Konfliktsituationen aus dem Berufsleben – und die Lösungsansätze

Auf den folgenden Seiten werden Sie exemplarische Situationen kennenlernen, die so oder ähnlich ständig passieren. Vielleicht wird Ihnen Folgendes durch den Sinn gehen: „Das sind doch lächerliche Situationen, bei mir ist es viel schlimmer, was soll ich nur tun?“ Sollte dies so sein, hier die letzte Übung, mit der Sie versuchen können, einen Lösungsansatz für Ihre Situation zu finden:

Übung: Beobachten Sie wie eine Videokamera

Denken Sie sich eine Videokamera in Ihrem Arbeitsraum und schauen Sie sich am Abend den Film an. Schreiben Sie beobachtend auf, was die Menschen dort tun, wie sie sich verhalten. Versuchen Sie die Situation so neutral und objektiv wie nur möglich zu beschreiben. Legen Sie den Zettel für eine Stunde zur Seite, nehmen Sie ihn wieder zur Hand und lesen Sie ihn erneut.

  1. Welcher Lösungsansatz fällt Ihnen ein?

  2. Wer sollte was tun?

  3. Wer sollte mit wem ein Gespräch führen?

  4. Welche Möglichkeiten sehen Sie nun, den Konflikt zu klären?

Das Zauberwort ist hier „Abstand“ – den man manchmal braucht, um eine Situation klarer zu sehen oder besonnener zu reagieren.

Zickenkrieg – Streit mit der Kollegin

Konkurrenzkampf im Büro

Seit Frau Maurer vor sechs Monaten in das Unternehmen kam, ist sie gleichberechtigte Kollegin von Frau Rüther. Beide Frauen sprechen nur das Nötigste miteinander, obwohl sie im selben Raum sitzen. Herrn Meyer, Vorgesetzter der beiden Frauen, fällt das Verhalten auf und er spricht beide getrennt voneinander auf die Situation an:

Frau Rüther: „Frau Maurer ist nicht zur Teamarbeit fähig. Es finden keine Absprachen statt, sie ist nicht besonders fleißig, ständig mache ich Überstunden, weil sie ihren Aufgaben nicht nachkommt. Ich weiß nicht, warum Sie diese Frau eingestellt haben, mir gegenüber verhält sie sich indiskutabel und zickig.“

Frau Maurer: „Anfangs war Frau Rüther sehr freundlich zu mir, arbeitete mich ein und half mir bei offenen Fragen. Als ich anfing, Verbesserungsvorschläge zu machen, wurde sie zunehmend unfreundlicher. Sie ist schnell beleidigt und fühlt sich angegriffen. Ich habe sie gefragt, ob sie ein Problem mit mir hat, sie meinte, man müsse ja nicht befreundet sein, um miteinander zu arbeiten.“

Lösungsansatz

Beide Frauen stimmen einem Gespräch ohne Vorgesetzten zu. Sie treffen die Absprache, sich ausreden zu lassen, zuzuhören und gemeinsam nach einer Lösung zu suchen. Beide sind sich nicht klar darüber, warum die Stimmung schlecht ist, machen der jeweils anderen Vorwürfe, fühlen sich selbst unschuldig und können nicht verstehen, warum die andere das nicht nachvollziehen kann und für schlechte Stimmung sorgt. Sie entschließen sich, eine Woche ein Protokoll zu führen, in dem sie die Situation schriftlich festhalten, die sie als unangemessen erachten. Nach sieben Tagen treffen sich erneut und lesen sich gegenseitig vor:

Protokoll eines Arbeitstages

Frau Rüther: Dienstag, 08.45 Uhr, wieder kommt Frau Maurer 15 Minuten zu spät.

Frau Maurer: Dienstag, ich betrete das Büro und Frau Maurer würdigt mich trotz meines Grußes keines Blickes.

Frau Rüther: Mittwoch, 11.20 Uhr, Frau Maurer verhält sich zickig, als ich sie bitte, die Unterlagen von Herrn Meyer aus dem benachbarten Büro zu holen.

Frau Maurer: Mittwoch, wieder Botengänge für Frau Rüther gemacht, kann sie nicht selber gehen, bin ich ihre Handlangerin?

In einem anschließenden Gespräch stellt sich heraus, dass Frau Maurer mit ihrem Vorgesetzten bei der Einstellung vereinbarte, dass sie zwischen 08.30 Uhr und 08.45 Uhr im Büro erscheint, wovon Frau Rüther nichts wusste. Frau Rüther hingegen erzählt ihrer Kollegin, dass sie ein Hüftproblem hat und ihr die zwei Stockwerke ins Büro des Vorgesetzten Probleme bereiten.

Sie sehen: Die meisten Konflikte entstehen aus Missverständnissen, Interpretationen und Bewertungen heraus. Aus dieser Falle befreit man sich, wenn man beobachtet, ohne zu werten. „Über seinen Schatten springen“ und die Kollegin ansprechen kann sehr helfen, die Situation zu klären, wenn man damit nicht Jahre wartet.

Büroterror – der Chef ist ein Tyrann

Überforderter Abteilungsleiter?

Vier neue Mitarbeiter in fünf Monaten, zwei Entlassungen in den vergangenen fünf Wochen und der Schwangerschaftsurlaub einer Kollegin bringen Unordnung in die sonst sehr organisierte Abteilung. Das Team ist verunsichert, denn schon seit geraumer Zeit kursieren Gerüchte über weitere Veränderungen, die vielen Mitarbeitern Angst macht.

Und nun verhält sich auch Herr Meyer, der Abteilungsleiter wie von der Tarantel gestochen. Knappe Ansagen, keine Zeit für Gespräche, nichts macht man ihm recht und keiner weiß, woran er ist.

Das Team tauscht sich in den Pausen und nach der Arbeitszeit untereinander aus und man ist sich einig, dass Herr Meyer überfordert ist. Die Stimmung ist angespannt, die Gerüchteküche brodelt und der Spaß an der Arbeit ist längst nicht mehr vorhanden.

Lösungsansatz

Auch eine Führungskraft ist ein Mensch, doch Ängste (zum Beispiel vor Verlust des Arbeitsplatzes) der Mitarbeiter sorgen dafür, dass mit einem Vorgesetzten nicht gerne gestritten wird. Schade, auch für die Führungskraft, der dadurch wunderbare Möglichkeiten entgehen, das Team oder die Abteilung eine positive Entwicklung durchleben zu lassen. Im besten Fall ist ein Chef dankbar, wenn man ihm Rückmeldung über sein Verhalten gibt. Dies sollte, wie auch bei Kollegen, nicht vor versammelter Mannschaft stattfinden, sondern in einem Gespräch unter vier Augen. Und selbstverständlich gelten alle Regeln wie sonst auch: Ruhe, Zeit und nicht zu viele Punkte ansprechen.

Sagen Sie Ihrem Chef, was konkret Sie beobachtet haben. Wenn Sie mögen, senden Sie klare Signale, dass er mit der Unterstützung des Teams rechnen kann, denn jetzt wissen Sie, dass hinter einem „Tyrannen“ manchmal nur ein Mensch steht, der nicht den richtigen Weg findet, mit seinen eigenen Sorgen und/oder Gefühlen umzugehen. Denken Sie daran, dass Interpretationen oft auf eine falsche Fährte führen, die nichts mit der Realität zu tun haben muss. Sorgen Sie vor dem Gespräch für sich, indem Sie beantworten, ob und wenn ja, warum Sie Angst haben, sich mit dem Vorgesetzten zu streiten. Sollte der Konflikt nicht zu lösen sein und arbeiten Sie in einem größeren Unternehmen, können Sie sich an die interne Schlichtungsstelle oder den Chef des Chefs wenden. Dies aber bitte nur, wenn Sie vorher mit einer klaren Aussage das Gespräch gesucht haben.

Stress mit dem faulen Kollegen

Wenn man auch immer allen auf die Zehen treten muss …

Frau Reuter arbeitet seit acht Jahren im Unternehmen Steinbrecher und gilt als freundliche und zuverlässige Mitarbeiterin. Als Assistentin der Geschäftsführung ist es unter anderem ihre Aufgabe, Präsentationen für das donnerstags stattfindende Meeting der Teamleiter vorzubereiten. Dazu ist sie auf deren Informationen zu bestimmten Punkten angewiesen.

Jeden Mittwoch muss sie den Teamleitern hinterherlaufen, sie anrufen und immer wieder um die gewünschten Inhalte betteln. Mehrfach hat sie in den letzten Monaten die Führungskräfte gebeten, sich an die Absprachen zu erinnern und sie einzuhalten, aber ihrer Bitte kommt keiner unaufgefordert nach.

Während des Meetings platzt ihr daher der Kragen: „Mir geht es gehörig auf die Nerven, dass Sie mir die Informationen nicht rechtzeitig zukommen lassen, ich muss jeden Mittwoch Überstunden machen. Ich weiß nicht, wie Sie Ihre Freizeit verbringen, aber ich habe Besseres zu tun, als hier bis in den späten Abend zu sitzen, nur weil ich Ihnen völlig egal bin.“

Die Teamleiter rechtfertigen sich: Jeder von ihnen sei momentan in einer Ausnahmesituation. Da das Unternehmen expandiere, könne es schon mal passieren, dass man Dinge vergisst. Dies sei keine Absicht, aber man könne doch wohl Verständnis erwarten. Außerdem sei dies nun wirklich keine Arbeit, die so viel Zeit in Anspruch nimmt, dass man dafür Überstunden machen müsse. Frau Reuter solle doch mal darüber nachdenken, ob sie das nicht besser machen könne.

Lösungsansatz

In vielen Unternehmen sind die Menschen überlastet und oft wird nicht nur aus einer Mücke ein Elefant gemacht, der dann durch den gesamten Porzellanladen stampft, nein, es werden auch Absprachen nicht eingehalten, Vorwürfe gemacht, sich gerechtfertigt und am Ende hält sich wieder keiner an die erneut getroffenen Vereinbarungen. Der Kreislauf kann nur durchbrochen werden, wenn

  1. jeder vor der eigenen Türe kehrt und seinen Teil der Abmachungen einhält,
  2. Vorwürfe umformuliert werden – teilen Sie die „wahre“ Botschaft mit –,
  3. der Respekt voreinander nicht nur ein Lippenbekenntnis ist.

Konkret kann dies hier Beispiel so aussehen, dass Frau Reuter sich erneut mit den Teamleitern zusammensetzt. Allerdings muss sie vorher erst einmal etwas zur Ruhe kommen. Vielleicht braucht sie auch einen Kanal, auf dem sie ihrer Wut ordentlich Luft machen kann. Als Grundeinstellung für das anstehende Gespräch würde vermutlich ein „Ich will das klären, weil es mir wichtig ist“ vollkommen ausreichen.

Um klar zu signalisieren, wie wichtig ihr dieses Anliegen ist, kann sie durchaus am Ende die Grenze signalisieren und sagen, was sie tun wird, wenn die Abmachung erneut nicht eingehalten wird. Beachten sollte sie, dass sie dies nicht als Erpressungsversuch darstellt, sondern lediglich als eine Maßnahme.

Beobachtung: „Sie haben mir in den vergangenen drei Monaten die Informationen nicht pünktlich zukommen lassen, die ich mittwochs für die Donnerstagsbesprechung benötige. Da mir wichtig ist, dass ich meine Aufgaben hier sehr gut erfülle und gegenüber meinen Vorgesetzten alle Termine einhalte, möchte ich nun mit Ihnen eine Absprache treffen, wie wir das Ganze besser organisieren können.“

Beachten Sie: Ein „Wir“ drückt auch hier wieder Gemeinsamkeit aus, „wir“ ist immer wieder sehr verbindend. Wichtig auch, dass Frau Reuter möglichst an dieser Stelle nicht in die „nie“ und „immer“ Falle tritt, wie z. B. „Nie haben Sie es geschafft.“ Das wäre zwar inhaltlich richtig, würde aber auf der Seite der Teamleiter nur für Widerstand sorgen.

Der Dialog sollte mit einer offenen Frage eröffnet werden: „Wie sehen Sie das?“ Der Teamleiter fühlt sich so zum Gespräch eingeladen und kann seine Sicht der Situation erklären.)

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Verständnis hat auch etwas mit Gelassenheit zu tun, Sollten die Teamleiter erzählen, wie viel Arbeit sie haben etc., wäre es prima, wenn Frau Reuter zuhört. Da es aber keine andere Lösung gibt, als dass die Informationen von A nach B geschickt werden, darf sie diese Ausrede nicht gelten lassen.

Eigenes Interesse: „Daher erneut meine Bitte, mir die Informationen zu senden, sodass ich für uns die Unterlagen gut vorbereiten kann. Mein Vorschlag ist daher, dass ich Informationen von Ihnen bis spätestens mittwochs 13.00 Uhr erhalte. Was halten Sie davon?“

Frau Reuter sollte die Teamleiter erzählen lassen, was sie darüber denken, vielleicht auch aufmerksam sein, ob es noch alternative Lösungen gibt.

„Sollte ich die Unterlagen nicht bis 13.00 Uhr erhalten, kann ich sie leider nicht mehr in die Präsentation aufnehmen.“

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Bitte beachten Sie: Eine Maßnahme ist keine Erpressung. Voraussetzung ist daher, dass Frau Reuter den letzten Punkt im Fall der Fälle auch wirklich umsetzt, und nicht nur etwas sagt, weil sie eine Klärung möchte, die in Wirklichkeit keine ist. Wenn Frau Reuter möchte, kann sie die Vereinbarung noch einmal schriftlich festhalten und per E-Mail versenden.

Auf den Punkt gebracht

  1. Beobachtungen – ohne Bewertungen – rechtzeitig ausgesprochen und geklärt, verhindern die Eskalation von Missverständnissen.
  2. Vermeiden Sie Vorwürfe. „Sie haben das falsch gemacht“ kann nicht zu einem Dialog führen, sondern lediglich in eine Rechtfertigung des Gegenübers.
  3. Wenn Absprachen in der Vergangenheit nicht eingehalten wurden und Sie Grenzen setzen wollen, ohne dass dies eine Erpressung ist, dann formulieren Sie diese klar und deutlich, mit dem dahinter liegenden Interesse. Achten Sie jedoch darauf, dass Sie die eigene Regel auch einhalten, sonst sind diese Aussagen in Zukunft nicht mehr glaubwürdig.
  4. Bei Gesprächen mit Vorgesetzten gelten die gleichen Regeln wie mit Kollegen. Machen Sie sich vorher klar, was Sie erreichen wollen, was Ihr Anliegen ist. Der Chef des Chefs oder interne Schlichtungsstellen erst in Anspruch nehmen, wenn das direkte Gespräch gesucht wurde und es keine Möglichkeiten des direkten Dialoges gibt.