, ich bin es nicht mehr gewohnt, jemandem zu vertrauen. Ich war zu lange in schlechter Gesellschaft, als dass … nun gut. Aber verdammt, ich wollte nie, dass auch du deine Aktien verkaufst! Ich hätte nie gedacht, dass Preston alles auf dich abwälzt, aber er ist ein schlauer Hund, das muss ich ihm lassen. Fast hätte es funktioniert. Wenn ich gewusst hätte, dass du finanziell darunter leidest, hätte ich sofort aufgehört. Nur durch deine eigene Sturheit, mir nicht davon zu erzählen, hatte ich genug Zeit, so viele Aktien zu kaufen, wie ich brauchte.“
„Und meine Stimme habe ich dir auch noch gegeben“, erinnerte sie ihn schwach.
„Das auch“, bestätigte er. Sie sah so unglaublich sexy aus mit dem zerwühlten Haar und den halb geschlossenen Augenlidern. Die dunklen Schatten unter ihren Augen waren verschwunden, und unter dem seidenen Nachthemd hoben sich die weichen Kurven ihrer Brüste ab.
Sein Herz zog sich zusammen, als er plötzlich erkannte, dass Susan sein Leben wie ein helles Licht erleuchtete. Wenn diese Flamme verlosch, wäre er zu einem Leben in Dunkelheit verdammt.
„Es war ein Fehler, dir nicht zu vertrauen“, sagte er leise. „Ich wusste, dass du mich liebst, und es war fast zu viel für mich. Ich hatte Angst, es zu glauben. Susan, verstehst du nicht? Hast du denn eine Ahnung, welche Wirkung du auf andere hast? Überall überschlagen sich die Leute, um dir zu gefallen und nur ein Lächeln von dir zu bekommen, selbst Imogene würde sich für dich zerreißen! Wenn ich geglaubt hätte, dass diese ganze Süße nur mir allein gehört, und dann hätte feststellen müssen, dass ich mich täusche – ich hätte es nicht ertragen. Ich durfte dich nicht zu nahe an mich heranlassen, ohne mich zu schützen.“
Seine Worte verwirrten Susan. „Die Leute überschlagen sich für mich? Was meinst du damit?“
Sie wusste es wirklich nicht. Wahrscheinlich hatte sie noch nie bemerkt, welchen Effekt ihr strahlendes Lächeln auf andere hatte. Mein Gott, er hatte einen Schatz, um den andere Männer kämpfen würden, und sie war sich nicht einmal bewusst, welche Macht sie durch ihren unbeschreiblich süßen Charme ausübte.
„Nicht so wichtig“, meinte Cord liebevoll. Sie würde es ihm ja doch nicht glauben, wenn er es erklärte. „Es zählt nur, ob du mich genug liebst, um mir zu verzeihen.“
„Das tue ich“, antwortete sie. Wenn sie auf ihr Herz horchte, stellte sie fest, dass sie ihn so liebte, dass sie ihm alles verziehen hätte.
Zärtlich umfasste er ihre Taille und zog Susan auf seinen Schoß. „Ich bin froh“, sagte er ernst. „Weil ich dich so liebe, dass ich es nicht ertrüge, wenn du mich jetzt wegschickst.“
Susans Augen weiteten sich. Ihr Herz machte einen freudigen Satz, bevor es heftig gegen die Rippen zu schlagen begann. „Du … was?“
„Ich sagte, ich liebe dich“, wiederholte er und streichelte ihr langsam über den Rücken. Susan bebte und versuchte etwas zu sagen, aber über ihre zitternden Lippen kam kein Wort. Stattdessen ließ sie den Kopf auf seine Schulter sinken und hielt sich an ihm fest.
Cord legte die Arme um sie und drückte ihren zarten Körper an sich. Bei dem Gedanken, dass er Susan fast verloren hätte, brannten ihm plötzlich Tränen in den Augen.
„Ich liebe dich“, flüsterte er wieder in ihr duftiges Haar. Heiße Trä-nen rannen ihm über die sonnengebräunten Wangen, aber er bemerkte sie nicht, denn er ging ganz in dem Wunder auf, diese zarte Frau in den Armen zu halten, die so viel Süße und so ein unendliches Liebesvermö-gen besaß, dass er es kaum begreifen konnte.
Susan hob den Kopf. Als sie sah, dass er weinte, stockte ihr der Atem. In diesem Moment wusste sie ohne Zweifel, dass Cord sie liebte. In seinen Tränen löste sich die letzte Bitterkeit auf, seine Trauer und die Schuld, die er wegen Judith empfand. Susan legte ihre Wange an seine. Sie würde diesen Mann nie wieder abweisen.
Cord überkam das plötzliche Verlangen, seine Empfindungen durch ihre Vereinigung zu besiegeln, und rollte Susan herum. Er zog ihr das Nachthemd über den Kopf und betrachtete einen Moment lang ihre Schönheit, bevor er sich auf sie sinken ließ. Hungrig küsste er sie, dann hielt er inne. „Wir werden heiraten.“
Wieder stockte Susan der Atem, aber diesmal vor Glück, und endlich glaubte sie, was ihr geschah. Ein Lächeln spielte um ihre Lippen. Es war kein Antrag oder eine Frage, es war einfach eine Feststellung. Sie würden heiraten, und sie tat besser daran, sich nicht mit ihm darü-ber zu streiten!
„Ja“, sagte sie und seufzte verzückt, als er in sie eindrang und ihr weicher, süßer Körper ihn willkommen hieß. Cord bewegte sich langsam und stöhnte laut auf vor Lust.
Dann hielt er inne und stützte sich auf einen Ellbogen, um Susan anzusehen, Begehren in seinem Blick. „Und du wirst meine Kinder bekommen“, murmelte er.
„In Ordnung.“ Sie legte Cord die Hände um den Nacken und lä-chelte ihn an. „Es wird mir ein Vergnügen sein.“
Er lächelte zurück. „Dann lass uns nicht länger warten.“ Er küsste sie wieder, dann begannen ihre Körper sich in einem gemeinsamen Rhythmus zu bewegen. Ihre Leidenschaft war wild und zärtlich zugleich, ihre Liebe voll gegenseitiger Hingabe.
Was auf einer Tanzfläche begonnen hatte, war zu Liebe geworden, vervollkommnet durch die Tränen eines Mannes, der gelernt hatte zu weinen.
– ENDE –