Der Konflikt ist das Symptom, was steht dahinter?
Ein Konflikt ist das Sichtbarwerden von unterschiedlichen
- Interessen,
- Zielen oder Wegen,
- Werten oder
- Bedürfnissen.
Die Ampel für den gemeinsamen Weg schaltet auf Rot: Stopp! Anhalten, Gang und Kupplung raus. Im Straßenverkehr fahren Sie nicht weiter, in einer Konfliktsituation im besten Fall auch nicht. Bleiben Sie stehen und fragen Sie sich, was hinter dem Konflikt steht.
- Was genau ist mein Problem?
- Was will/brauche ich?
- Was benötige ich unbedingt, um den Konflikt klären zu können? Benötige ich zum Beispiel Unterstützung, wenn ja, von wem?
- Was sind die Gründe, dass ich wütend/traurig/enttäuscht/genervt/verärgert … (setzen Sie hier Ihr Gefühl ein) bin?
Bei kleinen Konflikten – im besten Fall sind sie das – beantworten Sie die oben genannten Fragen für sich. Ihre Antworten weisen wahlweise den Weg oder enthalten Hinweise, was Sie Ihrem Konfliktpartner mitteilen möchten.
Wenn Sie Interesse haben, Ihrem Gegenüber die Tür zum Dialog zu öffnen, so stellen Sie ihm die oben aufgeführten Fragen. Vermutlich werden Sie viele Informationen erhalten, die bisher nicht erwähnt wurden und die ihnen beiden hilfreich auf dem Lösungsweg sein können.
Denken Sie immer daran: Der Konflikt macht sichtbar, wo es im Miteinander momentan nicht zur Zufriedenheit einer Person läuft, d.h. wenn der Konflikt nicht geklärt wird, bleibt die Unzufriedenheit, sie wird größer und verstärkt sich. Erschwerend kommt hinzu, dass sie zu einem späteren Zeitpunkt sehr viel schwieriger zu klären ist.
Was ist der Unterschied zwischen einem kleinen und einem großen Konflikt?
Der Konflikt an sich ist derselbe, egal ob Sie ihn als groß oder klein empfinden – nur die Stufe der Eskalation ist entscheidend. Am Anfang sind es kleinere Missverständnisse, die nicht sofort geklärt wurden, am Ende steht der Wunsch, sein Gegenüber zu vernichten. Damit es aber gar nicht so weit kommt, schauen wir uns das Eskalationsmodell von F. Glasl Sinn an. Es zeigt auf den ersten Blick, wo Sie und Ihr Gegenüber gerade stehen:
1. Ebene (Win-Win)
- Stufe 1: Verhärtung. Konflikte beginnen mit Spannungen, z. B. gelegentliches Aufeinanderprallen von Meinungen. Solche Spannungen passieren jeden Tag und werden nicht als Beginn eines Konflikts wahrgenommen.
- Stufe 2: Debatte. Ab hier überlegen sich die Konfliktpartner Strategien, um den anderen von ihren Argumenten zu überzeugen. Meinungsverschiedenheiten führen zu einem Streit. Man will den anderen unter Druck setzen. Schwarz-weiß-Denken entsteht – und das erschwert einen Kompromiss, wenn nur A oder B richtig ist und nicht nach gemeinsam akzeptierten Kompromissen gesucht wird.
- Stufe 3: Taten statt Worte. Die Konfliktpartner erhöhen den Druck auf den jeweils anderen, um sich oder die eigene Meinung durchzusetzen. Gespräche werden z. B. abgebrochen. Es findet keine verbale Kommunikation mehr statt und der Konflikt verschärft sich schneller. Das Mitgefühl für den anderen geht verloren.
2. Ebene (Win-Lose)
- Stufe 4: Koalitionen. Der Konflikt verschärft sich dadurch, dass man Sympathisanten für seine Sache sucht. Da man sich im Recht glaubt, kann man den Gegner denunzieren. Es geht nicht mehr um die Sache, sondern darum, den Konflikt zu gewinnen, damit der Gegner verliert.
- Stufe 5: Gesichtsverlust. Der Gegner soll in seiner Identität durch Unterstellungen oder Ähnliches vernichtet werden. Hier ist der Vertrauensverlust vollständig. Gesichtsverlust bedeutet in diesem Sinne Verlust der moralischen Glaubwürdigkeit.
- Stufe 6: Drohstrategien. Mit Drohungen versuchen die Konfliktparteien, die Situation absolut zu kontrollieren. Sie sollen die eigene Macht veranschaulichen. Man droht mit Forderungen oder Sanktionen.
3. Ebene: (Lose-Lose)
- Stufe 7: Begrenzte Vernichtung. Dem Gegner soll mit allen Tricks geschadet werden. Ab hier wird ein begrenzter eigener Schaden schon als Gewinn angesehen, sollte der des Gegners größer sein.
- Stufe 8: Vollständige Vernichtung des Gegners. Der Gegner soll mit Vernichtungsaktionen zerstört werden.
- Stufe 9: Gemeinsam in den Abgrund. Ab hier kalkuliert man die eigene Vernichtung mit ein, um den Gegner zu besiegen.
An diesem Modell können Sie nicht nur gut erkennen, auf welcher Stufe Sie sich momentan befinden, sondern auch wo Ihr Gegenüber steht. Allerspätestens ab der dritten Ebene sollten Sie sich Unterstützung bei einem Vorgesetzten, der internen Schlichtungsstelle oder einem externen Berater suchen. Ab diesem Zeitpunkt werden Sie es vermutlich nicht mehr alleine schaffen, den Konflikt zu lösen.
Damit Sie möglichst selten auf Ebene zwei oder drei „abrutschen“, ist es wichtig, dass Sie rechtzeitig agieren. „Je früher desto besser“ ist in diesem Zusammenhang die entscheidende Formel. Hierzu bedarf es, was nicht oft genug betont werden kann, immer der eigenen Klarheit, der Erkenntnis, was genau man erreichen möchte und wie man dies klar formuliert. Es geht eben nicht um Taktiken, um Schaden, Rache oder Macht, sondern um das echte Bedürfnis, den Konflikt zu klären, eine Lösung zu finden und gemeinsam mit dem Konfliktpartner auf „einen Nenner“ zu kommen, der für alle Beteiligten akzeptabel und lebbar ist.
Je weiter man in die Konfliktspirale hineinrutscht, desto schädlicher wird das eigene Verhalten dem anderen, letztendlich aber auch sich selbst gegenüber. Je ruhiger man selbst ist, je besser man weiß, was man will, desto größer gleichzeitig auch die Chance, die Meinung des anderen zu respektieren und sich auf ihn einzulassen.
Die eigenen Blockaden erkennen
Die größten Steine legt man sich oft selbst in den Weg, doch nicht immer ist man sich dessen bewusst. Der Blick auf negative Glaubenssätze und Blockaden lohnt, obwohl er unbequem sein kann. Dialoge in Konflikt situationen sind zunächst oft ein „Pingpongspiel“: Ein Satz des Gegenübers, ein Wort oder eine Geste können beim Empfänger mehr auslösen, als sich der Sender je hätte träumen lassen. Die Nachteile liegen auf der Hand, denn meistens reagiert man automatisch bzw. wie gelernt. Ein guter Streit jedoch hat keine Verlierer oder Gewinner. Wie reagiert man selbst in Streitsituationen? In welche Fallen tappt man immer wieder und was kann man tun, um diese Schritte in Zukunft zu vermeiden? Werden Sie aufmerksam gegenüber den eigenen Reaktionen auf Signale:
- Wann reagieren Sie besonders emotional (traurig, wütend, verletzt oder aggressiv)?
- Welches (unerfüllte) Bedürfnis steht dahinter?
- Wie können Sie sich selbst dieses erfüllen bzw. Ihr Gegenüber darum bitten?
- Was können Sie in Zukunft tun, um besser zu reagieren? Was benötigen Sie, wer kann Ihnen helfen?
Im Verlauf der nächsten Kapitel werden Sie sehen, dass diese Fragen immer wieder auftauchen. Vielleicht wollen Sie sich zunächst nicht mit den Antworten auseinandersetzen, langfristig führt jedoch kein Weg daran vorbei, wenn es um konstruktive Konfliktklärung geht, denn nur das eigene Verhalten kann verändert werden, nicht das der Mitmenschen.
Umgang mit Ängsten
Eine besonders große Blockade beim Umgang mit Konflikten sind die eigenen Ängste. Im beruflichen Bereich tun sich viele Menschen besonders schwer, diese anzunehmen und zu hinterfragen. Die meisten leugnen gar, dass sie Ängste haben. Dann ist es sinnvoll, statt „Angst“ das Wort „Sorge“ zu verwenden, denn während Angst etwas ist, das oft mit Unfähigkeit assoziiert wird, machen sich viele Menschen – berechtigterweise – doch Sorgen.
Nehmen Sie sich ca. 30 Minuten Zeit, um die folgenden Fragen zu beantworten und notieren Sie die Antworten:
Übung: Ängste und Sorgen
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Worüber machen Sie sich Sorgen und wovor haben Sie Angst, wenn es um das Thema Streit und Konflikt geht?
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Was können Sie tun, um dieses Bedürfnis zu erfüllen?
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Wen können Sie um Unterstützung bitten, mit wem möchten Sie ein Gespräch führen? Und wann?
Je eher Sie dieses Thema für sich klären, je besser Sie mit Ihren eigenen Ängsten und Sorgen umgehen, desto eher können Sie für sich sorgen. Sich mit seinen Ängsten zu beschäftigen heißt daher nicht, dass diese sofort verschwinden, sondern dass ihnen die Macht über das eigene Handeln genommen wird. Ängste wirken, sofern man sich ihrer nicht bewusst ist, aus dem Hintergrund, sie hemmen und blockieren, sorgen für Abwehrstrategien und Machtkämpfe, unendliche Diskussionen und Fantasien, die der Realität oft nicht standhalten.
Wer auf der Suche nach den eigenen Ängsten an das kleine Mädchen oder den kleinen Jungen an Mamas Rockzipfel denkt, ist auf dem Holzweg. Ängste lieben Karneval und kommen in unterschiedlicher Maskierung daher: Mal im Kostüm der Drohung, der Intrige oder der Schuldzuweisung, mal als Widerstand und Belehrung.
Nahezu alle Menschen haben Ängste, besonders im beruflichen Umfeld: Wer kennt zum Beispiel nicht die Sorge um den Job im Unternehmen und die Angst, deshalb den Lebensstil verändern zu müssen? Wer dachte nicht schon mal beim ersten Gespräch mit der neuen Kollegin, dass diese besser ist als man selbst oder wer hatte noch nie Sorge, dass die gesamte Abteilung sich gerade über einen lustig macht, weil man in einer Präsentation einen großen Fehler gemacht hat?
Menschen haben Ängste, haben Sorgen und diese sind durchaus berechtigt. Doch ihnen deshalb negative Kraft zu geben und sie über das eigene Leben bestimmen zu lassen, ist auf Dauer mindestens unbefriedigend. Ängste vor Konflikten sind Sorgen, die Sie bereits haben und die ein aufkeimender Konflikt nur verstärkt bzw. sichtbar macht.
Wenn Sie Angst haben, dass die neue Kollegin sehr viel bessere Arbeit leistet, werden Ihre Befürchtungen sichtbar und verstärkt, wenn die Kollegin von Ihrem Vorgesetzten in einer Besprechung ausdrücklich gelobt wird. Nun kann die Angst sich verschiedene Weg suchen: Blockade gegen den Chef, gegen die Kollegin oder direkt gegen beide.
Besser wäre jedoch, sich darüber Gedanken zu machen, worin es sich zeigt, dass Ihre Kollegin besser ist als Sie. „Ihr scheint alles ganz leicht zu fallen, sie ist freundlich, hilfsbereit und alle mögen sie.“ So verstecken sich eigene Ängste hinter scheinbaren Oberflächlichkeiten, denn Freundlichkeit ist nicht gleichbedeutend mit der Tatsache, dass die Kollegin auch wirklich besser ist. Vielleicht schließen Sie das nur aus dieser Eigenschaft und es ist nur Ihre Interpretation.
Wenn man nun bedenkt, dass fast jeder Mensch Ängste kennt, dann bekommt man ein Gefühl dafür, was täglich an einigen Arbeitsplätzen stattfindet. Es könnte zum Beispiel sein, dass auch die Kollegin Ängste kennt, vielleicht sogar vor Ihnen, weil Sie schon seit Jahren in diesem Unternehmen arbeiten und weil Sie es anscheinend nicht besonders gut fanden, dass sie in einer Besprechung vom Chef gelobt wurde. Die Aufmerksamkeit war ihr peinlich und Sie sind seitdem noch reservierter.
Verstrickungen ohne Ende ergeben sich, wo Menschen miteinander arbeiten, ein Knäuel aus Ängsten und Befürchtungen, die ganz unterschiedlich geäußert werden. Wenn Sie Ängste und Sorgen haben, sollten Sie darüber reden, denn es nicht zu tun, könnte fatale Auswirkungen auf Ihr Leben haben. Reden Sie mit Menschen, die Ihnen zuhören, die Sie verstehen und Ihnen helfen, den richtigen Umgang mit Ihren Gefühlen zu lernen.
Wichtig ist, dass Sie den ersten Schritt machen, denn alleine ist es oft anstrengend und mühselig, jedoch nicht unrealistisch. Wer sich auf den Weg machen möchte, findet hier einige Anregungen:
- Die eigene Wahrheit: Stehen Sie vor sich selbst zu Ihren Ängsten und Sorgen. Sie anzunehmen und sich einzugestehen, dass es sie gibt, ist der erste Schritt, um mit ihnen besser umzugehen. Das ist unbequem, manchmal auch sehr traurig und es lässt sich nicht vermeiden, an weniger schöne Erfahrungen erinnert zu werden – auf lange Sicht wird man jedoch belohnt.
- Beobachten Sie Ihre Gedankengänge: „Bestimmt wird … passieren“ oder „Wenn ich das mache, dann wird … eintreten“. Werden Sie Detektiv in Ihrer Angstforschung und machen Sie sich klar, dass die Fantasie oft schlimmer ist als die Realität. Spätestens wenn Sie die ersten Situationen erleben, in denen Sie am Ende denken „War alles gar nicht so schlimm wie befürchtet“ werden Sie erkennen, dass Ihre Gedanken und Befürchtungen Ihnen im Vorfeld einen gehörigen Streich gespielt haben.
- Überlegen Sie sich, was genau Sie brauchen. Bei Angst vor Verlust des Arbeitsplatzes, könnte Ihnen eine Liste helfen, auf der Sie notieren, welche anderen Tätigkeiten Sie „im Fall der Fälle“ übernehmen könnten oder welche Schritte zu gehen sind. Alles, was dazu beiträgt, dass die Angst ihren Schrecken verliert ist willkommen.
- Schauen Sie hin, wo Sie besser reagieren können. Haben Sie zum Beispiel Sorge, dass Ihr Vorgesetzter Ihre Arbeit nicht sieht oder anerkennt (unerfülltes Bedürfnis), könnten Sie ihn direkt um eine Rückmeldung bitten. „Herr Müller, mich interessiert Ihre Meinung zu den Berichten der letzten drei Wochen – wie haben sie Ihnen gefallen?“
Die Angst vor Streitsituation führt dazu, dass mit aller Kraft versucht wird, sie zu vermeiden, was wiederum dafür sorgt, dass die Situation schlimmer wird und nicht geklärt werden kann. Gerät man dann doch in eine Konfliktsituation, unternimmt man alles, um schnell wieder herauszukommen: Falsche Kompromisse werden eingegangen, Zugeständnisse gemacht, man sagt „Ja“, obwohl man „Nein“ meint, macht gute Miene zum bösen Spiel und am Ende ärgert man sich, dass man aus Angst keine Position bezogen hat und sich schon wieder überfahren fühlt.
Dieser Kreislauf kann jedoch durchbrochen werden – durch
- Selbstfürsorge (was hiermit genau gemeint ist, lesen Sie weiter unten) und
- Übungssituationen, in denen man die eigene Angst akzeptiert und lernt, mit ihr besser umzugehen und den Streit nicht nur auszuhalten, sondern auch Position zu beziehen. Ganz besonders eignen sich dazu die Situationen, die noch nicht eskaliert sind.
Und wenn die Angst berechtigt ist? Wenn sich herausstellt, dass die Angst, die Kollegin sei besser, nicht nur ihre Berechtigung hat, sondern auch den Tatsachen entspricht, ändern Sie den Blickwinkel und konzentrieren sich auf Ihre eigene Person: Was möchten Sie verändern, wen oder was benötigen Sie dazu, wann wollen Sie starten. In diesem Fall ist Ihre Angst u.U. also ein toller Wegweiser, um Sie darauf aufmerksam zu machen, was Sie verändern könnten. Wichtig ist: Jede Angst hat Ihre Berechtigung. Vielleicht entscheiden Sie eines Tages, dass einige Ihrer Ängste überflüssig waren, dann ist das Ihre Entscheidung bzw. das, was Sie neu gelernt haben, jedoch haben alle Ängste ihren Ursprung, ihren Sinn und sicher werden auch immer einige bleiben, was auch gut sein kann. Ängste anzunehmen und zu akzeptieren sind die ersten Schritte. Die Erkenntnis, dass sie wichtige Signale sind, mit denen man lernen kann umzugehen, sind unbezahlbar. Doch das steht meistens am Ende der Kette, am Anfang will man Ängste verdrängen oder sie ignorieren. Manchmal redet man sie sich schön, erklärt, sucht nach Motiven und hält an allem fest. Denn Angst zu haben ist die eine Sache, sie zu überwinden die nächste. So gibt es nicht wenige Menschen, die Angst haben, sich einem Konflikt zu stellen, doch die Angst vergeht nur, wenn man sich in die beängstigenden Situationen begibt. Beachten Sie daher:
- Die meisten Ängste entstehen nur in Gedanken: Angst, den Job zu verlieren, Angst vor der Kollegin, Angst, seine Aufgaben nicht richtig zu erfüllen. Das reinste Kopfkino, mit Gedanken, die Angst machen. Das heißt, nicht die Situation an sich ist gefährlich, sondern sie wird lediglich so eingestuft.
- Überlegen Sie, wann in Ihrer Vergangenheit Sie erlebt haben, dass die Angst berechtigt war. Wie haben Sie anschließend gehandelt? Welche Alternativen haben Sie in Ihrer aktuellen Konfliktsituation, sollten Ihre Befürchtungen wirklich wahr werden?
- Notieren Sie sich aktuelle Konfliktsituationen, vor denen Sie Angst haben und überwinden Sie sich, eine nach der anderen anzugehen. Machen Sie sich klar, dass jetzt die Angst zunehmen wird, halten Sie diese aus und bleiben Sie in der Situation, bis Sie merken, dass Sie ruhiger werden. Viele Menschen, die Angst vor Konflikten haben, benötigen in der Tat nur wenige positive Erfahrungen, um dieses Hindernis aus dem Weg zu räumen.
Den Konflikt angehen, wenn er klein ist
Streitsituationen sind zunächst sehr klein und recht freundlich. Sie klopfen leise an die Tür und bitten um Einlass. Doch aus Angst, es könnte unangenehm werden, öffnet man ihnen nicht die Tür, verlässt gar das Haus durch die Hintertür oder geht in den Keller, wo das Klopfen nicht zu hören ist.
Doch die kleine – immer noch recht freundliche – Streitsituation bleibt einfach vor der Tür stehen, während man weitere Anzeichen ignoriert oder nicht wahrnehmen will. In der Zwischenzeit kommen andere kleinere Streitsituationen vor unser Haus und nach einiger Zeit wird die Versammlung größer. Sie klopfen lauter und stärker und eines Tages sind sie gemeinsam so mächtig, dass sie uns die Tür einrennen und wir von der hausgemachten Katastrophe überrumpelt werden.
Selber schuld! Denn hätte man der kleinen Streit situation die Tür geöffnet, sie wäre sehr freundlich und harmlos geblieben. Niemals haben Sie mit einem Kollegen oder Vorgesetzten von jetzt auf gleich einen Konflikt. Vielleicht wird in einem Moment der Konflikt aber plötzlich sehr deutlich sichtbar – dann war er bereits im Hintergrund aktiv und keiner hat ihn beachtet oder alle hatten Angst, ein Gespräch zu führen. Vermutlich wird daher bereits etwas in der Vergangenheit geschehen sein, das Sie beide verärgert hat und über das Sie nicht oder nicht richtig gesprochen haben. Irgendwann läuft das Fass über und die Situation ist viel schwieriger, als sie es vermutlich hätte sein müssen.
Damit es in Zukunft gar nicht erst wieder so weit kommt, empfiehlt es sich, früh miteinander zu reden und eine Klärung zu finden. Wichtig ist, dass man den Streit klären will! Wenn nicht, hilft kein halbherzig geführter Dialog, in dem sich die Beteiligten mit Vorwürfen überschütten, um die Treppe der Eskalation gemeinsam wütend nach unten zu gehen.
Menschen in Teams und Abteilungen durchlaufen unterschiedliche Phasen in einer Konfliktsituation. Damit diese Beachtung finden und in Zukunft besser gedeutet werden können, hier einige Merkmale, die Zeichen von Konflikten sein können.
- Mangelnde Loyalität: Gibt es Konflikte, lässt die Loyalität stark nach, gegenüber dem Unternehmen, der Abteilung/dem Team und den Kollegen/Vorgesetzten.
- Alleingang: Führungskräfte informieren nicht ausreichend, Diskussionen sind nicht mehr gern gesehen, das Vertrauen fehlt bzw. lässt nach.
- Respektlosigkeit, mangelnder Humor, Verachtung, keine Gemeinsamkeiten: Zeichen, die auf Konflikte hinweisen können, wenn sie sich im Laufe der Zeit verändert haben. Aus Kollegen, die viel miteinander lachen konnten, sind griesgrämige Personen geworden oder der gemeinsame Abend aller Kollegen pro Quartal findet nicht mehr statt.
- Bildung von Allianzen: Es bilden sich immer mehr Gruppen innerhalb der Abteilung, mit der Absicht, sich gegenseitig zu stärken und sich miteinander zu verbünden.
Diese Zeichen können darauf hindeuten, dass es ungelöste Konfliktsituationen gibt und bisher keine ausreichenden Schritte unternommen wurden, um die Situation zu klären.
Konfliktvermeidung stört die Harmonie
Wer Streit aus dem Weg geht, sorgt dafür, dass der Konflikt wächst. „Streitet euch nicht, wir wollen doch alle unsere Ruhe haben!“ So oder ähnlich hallt es am Anfang des Lebens in viele Kinderzimmer hinein, um später als Echos in Büros wiederholt zu werden.
Ja, viele Menschen möchten Ruhe haben. Doch wer sich nicht streitet, trifft aktiv die Entscheidung, den Deckel des Wassertopfes mit dem kochenden Inhalt nicht anzuheben – bei gleichzeitiger Erhöhung der Temperatur. Wer versucht, den Streit zu vermeiden, sorgt dafür, dass der Konflikt nicht geklärt wird und somit wachsen kann. Jedes neue Missverständnis, das in den Topf kommt, jede Verletzung, die nicht als solche geklärt wird, gibt dem Konfliktherd zusätzliches Feuer. Vielleicht wird der Streit kurzfristig ein wenig unterdrückt, unter Umständen auch durch Harmonieappelle in den Hintergrund gedrängt, aber auf längere Sicht bleibt er meistens bestehen und wird mit jedem neuen Punkt noch viel stärker.
Der Konflikt ist nur die Spitze des Eisbergs! Die unterschiedlichen Interessen/Ziele oder Bedürfnisse bleiben jedoch weiterhin bestehen und genau die sind es, die geklärt werden müssen, damit der Konflikt gelöst werden kann.
Der Konflikt ist eine Diva
Der Konflikt will Ihre Aufmerksamkeit! Durch Aufrufe zu falsch verstandenem Frieden und Harmonie sorgen Sie dafür, dass man ihm keine echte Aufmerksamkeit schenkt, und erhöhen somit die Chance, dass er sich weiterhin bei Ihnen aufhält und auf Dauer mehr Energie frisst, als bei einem rechtzeitigen Klärungsversuch nötig ist.
Hinter dem Wunsch, keinen Streit zu haben, stehen bei den meisten Menschen Ängste und hinderliche Glaubenssätze, ohne dass sie sich darüber bewusst sind. Das nächste Kapitel beschäftigt sich daher mit der wichtigsten Person in einem Konflikt.