10. KAPITEL
Sie war kein Kind mehr. Er hielt sie nicht für übertrieben unschuldig, hatte jedoch im Gespür, dass sie noch Jungfrau war. Niemand wächst als Tochter eines Earls auf, ohne den Wert der Unberührtheit auf dem Heiratsmarkt zu kennen.
Doch er wusste, dass sie theoretisch wusste, worauf es ankam, oder es zumindest zu wissen glaubte. Wie sie ihm gelegentlich mitteilte, las sie Bücher. Als sie ihn einmal in einer Nebensächlichkeit in der griechischen Mythologie berichtigt hatte, war er zu dem Schluss gekommen, dass sie ganze Bibliotheken durchgelesen haben musste.
Sie wusste, dass sie schön war, begehrenswert. Keine Frau mit solchen Augen, solchem Haar, einem so schlanken und doch sinnlichen Körper konnte sich ihrer Schönheit nicht bewusst sein. Nicht einmal, wenn sie in einem Haus ohne Spiegel aufgewachsen wäre.
Und sie hatte mit ihm geflirtet. Gelegentlich. Möglicherweise. Es sei denn, er deutete zu viel in das hinein, was er sah, in der Hoffnung, es würde sein Gewissen beschwichtigen, wenn er sie im Geiste langsam aus ihrem verdammten Reitkleid schälte.
Sie waren seit drei Tagen und drei Nächten unterwegs. Sie trennten sich nur zum Schlafen und lernten einander kennen, wie manch einer nicht einmal jemanden kennenlernt, den er sein Leben lang gekannt hatte.
Sie hatten sich Fleischpasteten geteilt, die er in einem Gasthaus am Stadtrand von Grantham gekauft hatte, und er hielt ihr die Stirn, als ihr eine Stunde später übel wurde. Da hatte sie geschworen, nie im Leben noch einmal Fleischpastete zu essen, und wenn sie hundert Jahre alt werden sollte. Das halte sie in dem Moment allerdings für eher unwahrscheinlich, denn sie meinte, auf der Stelle sterben zu müssen.
Sie hatte kein Mitleid gewollt. Sie war wütend gewesen. Auf die Fleischpastete und vielleicht auf sich selbst, weil sie Schwäche gezeigt hatte, oder sonst irgendein Weiberkram. Doch sie war nicht auf ihn losgegangen, hatte ihm keinerlei Schuld zugeschoben. Was sein Gewissen umso stärker belastete, zumal sein Magen, der während seiner Dienstzeit unter Wellington bedeutend Schlimmeres hatte verkraften müssen, die Mahlzeit ganz gut vertragen hatte.
Und dann spülte sie sich mit einem Schluck Wein aus der Flasche, die er ihr reichte, den Mund aus, spie den exzellenten Tropfen aus, als wäre es Wasser, tupfte sich die Lippen zart mit einem Tüchlein ab, bat ihn, ihr wieder in den Damensattel zu helfen, und erwähnte den Vorfall nie wieder.
Dazu gehörte Mumm. Ein Mann musste solchen Mumm bewundern, wenn schon nicht ihre Missachtung des guten Weins.
Er bewunderte vieles an Lady Chelsea Mills-Beckman. Und in stillen Momenten arbeitete er manchmal an ausgefeilten Ideen, wie er ihr diese Bewunderung zeigen würde. Mit dem Mund, mit den Händen, mit dem …
Bisher hatte sie sich nie beklagt. Hatte nie darum gebeten, früher Rast zu machen, nie darauf beharrt, zu wissen, wie weit es bis zum nächsten Rastplatz war. Er hatte an diesem Tag beim Mittagessen die Blase an ihrem Handballen gesehen und wusste, dass sie vom stundenlangen Zügelhalten herrührte. Doch als er sie danach fragte, behauptete sie, die Blase überhaupt nicht bemerkt zu haben.
Sie war eine ausgesprochen schlechte Lügnerin. Auch das hatte er erfahren.
Sie freute sich an der Landschaft, an jedem neuen Panorama, das sich ihnen bot, beschienen von der sanften englischen Sonne, grün, wie nur England sein konnte. Er verdankte es Chelsea, dass er sein Land mit neuen Augen sah. Allerdings würde er wohl nie begreifen, warum so viel Aufhebens um die Schafe gemacht wurde. Chelsea war hingerissen vom Anblick einer Wiese voll dieser Tiere und hatte anhalten wollen, um zu verfolgen, wie ein barfüßiger Junge und ein kleiner schwarzweißer Hund sie zu ihrem Stall trieben.
Drei Tage, und dies war ihre dritte Nacht. Zusammen. Ihr Lächeln. Diese blitzenden Augen, die jeden Gedanken, jede Stimmung verrieten. Wenn sie manchmal vorausritt, mit geradem Rücken, die runde Kehrseite deutlich abgezeichnet unter dem straff gespannten Material ihres Reitkleids.
Ein Mensch konnte nicht viel verbergen, wenn er nahezu zehn Stunden täglich zu Pferde unterwegs war, fernab von Menschen, einer auf den anderen angewiesen, ohne Anstandsdame oder sonst jemanden, der Spannungen auflöste, scharfe Kanten in Gesprächen glättete.
Das hieß, sie musste wissen, dass er sie begehrte.
Was ihn, das wusste Beau ebenfalls, in anderer Hinsicht zum Bastard machte, als er sich bisher gesehen hatte.
Als er jetzt sein Hemd aufknöpfte, beobachtete er Chelsea, die vorm Kamin saß, ihm den Rücken zukehrte und ihr Haar bürstete. Selbst in feuchtem Zustand schien es sich um ihr Handgelenk ringeln zu wollen wie etwas Lebendiges, herrlich und bezaubernd. Es fiel tief über den Rücken. Wild und frei. Haar, in dem ein Mann sich verlieren konnte.
Wusste sie, dass sie ihn an den Rand des Wahnsinns trieb? Hätte er zum Wetten geneigt, was er manchmal tat, dann hätte er auf „Ja“ gesetzt. Wusste sie, was sie riskierte? In der Hinsicht war er nicht so sicher.
Beau entdeckte den Stiefelknecht und benutzte ihn, dann setzte er sich auf den einzigen groben Holzstuhl und zog seine Strümpfe aus. Er bemerkte ein paar kleine Kletten an einem, denn sie hatten hastig die Straße verlassen müssen, als sie eine Kutsche hinter einer Kurve hatten herankommen hören. Er hatte eine schlechte Wahl getroffen und war in einem Dornendickicht gelandet. Wenn ihm so etwas noch öfter widerfuhr, würde er mit zerrissenen Strümpfen in Schottland ankommen.
Und mit einem schmutzigen Hemd. Kopfschüttelnd betrachtete er sein letztes sauberes Hemd, das jetzt nass und zerknittert auf dem Boden lag. Chelsea hatte ihr Reitkleid zum Trocknen übers Kamingitter gehängt, sein Hemd jedoch liegen gelassen. Das fiel von Chelseas Seite vermutlich unter die Rubrik Da hast du’s. Wenn du in diesem Zimmer badest, wenn du in diesem Zimmer schläfst, erwarte bloß keine Hilfe von mir.
Er konnte es ihr nicht verübeln. Er hätte ein anderes Zimmer beziehen können, doch es befand sich nicht auf derselben Etage, und er wusste, dass er in dieser Art Gasthaus nicht ruhig schlafen würde, wenn ein ganzes Stockwerk sie trennte.
Hätte es nicht geregnet, würden sie sich jetzt bereits der Stadtgrenze von Gateshead nähern, wo er einen ganzen Tag Rast eingeplant hatte, bevor sie zur Grenze vorstießen. Stattdessen waren sie gezwungen, hier anzuhalten, und er musste sich schwer täuschen, wenn dieses Gasthaus nicht ein Unterschlupf für Wegelagerer, Schmuggler und andere Verbrecher war.
Die Geschichte, die er dem Wirt aufgetischt hatte, war seiner Meinung nach geistreich und nahezu genial. Sie waren das Ehepaar Claridge, das mit Freunden auf dem Landsitz „seiner Lordschaft“ weilte – schließlich war in der näheren Umgebung bestimmt irgendeine Lordschaft ansässig. Sie waren beim Ausritt vom Regen überrascht worden und hatten den Pferdeburschen zurück zum Gut geschickt, mit der Botschaft an seine Lordschaft, dass sie am nächsten Morgen zurückkommen würden, da Mrs Claridge sich weigerte, in diesem schlechten Wetter noch einen einzigen Schritt zu reiten.
Mit anderen Worten: Wenn ihr uns die Kehle durchschneidet und uns ausraubt, bringt „seine Lordschaft“ euch auf der Stelle an den Galgen.
Trotzdem wollte er Chelsea zur Sicherheit mindestens eine Stunde vor Sonnenaufgang wecken, damit sie fort waren, bevor es hell wurde. Und er würde mit seinem Messer unter dem Kopfkissen und den Pistolen auf dem Nachttisch schlafen.
Beau warf einen Blick auf den Badezuber. Worauf wartete er? Das Wasser wurde nicht wärmer. Ein schlechter Zeitpunkt für einen verspäteten Anfall von Sittsamkeit.
Er sah wieder zu Chelsea hinüber, die ihm immer noch den Rücken zuwandte. Jetzt striegelte sie ihr Haar mit den gespreizten Fingern und hielt dabei die langen Locken über das spärliche Feuer. Die Stille im Zimmer war ohrenbetäubend.
Er war ein Mann. Sie war eine Frau. Sie waren allein. Sie war kaum bekleidet. Er war beinahe nackt.
Wenn es ein Rezept für Katastrophen gibt, dann war es diese Situation. Nein, nicht gerade für eine Katastrophe. Schließlich würden sie ja heiraten. Sie würden die Ehe eben ein paar Tage vorher vollziehen. Was konnte es schon schaden, nach allem, was sie bereits überstanden hatten?
Herrgott, ich bin ein Narr.
Er knöpfte seine Wildlederhose auf, streifte sie ab und stieg dann so rasch in den Zuber, als wäre er die Jungfrau in diesem Zimmer.
Und er trat auf etwas. Auf die Seife. Noch bevor der knappe, deftige Fluch ihm halb über die Lippen gekommen war, lag er rücklings in dem kleinen Zuber, den Kopf unter Wasser, die Beine in die Luft gestreckt.
„Oliver!“
„Nein!“, brüllte er beinahe und richtete sich mühsam zum Sitzen auf. „Mir fehlt nichts.“ Er wischte sich das Wasser aus den Augen und sah sich hastig nach ihr um. Sie war aufgesprungen und starrte ihn mit großen Augen an. Er zog die Knie bis an die Brust. „Wirklich. Mir fehlt nichts.“
„Bist du ausgerutscht? Es hörte sich an, als hättest du dir den Kopf gestoßen. Ist wirklich nichts passiert?“
„Jetzt, da du es erwähnst“, sagte er, hob eine Hand an den Hinterkopf und verzog das Gesicht, als er die kleine Beule ertastete, die wahrscheinlich noch gehörig wachsen würde. Er blickte auf seine Knie, die aus dem Wasser ragten. Nackte Knie waren nicht halb so skandalös wie die Alternative, wenn er bäuchlings in dem Zuber gelandet wäre. „Nein, mir ist nichts passiert. Ich bin auf die Seife getreten, sonst nichts. Geh … mach einfach weiter.“
„Ich habe versucht, mein Haar zu trocknen“, erklärte sie und starrte ihn immer noch an, „bis so ein großer Trottel mit Badewasser spritzen musste, als wäre ein riesiger Stein in einen Teich geplumpst. Sieh nur, was du angerichtet hast. Wir hätten ebenso gut draußen im Regen bleiben können.“
„Chelsea, bitte dreh dich um“, sagte er, als sie näher kam, sein nasses Hemd aufhob, es betrachtete und wieder fallen ließ. Wahrscheinlich konnte er dankbar sein, dass sie ihn nicht mit den Ärmeln strangulierte. „Wir sind nicht verheiratet. Das hier gehört sich nicht. Selbst wenn wir verheiratet wären, würde ich die Situation als ungehörig betrachten.“
„Ungehörig? Ach, Unsinn, Oliver. Wenn du dich darum scheren würdest, was sich gehört und was nicht, dann wärst du nicht hier, oder? Du bist im Nachteil – was nicht heißt, dass ich etwas gesehen hätte. Na ja, deine Knie. Und deinen Oberkörper. Und für einen ganz kleinen Moment, wirklich, deinen …“
„Weib, um Himmels willen!“
„Das stört dich jetzt, wie?“, sagte sie mit glänzenden Augen. „Die Ungehörigkeit. Aber von dir war es nicht ungehörig, ins Zimmer zu kommen, während ich badete? Zwei Mal? Es ist nicht sehr angenehm, derart im Nachteil zu sein, nicht wahr? Und das Wasser wird kälter und kälter. Bist du sicher, dass du dir nicht den Kopf verletzt hast? Wirklich, es hat ordentlich gekracht. Du verlierst doch nicht das Bewusstsein, oder? Du könntest ertrinken.“
„Ich werde es überleben.“
Sie nickte. „Gut, wenn du sicher bist. Du hast ziemlich viele Haare auf der Brust, wie?“
„Chelsea, ich schwöre dir, wenn du nicht sofort still bist und dich umdrehst, werde ich, sobald ich diesen Zuber verlassen habe …“
„Ach, schon gut“, sagte sie und drehte sich endlich um. „Aber ich glaube, ich finde es sehr schön. Blond, wie dein Kopfhaar. Juckt es manchmal? Es sieht so weich aus, aber das weißt du wohl selbst am besten.“
Immer noch reichlich perplex, griff Beau nach der Seife, durch die er zu Schaden gekommen war, und begann rasch, sich einzuschäumen. „Du machst das mit Absicht, stimmt’s? Du hast nicht das geringste Schamgefühl.“
„Ach, du liebe Zeit, Oliver. Wir sind seit drei Tagen allein miteinander. Ich muss dich um eine Pause bitten, wann immer ich das Bedürfnis habe, mich zu entschuldigen und in die Büsche zu gehen, wenn kein Gasthaus in der Nähe ist. Ich habe mich im Straßengraben übergeben, und du hast zugesehen und alberne Banalitäten von dir gegeben. Wie viel mädchenhaftes Schamgefühl soll mir da noch bleiben?“
„Da ist was Wahres dran, das muss ich dir zugestehen.“ Er griff über den Rand des Zubers, hob das nasse Hemd auf, wohl wissend, dass es ihm nicht viel nützen würde, und stieg aus dem Wasser. Im nächsten Moment mühte er sich ab, seine immer noch nassen Beine in die Hose zu zwingen, denn weil er gewöhnlich nackt schlief, hatte er kein Nachtzeug mitgenommen. „Gut, ich bin angezogen oder vielmehr so angezogen, wie ich es im Augenblick für nötig halte.“
Sie drehte sich wieder um und schaffte es nicht recht, ihr Lächeln zu unterdrücken. „Eines Tages werden wir auf diese Zeit zurückblicken und darüber lachen“, sagte sie. „Ich zumindest. Ich werde unsere Enkel um mich versammeln und ihnen von dem Tag erzählen, an dem ihr ehrwürdiger Großvater seinen Kampf gegen die Seife verlor. Ich darf doch sicher ehrwürdig sagen. Immerhin bist du so viel älter als ich, das kleine Mädchen, dass du geschnappt und so romantisch entführt hast, um …“
Das reichte. Mehr wollte er nicht einstecken, ohne sich zu revanchieren.
Mit fünf raschen Schritten war er bei ihr und legte ihr die Hände auf die Schultern. Er presste die Lippen auf ihren offenen, lachenden Mund und küsste sie mit einer Mischung aus Verzweiflung und dem nahezu unkontrollierbaren Drang, sich wie ein Wahnsinniger lachend auf dem Boden zu wälzen.
Doch die unverhoffte Belustigung verflog so schnell, wie sie gekommen war, als Chelsea die Arme um seinen nackten Rücken legte und ihn festhielt.
Er hatte geglaubt, er allein hätte seit mindestens anderthalb Tagen diese Anspannung empfunden, doch das war eindeutig ein Irrtum. Sie empfand sie ebenfalls. Gespannt wie eine Feder, immer fester und fester, waren sie sich einer des anderen, der Zukunft, der Bedeutung dieser wilden Flucht nach Schottland bewusst gewesen. Hochzeit. Ein gemeinsames Bett. Seine Hände auf ihrem Körper. Ihre Einführung in einen Lebensabschnitt, von dem sie vielleicht gehört und gelesen hatte, den sie nun aber selbst kennenlernen sollte.
Er legte die Hände an ihre Wangen und hörte nicht auf, sie zu küssen, sie mit der Zunge zu reizen, sie in sich hineinzutrinken, ihren Seufzer einzuatmen, als sie sich an ihn schmiegte. Die Bettdecke glitt zu Boden, und Chelsea strich mit den Händen über seinen nackten Rücken und brachte seine Haut zum Glühen.
„Endlich“, hauchte sie. Er ließ die Hände sinken, strich ihr über die Schultern und streifte das Nachthemd herunter, sodass sie plötzlich bis zur Taille entblößt war.
Und sie schämte sich nicht. Er konnte seine Überraschung kaum verbergen.
Doch es gelang ihm. Er hätte sich einen tausendfachen Narren gescholten, wenn es ihm nicht gelungen wäre.
Sein Mund lag immer noch auf ihrem – sonst hätte sie vielleicht etwas gesagt, und er wagte es nicht, an diesem kritischen Punkt irgendwelche Unterbrechungen zu riskieren –, und er umfasste ihre nackten Brüste und staunte über deren perfekte Form. Sehen konnte er sie zwar nicht – dieses Versäumnis würde er später korrigieren –, aber seine Hände verrieten seinem benebelten Verstand, dass es die zwei schönsten Brüste der Weltgeschichte waren.
Und ihre Brustspitzen, die er mit den Daumenkuppen streichelte, waren die empfänglichsten Körperteile im gesamten Universum und verwandelten sich auf der Stelle in feste, harte Knospen, die seine Aufmerksamkeiten deutlich zu schätzen wussten.
„Oh … schön“, flüsterte Chelsea an seinem Mund und hielt ganz still, während er streichelte, streichelte, streichelte. „Sie fühlen sich immer … merkwürdig an, wenn ich dich ansehe. Vermutlich haben sie sich das hier gewünscht. Ja, bitte mach noch ein bisschen so weiter …“
Vielleicht sollte er sie reden lassen. Beau wusste, dass Worte wie ein Aphrodisiakum wirken konnten. Das hatte er irgendwo gelesen. Doch bis zu diesem Augenblick war ihm nicht klar gewesen, dass er hart und bereit werden konnte, wenn sein Gehirn ihm nur die Ohren öffnete.
Und warum zum Teufel versuchte er überhaupt zu denken? Im Lexikon der Gottesgeschenke war er gerade als Empfänger des Hauptgewinns eingetragen worden.
Er hob Chelsea auf seine Arme, trug sie zum Bett und legte sie sanft, aber zügig darauf nieder, bevor die Geistesverwirrung, die über sie gekommen war, sich auflöste und sie sich erinnerte, dass sie sich in einem schäbigen Landgasthaus befanden, noch nicht verheiratet waren und sich erst seit ein paar Tagen kannten. Merkwürdige, herrliche Tage.
Nur der spärliche Feuerschein durchdrang die Dunkelheit, und Chelsea zog Beau jedes Mal wieder zu sich herab, wenn er versuchte, sie loszulassen, seine Knöpfe zu öffnen, ihr das Nachthemd auszuziehen, sodass ihn zunehmend Verzweiflung überkam, als er die Schnur an ihrer Taille aufzuknüpfen versuchte.
Er wurstelte herum wie ein grüner Junge. Er hatte vielleicht nicht die Klasse des berühmten Casanova, aber, verdammt nochmal, er war versiert! Hatte seit fünfzehn Jahren nicht herumgewurstelt.
Als Chelsea an seinem Ohrläppchen knabberte – wo hatte sie das gelernt?! –, gab er es schließlich auf, setzte sich und betrachtete das letzte Hemmnis auf dem Weg, diese Frau im Feuerschein nackt zu sehen.
„Ein Knoten? Du hast einen Knoten in das verdammte Ding gemacht? Was ist das überhaupt?“
„Eine Gardinenschnur“, erklärte sie, ließ die Fingerspitzen über seine nackte Brust gleiten und entfachte damit ein kleines Feuerwerk in seinen Lenden. „Ich habe mir ein Nachthemd von deiner Tante ausgeliehen. Nur mit der Schnur kann ich verhindern, dass es herunterrutscht. Ach, lieber Himmel, Oliver, sieh mich nicht so an. Löse einfach den Knoten.“
Er rückte entschlossen von ihr ab und versuchte es erneut. Nicht einmal unter Zuhilfenahme beider Hände gelang es ihm, die geflochtene Seidenschnur aufzuknoten. Vielleicht lag es daran, dass seine Hände nicht ganz ruhig waren. Auch darüber wollte er später nachdenken. Denn auf gar keinen Fall würde er Chelsea bitten, nicht mehr neugierig mit einem Finger innen an seinem Hosenbund entlangzufahren; so dumm war er nun auch wieder nicht. Außerdem fiel es ihm schwer, sich auf den Knoten zu konzentrieren, wenn der Anblick des hochgerutschten Nachthemds und Chelseas teilweise entblößter Oberschenkel ihn ablenkten.
„Wirklich, Oliver, man könnte meinen, es wäre der Gordische Knoten“, sagte sie, als er immer noch an der Schnur nestelte. „Es hat beinahe den Anschein, als wärst du die Jungfrau in diesem Zimmer.“
„Bleib, wo du bist“, befahl er und erhob sich vom Bett.
„Wohin sollte ich denn gehen?“, fragte sie. Er stieß sich den Zeh am Stiefelknecht, als er in seiner Jacke nach seinem Messer suchte. „Ach, du liebe Zeit, Oliver. Du willst mir die Schnur doch nicht vom Leib schneiden? Womit soll ich dann mein Nachthemd schnüren?“
„Mach dir keine Sorgen, denn solange ich lebe, wirst du kein Nachthemd mehr tragen“, sagte er, schnitt die Schnur glatt durch und warf das Messer zu Boden.
Chelsea lachte, als er sich über sie neigte, im Glauben, er müsse ihre Leidenschaft erst neu entfachen, nachdem er sie verlassen hatte. Stattdessen hätte er Angst haben müssen, nicht mit ihr mithalten zu können, denn sie entledigte sich bereits ihres Nachthemdes, als würde sie sich jeden Tag vor Männern ausziehen.
„Du … du bist Jungfrau“, sagte er in halb fragendem Ton, als er sich wieder zu ihr aufs Bett gesellte und den Blick nicht von ihren perfekten Brüsten, ihrem flachen Bauch, der verführerischen Rundung ihrer Hüften und … ihrer weiblichsten Region lösen konnte.
„Und dazu verdammt, eine zu bleiben, glaube ich allmählich.“ Sie zupfte an den Knöpfen seiner Wildlederhose. „Was habe ich an diesen letzten Tagen gesagt oder getan, um dich glauben zu machen, ich wäre schüchtern oder zimperlich? Wirklich, Oliver, wenn du als Jungfrauenverführer verurteilt wirst und ich für alle Zeiten ruiniert bin, meinst du nicht, wir sollten das Spiel wenigstens genießen? Klar, meine Schwägerin schwört, es wäre die schrecklichste von allen Erfindungen Gottes, aber meine Zofe sagt, das läge daran, dass Thomas es wahrscheinlich nicht richtig macht. Ihr fällt nichts ein, was sie lieber mag, außer vielleicht Marzipan.“
Zärtlich schob er ihre Hände fort von seinen Knöpfen. „Es ist dein Ernst, wie? Du hast Scham, Sittlichkeit und all das abgeschüttelt – und willst mich verführen? Du hast keine Angst? Bist nicht nervös? Herrgott, Weib, du bist nicht mal ein bisschen ängstlich?“
„Oliver“, sagte sie ganz langsam, als spräche sie mit einem zurückgebliebenen Kind. „Ich bin eine praktisch veranlagte Frau. Bis vor ein paar kurzen Tagen stand mir ein Leben mit einem niederträchtigen Mann bevor, mit einem Bastard von Natur aus, mit feuchten Lippen, grabschenden, kneifenden Händen und einem Geist, in dem es wahrscheinlich von Maden wimmelt. Aber dich mag ich aus irgendeinem Grund, und dein Mund ist wunderbar, und du bist nur von Geburts wegen ein Bastard und hast dich in den letzten Tagen fast wie ein Ritter ohne Furcht und Tadel verhalten.
Dass ich meine Unschuld verlieren würde, stand von vornherein fest. Das Warten während dieser vergangenen Tage, die ständige Frage, wann es geschehen würde, das alles hätte mich, wie du sagst, nervös machen können. Weil ich doch jedes Mal, wenn du mich angesehen hast, erkannt habe, dass du dich das Gleiche gefragt hast. Und es muss geschehen, Oliver, bevor Thomas uns einholt.“
Als er dieses Mal ihre Hand nahm, hielt er sie fest, ließ sich neben Chelsea nieder, Auge in Auge auf dem dünnen Kissen. „Es muss geschehen“, wiederholte er. „Ob ich nicht meine, dass wir es genießen sollten. Besser als alles andere, außer Marzipan, wenn man es richtig macht. Ach ja, und fast wie ein Ritter ohne Furcht und Tadel. Plötzlich fühle ich mich so liebeslüstern wie der Zuber da drüben.“
„Wirklich?“
Er lächelte und führte ihre Hand wieder an seine Hosenknöpfe. „Nein, nicht wirklich. Aber so sollte es wohl sein. Zu deinem Glück sind Männer nicht so beschaffen. Eine schöne Frau, die nackt mit uns im Bett liegt, ignorieren wir so gut wie nie. Also, wenn du ganz sicher bist, dass du bereit bist …?“
„Ganz sicher“, sagte sie. Ihre Stimme zitterte nur leicht, was endlich doch auf Nervosität schließen ließ. „Ich habe immerzu darüber nachgedacht. Thomas, der Ritt zur Grenze, alles. Es ist wirklich die einzige Möglichkeit.“
„Wenn wir es tun, gibt es kein Zurück, Chelsea. Bis jetzt, selbst jetzt noch, könnte ich mir etwas für deinen Bruder einfallen lassen, könnte dich irgendwo wieder in seine Obhut geben. Es ist ja nicht so, dass jemand durch London läuft und Handzettel mit der Nachricht verteilt, dass wir nach Gretna Green durchgebrannt sind. Du könntest nach London zurückkehren, ohne dass jemand davon erfährt, und vielleicht erklärt er sich einverstanden, dass du diesen Flotley nicht heiraten musst. Aber wenn wir es tun? Wenn wir es tun, Chelsea, dann gibt es kein Zurück.“
„Erstens wird Thomas es sich nicht anders überlegen. Er hat einen Narren an Francis Flotley gefressen und ist überzeugt, dass meine Seele gerettet werden muss, was vielleicht stimmen mag, aber vielen Dank, ich rette sie selbst. Zweitens würde ich dich wieder in Thomas’ Blickfeld rücken, und du hättest nicht mal deine Rache bekommen. Und drittens ist mein Haar noch ziemlich feucht und mir wird kühl. Wenn du also weiter reden und nichts tun willst, dann sag es mir lieber, und versuche nicht, dich aus der … der Sache herauszuwinden, weil du mich nicht anziehend findest.“
Beau legte eine Hand auf ihren Bauch und ließ seine Finger zu ihren Brüsten wandern. „Wann, Chelsea, habe ich heute Abend irgendwie durch Wort oder Tat angedeutet, dass ich dich nicht anziehend finde?“
„Hm, ich weiß nicht. Ich habe das wohl nur gesagt, weil mir kein gutes Drittens eingefallen ist. Oh … das mag ich wirklich gern“, hauchte sie, als er ihre Brustwarze leicht zwischen Daumen und Zeigefinger rieb. „Darf ich das gern mögen?“ Sie schluckte sichtlich, ihr Atem stockte. „Ja, noch einmal. Dann fühle ich mich ganz … ganz, ich weiß nicht, wie. Meine Schwägerin war schon immer eine dumme Gans.“
Beaus Sorgen, dass seine Männlichkeit sich womöglich bereits zur Ruhe begeben haben könnte, verflüchtigten sich, als Chelsea begann, sich auf der klumpigen Matratze zu bewegen. Anscheinend konnte sie ihren Körper nicht stillhalten, als Beau sich tiefer über sie neigte, um die andere Brustwarze in den Mund zu nehmen und sie mit der Zungenspitze zu reizen.
Das verflixte Weib begann beinahe zu schnurren. Er hatte mit einer widerstrebenden Jungfrau gerechnet, aber nicht mit einer Jungfrau, der es widerstrebte, Jungfrau zu bleiben. Wäre sie erfahrener gewesen, hätte er gewusst, was er als Nächstes tun, wie er vorgehen würde. Aber sie war nicht erfahren, und er wusste nicht, wie er vorgehen sollte. Er hatte noch nie mit einer Jungfrau geschlafen.
Doch dann hob sie wieder die Hüften an, die Natur nahm ihnen mit dieser klassischen Aufforderung, die sie beide nicht ignorieren konnten, die Zügel aus der Hand, und er ließ seine Hand zurück über ihren Bauch gleiten und schob sie zwischen ihre Beine.
Und fand seinen ganz privaten Himmel auf Erden.
Sie war gerade zurückhaltend genug, gerade interessiert und erregt genug. Sie presste lange genug die Oberschenkel zusammen, dass ihn der Wunsch überkam, sie zu beschützen, und dann ließ sie ihn ein, ließ sich berühren, und er empfand eine Art urspünglichen Triumph, weil er sie so erregt hatte, dass das Undenkbare nicht nur folgerichtig, sondern ersehnt wurde.
Sie sollte die Seine werden. Sie war die Seine. Bereit für ihn. Er würde sie unterweisen, ihr alles zeigen, ihr Lust bereiten, den hauchdünnen Schleier ihrer Mädchenhaftigkeit zerreißen und ihr die Freuden einer Frau zeigen – die Freuden, die er ihr bereiten konnte. Er und nur er allein.
Sie war so eng, so unschuldig bemüht, bewegte sich unter seinen reibenden, streichelnden Fingern und hob und senkte die Hüften. Ihr Atem ging schneller, flacher. Sie hatte die Augen wie in äußerster Konzentration fest geschlossen, erlernte jede neue Lust, empfand, soviel sie empfinden konnte. Und wollte mehr. Sie zog die Knie an, stemmte die Füße in die Matratze und öffnete weit und voller Verlangen die Schenkel.
Für ihn.
Sie war bereit. Erregter wurde sie nicht, ohne allein den Höhepunkt zu erreichen. Wenn sie diesen Gipfel der Lust erklomm, sollte sie es nicht allein tun. Sie sollte wissen, dass sie dieses Ziel zusammen erreicht hatten.
Er musste jetzt handeln. Ihre Lust würde seine Lust sein, und so gern er noch verweilt, sie unterwiesen, sie betrachtet hätte, wenn die Leidenschaft sie überwältigte, sagte ihm doch etwas, dass er sie jetzt nehmen musste, während die neuen Gefühle alles andere in den Schatten stellten.
Irgendwie schaffte er es, seine Hose abzustreifen, stemmte sich hoch und neigte sich über Chelseas Körper. Plötzlich war er sich seiner selbst wieder nicht sicher.
Doch wer zögert, ist wohl verdammt, zurückzufallen, muss sich neu formieren und von vorn anfangen … Also stieß er in sie hinein, ganz plötzlich, und ihm stockte der Atem, als er auf den Widerstand traf, den ihr Körper bot – und ihn überwand.
Er bat nicht um Entschuldigung für den Schmerz, sondern fing ihren spitzen Schrei mit dem Mund auf, damit sie auf eine weitere Weise verbunden waren. Er stützte sich rechts und links von ihr ab, obwohl sie nach ihm griff und die Finger in seine Seiten krallte, um ihn wieder auf sich hinabzuziehen.
Er drang tief in sie ein, ihre Körper vereinigten sich, trafen so dicht aufeinander, dass ihre kleine, harte, lustspendende Perle jede seiner Bewegungen spüren musste. Und dann begann er sich zu bewegen. Tief, tief in ihr. Langsam zuerst, immer noch bemüht, sie möglichst wenig mit seinem Gewicht zu belasten; er, der Bastard, der ihr die Unschuld nahm, versuchte, den Gentleman zu spielen … und verlor haushoch.
Die uralten Seile, die das hinfällige Bett zusammenhielten, knarrten und dehnten sich, als Beau in Chelsea hineinstieß, wieder und wieder und immer wieder. Schneller. Heftiger. Tiefer. Bis er spürte, wie sie unter ihm nahezu schmolz, sich dann anspannte, still wurde, als wartete sie auf etwas, was sie endlich in Reichweite wusste.
Und dann geschah es. Lieber Gott, es geschah. Chelsea schrie auf, voller Staunen – Beau war sicher, dass es Staunen war –, und ihr Körper begann sich ihm entgegenzuwölben, ihre Muskeln krampften sich um ihn zusammen, kraftvoll, mit rhythmischem Zucken, bis sein eigener Höhepunkt jeden Gedanken daran, dass er seinen Körper beherrschte, zunichte machte.
Es war vollbracht. Er hatte eine Jungfrau entjungfert.
„Das will ich nie wieder tun“, sagte er in erster Linie zu sich selbst, als er auf Chelsea lag und versuchte, wieder zu Atem und möglichst auch zu Verstand zu kommen.
Zuerst reagierte sie nicht, doch schließlich fragte sie leise: „Wie bitte?“
Beau erkannte seinen Fehler auf der Stelle. „Nein, nein“, wehrte er hastig ab, rollte sich vorsichtig von ihr herunter und zog sie fest an sich. „So habe ich es nicht gemeint. Ich wollte sagen, ich will nie wieder bei einer Frau der Erste – das heißt, ich will nicht derjenige sein, der einer Frau die … Oh Gott. Es gab Zeiten, da habe ich mich immerhin für halbwegs intelligent gehalten und manchmal sogar für einigermaßen redegewandt. Habe ich dir wehgetan? Das war es, was ich meinte, was ich sagen wollte.“
Sie legte eine Hand auf seine Brust, spreizte die Finger und strich durch seine Behaarung, die sie vorher schon kommentiert hatte. „Hm, ja, ich glaube schon. Dass du mir wehgetan hast, meine ich. Aber nicht sehr. Ich weiß es nicht mehr recht. Jetzt musst du mich heiraten, Oliver. Ich habe dich gehörig verführt.“
Er blickte auf ihren Kopf herab, auf die Masse offener Ringellocken, die ihn fester an sie banden als ein starkes Seil. Wollte sie weinen? Das käme nicht unerwartet, nicht unter solchen Umständen. Sie war vor wenigen Minuten noch so tapfer, ja, eifrig gewesen. Sie beide.
Doch jetzt, da es vorbei war, da sie getan hatten, was, wie sie beide wussten, getan werden musste, war er hin- und hergerissen zwischen Lust und seinem Gewissen. Und sie war – na ja, er wusste nicht, was sie dachte. Wahrscheinlich wünschte sie sich, dass er einfach für eine Weile verschwand und ihr Zeit zum Nachdenken ließ. Immerhin hatte sie einen sehr großen Schritt getan. Sie konnte nicht mehr zurück, und das warf womöglich die Frage auf, wie es jetzt weitergehen sollte.
Beau versuchte, wieder zu dem Verhältnis zurückzufinden, dass sie vor dieser neuen Intimität gehabt hatten, die in Wirklichkeit vielleicht die Kluft zwischen ihnen verbreitert hatte.
„Ja, das hast du wohl. Das können wir später unseren Enkeln erzählen. Ich werde ihnen von ihrer lieben grauhaarigen alten Großmutter erzählen, die da sitzt, die Füße auf einem Schemel, und auf ihr Strickzeug schielt. Welch loses Frauenzimmer sie einmal war, wie sie mich gejagt und eingefangen, mich in ihr Bett gezerrt und sich zu Willen gemacht hat. Autsch!“, endete er, als sie in sein kurzes Brusthaar griff und heftig zog.
„Wir verstehen uns wirklich gut, oder?“ Sie wirkte nervös. Warum war sie nach alldem noch nervös? „Meine Eltern konnten sich nicht leiden, was in arrangierten Ehen nicht anders zu erwarten ist. Aber wir zwei dürften keine allzu großen Probleme miteinander haben.“
„Sagt die Frau, deretwegen ich nach Gretna Green flüchte, verfolgt von ihrem Bruder, der meinen Untergang plant. Nicht, dass es mich stört“, fügte er rasch hinzu und nahm ebenso rasch ihre Hand von seiner Brust. „Komm jetzt, dreh dich um und schlafe, während ich mich auf den Rest der Nacht vorbereite.“
Chelsea schien, wenn auch verspätet, ein Anflug von Sittsamkeit zu überkommen. Sie setzte sich auf und zog sich das fadenscheinige Laken über den Körper. „Was hast du für den Rest der Nacht geplant?“
„Nun, das liegt doch auf der Hand. Solange wir in dieser Räuberhöhle bleiben müssen, stehe ich Wache bei meiner Lady, wie es sich für einen Ritter ohne Furcht und Tadel gehört. Oder in meinem Fall für einen Ritter ohne trockenes Hemd. In ein paar Stunden will ich aufbrechen, es lohnt sich also kaum noch für mich zu schlafen. Möchtest du … verflixt, wie sagt man das? Möchtest du dich noch einmal waschen?“
Sie nickte und wich seinem Blick aus. „Würde es dir etwas ausmachen, nicht hinzusehen?“
„Nein“, sagte er ruhig und fragte sich, ob es noch schmerzte, ob sie geblutet hatte. Wahrscheinlich ja. Außerdem war sie vermutlich wund, was sie jetzt wohl zu spüren begann. „Nein, es macht mir überhaupt nichts aus.“
Er kleidete sich an, zog seine Stiefel an, und als er sich schließlich umdrehte, lag Chelsea im Bett, sogar unter der Bettdecke. Sie lag auf der rechten Seite und kehrte ihm den Rücken zu.
Er drehte den wackligen Stuhl zur Tür hin um, wohl wissend, dass er seine Wache ein wenig spät antrat. Eine Pistole hielt er auf dem Schoß, die andere hatte er neben sich auf den Boden gelegt und das Messer in den rechten Stiefelschaft geschoben.
Ein Scheit zerfiel im Kamin, seit einer Viertelstunde das einzige Geräusch im Zimmer.
Es war, wie er feststellte, das erste Mal, dass zwischen ihm und Chelsea ein unbehagliches Schweigen herrschte.
Er glaubte nicht, dass es das letzte Mal sein würde.