11. KAPITEL

Aus dem wärmenden Feuer würde also nichts werden. Susan biss sich auf die Lippen und schwieg, während Cord den Rückwärtsgang einlegte und umdrehte. Ein Stück weiter parkte er am Wegrand.

Vorhin wollte ich so schnell wie möglich von ihm weg, dachte sie, und jetzt bin ich froh, dass er bei mir ist. Sie waren dem Tod so nah gewesen … und was, wenn es einen von ihnen getroffen hätte? Der Gedanke, Cord wäre in dem Sturm umgekommen, war ihr unerträglich.

Mit zitternden Fingern strich sie sich durch das tropfnasse Haar. Den Schlamm hatte der Regen ausgewaschen, aber es steckten einige kleine Zweige und Blätter darin. Was spielte ihre Frisur jetzt noch für eine Rolle? Sie fing an zu lachen.

Cord berührte sie an der Schulter. „Baby, alles ist gut“, murmelte er und nahm sie in die Arme. „Es ist vorbei, wir sind in Sicherheit.“

Susan schmiegte sich an ihn und legte die Arme um seine Taille. Ihr Lachen wurde zu einem Schluchzen, doch als er tröstend auf sie einredete und ihr übers Haar streichelte, beruhigte sie sich langsam.

„Mein Gott, du erfrierst ja“, stellte Cord fest, als sie nicht zu zittern aufhörte. Er nahm die zwei Handtücher vom Rücksitz, die er vorhin eingepackt hatte, und wickelte ihr eins davon um den Kopf. „Zieh dir die Sachen aus“, wies er sie an. „Hinten ist eine Decke, in die du dich wickeln kannst.“ Er stellte die Heizung auf die höchste Stufe.

Susan sah ihn an. „Du musst deine Sachen auch ausziehen, sonst erkältest du dich.“

Er lächelte. „So kalt ist mir nicht, aber ich muss zugeben, dass nasse Jeans verdammt unangenehm sind.“ Er schälte sich aus dem T-Shirt und wrang es aus, bevor er es über das Lenkrad hängte.

Susan knöpfte sich die Bluse auf, während Cord versuchte, seine Stiefel loszuwerden. Als er fertig war, half er ihr, den Rock und die Unterwäsche auszuziehen, dann rubbelte er Susan kräftig ab, bis die Kälte wenigstens ein bisschen nachließ.

Schließlich griff er nach der Decke auf dem Rücksitz, breitete sie über den Sitz und setzte sich darauf, bevor er Susan auf seinen Schoß zog und die Decke wie einen Kokon um sie beide wickelte.

Wohltuende Wärme umgab sie. Susan gab einen glücklichen Seufzer von sich und kuschelte sich an Cord. Plötzlich fühlte sie sich ganz friedlich. Im Augenblick wollte sie nur trocken sein und es warm haben, alles andere konnte bis morgen warten, denn jetzt lag sie in Cords Armen, und das war himmlisch.

Der männliche Duft seiner Haut tröstete und erregte sie gleichzeitig, und sie drängte sich dichter an ihn.

Cord hielt sie fest. „Ich hatte in meinem ganzen Leben noch nie so viel Angst wie heute“, gab er leise zu.

Susan hob den Kopf. „Du?“, fragte sie ungläubig. „Du hattest Angst?“ Das schien ihr kaum möglich. Cord hatte doch Nerven aus Stahl.

„Ich dachte die ganze Zeit, was ist, wenn ich dich nicht mehr festhalten kann? Wenn dich irgendetwas trifft? Wenn dir irgendetwas passiert wäre …“ Finster unterbrach er sich.

„Aber du warst doch genauso in Gefahr.“

Er zuckte die Schultern. Sein eigenes Schicksal schien ihm offenbar egal gewesen zu sein. Vielleicht fürchtete er den eigenen Tod nicht, aber er hatte Angst um sie gehabt … Susan wagte den Gedanken nicht weiterzudenken, sondern drückte Cord einfach an sich.

Er rieb seine stoppelige Wange an ihrer Stirn und verstärkte seinen Griff um sie. „Susan.“

Sie liebte es, zu hören, wie er ihren Namen aussprach. Unbewusst rieb sie ihre Brüste an ihm.

„Hmm?“, murmelte sie abwesend.

„Ich will dich lieben. Möchtest du?“

Allein der Gedanke und das raue Verlangen in seiner Stimme ließen Susan vor Freude erschauern. Sie hob ihren Mund Cord entgegen, der ihn mit zärtlicher Glut eroberte. Lange küsste er sie, ihre Zungen begegneten sich in einem erregenden Spiel, während er ihre Brüste streichelte, bis ihre Knospen hart wurden.

Er hob den Kopf und lachte unsicher. „Ist das ein Ja?“

„Das ist ein Ja.“

In diesem Moment trennte sie nichts mehr, kein Schmerz, keine Meinungsverschiedenheiten. An all das würde sie erst bei Sonnenaufgang wieder denken, bis dahin zählte nur das süße Fieber zwischen ihnen.

Cord war unendlich zärtlich. Mit seinen Küssen und erfahrenen Händen brachte er Susan an den Rand des Höhepunkts, bevor er sich mit ihr auf den Sitz legte.

Lustvoll wand sie sich, und sie stöhnte verlangend, während sie mit geschlossenen Augen den Kopf hin und her warf. Quälend lange saugte Cord an ihren Brüsten und ließ die Zunge abwechselnd um ihre Brustspitzen kreisen. Heiße Erregung durchfuhr sie.

Zärtlich strich er mit dem Mund von ihren Brüsten weiter hinunter zu ihrem Bauch. Sein Bart kitzelte rau über ihre seidenweiche Haut, sodass Susan vor Lust aufstöhnte. An ihrem Nabel verweilte er lange, bevor er weiter zu ihrer intimsten Stelle vordrang.

Ein erstaunter Schrei entrang sich ihr, als Cord sie mit seinem Mund eroberte und in rascher Folge mit der Zunge in sie eindrang, was sie so erregte, dass sie kaum atmen konnte. Susan fuhr mit den Fingern durch sein feuchtes Haar, während diese Lust sie fast verrückt machte. Mit seiner Zunge brachte Cord sie schier um den Verstand, bis sie zum Hö-hepunkt kam. Dann hielt er sie fest, bis sie wieder ruhig in seinen Armen lag.

„Cord?“, fragte sie verunsichert. „Und was ist mit dir?“

„Mir geht’s gut.“ Zärtlich küsste er sie. „Ich möchte nur nicht, dass du etwas machst, was du morgen bereust.“

Seine Rücksicht rührte sie, doch die Lust, die er ihr gerade geschenkt hatte, reichte ihr nicht. Sie wollte ihn in sich spüren. Sanft berührte sie sein Ge sicht.

„Ich will dich“, sagte sie leise. „Alles andere ist mir egal.“

Ein Schauer überlief ihn. Ohne zu zögern legte er sich über sie, schob ihre Beine auseinander und drang mit einem lauten Stöhnen in sie ein. Dabei zitterte er, wie sie es noch nie erlebt hatte. Susan versuchte ihn mit der nachgiebigen Weichheit ihres Körpers zu trösten, aber viel zu früh schrie er seine Befriedigung heraus und sank auf ihr zusammen.

Dann erst wurde ihnen ihre unbequeme Lage bewusst. Während der Hitze ihres Liebesspiels hatten sie es kaum bemerkt, aber jetzt spürten sie den Schaltknüppel, das Lenkrad, die Türgriffe überall. Cord versuchte vergeblich, in eine ordentliche Position zu kommen, ohne sich zu verrenken.

„Hinten hätten wir es bequemer. Ich weiß gar nicht, wieso wir das nicht gleich gemacht haben.“

Nachdem er den Rücksitz nach hinten ausgeklappt hatte, hatten sie bedeutend mehr Platz, auch wenn Cord seine langen Beine immer noch nicht ganz ausstrecken konnte. Susan spürte die Kälte nicht mehr. Sie wickelten sich in die Decke, und Susan schmiegte sich zufrieden an Cord.

„Ich bin so müde“, murmelte sie und unterdrückte ein Gähnen. Sie wollte nicht schlafen, damit sie keine Zeit mit ihm versäumte, aber ihr Körper forderte sein Recht ein. Der Stress der letzten Wochen, die emotionale Anspannung und die Angst, die sie heute erlebt hatte, machten sich nun bemerkbar. Ihre Glieder waren bleischwer, und sie konnte die Augen einfach nicht mehr offen halten.

Wieder gähnte sie und schloss die Augen. Sie legte die Hand auf Cords Brustkorb, wo sie das starke, gleichmäßige Schlagen seines Herzens spüren konnte.

„Ich liebe dich“, sagte sie leise. Wenigstens jetzt, wo Frieden zwischen ihnen herrschte, wollte sie ihren Gefühlen Ausdruck geben.

„Ich weiß“, flüsterte er an ihrer Schläfe und hielt Susan fest, bis sie einschlief.

Das gleichförmige Prasseln des Regens auf das Dach und die Dunkelheit, die sie umgab, schläferten auch ihn ein. Ihm war warm, er war trocken und angenehm zufrieden. Susan lag so weich und zerbrechlich in seinen Armen, dass er sich von Anfang an hatte bemühen müssen, ihr nicht aus Versehen wehzutun.

Als sie heute Nachmittag so geweint hatte, war ihm gewesen, als hätte sie ihm in den Magen geboxt. Es tat ihm leid, dass er schuld an ihren Tränen war. Dabei war er nur wütend gewesen, dass Preston verschwunden war und alles auf sie abgewälzt hatte. Um Susans willen musste diese Geschichte ein Ende haben, und zwar so bald wie mög-lich. Sie war am Ende ihrer Kräfte, physisch und psychisch.

Und sie liebte ihn. Früher hätte ihn so etwas verrückt gemacht, au-ßerdem hatte er kein Interesse an den Verwicklungen, die sich daraus ergaben.

Judiths Tod hatte ihn tief verwundet, und seither hatte er sich instinktiv geschützt, damit ihm das nicht noch einmal passierte … doch dann war Susan gekommen. Sie hatte ohne Weiteres seinen Schutzschild durchbrochen, und weil sie nichts von ihm forderte, konnte er ihr umso mehr geben.

Erst als sie ihm praktisch die Tür gewiesen hatte, hatte er begriffen, wie nahe er ihr bereits stand. Gerade die Einsamkeit, die er früher so geschätzt hatte, konnte er nicht mehr ertragen. Er wollte Susan, die so süß war und nur ihm gehörte.

Jetzt lag sie wieder in seinen Armen. Schläfrig legte er sich bequemer hin, und Susan bewegte sich im Schlaf mit, ohne ihn loszulassen. Lächelnd schlief er ein.

Der nächste Tag begann sonnig und warm und ohne die erstickende Schwüle der letzten Tage. Über dem Wagen, den die Sonne bereits gut aufgeheizt hatte, spannte sich der strahlend blaue Himmel. Es war, als wäre die Natur vorerst mit der Zerstörung zufrieden, die sie angerichtet hat te.

Cord öffnete als Erster die Augen. Susan rührte und streckte sich, dabei rutschte die Decke weg und gab den Blick auf ihren schlanken Kör-per frei, ihre vollen, schönen Brüste mit den rosigen Knospen. In seinen Lenden regte es sich, und er legte Susan eine Hand auf die Hüfte.

„Honey, wir müssen los“, sagte er heiser. „Aber vielleicht …?“

Susan hörte die Frage aus seinen Worten heraus und wandte sich ihm zu. „Ja“, sagte sie schlaftrunken und streckte die Hand nach ihm aus.

Er liebte sie ganz zärtlich, und danach stützte er sich auf einen Ellbogen und sah Susan an. „Bleib bei mir. Geh nicht zurück. Ich werde alles für dich tun.“

Tränen verschleierten ihren Blick, aber sie brachte ein Lächeln zustande. „Ich muss zurück, ich kann nicht einfach allen den Rücken zudrehen, die von mir abhängig sind.“

„Und ich? Wie kannst du mir den Rücken zudrehen?“

Seine Worte trafen sie hart. „Ich liebe dich, aber du brauchst mich nicht. Du willst mich zwar, aber das ist etwas vollkommen anderes. Außerdem bin ich nicht der Typ für eine Mätresse.“ Sie streichelte sein bärtiges Gesicht. Ihre Lippen zitterten. „Bitte, fahr mich jetzt nach Hause.“

Schweigend zogen sie sich ihre feuchten und zerknitterten Sachen wieder an, dann begann eine quälende Fahrt zwischen umgefallenen Bäumen und herabhängenden Spannungsleitungen hindurch. Es waren bereits Reparaturtrupps unterwegs, der Lärm von Kettensägen störte die Morgenstille. Für den Weg von normalerweise fünfzehn Minuten brauchten sie über eine Stunde, bis sie schließlich nach Hause gelangten.

Emily empfing sie an der Tür. „Da seid ihr ja! Meine Güte, wie seht ihr denn aus!“, rief sie entsetzt.

Cord lächelte. „Ich finde, dafür, dass wir den Tornado in einem Straßengraben überstanden haben, sehen wir noch ganz gut aus.“ Dabei schmerzte ihn jeder Muskel. Sanft streichelte er über eine kleine Abschürfung auf Susans Wange.

Emily drängte die beiden ins Haus. „Ihr geht sofort nach oben und nehmt eine heiße Dusche. Zieht eure Kleider aus, damit ich sie waschen kann …“

„Ich muss gleich wieder gehen“, unterbrach Cord sie. „Ich muss nachsehen, ob die Hütte Schaden genommen hat. Aber zu einem Kaffee würde ich nicht Nein sagen.“

Emily brachte ihm eine Tasse Kaffee, die er dankbar austrank. Daraufhin zog er Susan wortlos in seine Arme, um sie tief, fast verzweifelt, zu küssen.

Ihre Augen füllten sich mit Tränen. Am liebsten wäre sie mit Cord gegangen und hätte alles andere vergessen.

„Ruhig, Darling“, tröstete er sie und trocknete ihre Tränen mit den Fingerspitzen. Er nahm ihr Gesicht in beide Hände und schaute ihr in die Augen. „Es kommt alles in Ordnung. Ich verspreche es.“

Sie blieb stumm, und er küsste sie nochmals, bevor er sie freigab. Dann ging er, ohne sich umzudrehen.

Susan konnte ein Schluchzen nicht unterdrücken und lief nach oben. Eigentlich waren tausend Dinge zu tun, aber sie konnte für nichts die Energie aufbringen. Am liebsten hätte sie sich auf dem Bett zusammengerollt und geweint, bis sie nicht mehr konnte. Es war einfach alles zu viel. Mit reiner Willenskraft unterdrückte sie das Weinen und stellte sich lange unter die heiße Dusche. Dann zog sie sich an und ging nach unten, um etwas zu essen.

Es spielte keine Rolle mehr, was sie tat, sie würde die Blackstone Company sowieso nicht vor dem Ruin retten können, egal, ob sie alles bis auf das letzte Hemd verkaufte oder nicht.

Sie setzte sich auf die Terrasse und genoss die Sonnenstrahlen. Spä-ter rief sie Imogene an und teilte ihr mit, dass sie heute nicht ins Büro kommen konnte.

Wahrscheinlich ist es dumm, Cords Vorschlag nicht anzunehmen, dachte sie müde. Sie sollte einfach nicht mehr an morgen denken, an all ihre Verpflichtungen, denen sie immer zuverlässig nachkam. Sie könnte mit Cord gehen und sich mit dem zufriedengeben, was er ihr bot. Jedenfalls war sie ihm nicht gleichgültig. Vielleicht liebte er sie nicht, aber immerhin bemühte er sich um sie.

Sehnsüchtig stellte sie sich vor, wie es wäre, mit ihm um die Welt zu reisen. Für Cord würde sie jede Nacht ihren Kopf auf ein anderes Kissen betten, obwohl sie bisher mit dem Leben in Mississippi zufrieden gewesen war. Es war sowieso nur eine Frage der Zeit, bis es mit ihrem bisherigen Lebensstil vorbei sein würde. Sie hatte versagt, konnte die Anleihe nicht bezahlen.

Als Cord ihren Wagen auch am nächsten Morgen noch nicht gebracht hatte, rief Susan Imogene an, um sich von ihr abholen zu lassen. Sie musste ins Büro, um die letzten Vorkehrungen zu treffen. Mochte das Schiff auch sinken, sie würde es in geordneten Verhältnissen verlassen und selbst im Unglück Haltung bewahren.

Gleichzeitig war Susan sich bitter bewusst, dass sie an beiden Fronten verloren hatte. Statt ihre Familie zu versöhnen, hatte sie den Streit nur verschärft. Cord begehrte sie vielleicht, aber würde er ihr jemals vertrauen? Schließlich hatte sie zu den Blackstones gehalten, obwohl er sie gebeten hatte, sich auf seine Seite zu schlagen. Selbst ihre Über-zeugung, dass Cord im Unrecht war, milderte ihren nagenden Schmerz nicht.

Als Imogene sie am Abend nach Hause fuhr, stand Susans Wagen in der Auffahrt. Enttäuschung machte sich in ihr breit. Warum war Cord nicht gekommen, während sie zu Hause war? Vielleicht mied er sie. Sie starrte den Wagen an, bevor sie sich bei Imogene fürs Mitnehmen bedankte.

Ihre Schwiegermutter tätschelte ihr die Hand. „Kann ich irgendetwas für dich tun?“, fragte sie. „Soll ich vielleicht mal mit Cord reden? Ich weiß, dass du unglücklich bist, und ich habe das Gefühl, es ist alles meine Schuld.“

„Nein, es ist nicht deine Schuld“, wehrte Susan ab und brachte ein Lächeln zustande. „Es ist meine Entscheidung, ich muss eben damit leben.“

Wie immer wartete Emily und tat so, als würde sie die Küche aufräumen, während Susan pflichtbewusst aß. Zufrieden nickte Emily.

„Cord hat angerufen. Ich soll aufpassen, dass Sie genug essen. Sie sind zu dünn, diese Geschichte macht Sie noch ganz krank.“

„Es wird nicht mehr lange dauern“, seufzte Susan. Sie hasste sich dafür, aber sie musste Emily einfach fragen. „Hat er noch etwas gesagt?“

„Er hat erzählt, dass ein Baum umgestürzt ist, aber glücklicher-weise nicht auf die Hütte. Das Dach ist vom Hagel leicht beschädigt, aber ansonsten hat alles den Sturm gut überstanden.“

„Gut.“ Es waren keine persönlichen Nachrichten, doch besser als nichts.

Emily war gerade gegangen, als Imogene anrief.

„Susan, kannst du herkommen?“ Es klang dringend. „Preston ist wieder da, und er hat etwas über Cord herausgefunden.“

„Ich bin sofort da.“

Susan warf den Hörer auf die Gabel und schnappte ihre Handtasche. Etwas über Cord? Ihr Herz zog sich zusammen. Hatte er etwas Illegales getan? Was es auch sein mochte, sie würde ihn irgendwie beschützen. Und wenn Preston etwas gegen Cord unternehmen wollte, würde sie es Cord auf alle Fälle wissen lassen.

Unterwegs schlug ihr das Herz wild in der Brust. Die ganze Zeit hatte sie sehnlich auf Prestons Rückkehr gehofft, aber nun fürchtete sie, dass er versuchen würde, Cord zu schaden.

Preston öffnete ihr die Tür. Erschrocken sah er Susan an. „Mein Gott, du hast ja mindestens zehn Pfund abgenommen. Was hast du denn ge macht?“

Sie wischte seine Bemerkung beiseite. „Das spielt keine Rolle. Was hast du über Cord herausgefunden?“

Er begleitete sie ins Wohnzimmer, wo Imogene bereits wartete. Susan setzte sich. „Ich habe ein wenig Detektivarbeit geleistet, während ich weg war“, begann Preston. „Cord sollte annehmen, ich kneife, und es hat funktioniert. Er muss gedacht haben, er hätte gewonnen, ohne richtig dafür zu kämpfen.“

„Das bezweifle ich“, unterbrach ihn Susan. „Bis vorgestern wusste er nämlich gar nicht, dass du überhaupt weg warst.“

Preston runzelte irritiert die Stirn. „Aber warum das denn? Hast du es ihm nicht gesagt?“

„Das wolltest du wohl, nicht wahr? Du hast alles mir überlassen, weil du dachtest, ich renne schnurstracks zu ihm hin und flehe um Gnade. Genau das hat er dir auch unterstellt, aber ich wollte ihm nicht glauben.“ Anklagend sah sie ihn an.

Preston rutschte unruhig auf seinem Sessel hin und her. „Was sollte ich sonst denken?“, versuchte er zu erklären. „Willst du damit sagen, dass ich die Situation vollkommen falsch eingeschätzt habe?“

„Ich weiß nicht. Ich habe keine Ahnung, wie du sie einschätzt.“ Kühl sah sie ihn an.

Verlegen wandte er sich ab. „Sei’s drum. Ich war in New York und habe mich ein wenig umgehört. Die Preise der Blackstone-Aktien blieben trotz der Gerüchte um die Firma stabil, und ich folgerte daraus, dass jemand sie kaufte. Ich hatte früher schon einen Verdacht, aber ich wollte sichergehen. Cord hat alle Aktien aufgekauft, die auf den freien Markt kamen. Er treibt die Gesellschaft gar nicht in den Ruin, er hat uns nur dazu veranlasst, Aktien zu verkaufen, um sie selbst wieder aufzukaufen. Er bereitet eine Übernahme vor.“

Eine Übernahme! Einen Moment lang war Susan vor den Kopf gestoßen, dann musste sie lachen. Er wollte sich nur die Aktienmehrheit sichern und Preston als Vorsitzenden der Gesellschaft ablösen? Dann war die Blackstone Company ja gar nicht bedroht!

„Eine Übernahme? Er will nur die Aktienmehrheit?“ Lachend klatschte sie in die Hände.

„Ich weiß nicht, was daran so lustig sein soll.“

„Natürlich nicht! Ich war diejenige, die Aktien verkauft hat, um das Geld aufzubringen, mit dem die zweite Anleihe bezahlt werden sollte!“

Imogene wurde blass. „Susan! Dein eigenes Vermögen!“

Preston starrte sie an, dann fluchte er leise. „Susan, wir haben doch darüber gesprochen. Das solltest du nicht tun.“

„Du bist getürmt und hast mich allein in dem Schlamassel sitzen lassen“, bemerkte sie. „Die Gesellschaft stand vor dem Bankrott, ich hatte keine Ahnung, dass das nur ein Spiel war! Die Aktien sind nicht alles, was ich flüssig gemacht habe!“

„Mein Gott, das hast du getan … und er hatte gar nicht die Absicht, die Anleihe einzufordern. Er wollte uns nur panisch machen, damit wir die Aktien verkaufen. Susan, wie viel hast du verkauft?“

„Neun Prozent.“

„Dann hast du noch sechs. Ich habe noch elf Prozent, Mutter auch. Also insgesamt achtundzwanzig Prozent.“

„Wenn diese Übernahme nicht gelingt, kann Cord die Anleihe immer noch einfordern“, meinte Imogene, aber Preston schüttelte entschieden den Kopf.

„Nein, damit würde er seine eigene Einnahmequelle zerstören. Es hat von Anfang an keinen Sinn ergeben, dass er sich selbst finanziellen Schaden zufügt, nur um es mir heimzuzahlen. Als ich dann beobachtete, dass die Aktien sofort aufgekauft wurden, sobald sie auf den Markt kamen, war ich mir fast schon sicher, dass Cord dahintersteckt. Der Kerl hatte von Anfang an etwas ganz anderes als Rache im Sinn.“

„Warum hast du mir das nicht gesagt?“, wollte Susan wissen. „Aber lass nur, ich weiß die Antwort schon. Du hast mir nicht getraut, weil ich mich mit Cord getroffen habe, und Cord hat mir nicht getraut, weil ich dir geholfen habe.“

„Es tut mir leid“, entgegnete Preston leise. „Ich hatte keine Ahnung, dass du es so schwernehmen würdest. Ich schwöre dir, ich ersetze dir alles, was du verkauft hast.“

Susan wischte seine Bemerkung mit einer Handbewegung fort. „Es spielt keine Rolle mehr.“ Jetzt wollte sie das Ganze nur noch hinter sich brin gen.

„Ich habe heute Nachmittag mit Cord gesprochen“, fuhr er fort. „Morgen Vormittag werden wir vier uns treffen und darüber abstimmen, wer die übrigen Aktien auf dem Markt bekommt. Es sieht schlecht für ihn aus. Er kann sich denken, dass das Spiel vorbei ist.“

Es war nur ein Spiel gewesen. Susan konnte es nicht fassen. Nur ein Spiel.

Sie hatte nicht genau gewusst, wer wie viele Anteile hatte. Die Familie besaß einundfünfzig Prozent, je fünfzehn davon Preston, Vance und Imogene. Die restlichen sechs Prozent hatte Susan bei entfernt lebenden Verwandten vermutet, da sie ja von Cords Existenz früher nichts gewusst hatte. Jetzt war ihr klar, wem dieser Teil gehörte.

Preston und Imogene hatten jeweils vier Prozent ihrer Aktien verkauft, um Cord das Geld zurückzuzahlen, das sie ihm schuldeten, das waren schon vierzehn Prozent für ihn. Susan selbst hatte neun Prozent verkauft, also hatte er dreiundzwanzig. Wenn er jetzt sechsundzwanzig hatte, hieß das, er hatte auch von den freien Aktien welche dazugekauft.

Es war alles nur ein Zahlenspiel, sonst nichts. Die Blackstone Company war jetzt sogar stärker als vorher, denn die Familie besaß jetzt insgesamt vierundfünfzig Prozent der Aktien. Alles war bestens.

Jetzt ergaben auch Cords Nachfragen einen Sinn. Er hatte gewusst, dass die Gesellschaft nicht vom Bankrott bedroht war, aber er hatte ihr nicht genügend vertraut, um ihr zu sagen, was los war, genauso wenig wie Preston ihr von seinem Verdacht erzählt hatte. Sie wollte die Vermittlerin sein und war stattdessen nur zwischen die Fronten geraten.

Susan war froh, dass die Sache am nächsten Morgen ein Ende finden würde. Sie war der Spiele müde.