Stolperfallen in Konfliktsituationen sehen und umgehen

Erinnern Sie sich an Ihre erste Fahrstunde? Alles war aufregend und neu, die Regeln waren teilweise noch unbekannt und der eine oder andere Fehler passierte.

Besonders in neuen Situationen können nicht alle Hürden gesehen werden – zu viel, was es zu beachten gilt und die Aufmerksamkeit fordert. Der neue und andere Umgang mit Konflikten macht hier keine Ausnahme. Wichtig ist, dass Sie sich darüber klar sind, dass Sie Erfolgserlebnisse haben werden und diese auch wollen. Damit diese Situation möglichst zügig eintritt, hier einige Hürden, auf die Sie besonders achten sollten.

Emotionen gehören dazu, oder?

Wie kommt es, dass wir uns zum Beispiel in einem Akquisegespräch der Emotionen unseres Gegenübers bedienen und sie (aus-)nutzen sollen, Führungskräfte „leidenschaftliche“ Mitarbeiter fordern, während wir in Krisen- und Konfliktsituationen Gefühle ausschalten wollen?

  1. „Bleiben Sie doch bitte sachlich.“
  2. „Konstruktiv bleiben!“
  3. „Wir wollen uns nicht heiraten.“
  4. „Gefühle gehören nicht ins Büro.“
  5. „Immer diese Befindlichkeiten!“

Emotionen sind beim Pförtner abzugeben?!

Gefühle in Konfliktsituationen sind selten schön: Hass, Wut oder Trauer sind nichts, was Menschen genießen. Gepaart mit Sätzen und Aussagen, die scharf wie Messer sind, scheinen sie keine gute Basis für ein ordentliches Gespräch zu sein. Ist das so? Ist es nicht menschlich, dass wir Gefühle haben, ist es nicht sogar gesund, dass wir diese in Maßen ausleben, sicher auch an dem Ort, an dem wir mehr Zeit verbringen als in den eigenen vier Wänden, nämlich am Arbeitsplatz?! Sachlichkeit und Emotionen sind zunächst nicht zu trennen. Es ist egal, wo wir uns gerade befinden, im Büro, im Stau, bei der Nachbarin oder im Kindergarten. Wir wissen, dass es Situationen gibt, in denen wir darüber nachdenken sollten, was und wie wir es sagen, aber dann gehen sie mit uns durch, die Gefühle. Emotionen und Sachlichkeit sind dann zu trennen, zumindest unterschiedlich zu betrachten, wenn man es schafft, diese „Pferde“ wahrzunehmen, zu akzeptieren, um sich ihnen dann nacheinander zuzuwenden.

Hierbei gilt: Störungen haben Vorrang! Unklarheiten, Missverständnisse, Gefühle, Verletzungen und unerfüllte Bedürfnisse sind nicht geklärte Punkte, die eine sachliche Diskussion verhindern. Erst wenn diese geklärt sind, kann sich inhaltlich auseinandergesetzt oder die Zusammenarbeit fortgesetzt werden.

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Je mehr wir versuchen, unsere Emotionen zu unterdrücken, desto präsenter und gegenwärtiger sind sie.

Man sagt: „Nein, ich werde hier keine Befindlichkeiten auf den Tisch packen, das gehört nicht in diese Situation, ich bin schließlich Profi.“ Und kämpft während des gesamten Meetings damit, sich seinen Ärger nicht anmerken zu lassen, während man in dieser Zeit aber ebenso wenig in der Lage ist, an der Diskussion teilzunehmen oder dem Kollegen zuzuhören, der gerade Unterstützung in einer schwierigen Angelegenheit benötigt. Wir sind dann Profi, wenn wir anerkennen, dass wir diese zwei Schuhe tragen: Sachlichkeit sowie Emotion, und lernen, für uns zu sorgen, besonders in den Situationen, in denen wir vermuten, dass Emotionen schaden. Erinnern Sie sich an die Definition von Konflikt? Kein Konflikt ohne Emotion! Sie haben keine Emotionen? Dann haben Sie keinen Konflikt!

Profis sind Menschen! Und Menschen stehen wir immer gegenüber: Im Büro, im Stau, bei der Nachbarin, im Kindergarten und wenn wir in den Spiegel sehen!

Welche Gefühle erleben Sie in Konfliktsituationen?

Zunächst werden es Emotionen sein, die man meistens als „negativ“ bezeichnet:

  1. Hass,
  2. Wut oder Ärger, manchmal auch
  3. Trauer.

Die meisten Beziehungen, damit auch die im Arbeitsleben, durchlaufen vier Phasen:

  1. Annäherung
  2. Bindung
  3. Trennung
  4. Trauer

Dies bedeutet nicht, dass zwangsläufig eine Trennung erfolgen muss, schließt es aber nicht aus. Viele Menschen haben an einem dieser Punkte besonders Probleme: Einige mögen keine nähere Bindung eingehen, weil sie Angst vor Nähe haben oder bereits zu oft enttäuscht wurden, andere hassen Trennungen und sind bereit, sämtliche Kompromisse einzugehen, um die Beziehung nicht beenden zu müssen. Auf das Arbeitsleben ist dieses „Bonding-Modell“ ebenso zu übertragen: Kollegen, die kein privates Wort wechseln, weil sie befürchten, dass zu viel privater Kontakt nicht gut ist, Vorgesetzte, die sich nicht von Mitarbeitern trennen können und damit ganze Projekte gefährden. Vielleicht unterstützt Sie dieses Modell dabei, herauszufinden, welche Emotionen bei Ihnen in Konfliktsituationen vordergründig sind und versuchen herauszufinden, welche Angst dahinter steht. Die Erkenntnis darüber führt sie direkt an den Punkt, den Sie in Konflikten vermutlich noch verbessern können. Dies geschieht nicht durch eine Verschleierungstaktik oder einen Trick, sondern durch einen möglichst ehrlichen Umgang mit Ihnen selbst. Kein Mensch wird gerne ausgenutzt oder hintergangen, verlassen oder schlecht behandelt, das Leben im Berufsalltag macht hier keine Ausnahme. Doch genau diese Ängste führen dazu, dass sich viele Menschen nicht gerne mit den Emotionen auseinandersetzen oder, ganz im Gegenteil, ihnen zu viel Macht geben.

Wohin mit den Emotionen in unangenehmen Gesprächen?

1. Vergessen Sie die Sachlichkeit, wenn Emotionen die Zügel in der Hand halten!

Klären Sie Ihre Gefühle, lassen Sie Dampf ab und hören auf, sich hinter Positionen und Bildschirmen zu verstecken. Früher hätte man sich einen Boxkampf geliefert, heute geht es per Wort mindestens genauso gut. Bleiben Sie oberhalb der Gürtellinie, dann ist alles gut! Verstecken gilt nicht. Es ist nicht leicht zu akzeptieren, dass man Emotionen in Gesprächen hat, die sachlich sein sollen. Aber erinnern Sie sich an die letzten Situationen, in denen Sie sich darauf konzentriert haben, bloß keine Wut oder Ärger zu zeigen? Man kontrolliert sich, bis man am Ende doch die Kontrolle verliert und in vielen Fällen passiert das nicht an der richtigen Stelle oder dem Menschen gegenüber, den es betrifft.

Gesunde Arbeitsbeziehungen halten es aus, wenn Sie Gefühlen angemessen Lauf lassen, sie verdeutlichen auch, welche Laus wem gerade über die Leber gelaufen ist.

2. Die eigene Person steht an erster Stelle

Egoisten an die Front? Jein! Überlegen Sie sich, was Sie brauchen. Das können ganz unterschiedliche „Dinge“ sein: Es gibt Menschen, die müssen kurz den Raum verlassen. Oder sie beantworten E-Mails an den Kollegen, mit dem Sie gerade Streit haben, erst nach einer Stunde. Es gibt Menschen, die brauchen ein Glas Wasser oder rufen ihre Freundin an, um bei ihr den ersten „Dampf“ abzulassen, oder machen Sport. Egal was es ist, überlegen Sie sich, was Sie brauchen. Und dann sorgen Sie dafür, dass Sie es bekommen oder sich nehmen, denn es wird Ihnen keiner diese Verantwortung abnehmen. Sie sind für sich und Ihre Gefühle verantwortlich, die positiven wie die negativen, wobei: Bewerten Sie doch mal Ihre Gefühle nicht, dann gibt es auch keine guten oder schlechten mehr. Sie sind die wichtigste Person in einem Konflikt, wenn Sie sich das immer wieder klar machen, dann wissen Sie, wem Sie die Macht über sich geben sollten. Und das ist bestimmt nicht Ihr Vorgesetzter, Verhandlungspartner oder Mitarbeiter. Das sind Sie!

3. Klärung – zum Wohle aller Beteiligten!

Simpel und lösungsorientiert: Wenn alle Anwesenden wüssten, was sie brauchen, und für sich selbst sorgen würden (was nicht heißt, dass sie das nicht in der Gruppe machen können, sie müssen es nur zunächst wissen und dann den Mut haben, es zu äußern!), dann – und wirklich erst dann – kann man eine emotionsgeladene Situation klären.

Alle sollten bereit sein, sich den Standpunkt des jeweils anderen anzuhören, sich nicht rechtfertigen und keine Verteidigungshaltung einnehmen. Nur so können auch Sie anwesend und präsent sein. Und dann geschieht Folgendes: Die anderen hören Ihnen zu, stellen Fragen und versuchen, Sie zu verstehen.

Und nun stellen Sie sich vor, wenn alles ausgesprochen wurde, was an Gefühlen rumspringt, die Ängste, die Sorgen, die Befürchtungen, was dann passiert: Sie können zum nächsten Schuh, der Sachlichkeit! Es kann geklärt werden, welche Wege es zur Lösung gibt, es werden Alternativen gefunden, es werden konstruktive Vorschläge gemacht, es kann wieder diskutiert werden und eine Stimmung einkehren, die wir in den meisten Fällen als angenehm empfinden, die uns Spaß und Freude bringt, die uns mit guter Laune ins Büro gehen lässt. Hier die wichtigsten Spielregeln, die Sie trotz aller Emotionen beachten sollten. Im Idealfall sind diese allen Beteiligten bekannt, sodass möglichst wenig Grenzen überschritten werden.

  1. Eigene Gefühle: Versuchen Sie bei allen Emotionen, bei sich zu bleiben. Sagen Sie, was Ihnen missfällt, worüber Sie sich ärgern, was Sie aus der Fassung bringt. („Ich finde …“, „Ich möchte …“)
  2. Richtiger Zeitpunkt: Fangen Sie mit einem Gespräch nicht an, wenn Ihr Kollege in zehn Minuten aus dem Haus muss. Im besten Fall haben Sie vorher einen Gesprächstermin vereinbart.
  3. Ironie, Spott und Zynismus: Verstecken Sie sich nicht hinter eingefahrenen Verhaltensweisen, sondern sagen Sie klar und ehrlich, was Sie meinen, schließlich soll am Ende eine Klärung stehen.
  4. Mimik und Gestik: Das Verdrehen der Augen, das Sich-Aufbauen vor dem Schreibtisch des Kollegen oder vernichtendes Abwinken disqualifizieren jeden, der dies macht.

Es ist im beruflichen Alltag der goldene Mittelweg, der am Ende zu den besten Ergebnissen führt. Je angespannter die Situation ist, desto schwieriger wird es sein, ihn zu gehen. Deshalb ist es auch hier umso wichtiger, dass Sie sich um die wichtigste Person in einem Konflikt kümmern – Sie wissen bereits, wer das ist. Und was ist mit den anderen Menschen?

„Ich weiß doch, was ich höre!“ – gefährliche Interpretationen

Alles Mist?

Frau Schmitz hat ein Gespräch mit ihrem Vorgesetzten Herrn Christian, für den sie eine Präsentation vorbereiten soll. Als sie die Tür schließt, motzt sie: „Die Präsentation gefällt ihm nicht. Er findet meine Arbeit Mist.“ Von einer Kollegin wird sie gefragt, ob der Vorgesetzte das wirklich so gesagt habe, sie antwortet: „Nein, weiß nicht mehr, ich arbeite nicht gut genug, die ganze Präsentation ist Mist, ich muss alles neu schreiben.“

Zufällig kommt die Kollegin auf ihrem Weg zur Konferenz am Büro von Herrn Christian vorbei und bekommt mit, was er über die Präsentation sagt: „Frau Schmitz hat die Präsentation fast fertig, Folie 7 und 9 fand ich unübersichtlich, Folie 12 hatte eine falsche Schrift und die Grafik zum neuen Produkt hat noch gefehlt – aber das sind Kleinigkeiten, sie hat ihre Arbeit ansonsten gut gemacht!“

Interpretation – eine anstrengende Falle

Nicht nur Frau Schmitz ist gefangen in der selbst aufgestellten Falle, ihre Kollegin bezieht sie direkt mit ein und bildet unter Umständen bereits damit Fronten, die sich irgendwann verhärten könnten. Aus „Ich finde Folie 12 nicht gut“ wird ein „Sie können keine Präsentation ausarbeiten“ und aus „Ich bin mit Ihrer Terminquote nicht zufrieden“ ein „Sie sind unfähig, Ihren Job zu machen“.

Wie schwer machen Sie sich das eigene Leben, indem Sie ständig glauben zu hören, was der andere wirklich sagen will, wirklich meint, Ihnen wirklich mitteilen möchte! Fakten sind Fakten, ohne Bewertung. Die Präsentation ist nicht misslungen, sondern einzelne Folien müssen überarbeitet werden. Wer ständig und dauernd interpretiert – dazu noch falsch –, macht es seiner Umgebung verdammt schwer, denn was passiert? Der „Empfänger“ der Botschaft ist beleidigt, zieht sich zurück oder ist demotiviert, der „Sender“ merkt dies und interpretiert im schlimmsten Fall auch, dass der Empfänger demotiviert ist. Die Spirale der Missverständnisse beginnt und sorgt für Streit und schlechte Stimmung. Zur Erinnerung, hier die Stufe 1 des bereits vorgestellten Konfliktmodells von Glasl:

1. Ebene (Win-Win)

  1. Stufe 1: Verhärtung. Konflikte beginnen mit Spannungen, z. B. gelegentliches Aufeinanderprallen von Meinungen. Solche Spannungen passieren jeden Tag und werden nicht als Beginn eines Konflikts wahrgenommen.

Macht man sich bewusst, dass Interpretation en, die nicht auf ihre Richtigkeit hin überprüft wurden, oft ein enormer, selbst verschuldeter Zündstoff sind, dann geht man bereits durch das Abschalten dieser Komponente einen anderen Weg im täglichen Miteinander. Folgende Geschichte veranschaulicht die Situation:

Eine Schale Äpfel

Auf dem Tisch steht eine Schale mit Äpfeln. Der Mann sieht die Äpfel und denkt „Ich wollte doch Bananen haben“. Die Frau sieht die Äpfel und denkt „Ach, ich wollte doch einen Kuchen backen“. Und der Sohn fragt sich beim Blick auf die Äpfel: „Wo ist die Schokolade?“

Alle denken und interpretieren. Dabei steht auf dem Tisch doch nur eine Schale mit Äpfeln.

Interpretationsspirale – man kann sie stoppen

Wenn Sie sich Ihrer Interpretationen bewusst sind und genau wissen wollen, ob das, was Sie denken, stimmt, dann gibt es nur einen einzigen direkten Weg. Stellen Sie Fragen: „Herr Christan, halten Sie meine Präsentation für misslungen?“ Das ist fair und offen, die Beteiligten haben die Chance, eine Vertrauensbasis herzustellen bzw. sie gar nicht erst zu verlieren, auch um sicher zu sein, dass es keiner Interpretationen bedarf.

Und wenn die Aussagen nicht klar sind? Fragen Sie weiter. „Was meinen Sie damit, dass Sie meine Listen gewöhnungsbedürftig finden?“ oder „Was meinen Sie konkret?“. Hören Sie auf, ständig zu glauben, zu vermuten oder anzunehmen und stellen Sie die Kommunikation auf ein möglichst sicheres Fundament. Das ist am Anfang nicht immer leicht, es bedarf einiger Übung, sorgt aber dafür, dass es in vielen Fällen erst gar nicht zu Konflikten kommt. Besonders bei neuen Kollegen hat es sich bewährt, über Fragen dieser Art in den Dialog zu treten. Interpretieren Sie diese Aussage aber bitte nicht so, dass es nach Jahren der Zusammenarbeit keine Missverständnisse dieser Art mehr gibt.

Im besten Fall haben Sie eben bemerkt, wie schnell man interpretiert und auf einen „falschen Weg“ geführt wird. Oft fehlt uns das Bewusstsein für unsere schnellen Assoziationen und Interpretationen, sodass es einiger Übung bedarf, sie zu erkennen. Doch ist dies erst geschehen, werden Sie bemerken, wie oft man sich selbst hinderliche Steine in den Weg legt- aber ebenso sind wir auch in der Lage, sie selbständig und alleine aus dem Weg zu räumen bzw. sie in Zukunft immer seltener zu gebrauchen. Unsere Gedanken fahren oft bekannte Wege, doch wir haben alle Möglichkeiten, sie zu stoppen.

Auf den Punkt gebracht

  1. Emotion und Konflikt sind ein Paar. Ohne Emotionen kein Konflikt.
  2. Streitsituationen sind zunächst immer klein und eine Klärung meistens sehr erfolgsversprechend.
  3. Vermeiden Sie, dass die Situation wachsen kann, damit aus dem kleinen kein großer Konflikt wird, und gehen Sie die Situation rechtzeitig an.
  4. Machen Sie sich Interpretationsfallen bewusst und stoppen Sie sie bzw. hinterfragen Sie sie. Ist der Kollege wirklich „faul“, die Mitarbeitern „unfähig“ und der Kunde „unzuverlässig“? Hinterfragen Sie Ihre Interpretationen, bevor sie diese als „richtig“ erachten.