9. Kapitel
Das Wiedersehen

Da bin ich also wieder. Ich und die kleinen stickigen Clubs, wir werden wohl doch noch Freunde. Die Haare trage ich dieses Mal offen. Wie auch sonst immer positioniere ich mich eher abseits vom Geschehen, das Gerangel um einen Platz direkt vor der Bühne überlasse ich den kreischenden Sechzehnjährigen. Nach dem fünften Lied zieht er sein enges Shirt aus. Er ist verschwitzt, seine Haare kleben bereits an seinen Wangen. Ekstatisch haut er auf die Trommeln vor sich ein, verausgabt sich völlig. Manchmal bewegt er die Lippen zum Text mit. Ich starre ihn schon wieder an. Am Ende des Gigs kommen die Jungs wieder raus zum Autogrammeschreiben. Ich mag Gedränge immer noch nicht, deshalb halte ich mich weiter abseits. Irgendwann ist der erste Ansturm vorüber, und die Jungs plaudern mit einigen Fans.

Ich beschließe, mein Versteck zu verlassen. Langsam gehe ich auf das Grüppchen zu. Mein Herz klopft wie wild. Das kenne ich gar nicht von mir. Es macht mich unsicher. Ich bleibe stehen und schaue unschlüssig zu ihm rüber. Ich kann mich an alle Details erinnern, seinen Geruch, die weichen Haare, seine zärtliche Art. Dann treffen sich unsere Blicke. Er ist wie vor den Kopf gestoßen. Er kneift die Augen zusammen, als wolle er überprüfen, ob ihm seine Fantasie einen Streich gespielt hat. Ich halte seinem Blick stand, dann lächele ich vorsichtig. Er sieht mich immer noch an, als wäre ich ein Geist. Zögernd gehe ich ein paar Schritte vorwärts. Er löst sich von der Gruppe, niemand sieht ihm nach. Dann ist er plötzlich wieder umringt von vier Mädels, die ihn wegen Autogrammen bedrängen. Artig lässt er sich auch noch fotografieren. Dann endlich stehen wir voreinander, und ich muss sofort wieder auf diesen unwiderstehlichen Mund gucken.

»Die roten Haare …«, sagt er nur.

»Ja, die roten Haare.«

»Ich dachte, ich hätte es mir eingebildet.«

»Hm, nee. Ich bin ganz echt.«

Er guckt immer noch verblüfft. »Dachte nicht, dass ich dich noch mal wiedersehe.«

»Hm«, sage ich nur. »War ja auch eigentlich so angedacht.«

»Hat dir das Konzert gefallen?«

»Ja«, nicke ich.

»Ja wie, ›Geht so‹, oder …?« Er legt fragend den Kopf schief.

»Kommst du dieses Mal mit zu mir?«

Oh, jetzt habe ich es doch getan. Er grinst über beide Ohren. Ich kann nicht anders, ich musste ihn fragen. Ich habe in diesem Moment nicht mal nachgedacht.

»Aha, dafür also bin ich gut genug, ja?«, kontert er in gespielter Empörung. »Kein ›Na, wie gehts dir?‹ oder ›Womit hast du so deine Zeit verbracht?‹« Er lächelt verschmitzt.

»Ich bin halt eher der direkte Typ …«, sage ich. Und nun?

»Also, eigentlich bin ich ja nicht so einer …«

Das glaube ich ihm aufs Wort.

»War das ein Nein?«, frage ich. Ich traue ihm tatsächlich zu, mir einen Korb zu geben. Er tut so, als überlege er. Wenn er jetzt ablehnt, kann ich immer noch gehen und mir vormachen, mich an meine eigenen Regeln gehalten zu haben.

»Und was soll ich den Jungs sagen?«, denkt er laut nach.

»Sag ihnen, ich bin deine Kusine.«

»Wart mal eben ’nen Moment hier.« Er blickt sich suchend um. »Und nicht einfach abhauen, ja?«

»Nö.«

»Wehe, du bist gleich weg!«

»Na geh schon.«

Er trabt von dannen, irgendwo Richtung Bühne. Knapp zwei Minuten später ist er schon wieder da.

»Alles klar!«

»Und, was hast du gesagt?«

»Dass du ’ne alte Freundin bist und wir noch quatschen wollen und ich dann bei dir die Nacht über bleibe.«

»Das haben sie dir geglaubt?«

»Ich denke schon, bin ja sonst auch kein Märchenonkel.«

»Okay …«

»Bedingung ist, dass ich mich morgen um Punkt elf hier wieder einfinde, dann geht’s weiter, wir haben morgen Abend noch ’nen Gig. Zum Glück fahren wir nur drei Stunden bis zu dem Club.«

»Kriegen wir hin. Dann lass uns jetzt verschwinden.«

»Lass uns lieber hinten rausgehen, wegen der Fans und so.«

»Gut, ich folge dir …«

Wir laufen durch ein paar dunkle Gänge und stehen endlich im Freien. Er guckt ganz verlegen, als er sich umdreht. Ich erkenne in seinen Augen, dass er mich küssen will, bevor er mein Gesicht in seine Hände nimmt.

»Tut mir leid, ich muss das jetzt machen.«

»Küsst man denn seine alte Freundin?«, antworte ich dicht an seinem Mund.

»Ist mir gerade scheißegal«, murmelt er, bevor er mich filmreif küsst. Ich bekomme weiche Knie.

»Du?«, murmelt er ein wenig später an meinem Ohr.

»Ja?«

»Gefällt dir so was auch?«

»Mit ›so was‹ meinst du küssen?«

Er nickt, ohne sich von mir zu lösen. Ich spüre, wie er an meinem Hals angespannt atmet.

»Ich mag es.«

»Hm.« Die kurze Antwort scheint ihm nicht zu genügen.

»Sag es ihm, na los, sag es ihm doch einfach!«, hämmert es in meinem Kopf. Ich schlucke. »Ich mag es, wie du mich küsst«, sage ich leise. Ich spüre, wie er lächelt. Er löst sich vorsichtig von mir.

»Dann lass uns schnell von hier weg, damit wir weitermachen können.« Wieder dieser leicht verlegene Blick. Er ist zum Anbeißen! Auf dem Weg zum Auto nimmt er meine Hand. In mir rebelliert es. Allein diese kleine unschuldige Berührung geht mir durch und durch. Ich kann sogar die harten Stellen mit der Hornhaut von den Drum-Sticks spüren. Im Auto bringe ich kein Wort heraus. Auch er ist irgendwie verkrampft, er scheint die ganze Zeit vor sich hin zu grübeln. Ich versuche, mich immer wieder ganz sachlich daran zu erinnern, dass er auch nur ein Kerl ist. Er ist lecker, und ich will ihn eben ein zweites Mal. So einfach. Ich vermeide es, zu ihm rüber zu sehen. Als ich geparkt habe, sieht er plötzlich zu mir.

»Weißt du was?«

»Nee …«, sage ich. Was kommt denn wohl jetzt?

»Ich hab keine Ahnung, wie du eigentlich heißt.«

»Oh, richtig.« Wenn’s nur das ist. »Lilly. Und ja, das ist mein richtiger Name.«

»Lukas«, sagt er bierernst mit blitzenden Augen und hält mir formvollendet die Hand hin. Ich muss lachen und reiche ihm die meine. Ohne den Blick abzuwenden, führt er sie zu einem Handkuss an die Lippen.

»Na los, raus mit dir!«, schimpfe ich im Spaß.

In meiner Wohnung sieht er sich erst mal um. »Coole Bude«, sagt er und steht vor meinen wilden Ölbildern.

»Danke!« Ich wusele gerade im Schlafzimmer herum und zünde Windlichter an.

»Selber gemalt?«

»Hm.«

»Hui, hui, begabtes Kind.«

»Kind?«

»Joa, du bist doch bestimmt jünger als ich.«

»Zwei Monate«, sage ich lahm.

»Ha!« Er steht wie vom Blitz getroffen im Türrahmen. »Und woher weißt du meinen Geburtstag? Na?«

Erwischt, oh manno, wie peinlich.

»Tss …«, mache ich, weil mir keine Antwort einfällt, und fummele weiter an meinen Teelichtern herum. Mit einem Riesenschritt ist er hinter mir und umfasst meine Taille.

»Soso, doch ein Groupie. Gefällt dir unsere Seite?«

»Blödmann.«

Als Antwort kneift er mich in die Seite.

»Ich hatte Langeweile«, sage ich.

»Keine lahmen Ausreden, bitte.«

»Na gut, ich hatte total viel, endlos lange Langeweile.«

»Du bösartiges Etwas!« Er dreht mich um und sieht mich mit diesen unverwechselbar regenwetterfarbenen Augen an.

»Wenn du mich schon abschleppst, sei wenigstens nett zu mir.«

»Apropos abschleppen, ich schlage vor, wir legen uns jetzt nackt ins Bett.«

»Legen wir uns nackt ins Bett«, seufzt er, als würde ich ihn dazu zwingen.

Ich pfeffere meine Sachen in die nächste Ecke und krieche, nur noch mit String bekleidet, unter die Decke. Er kämpft noch mit seinen Socken. Dann ist er da. Ich liege auf dem Rücken, er rollt sich an mich heran und stützt sich seitlich auf einem Ellenbogen ab.

»Und jetzt?«, fragt er.

Ich lächele ihn an. Er ist einfach viel zu hübsch. Er lächelt zurück. In seinem Blick liegt so viel Zuneigung, dass ich meinen Kopf zur Seite drehen muss, sonst kann ich es nicht ertragen.

Er beugt sich vor, dreht mich zu sich, und dann ist sein Gesicht über mir. Sanft berührt er meine Lippen mit den seinen. In meinem Bauch flattern tausend Millionen Schmetterlinge. Dann wird seine Zunge fordernder. Ich weiß nicht, wie lange wir uns küssen, aber es ist noch schöner als beim ersten Mal.

»Wir können so gut rummachen …«, flüstert er irgendwann nah an meinen Lippen.

»Find ich auch.« Ich streiche wieder durch seine weichen Haare. Im matten Schein der Kerzen sind seine Augen fast schwarz. Die langen Wimpern lassen sie noch größer wirken.

»Du hast Mädchenaugen.«

Er grinst schief. »Findest du?«

»Ja. Und du bist sowieso viel zu hübsch für ’nen Kerl.«

»Und du bist viel zu frech für ein Mädchen. Und auch viel zu hübsch.«

»Aha.«

»Wir sind also ein tolles Paar.«

»Das Einzige, was wir sind, ist albern.«

»Ja und?« Er leckt zärtlich meine Unterlippe entlang. Dann löst er sich abrupt von mir. »Weißt du eigentlich, wie oft ich danach an dich gedacht hab?«

»Tut mir leid …«

»Tut es dir gar nicht.«

Ich sage lieber nichts. Er rollt sich auf den Rücken und legt den Arm um mich. Ich hebe kurz meinen Oberkörper und kuschel mich dann wieder neben ihn. Gemeinsam starren wir an die Decke.

»Ich hatte davor noch nie was mit ’nem Mädchen vom Konzert.«

»Selber schuld.«

»Ich bin kein One-Night-Standler.« Seine Stimme hat einen ernsten Unterton.

»Dachte ich mir.«

»Du hast mich damals voll überrumpelt.«

»Du hast dich aber auch nicht gewehrt.«

»Nein. Man sagt ja immer, die Leute auf der Bühne sehen niemanden im Publikum, aber das stimmt nicht ganz, schon gar nicht in so kleinen Clubs. Deine Haarfarbe sticht total aus der Menge heraus. Und dann das blasse Gesicht und die dunkel gemalten Augen.«

»Dunkel gemalt?«

»Ja, sieht doch hübsch aus!«

Ich kuschel mich noch näher an seine Brust und lege einen Arm über seinen Oberkörper. Er winkelt den Arm, der hinter meinem Rücken liegt, an und krault zärtlich durch meine Haare.

*

Das Nächste, was ich wahrnehme, ist ein Strahl Morgensonne, der durch die Jalousien fällt.

Oh nein! Ich bin eingeschlafen!

Neben mir liegt einer der attraktivsten Männer dieser Erde und schläft ebenfalls.

Herrje, was muss er von mir denken! Schleppt ’nen Kerl ab und schläft dann ein. Bestimmt ist er jetzt beleidigt. Ich schlüpfe unter der Decke hervor und tippel ins Bad zum Zähneputzen. Mit Frosch-Geschmack auf der Zunge kann ich nicht reden, geschweige denn anderes. Ein Blick auf das Handy verrät mir, dass es gerade mal acht Uhr ist. Als ich mich wieder unter die Decke wuscheln will, bewegt er sich. Er sieht so süß aus. Ich kann nicht anders, ich muss ihn streicheln. Er zuckt und bewegt sich erschrocken, und ich berühre ungewollt eine steinharte Erektion. Er blinzelt verschlafen zwischen den langen Wimpern hervor.

»Na, schön geträumt?«, frage ich unschuldig.

Er verzieht den Mund zu einem gequälten Lächeln. »Ich musste ja im Traum verarbeiten, dass du mir quasi unter den Händen weggeschlafen bist.«

»Tut mir leid«, sage ich kleinlaut und ziehe die Hand weg.

»Hey!«, sagt er und legt meine Hand zurück. »Fühlt sich gut an.« Ich bewege die Hand rauf und runter. Er macht die Augen halb zu.

»Hat dir mal jemand gesagt, dass du das gut kannst?«, flüstert er.

»Nein«, lüge ich.

»Lügnerin«, wispert er und schließt die Augen ganz. Ich mache weiter und fasse seinen Schwanz fester. Sein Kopf auf dem Kissen bewegt sich unruhig hin und her, seine Lippen sind leicht geöffnet. Schließlich fingere ich nach einem Kondom, ohne mit der anderen Hand loszulassen. Ich reiße es verbotenerweise mit den Zähnen auf und setze es auf die Spitze. Er zuckt einmal kurz, dann rolle ich es über seinen Schwanz. Als ich zwischen seine Beine tauche, stöhnt er leise auf.

Ich lecke zuerst an der Innenseite seiner Oberschenkel, bis ich die Hoden erreicht habe. Einen davon sauge ich vorsichtig ganz in meinen Mund und lasse ihn wieder hinausgleiten. Sein Becken bewegt sich rhythmisch. Dann das gleiche Spiel mit dem anderen. Ich lasse meine Zunge bis zum Penis hinaufgleiten und lecke daran entlang bis zur Spitze. Zuerst nehme ich die Eichel nur kaum merklich in den Mund, um ihn einfach nur meine warmen Lippen spüren zu lassen. Sein Becken bewegt sich heftiger, während seine Hände sich in meinem Haar vergraben. Dann nehme ich ihn ganz in den Mund. Er zuckt und drängt mir sein Becken entgegen. Immer wieder lasse ich seinen Penis ganz in meinen Mund gleiten. Der Latexgeschmack ist zwar immer wieder gewöhnungsbedürftig, aber dafür nehme ich es dann doch in Kauf. Mit einer Hand dirigiere ich massierend seinen Schwanz in meinen Mund, mit der anderen spiele ich mit seinen Hoden. Sein Penis zuckt, er wird bald kommen. Dann zieht er auf einmal an meinen Haaren und bringt ein »Nein, warte!« heraus. Ich tauche wieder zwischen seinen Beinen auf. Seine Augen bringen den Prototypen eines Schlafzimmerblicks hervor, sein Mund ist feucht und gerötet, und sein Atem geht schnell.

»Komm her«, flüstert er und befeuchtet seine Lippen. Ich krieche höher.

»Nicht küssen, ich schmecke nach Latex«, warne ich ihn.

»Ist mir so was von egal.« Gierig zieht er meinen Kopf zu sich herunter. In derselben Sekunde spüre ich seine Zunge an meiner. Und ganz nebenbei jongliert er noch ein Kaugummi im Mund herum. Ist er etwa schon wach gewesen?

Dann rollt er sich auf mich. Zwischen meinen Beinen fühle ich seinen harten Schwanz. Ich fasse seine Haare an, einige Strähnen umrahmen im weichen Fall sein Gesicht. Er bewegt tastend sein Becken, dann lächelt er entschuldigend.

»Ich glaube, du musst mir helfen.«

Ich umfasse seinen Schwanz und führe ihn. Dann ist er richtig. Ich ziehe die Hand weg. Er senkt den Kopf und fährt die Konturen meiner Lippen mit der Zunge nach, während er sein Becken langsam nach vorne schiebt. Er lässt sich Zeit beim Eindringen, den Blick nun unverwandt auf mich gerichtet. Ich liebe diesen Moment des Weitens, wenn alles Gefühl auf pure Lust umschaltet. Und ich mag seinen Penis. Er ist rund und dick und nicht zu lang. Immer wieder gleitet er in mich hinein und wieder heraus. Ein langsamer, genussvoller Rhythmus. Ich schlinge meine Beine um seinen Rücken, um ihn noch intensiver zu spüren. Er verändert seinen Takt nicht. Wieder seufzt er leise mit halbgeschlossenen Lidern. Ich ziehe seinen Kopf zu mir herunter, ich bekomme einfach nicht genug von diesen Küssen. Unsere Zungen verknoten sich gierig. Meine Hände kratzen über seinen Rücken, während ich versuche, mich noch enger an ihn zu drücken. Ich mag diese Stellung, aber leider ist es eine Position, in der ich nur komme, wenn ich mich sehr konzentriere. Ich bewege meine Hüften so, dass seine Lendengegend wenigstens ansatzweise meine Klitoris berührt. Er muss es bemerkt haben, denn er sieht forschend in mein Gesicht.

»Is es okay so?«

»Es ist toll«, flüstere ich und bewege mich weiter mit ihm.

»Du musst mir sagen, wenn dir was nicht gefällt, ja?«

»Keine Sorge, mach einfach genauso weiter.« Ich kratze wieder leicht über seinen Rücken. Er senkt den Kopf in meine Halsbeuge und verbeißt sich zärtlich in meinem Hals, seine Stöße werden etwas härter, aber er bleibt im Takt. Er macht das gut, so fällt es mir leicht, mich völlig meiner eigenen Erregung hinzugeben.

»Sag mir, wenn du so weit bist …«, flüstert er irgendwann rau. Ich habe schon gemerkt, dass er sich extrem beherrscht.

»Tiefer …« Er drängt sich noch näher. Einige Minuten später geht sein Atem nur stoßweise. Ich sehe zu ihm hoch. Sein Mund ist leicht geöffnet, seine Augen geschlossen. Die Haare über der Stirn sind feucht. Sein ganzer Anblick versprüht pure Lust.

Ich hebe mein Becken ein wenig höher, um ihn noch intensiver zu spüren. Er wimmert fast, als er noch tiefer in mich eindringt.

»Jetzt …«, flüstere ich. Als Antwort beißt er sich fest auf die Lippen. Dann ist es so weit. Er verzieht sein Gesicht, als hätte er Schmerzen, während er immer schneller wird. Dann schließe auch ich die Augen. Ich spüre nur noch sein Gewicht auf mir, seinen Penis und die explodierende Wärme zwischen meinen Beinen. Dann komme ich, noch vor ihm. Noch einmal stößt er in mich hinein, bevor er mit einem langen Seufzen innehält und dann auf mich niedersackt. Ich spüre seinen rasenden Herzschlag auf meiner Brust. Er schlingt die Arme um mich und legt seinen Kopf in meine Halsbeuge.

»Lass uns bitte nie wieder damit aufhören …«, flüstert er.

»Wir könnten alternativ auch zusammen duschen.«

Er rutscht von mir herunter und lacht: »Okay!«

Ich lasse mich aus dem Bett rollen und bedeute ihm, mir ins Bad zu folgen. Das warme Wasser ist herrlich. Erst schäume ich ihn ein, dann er mich. Kurz darauf bekommt er wieder eine Erektion, das war ja so klar. Ich drehe mich um, lehne mich mit dem Gesicht an die Kacheln, und er drückt sich von hinten an mich. Zärtlich knabbert er an meinem Ohr, während er seinen Schwanz zwischen meine Oberschenkel dirigiert.

»Ich will es noch mal mit dir machen«, flüstert er.

»Ich glaube, mit ’nem Gummi ist es schwierig beim Duschen.«

Er reibt sich weiter an meinem Hintern. »Ja, glaub ich auch, aber danach sofort.«

Ich nicke und bewege mich in seinem Takt. Mit beiden Händen greift er von hinten nach meinen Brüsten und knetet sie vorsichtig.

»Müssen wir noch lange duschen?«, flüstert er schließlich. Ich kichere, er ist so süß.

»Ja, wir müssen jetzt noch ganz lange duschen«, antworte ich ernst. Er seufzt gespielt. Ich drehe das Wasser ab.

»Fertig!«, sage ich und wende mich zu ihm.

»Endlich!« Er macht große Augen, und ich versinke mal wieder in seinem grauen Blick. Plötzlich drückt er mich an die Wand, sein Mund sucht gierig den meinen.

»Du glaubst mir nicht, wie unglaublich anziehend ich dich finde«, murmelt er zwischen unseren Küssen. Bevor ich etwas erwidern kann, schneidet er mir mit einem weiteren Kuss die Luft ab. Dann lässt er mich los, macht einen großen Schritt raus aus der Dusche und reicht mir ein Handtuch. Seine Erektion ist immer noch unübersehbar.

»Setz dich«, sage ich und deute auf das WC. Wortlos lässt er sich darauf fallen. Er tropft wie ein nasser Hund. Ich steige aus der Dusche und suche über ihm im Hängeschrank nach einem Kondom. Er nutzt die Gelegenheit, mir zwischen die Beine zu fassen. Sicher wie ein Schlafwandler findet er meine Klitoris, umkreist sie sanft mit dem Daumen, während er mit dem Mittelfinger in mich eindringt. Dabei sieht er mit lustverhangenem Blick zwischen meinen Brüsten zu mir hoch. Ich zögere die Suche etwas hinaus, um mich diesem Gefühl noch weiter hingeben zu können.

Dann löse ich mich von ihm und reiße das Kondom aus seiner Hülle. Ich halte es ihm hin, und er streift es sich über. Dann setze ich mich abrupt auf ihn. Er wirft den Kopf nach hinten, und ein Zittern durchläuft seinen Körper. Ich lege die Arme um seinen Hals und beginne, mein Becken an seinen Bauchmuskeln auf und ab gleiten zu lassen. Seine Hände umfassen meine Taille, seine Augen sind geschlossen. Dann beißt er sich auf die Lippen und keucht: »Ich kann gleich nicht mehr.«

»Ja und?«

»Aber ich will …«, protestiert er. Ich beende mit einem unerbittlichen Kuss seinen verbalen Widerstand. Dann drücke ich mich noch enger an ihn, sein Ohr liegt an meiner Wange, und ich kann seinen schnellen Atem hören. Ich beschleunige meine Bewegungen. Ich will seinen Höhepunkt spüren und genießen. Wieder keucht er.

»Warte …!«, flüstert er gepresst.

»Nein.« Ich reibe mich nur noch fester an ihm. Seine Muskeln stimulieren meine Klitoris. Ich fasse in seine nassen Haare und presse mich ganz fest auf ihn. Er stöhnt an meinem Hals, seine Finger krallen sich in meine Haut. Ich höre nicht auf. Dann spüre ich, wie er aufgibt, er atmet laut aus. Ich lasse mich noch härter auf ihn hinabgleiten. Dann kommt er. Er hält die Luft an, und der Höhepunkt fließt wie eine Welle durch seinen Körper. Mit einem Ruck presst er mich auf seinen Schoß, dann atmet er keuchend aus. Ein paar unendliche Sekunden lang hält er mich sehr fest, dann lockert sich jeder Muskel in seinem Körper, und er sackt zitternd zurück an den Spülkasten.

»Meine Güte, was machst du mit mir?«

»Das war gut!«, sage ich und wuschle durch seine Haare.

*

Wenig später sitzen wir gemütlich am Frühstückstisch, obwohl er eigentlich schon spät dran ist. Bis jetzt hat er nicht wieder nach meiner Nummer gefragt, was mich ein klein wenig erstaunt. Als er auch im Auto keinerlei Anstalten macht, kommt es mir doch komisch vor. Wir verabschieden uns mit einem langen Kuss, ich streichle noch mal durch seine Haare, dann ist er weg.

Schon auf dem Weg nach Hause piepst mein Handy.

»Ausgetrickst«, steht da nur, und ich kapiere erst mal gar nichts. Zuerst denke ich an David, diesen Wahnsinnigen, aber dann dämmert es mir. Als Nächstes kommt: »Jetzt kann ich dich Tag und Nacht volltexten.« Dazu ein Smiley mit rausgestreckter Zunge. Ich schaue auf das Display und bin noch immer verwirrt. Wie hat Lukas meine Nummer bekommen?

In meiner Wohnung kommt dann noch: »Ich habe mich von deinem Handy aus angerufen.« Na, wie finde ich denn das? Ich verbanne mein Handy für den Rest des Tages unter ein großes Couchkissen. Am Abend checke ich es mit klopfendem Herzen. Keine neuen Nachrichten. Ein Glück. Dann halte ich es in der Wohnung nicht mehr aus. Ich ziehe mich warm an und laufe los. Kalter Wind fegt mir ins Gesicht und wirbelt den frisch gefallenen Schnee auf. Doch mir tut es gut. Ich laufe in zügigem Tempo durch meine Nachbarschaft, bis hin zu dem vergessenen Park. Mit dem weißen Zuckerguss sieht er wieder richtig hübsch aus. Meine Lungen brennen, doch ich laufe weiter. Was nun? Sollte ich mich nicht freuen, dass er mich mag? Träumt nicht jedes Mädchen davon, einen coolen Musiker kennenzulernen? Warum nehme ich meine Regeln als Vorwand, ihn nicht näher kennenlernen zu wollen? Auch wenn er weit weg wohnt. Vielleicht könnte man es organisieren. Vielleicht wäre es gar nicht kompliziert. Vielleicht, vielleicht, vielleicht.

*

Mein Bett riecht noch nach ihm.

Ich hätte das nicht tun dürfen. Nicht wegen ihm, sondern in erster Linie wegen mir. Hätte ich ihn nicht ein zweites Mal flachlegen müssen, hätte ich das Problem mit der Handynummer jetzt nicht. Eine halbe Stunde später ruft er an. Ich erkenne seine Nummer sofort, doch ich gehe nicht ran.

Er simst: »Willst du nicht mit mir reden?«

Ich lösche die SMS. Nein, das will ich lieber nicht. Nicht, solange ich nicht weiß, was ich ihm sagen soll.

*

Mitten in der Nacht reiße ich die Augen auf. Das Licht der Straßenlaterne wird von meiner Jalousie in feine Streifen geschnitten. Ich mag das vertraute Muster. Meine Augen sind ganz trocken und brennen. Mechanisch schwinge ich die Beine über die Bettkante und stelle mich ans Fenster. Ich ziehe an der seitlichen Kordel, und schon ordnen sich die feinen Lamellen und steigen wie von Zauberhand immer höher Richtung Decke.

Draußen ist es dunkel und still. Die Nachbarn gegenüber haben sich hinter ihren Rollos verschanzt. Lukas ist wieder da. Seine Stimme, sein Geruch, der Moment, in dem sich unsere Blicke in der Konzerthalle getroffen haben.

Männer kommen und gehen, aber manche von ihnen haben feine Widerhaken. Die krallen sich im Kopf, in der Erinnerung, im Herzen fest. Entfernt man sie gewaltsam, reißen sie ein Stück aus einem heraus, das nicht mehr zu ersetzen ist.

Lukas ist einer von denen, ich weiß es. Verdammt. Ich lege eine Wange an die Fensterscheibe. Sie ist kalt, ein bisschen klamm. Trotzdem bewege ich mich nicht.

Als es in meinen Zähnen anfängt zu ziehen, löse ich mich von der Scheibe und hinterlasse einen klebrigen Fleck. Schönen Gruß von der Nachtcreme.