Streiten Sie doch!

Sofern Sie wirklich streiten wollen – und erst dann lohnt sich die Beschäftigung mit den folgenden Schritten –, kann gut ausgetragener Streit wunderbar sein, denn nicht viele Situationen bergen so viel Potenzial: für sich, alle beteiligten Menschen, das Team, ganze Abteilungen und Unternehmen. Richtiges Streiten ist nicht einfach eine Technik, sondern eine Einstellung, die, gemeinsam mit der richtigen Gesprächsführung, ganz wunderbare Lösungen zum Vorschein bringt. Erst wenn die eigene Einstellung, Glaubenssätze und Ängste sichtbar sind, ist dies die beste Basis, damit in Zukunft anders und besser gestritten werden kann. Das heißt nicht, dass Ängste und Glaubenssätze nicht mehr vorhanden sind, sondern dass alle Beteiligten gelernt haben, sich nicht mehr von ihnen lähmen zu lassen,

Die wichtigste Person in einem Konflikt sind Sie – und nachdem Sie sich genügend Aufmerksamkeit geschenkt haben, geht es nun direkt ans „Eingemachte“. Wenn Sie in Zukunft Ihr Verhalten optimieren möchten, hier der Tipp, der gar nicht oft genug wiederholt werden kann:

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Fangen Sie bei kleinen Situationen an, vielleicht auch außerhalb des Büros, und beobachten Sie die Reaktionen Ihres Umfeldes.

Je unbekannter Ihnen diese Reaktionen erscheinen, desto größer ist die Wahrscheinlichkeit, dass Sie sich bereits anders verhalten. Wie gefallen Ihnen die Reaktionen? Halten Sie so viel, wie es Ihnen möglich ist, schriftlich fest, damit Sie später auf diese Erfahrung zurückgreifen können – für den Fall, dass Sie nicht mehr an diese Situation denken. Am Anfang des Buches konnten Sie lesen, wie die eine Seite der Konfliktmedaille definiert ist, hier nun weitere Blicke auf die andere Seite, der viel Positives abzugewinnen ist:

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In gute Dialoge investiert man Zeit, in die schlechten nur Nerven!

Diese Punkte sollten Sie generell beachten, wenn Sie ein Konfliktgespräch führen wollen:

  1. Wenn möglich, führen Sie das Gespräch immer unter vier Augen, bzw. nur mit den Personen, die beteiligt sind. Publikum ist nicht erwünscht, womit klar ist, dass dieses Treffen weder in der Kantine noch auf dem Flur stattfinden sollte. Was aber manchmal wahre Wunder wirken kann, ist ein Ortswechsel: Ein gemeinsamer Spaziergang hat schon so manche Streithähne in Frieden zurückkehren lassen. Wenn ein persönliches Treffen nicht möglich ist, greifen Sie zum Telefonhörer. Die schriftliche Kommunikation, z. B. E-Mails, sollten Sie, wenn möglich, komplett meiden, dies führt meistens nur zu noch mehr Missverständnissen und Interpretationsfallen.
  2. Vereinbaren Sie mit Ihrem Gesprächspartner einen Termin und kündigen an, worüber Sie sprechen möchten. So haben nicht nur alle die Möglichkeit, sich auf das Gespräch vorzubereiten, sondern können sich auch Zeit und Ruhe nehmen.
  3. Lassen Sie das Gespräch während der normalen Arbeitszeit stattfinden, die Abendstunden sollten möglichst nicht für diese Art von Gesprächen genutzt werden.
  4. Bereiten Sie sich auf das Gespräch vor: Was ist das Problem, was wollen Sie klären, welche Punkte müssen unbedingt besprochen werden? Achten Sie darauf, dass die Agenda übersichtlich bleibt. Zu viele Punkte in einem angespannten Dialog sorgen nur für zusätzliche Verwirrung.
  5. Nehmen Sie eine positive Grundhaltung ein: Vielleicht haben Sie sich schon das ein oder andere Wortgefecht geliefert, die ersten Vorwürfe sind bereits gefallen und die Stimmung ist nicht mehr ganz so gut. Konzentrieren Sie sich – und je kleiner die Streitsituation, desto besser ist das möglich – auf das Wesentliche, den Kern. Lassen Sie spitzfindige Bemerkungen möglichst an ihnen vorbeifliegen, während Sie selbst bei sich darauf achten, diese nicht zu senden. In eine gute Grundstimmung mit Ihrem Gegenüber kommen Sie vielleicht auch, wenn Sie sich kurz vor dem Gespräch erinnern, was Ihnen an der Person gefällt, was Sie bisher an der Zusammenarbeit besonders gut fanden. Wenn Sie mögen, können Sie dies selbstverständlich auch der Person zum Einstieg in das Gespräch sagen, jedoch: Machen Sie das wirklich nur, wenn es ehrlich gemeint ist. Wenn Sie in einer Streitsituation loben, nur um gute Stimmung zu verbreiten, merkt Ihr Gegenüber das meistens nicht nur sofort, sondern das ist auch Manipulation. Und selbst wenn dieses Verhalten kurzfristig leichter zu sein scheint, ist es weder ehrlich noch hat es etwas mit guter Kommunikation zu tun. Verzichten Sie auf Spielchen – das führt langfristig nicht ans Ziel.
  6. Ruhe. Sorgen Sie dafür, dass Sie in einer ruhigen Grundstimmung sind, selbst wenn Sie innerlich aufgewühlt sind. Vieles ist zu klären und da Sie das Gespräch führen wollen und den Dialog suchen, sind Sie doch auf einem sehr guten Weg!
  7. Wortspiele. Andeutungen, Verallgemeinerungen, Umden-heißen-Brei-Herumreden, Schluss damit. Die Karten gehören auf den Tisch: respektvoll, oberhalb der Gürtellinie, mit Beobachtungen, ohne Interpretationen, ohne Drohungen oder Manipulation.
  8. Ihr Gegenüber. Vielleicht hat sich die Person noch nicht so sehr mit dem Thema Konflikte beschäftigt wie Sie, ist gefangen im Vorwurfsdrama oder im eigenen Gefühlschaos. Wo auch immer Sie können, versuchen Sie tolerant zu sein, ohne dabei Ihre eigene Grenze überschreiten zu lassen. Mit der Zeit werden Sie ein immer besseres Gespür für sich bekommen, was Ihnen wichtig ist. Vertrauen Sie sich. Dies gelingt umso besser, je mehr Sie sich vorab Zeit für sich selbst genommen haben.
  9. Bleiben Sie in der Gegenwart. Je aktueller der Konflikt, desto leichter ist es, ihn zu klären – daher immer wieder: Klären Sie, so schnell es geht. Die Situation vor sechs Monaten sollte nur angesprochen werden, wenn sie wirklich direkten Einfluss auf den aktuellen Zustand hat.

Bei einem Konfliktgespräch gibt es einige Punkte, an denen ein Dialog – wenn er nicht mit Moderator geführt wird – immer wieder scheitert. Hier die wichtigsten auf einen Blick. Achten Sie darauf, dass sie von allen Anwesenden eingehalten werden:

  1. Unterbrechungen: Vereinbaren Sie mit Ihrem Gesprächspartner, dass Sie sich gegenseitig ausreden lassen und nicht unterbrechen. Eine Regel, die eigentlich normal sein sollte, besonders im Streit jedoch kaum Beachtung findet.
  2. Zuhören: Je ruhiger Sie selbst sind, desto präsenter können Sie sein, was auch bedeutet, dass Sie Ihrem Gegenüber zuhören können.
  3. Vorwürfe und Schuldzuweisungen: Sehr beliebt, sich gegenseitig zu erklären, wer genau nun an dieser Situation die Schuld trägt und wer welche Fehler gemacht hat. Halten Sie solche Aussagen möglichst in Grenzen – im besten Fall verzichten Sie ganz darauf.
  4. „Immer“, „dauernd“ und „ständig“ sind gern gewählte Begriffe, die verallgemeinern oder dem Gegenüber klar machen sollen, dass er „nie“ etwas richtig macht und „endlich“ mal richtig arbeiten soll. Behalten Sie diese Gedanken lieber für sich, damit die Situation nicht eskaliert.

Was ist hier los?

„Irgendwie komische Stimmung“ oder „Keine Ahnung, was mein Kollege hat“ sind erste Gedanken, die Sie bemerken werden. Weiter geht es zum Beispiel mit: „Seit Tagen ist Herr Franz schon komisch und beachtet mich nicht“ oder „Ich habe keine Ahnung, warum unsere Zusammenarbeit plötzlich so schwierig ist, früher war das anders“. Mit dem, was Sie bereits gelesen haben, wissen Sie nun, dass es sein kann, dass sich hier Situationen anbahnen, die schwierig werden können.

Freuen Sie sich in Zukunft, wenn Sie diese kleinen Anzeichen erkennen und bereit sind, sich der Situation zu stellen. Damit tragen Sie zu einem erheblichen Teil zu einer guten Stimmung im Team oder in der Abteilung bei, machen Sie sich das bewusst! Sie sind kein Bösewicht, der auf der Suche nach Fehlern und Schuldigen ist, sondern sorgen durch konstruktive und frühzeitige Klärung dafür, dass Chancen für die gemeinsame Weiterentwicklung genutzt werden. Die beste aller Möglichkeiten um den Dialog zu starten ist:

Fragen stellen, um Antworten zu bekommen

Es ist eine Sache, dem Gegenüber Fragen zu stellen, in dem Glauben, man wisse die Antworten bereits und signalisiere auf diesem Weg Kommunikationsbereitschaft. Es ist eine andere Sache, interessiert Fragen zu stellen und neugierig auf die Antworten zu sein. Das eine nennt man Taktik, das andere Offenheit und die Fähigkeit zum Dialog.

Sofern Sie sich um sich selbst gekümmert haben und dies auch weiterhin tun, werden Sie damit keine Probleme haben. In Kombination mit der Tatsache, dass es nur eine kleine Störsituation ist, sollten Sie auch keine Schwierigkeiten haben, Ihrem Gesprächspartner zuzuhören zu können. Fragen eröffnen den Dialog, fördern eine Beziehung und erzeugen beim Gegenüber meistens das Gefühl, beachtet zu werden und Gehör zu finden. Gute Fragen zeichnen sich u. a. durch folgende Punkte aus:

  1. Frageform: Besonders in Konfliktsituationen ist es hilfreich, offene Fragen zu stellen, damit Sie möglichst viele Informationen erhalten, im besten Fall auch die, die der Gesprächspartner bisher unerwähnt gelassen hat, weil er sie z. B. als selbstverständlich erachtet hat. Offene Fragen werden auch die „W-Fragen“ genannt, daher starten sie immer mit „Wie, was, wann, wieso, weshalb oder welche“. „Welche Vorteile sehen Sie in diesem Vorgehen?“ oder „Weshalb ist es für Sie wichtig, dass wir dieses Projekt so umsetzen?“ sind eröffnende Fragen, mit denen Sie Bereitschaft zur Lösung signalisieren und gleichzeitig Informationen erhalten. Hinterfragen Sie, ob das, was Sie gehört haben, auch wirklich stimmt: „Herr Kollege, bei mir ist angekommen, dass Sie unzufrieden mit unserer Zusammenarbeit sind, ist das richtig?“
  2. Wenn Sie Zusammenhänge nicht verstehen, bitten Sie Ihr Gegenüber, diese zu wiederholen.
  3. Fassen Sie zusammen, was bei Ihnen angekommen ist und fragen Sie nach, ob dies so richtig ist.

Fragen öffnen meistens Türen, in jeder Situation, besonders wenn es droht, brenzlig zu werden, sicher, wenn die Streitsituation noch klein ist.

In vier Schritten die Karten auf den Tisch legen

Herzlichen Glückwunsch! Sie sitzen mit Ihrem Konfliktpartner an einem Tisch, haben sich beide Zeit genommen, sind positiv gestimmt und nun heißt es: Farbe bekennen. Damit das richtig gut klappt, ist meine Empfehlung:

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Gehen Sie den Weg der kleinen Schritte.

Der ist nicht immer beliebt, aber besonders am Anfang ist er relativ sicher. Ein weiterer Vorteil ist, dass schnell festgestellt werden kann, an welchem Punkt der Dialog hakt, den man dann anders bzw. neu aufrollen sollte.

  1. Beobachtung: „Herr Meyer, ich habe festgestellt, dass wir beide in den letzten zwei Wochen zunehmend in unsere Projekte eingespannt waren. Dadurch hat sich unsere schriftliche Kommunikation erhöht, aber unsere Gespräche sind weniger geworden. Dies bedaure ich, da ich den persönlichen Austausch mit Ihnen sehr schätze.“
  2. Dialog eröffnen: „Wie sehen Sie das?“ (Offene Frage, Herr Meyer fühlt sich zum Dialog eingeladen.)
  3. Eigenes Interesse: „Die fehlenden Gespräche mit Ihnen haben mir gezeigt, dass ich nicht mehr darüber informiert bin, wie der Stand im Projekt X ist. Das hat bei mir nicht nur zu großer Verunsicherung geführt, sondern auch dazu, dass ich Herrn Schulz gestern keine Auskunft geben konnte, als er von mir einen Zwischenbericht wollte. Das war mir sehr unangenehm.“
  4. Dialog ermöglichen: „Können Sie das nachvollziehen und verstehen Sie meine Situation?“ (Der Gesprächspartner bekommt hier erneut die Möglichkeit, seine Sicht darzustellen.)
  5. Ziel und Lösungsvorschlag: „Mein Wunsch ist es daher, dass ich trotz des erhöhten Arbeitsaufkommens bei uns beiden, auf dem aktuellen Stand bleiben möchte. Eine meiner Lösungsideen ist daher, dass wir uns mittwochs um 08.30 Uhr zu einer kurzen Besprechung in Ihrem oder meinem Büro treffen.“
  6. Dialog ermöglichen: „Was halten Sie davon?“

Wenn Sie nun denken „So einfach ist das aber in Wirklichkeit nicht“, dann liegt das vermutlich daran, dass Sie es noch nicht ausprobiert haben. Im letzten Kapitel des Buches lesen Sie weitere Beispiele, bei denen das Gespräch zunächst nicht ganz so vorbildlich läuft wie hier, da die Eskalation schon weiter fortgeschritten ist.

Aber in der Tat kann es so leicht sein! Ein wenig Übung vorausgesetzt, besonders aber den Willen, den Konflikt zu klären. Und wenn im besten Fall der Gesprächspartner das auch noch so sieht, kann die Zusammenarbeit bald wieder gut sein.

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Um Ihrem Gegenüber zu signalisieren, dass es um eine Konfliktklärung geht und nicht um die Suche eines Schuldigen, nutzen Sie zum Beispiel folgende Worte, die verbinden: „wir“, „uns/unsere“, „gemeinsam“ oder „zusammen“.

Das Grundgerüst eines Konfliktdialogs ist zusammengefasst:

Grundgerüst eines Konfliktdialogs

  1. Beobachtung
  2. Interesse
  3. Ziel
  4. Lösungsvorschlag

Zwischen den einzelnen Schritten: offene und „verbindende“ Fragen, wie zum Beispiel:

  1. Was halten Sie davon?
  2. Wie ist Ihre Meinung dazu?
  3. Ist dies auch in Ihrem Sinne?
  4. Gibt es andere Lösungen, die Ihnen lieber sind?
  5. Welche Alternativen fallen Ihnen ein?

Wer fragt, der führt. Wenig wirkt schlichtender, konstruktiver und auf die Gegenseite entspannender als Fragen, die aus einem ehrlichen Interesse heraus gestellt werden, deren Antworten verstanden und in die eigenen Gedanken und Lösungen eingeflochten werden.

Stellen Sie sich umgekehrt vor, wenn Sie, wenig gesprächsbereit, von Ihrem Gegenüber ehrlich nach Ihrer Meinung, Bedürfnissen, Lösungen und Vorschlägen gefragt werden. Sie, und damit auch Ihre Antworten und Sichtweisen, werden entspannter und gelassener, was in Streitsituationen die beste Einleitung für eine gemeinsam gefundene Klärung ist.

Ich-Formulierungen, Tonfall und andere Kleinigkeiten

Oft wird geraten, in einem Streit die „Ich-Formulierung“ zu nutzen. Statt „Sie haben einen Fehler gemacht!“ lieber „Ich stimme mit Ihrer Vorgehensweise nicht überein“. Klingt perfekt auf dem Papier und ist es auch in der Realität, wenn Sie es so meinen, empfinden und es nicht als Technik nutzen.

Und hier beißt sich nun die Katze in den Schwanz: Solange Sie Ratgeber zum Thema Konflikte lesen, die Tipps und Regeln befolgen, diese aber nicht das sind, was Sie wirklich meinen und zum Ausdruck bringen wollen, werden Sie weder richtig streiten können, noch kauft Ihnen Ihr Gegenüber Ihre Aussagen ab. Menschen haben ein feines Gespür, wann das Gegenüber echt kommuniziert, genau dies sollte man auch nutzen! Bei einem richtigen Streit geht es nicht um Technik, die lediglich zur Manipulation unseres Gegenübers dient, sondern um das Vertreten einer Haltung und das Äußern der eigenen Meinung. Und ja, man tut sich und der Streitsituation sehr sicher einen Gefallen, wenn man sagt: „Ich bin sauer“ oder „Ich ärgere mich, dass wir das Projekt jetzt verloren haben“, aber im Notfall gilt immer:

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Klarheit vor Schönheit!

Stabile Arbeitsbeziehungen zu Kollegen und Vorgesetzten halten es aus, wenn man seinem Ärger Luft macht, mit der Einschränkung, dass man oberhalb der Gürtellinie bleibt. Ein „Das ist doch Mist, dass wir hier nicht auf einen Nenner kommen“ oder „Es ist nervig, dass wir uns ständig im Kreis drehen“ bricht keinem das Genick.

Aber wo genau ist denn die Gürtellinie? Sicher darunter landen Sie mit Äußerungen wie „Sie sind ein Idiot!“, „Nie machen Sie etwas richtig!“ oder „Können Sie noch etwas anderes außer Fehler machen?“. Sätze dieser Art dienen lediglich dazu, den anderen in die Ecke zu drängen oder ihn bloßzustellen.

Sie sehen, es ist ein schmaler Weg zwischen der Äußerung von Wut und Beleidigungen. Schauen Sie auf vergangene Konfliktsituationen und überlegen Sie, wie Sie bisher reagiert haben.

Im Prinzip gibt es zwei Typen. Die einen machen sich schnell Luft, die anderen fressen alles in sich hinein:

Gehören Sie zu dem Typ, der schnell seiner Meinung und Wut Ausdruck verleiht, und haben die Erfahrung gemacht, dass dies für eine Konfliktsituation nicht besonders hilfreich ist? Wenn Sie dies ändern wollen, überlegen Sie sich Mechanismen, die Sie in dem Moment stoppen. Im Kapitel „Der Konflikt ist das Symptom – was steht dahinter?“ finden Sie weitere Tipps. Hier eine kleine Auswahl – sicher fallen Ihnen dabei weitere Punkte ein, notieren Sie sich diese.

  1. Bitten Sie um eine Auszeit. Ein Satz wie „Ich möchte darüber nachdenken, verschieben wir bitte das Thema auf (nennen Sie einen konkreten Termin), ist das in Ordnung für Sie?“ kann dies einleiten.
  2. Wenn Sie nur ein paar Minuten Bedenkzeit benötigen, sagen Sie dies Ihrem Gegenüber und gehen z. B. auf die Toilette, um sich die Hände zu waschen, an die frische Luft oder machen etwas, was Ihnen ermöglicht, sich zu sammeln und zur Ruhe zu kommen.

Wenn Sie eher zu den Menschen zählen, die immer „richtig“ handeln wollen und Emotionen gerne außen vor lassen bzw. sie lieber nicht zeigen, gleichzeitig aber merken, dass Sie auf Dauer den Kürzeren ziehen:

  1. Denken Sie an vergangene Konfliktsituationen und überlegen Sie sich, was Sie davon abhält, ein wenig mehr von sich preiszugeben. Was befürchten Sie? (Die Kapitel „Ohne Konflikte geht es nicht“ und „Der Konflikt ist das Symptom – was steht dahinter?“ sind hierbei eine Gedankenstütze.)
  2. Kommunikation sollte immer stimmig sein, erst dann können gute Ergebnisse erzielt werden. Notieren Sie sich, was Sie Ihrem Kollegen gerne wirklich sagen würden.

Vorwürfe sind versteckte Botschaften!

„Sie sind diese Woche jeden Tag eine halbe Stunde zu spät im Büro erschienen!“ oder „Sind Sie sicher, dass Sie in diesem Unternehmen richtig sind?“ sind Aussagen, die zwar Ihrem Gefühl entsprechen mögen, doch im Dialog dienen sie lediglich dazu, die Emotionen hochzuschaukeln, ohne dass eine Lösung erzielt wird.

Sagen Sie doch direkt, was Sie wirklich meinen: „Ich möchte, dass Sie pünktlich zur Arbeit erscheinen, weil es mir wichtig ist, dass wir bis Büroschluss unsere Aufgaben erledigt haben“ oder „Mein Eindruck ist, dass wir noch genauer über Ihre Aufgaben hier im Unternehmen sprechen sollten, wann haben Sie Zeit für ein Gespräch?“. Vorwürfe sind ideale Hinweise auf unsere Gedanken und Eindrücke, wenn man sie erkennt und in eine klare Sprache umwandelt. Denn hinter einem Vorwurf steht immer ein unerfülltes Bedürfnis und dieses direkt und klar zu formulieren macht es oft für den Konfliktpartner sehr viel leichter, auf uns einzugehen. Um dies zu erreichen, bedarf es jedoch der eigenen Klarheit über das, was man wirklich sagen möchte. Die andere Seite:

Wenn Sie einen Vorwurf hören und nicht direkt mit dem Gegenangriff starten wollen, überlegen Sie sich, was Ihr Gesprächspartner Ihnen wirklich sagen möchte. Die optimale Reaktion ist an dieser Stelle: „Sie sind gerade richtig sauer, weil Sie das Gefühl haben, dass ich Sie nicht unterstütze, richtig?“ Ihr Gegenüber wird Ihnen vermutlich zustimmen und sich gleichzeitig verstanden fühlen, somit kann der Dialog in Ruhe weitergeführt werden.

Wut und Ärger im Berufsleben zu äußern ist absolut in Ordnung, solange die Dosierung stimmt. Gefühle dienen auch dazu, klar zu signalisieren, was uns wichtig ist und wo die eigene Grenze überschritten wurde. Sie sind Leitplanken im täglichen Miteinander, sofern man sie ernst nimmt, dazu steht und die richtige Formulierung findet, die dem Gesprächspartner klar macht, worum es einem wirklich geht.

Die Schuldfrage

Wer war es denn nun, der die Informationen nicht an alle Empfänger schickte? Wer hat vergessen, den Kollegen zu informieren, dass die Besprechung um 15.00 Uhr statt 16.00 Uhr anfängt? Und wer hat es wieder mal verschusselt, der Personalabteilung die Urlaubsdaten zu mailen?

Auf der Suche nach einem Schuldigen fühlen sich Menschen wohl. Schließlich wurde ein Fehler gemacht, was eine Bestrafung zur Folge haben muss – und im besten Fall ist der Kollege betroffen, der bereits vor zwei Monaten den Termin verschlampt hat. Menschen auf der Suche nach einem Schuldigen sind erfinderisch: „Ist es nicht merkwürdig, dass ausgerechnet Herr Meyer nun die Abteilung wechselt, nachdem er doch so viel falsch gemacht hat in den letzten Wochen? Vermutlich wird er nicht mehr lange im Unternehmen bleiben, das hält doch keiner lange mit ihm aus, schließlich war auch er es, der …“. Fehler in Verbindung mit aufkeimenden Gerüchten – schon ist nicht nur endlich der Schuldige gefunden, sondern man kann seinem – vielleicht berechtigten (schließlich wurden Fehler gemacht) – Unmut freien Lauf lassen. In Abteilungen oder Teams, in denen so gesprochen wird, kann man vermutlich nur froh sein, wenn nicht bekannt wird, dass man letzte Woche selbst vergessen hat, die Mappe an den Kollegen weiterzuleiten, aber das war nur ein Versehen.

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Lassen Sie die Schuldfrage wo sie hingehört: im Mülleimer. Es bringt nichts, ihn zu durchwühlen, außer weiteren Dreck.

Die andere Seite: Wenn andere Menschen sich in Streitsituationen auf die „Wer hat den Fehler gemacht?“-Suche begeben, fragen Sie doch mal nach, wem es nutzt. Die Antworten können einen guten Einstieg bieten, um dem wahren Problem auf die Spur zu kommen, das vermutlich noch in einer Ecke steht und nicht beachtet wird.

Es passiert leider auch immer wieder, dass sogenannte Killerphrasen benutzt werden: „Das bringt doch alles nichts“, „Das ist reine Theorie, das funktioniert in der Praxis niemals“ oder „Reden bringt nun auch nichts mehr“ ist schnell daher gesagt, besonders wenn die Gegenseite vielleicht Angst vor Konflikten hat. Nicht selten sind diese Sätze aber auch erlernte Reaktionen, über die sich derjenige, der sie zeigt, keine Gedanken mehr macht.

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Wichtig: Lassen Sie sich möglichst nicht in die Ecke drängen, eine Verteidigung ist sinnlos und gibt nur noch mehr Zündstoff.

Hier die besten Möglichkeiten, um zu reagieren:

  1. Hinterfragen Sie: „Herr Müller, welche Argumente benötigen Sie, damit Sie meinen Vorschlag überdenken?“
  2. Weitere Argumente: „Herr Schmidt, nachdem Ihnen die Vorteile A, B und C nicht reichen, erklären Sie mir doch bitte, wann die Lösungen Ihrer Meinung nach zu realisieren sind!“
  3. Ignorieren: Nicht leicht, aber wenn Ihr Gegenüber nach der dritten Floskel versteht, dass Sie nicht reagieren, wird er meistens aufhören – Sie müssen nur lange genug ignorieren.

Hören Sie hin, sonst macht der andere zu

Richtiges Hinhören kann geübt werden und ist besonders in Konfliktsituationen ein sehr wichtiger Schlüssel zur Lösung, allerdings auch die Königsdisziplin.

Zunächst ist es sehr wichtig, dass Sie selbst zur Ruhe kommen, denn Zuhören beinhaltet die Bereitschaft, sich völlig auf das Gegenüber einzulassen. Im Kapitel „Die wichtigste Person in einem Konflikt“ haben Sie überlegt, was Sie brauchen, vielleicht fallen Ihnen in diesem Zusammenhang noch weitere Punkte ein.

Zuhören heißt auch: Eigene Gedanken, Interpretationen, Gefühle, Erfahrungen und Glaubenssätze stehen nicht zur Debatte und bleiben außen vor. Vorwürfe werden als solche nicht gehört, sondern hinterfragt und man begibt sich für eine Zeit komplett auf den Stuhl des Redenden. Aktives Zuhören bedeutet auch, dass Sie den anderen reden lassen. Wem je richtig zugehört wurde, weiß, welches Geschenk man in diesen Minuten erhält, wer bereit ist, selbst zu schenken, sollte folgende Punkte beachten.

  1. Reden lassen! Lassen Sie Ihr Gegenüber sprechen, sich verbal verlaufen, von A nach U kommen, sich im Kreis drehen und wieder zurück zum Start gehen. Zuhören heißt manchmal nichts anderes, als den Raum zu schaffen, damit der andere Gedanken und Gefühle laut äußern kann, ohne verurteilt oder angegriffen zu werden.
  2. Fragen: Hinterfragen Sie Worte oder Aussagen. „Ich habe alles unternommen, aber ich hatte nicht den Eindruck, dass Sie mich verstehen.“ „Was genau meinen Sie mit ‚alles‘?“ Bauen Sie Ihrem Gegenüber Brücken der Verständigung und des Verstehens.
  3. Augen verdrehen, abwertende Gesten und nervöse Bewegungen auf dem Stuhl sind fehl am Platz. Körpersprache kann verräterisch sein. Zuhören ist kein Mittel zum Zweck, es dient als Mosaikstein auf dem Weg zur konstruktiven Konfliktlösung. Wenn Sie ihn nutzen, dann aus einem ehrlichen Interesse heraus. Stellen Sie sicher, dass Ihr Körper das aussagt, was Sie vermitteln möchten.
  4. Nehmen Sie sich Zeit: Gutes Zuhören findet in einem entspannten Rahmen statt, was auch den Zeitrahmen betrifft. Ist dieser momentan nicht gegeben, verabreden Sie sich zu einem späteren Zeitpunkt.
  5. Pausen und Ruhe: Ihr Gegenüber öffnet sich und Sie werden merken, wie nach einer gewissen Zeit häufiger Pausen eintreten. Zum einen, weil dies ein Zeichen dafür sein kann, dass die Anspannung nun raus ist, aber auch weil man diese Pausen benötigt, um nachzudenken – im besten Fall, weil zum Beispiel die richtigen Fragen gestellt wurden! Halten Sie diese Ruhe aus und reden Sie nicht dazwischen. Pausen im Gespräch können sehr gute Zeichen sein, dass der Lösungsweg eingeschlagen wurde.
  6. Der eigene Redeanteil: Sie sind Zuhörer und damit ist der eigene Redeanteil gering. Fassen Sie sich kurz, wenn Sie reden.
  7. Zuhören bedeutet, dass man die Meinung des Gegenübers respektiert. Es heißt nicht, dass man sie akzeptiert. Einspruch und Widerworte sind daher nicht angebracht.
  8. Haben Sie Geduld! Ihr Gegenüber wird sich vielleicht wiederholen oder in Widersprüche verstricken. Unterstellen Sie keine bösen Absichten, sondern gehen Sie davon aus, dass viele Menschen es nicht gewohnt sind, „laut zu denken“. Und nichts anderes macht man, wenn wir einem Menschen gegenübersitzen, der uns seine Aufmerksamkeit und Zeit schenkt: Es wird ungefiltert nachgedacht. Nehmen Sie es als Kompliment, wenn Sie es schaffen, dass andere Menschen sich öffnen.
  9. Vertraulichkeit: Gute Zuhörer sind Geheimnisträger, denn nicht selten kommt es vor, dass andere ihr Innerstes in das Gespräch tragen. Es ist selbstverständlich, dass keine Informationen nach außen gelangen.

Wer gut zuhören kann, leistet einen enorm großen Beitrag zu einer konstruktiven Konfliktklärung – nutzen Sie dieses Mittel.

Betreten Sie jedoch dabei bitte nicht folgende Fallen:

  1. Missbrauch des Gehörten: Was Sie hören, ist nur für Ihre Ohren bestimmt und darf auf keinen Fall benutzt werden, um den Konfliktpartner zu manipulieren.
  2. Vertrauen missbrauchen: Täuschen Sie kein Interesse vor und verwenden dann die Äußerungen Ihres Gegenübers gegen ihn.
  3. Lösungssuche: Zuhören dient besonders dazu, eine gemeinsame Basis zu finden, ein Miteinander zu fördern. Nicht zwingend ist erforderlich, dass es hier direkt eine Lösung für das Problem gibt.

Fragen, fragen, fragen

Konflikte sind oft geprägt von Missverständnissen, Interpretationen und dem Glauben, man wisse, was der andere wolle. Sofern man den Abwärtstrend im Dialog vermeiden oder stoppen möchte, ist es wichtig, dem Gegenüber Fragen zu stellen.

Dies geht anfangs, wie bereits erwähnt, besonders gut mit den offenen Fragen, bei denen im Gegensatz zu geschlossenen Fragen, nicht mit Ja oder Nein geantwortet werden kann, was die Gesprächsbereitschaft des Gegenübers fördert, ihm selbst eine hilfreiche Unterstützung im eigenen Konfliktchaos ist und gleichzeitig das eigene Interesse signalisiert.

Beispiele:

  1. Welches ist der wichtigste Punkt für Sie heute?

  2. Wie ist es Ihnen seit unserem Gespräch ergangen?

  3. Was ist das zu lösende Problem?

  4. Woran werden Sie merken, dass das Problem gelöst sein wird?

  5. Welche Frage sollten wir Ihrer Meinung nach noch klären?

Wichtig ist, dass Sie keine der Antworten als Vorwürfe oder Kritik hören. Doch was sich jetzt leicht liest, ist morgen im Büroalltag schwer umzusetzen. Genau dann wird zum Tragen kommen, ob Sie in der Vorbereitung für sich alles geklärt haben, ob Sie für sich sorgen konnten und ob Sie den echten Wunsch haben, diesen Konflikt zu stoppen und zu klären.

Wenn Sie bemerken, dass Ihnen das noch nicht so gelingt, wie Sie es sich vorstellen, seien Sie geduldig mit sich. Das eigene Konfliktverhalten zu verändern ist ein Weg, der nicht innerhalb von wenigen Stunden direkt an das erwünschte Ziel führt. Den meisten Menschen gelingt es oft nicht, Emotionen und Sachlichkeit auseinander zu halten, daher sind es meistens die eigenen Gefühle, die auf dem Weg der Konfliktlösung stören. Nach dem vorangegangenem Kapitel wissen Sie aber nun, das es einen Konflikt ohne Emotion zunächst nicht gibt. Beachten Sie daher,

  1. was in Ihnen vorgeht,
  2. was Sie benötigen,
  3. was Sie interpretieren

und lesen ggf. erneut das Kapitel „Die wichtigste Person in einem Konflikt sind Sie“ (Seite 45).

Auf den Punkt gebracht

  1. Richtig streiten kann ein Motor der Entwicklung und positiven Veränderung sein.
  2. Vorwürfe und die Suche nach einem Schuldigen sollten vermieden werden.
  3. Hinhören und Fragen gelten als wichtige Schlüssel in einer Konfliktsituation, nachdem Sie sich selbst Aufmerksamkeit geschenkt haben.
  4. Bevor Sie Regeln verwenden, die Ihnen noch nicht vertraut sind und lediglich der Manipulation dienen, gilt immer: Klarheit vor Schönheit. Das birgt ein gewisses Risiko – ist man sich dessen jedoch bewusst, ist das ehrlicher als jede Technik.