Die Schuhe über zwei Finger gehängt, richtete ich mich wieder auf. Die Party hatte sich früh aufgelöst, damit die ganzen braven Elfen rechtzeitig zu ihrem Mitternachts-schläfchen zu Hause sein konnten. Pixies lebten nach denselben Zeiten - vier Stunden Schlaf um Mitternacht herum und noch mal vier Stunden am Mittag. Kein Wunder, dass Jenks müde war.
24
Der rissige Gehweg war warm unter meinen Füßen, als ich durch die laternenbeschienene Dunkelheit auf das fröhliche Leuchten der Lampe zuging, die unser »Vampirische Hexenkunst«-Schild über der Tür anstrahlte. In einiger Entfernung heulte eine Sirene. Der Mond würde erst in ein paar Tagen vol sein, aber die Straßen waren belebt gewesen, sogar hier in den Hol ows.
Nicht dass ich gelauscht hatte, aber das Gemunkel, das ich im Bus mitgehört hatte, ging davon aus, dass das Lagerhaus an der Vine wieder in Flammen aufgegangen war. Unser Heimweg hatte uns nicht in der Nähe vorbeigeführt, aber die Anzahl von I.S.-Wagen, die ich gesehen hatte, war überwältigend gewesen. Die wenigen Leute im Bus hatten ängstlich gewirkt, zumindest fiel mir kein anderes Wort dafür ein, aber ich hatte zu viel mit meinen eigenen Problemen zu tun gehabt, um ein Gespräch anzufangen, und Jenks hatte offensichtlich geschlafen.
Lautlos ging ich die Stufen hinauf und zog die Tür auf.
Mein Blick huschte sofort zu den Haken an der Wand, in der Hoffnung, dass etwas von Ivy dort hängen würde. Nichts.
Jenks seufzte auf meiner Schulter. »Ich rufe sie jetzt sofort an«, erklärte ich, ließ meine Schuhe neben die Tür fal en und zog meine Tasche nach vorne.
»Rache.« Der Pixie hob ab, um vor mir zu schweben, damit ich ihn sehen konnte. »Es war ein langer Tag.«
»Deswegen rufe ich sie an.« Die Verbindung wurde aufgebaut, als ich in den Altarraum wanderte, wo ich die Lichter anschaltete, bevor ich Richtung Küche ging.
Schuldgefühle nagten an mir. Sie konnte das mit Kisten und mir nicht herausgefunden haben, und selbst wenn, hätte sie mich angeschrien, bevor sie verschwand. Glaubte ich zumindest.
Das Zirpen der Gril en verband sich mit dem Klappern von Jenks' Libel enflügeln, als ich das Küchenlicht anmachte und blinzelte, bis sich meine Augen an die grel e Hel igkeit gewöhnt hatten. Der leere Platz, wo Ivys Computer stehen sol te, war deprimierend, und ich ließ meine Tasche auf den Tisch fal en, damit er weniger leer aussah. Mein Handy klingelte, bis Ivys Telefon mir mitteilte, dass ich auf die Mailbox umgeleitet worden war. Ich legte auf.
Ich ließ das Gerät mit einem dumpfen Geräusch zuschnappen. Jenks saß auf dem Glas mit seinen Urzeitkrebsen. Seine Flügel standen besorgt stil . »Wenn es nicht die eine von euch ist, dann ist es die andere«, sagte er säuerlich.
»Hey, ich bin nicht derjenige, der letzten Winter gegangen ist«, sagte ich und tapste zum Kühlschrank, um mir eine von Ivys Wasserflaschen zu holen.
»Du wil st das wirklich aufs Tapet bringen?«, knurrte er, doch ich schüttelte den Kopf und fühlte mich schuldig.
»Viel eicht ist sie bei Kisten«, meinte ich, öffnete die Flasche und nahm einen Zug. Ich war nicht durstig, aber es hob meine Laune, als ob Ivy jeden Moment in den Raum stürmen und mich zur Rede stel en würde, was ich mir dabei dachte, ihr Wasser zu trinken.
Jenks hob kurz ab, um dann stehend auf dem Krebsglas zu landen. »Lass mich wissen, wenn du etwas hörst. Ich mache Feiermorgen. Jhan ist verantwortlich, fal s etwas passiert.
Wenn du mich brauchst, sag es ihm.«
Ich riss die Augen auf. Jenks ließ seinen Sohn Wache spielen? »Jenks?«, fragte ich, und er drehte sich noch einmal um.
Er hob die Schultern und ließ sie wieder fal en. »Ich werde ein wenig Zeit mit Matalina verbringen«, sagte er, und ich kämpfte schwer damit, ein Lächeln zu unterdrücken.
»Okay«, sagte ich. »Wil st du morgen frei haben?«
Er schüttelte den Kopf und verschwand dann durch das Loch im Fliegengitter. Ich ging zum Fenster und lehnte mich über die Spüle, um zu beobachten, wie er eine leicht grünliche Spur von Pixiestaub zu dem Baumstumpf im Garten zog. Dann war er weg. Ich war al ein. Meine Augen glitten zu dem Kuchen, den Ivy für mich gemacht hatte, immer noch ohne Zuckerguss. Ich hatte ihn heute Nachmittag in Folie gepackt, damit er nicht trocken wurde.
Gott, das stinkt.
Ich wol te nicht, dass es ein Selbstmitleidsanfal wurde, also zog ich eines meiner Zauberbücher aus dem Regal und machte mich mit meinem Wasser und der Schüssel mit Zuckerguss auf den Weg in den Altarraum. Ich hatte keinen Hunger, aber ich brauchte etwas zu tun.
Ich würde Regionalsender schauen - nachdem unser Kabel nicht bis dorthin reichte -, vorgeben, Recherche zu machen, und dann früh ins Bett gehen. Gott, das war viel eicht ein tol er Geburtstag gewesen.
Ist es mein Fehler, dass Ivy weg ist?, dachte ich, als ich durch den Altarraum schlurfte. Verdammt, wieso ließ ich immer meine Gefühle meine Entscheidungen treffen?
Niemand hatte mich gezwungen, Kisten zu beißen.
Ich hätte ihm die Kappen zurückgeben können. Aber Ivy hatte kein Recht, sauer zu sein. Er war mein Freund!
Außerdem hatte sie gesagt, dass ihr Kuss dazu diente, herauszufinden, was ich wol te. Also, ich versuchte mich zu entscheiden, und da spielte Kisten auch eine Rol e.
Deprimiert ließ ich mich in Ivys Wildledersessel fal en.
Vampirisches Räucherwerk dampfte auf, und ich atmete auf der Suche nach Trost den Geruch tief ein. Weit entfernt hörte ich, wie ein Transformator den Geist aufgab, und wartete darauf, dass die Lichter ausgingen. Sie blieben an. Gut für mich, aber schlecht für das Eichhörnchen, das gerade ins falsche Kabel gebissen hatte und auf Zil ionen Volt aus dem Leben geritten war.
Ich öffnete mein Zauberbuch und schnappte mir die Fernbedienung. Es war fast Mitternacht. In den Nachrichten hatten sie jetzt wahrscheinlich etwas über das Feuer.
Der Fernsehschirm wurde hel , und während eine Werbung vor sich hinbrül te und ich mir einen Löffel Zuckerguss in den Mund schob, rief ich Kisten an. Nichts. Pizza Piscarys kam als Nächstes, und während ich ihrer Bandansage mit den Öffnungszeiten zuhörte, fragte ich mich, warum niemand dran ging. Sie mussten wirklich viel zu tun haben.
Ich legte den Kopf schief und schaute in das dunkle Foyer.
Ich hätte mir einfach meine Schlüssel schnappen und rüberfahren können, aber wegen der Anwesenheit so vieler Polizisten auf der Straße machte ich mir Sorgen wegen meines abgenommenen Führerscheins.
Ich hörte noch einen Knal draußen, diesmal näher, und die Lichter flackerten.
Zwei Eichhörnchen?, dachte ich und runzelte dann die Stirn. Es war dunkel. Es konnten keine Eichhörnchen sein.
Viel eicht bal erte mal wieder jemand auf Straßenlampen.
Neugierig stel te ich die Zuckerguss-Schüssel ab und ging zum Fenster. Dann ließ mich ein heftiges Klopfen an der Tür herumwirbeln, und Ceri stürmte in den Raum.
»Rachel?«, rief sie, und Sorge stand ihr ins herzförmige Gesicht geschrieben. »Rachel, Gott sei Dank«, sagte sie, kam auf mich zu und nahm meine Hände. »Ich muss dich hier wegbringen.«
»Was?«, fragte ich höchst intel igent und schaute dann an ihr vorbei, als Keasley in den Raum stiefelte, mit erstaunlich schnel en Schritten für seine schmerzhafte Arthritis. »Ceri, was ist los?«
Keasley nickte mir zu, dann schloss und verriegelte er die Tür.
»Hey!«, rief ich. »Ivy ist noch nicht zu Hause.«
»Sie kommt auch nicht«, sagte die alte Hexe und humpelte vorwärts. »Hast du einen Schlafsack?«
Ich starrte ihn an. »Nein. Ich habe ihn im großen Salzwasser-Debakel von 2006 verloren.« Ich hatte eine Menge eingebüßt während der I.S.-Todesdrohung, und meinen Schlafsack zu ersetzen, hatte nicht gerade hoch oben auf meiner Liste gestanden. »Und woher weißt du, dass Ivy nicht kommt?«
Der Mann ignorierte mich und ging den Flur entlang zu meinem Zimmer.
»Hey!«, sagte ich wieder und drehte mich dann zu Ceri um, als sie meinen Arm packte. »Was ist los?«
Ceri deutete auf den Fernseher, der jetzt ein Mischmasch aus Lärm und Verwirrung zeigte. »Er ist draußen«, sagte sie mit bleichem Gesicht. »AI wandelt auf dieser Seite der Linien.
Frei und ohne Kontrol e durch irgendjemanden - egal ob die Sonne am Himmel steht oder nicht.«
Sofort entspannten sich meine Schultern. »Gott, es tut mir leid, Ceri. Ich wol te es dir sagen. Du musst dir wirklich ein Telefon anschaffen. Ich weiß. AI war bei Trents Hochzeitsprobe und beim Abendessen.«
Die Augen der Elfe weiteten sich. »Es ist wahr?«, rief sie, und ich wand mich.
»Ich wol te es dir sagen, sobald ich zu Hause bin, aber ich habe es vergessen«, flehte ich und fragte mich, wie sie es so schnel herausgefunden hatte. »Aber es ist in Ordnung. Er ist hinter niemandem her außer mir. Er kann die Sonnensache durchziehen, weil er einen Handel mit Lee gemacht hat, dass er von seinem Körper Besitz ergreifen darf, bis Lee mich tötet. Und das wird nicht passieren, bis er mit mir fertig ist.«
Ich konnte ihr nicht sagen, dass ihr Handel mit AI der Grund war, warum er diesmal hinter mir her war. Das würde sie verfolgen.
Ceri zögerte. »Fäl t eine Tötung durch Lee nicht unter die
>er oder seine Gefolgsleute<-Klausel?«
Mein Magen verkrampfte sich, und ich warf einen kurzen Seitenblick zu Keasley, der am Ende des Flurs auf uns wartete, mit meiner Tagesdecke in den Armen. »AI wird Lee freigeben, bevor er mich tötet, und da Lee genug eigene Gründe hat, mich umbringen zu wol en, wird die Klausel nicht relevant sein.«
Keasley ließ mein Kopfkissen und die Decke über die Türschwel e zum Altarraum fal en und humpelte wieder den Flur entlang. Ceri nahm meinen Arm und folgte ihm. »Wir können später die Feinheiten des Dämonenrechts diskutieren. Du musst auf geheiligten Boden.«
Gereizt zog ich meinen Arm aus Ceris Griff. »Mir geht es gut«, protestierte ich. »Wenn AI irgendwas hätte tun wol en, dann hätte er es schon getan. Er wird mich nicht töten.
Zumindest nicht sofort.«
Ich sah zum Fernseher, weil ich einfach nicht verstehen konnte, warum al e austickten. Dann schaute ich genauer hin.
Sie standen nicht vor dem Lagerhaus, sie standen vor einem Supermarkt. Verängstige Leute in Vans und Kombis plünderten den Laden. Die Reporterin schien selbst Angst zu haben, während sie die Leute anwies, nicht in Panik zu verfal en, und verkündete, dass die Situation unter Kontrol e war. Oh-oh. Das sah auch wirklich aus wie unter Kontrol e.
Man hörte einen Knal und sah einen Lichtblitz. Die hübsche Reporterin fluchte und duckte sich. Die Kamera schwenkte auf die Tankstel e auf der anderen Straßenseite.
Noch ein Lichtblitz, und ich verstand, was gerade geschehen war. Eine Kraftlinienhexe hatte gerade jemanden hochgejagt, der versucht hatte, zwischen ihn und die Tankstel e zu kommen. Ein leicht purpurner Schein hing noch in der Luft.
»Hast du das drauf?«, schrie die Ansagerin, und mein Magen hob sich, als die Kamera anfing zu wackeln. »Die Stadt ist verrückt geworden!«, rief sie mit weit aufgerissenen Augen. »Die I.S. hat bereits Kriegsrecht ausgerufen, und al e Einwohner sol en in ihren Häusern bleiben. Die Busse werden um Mitternacht aufhören zu fahren, und jeder, der noch auf den Straßen ist, wird in Gewahrsam genommen. Jake«, rief sie und zuckte zusammen, als ein weiterer scharfer Knal ertönte. »Hältst du drauf?«
Jake hielt in der Tat drauf, und ich starrte Leute an, die panisch ihre Autos auftankten. Ich keuchte, als ein frustrierter Fahrer einfach in das Auto vor ihm rammte, um es nach vorne zu schieben. Ein Kampf brach aus, und mir fiel die Kinnlade runter, als ein Bal aus grünlichem Jenseits eine Zapfsäule traf. Sie explodierte in Orange und Rot. Die Frau kreischte, und die Kamera fiel. Meine Fenster klirrten, und ich drehte mich zu den dunklen Straßen um. Verdammt, das war richtig nah gewesen. Was zur Höl e ging hier vor? Also wanderte AI eben auf den Straßen herum. Ich war die Einzige, die er wol te.
»Ich check es nicht«, sagte ich und wedelte mit einer Hand Richtung Fernseher. »Er kann nur das, was Lee kann. Er ist nicht gefährlicher als eine durchschnittliche, durchgeknal te, masochistische schwarze Kraftlinienhexe.« Ich zögerte und schaute mir die Angst an, die im Fernsehbild so deutlich zu erkennen war. »Okay«, gestand ich ein. »Viel eicht ist ein wenig Schreien angebracht, aber er kann überwältigt werden.«
»Jemand hat es versucht.« Ceri zog an mir, aber ich bewegte mich nicht und konzentrierte mich weiter auf das Chaos. »Er hat in einem Tanzlokal Ärger gemacht, und als die Türsteher versucht haben, ihn rauszuwerfen, hat er sie getötet. Sie genau da eingeäschert, wo sie standen, und dann den Laden angezündet. Und dann hat er die sechs Hexen von der I.S., die ihn stoppen sol ten, ins Jenseits verbannt. Niemand kann ihn aufhalten, Rachel, und er steht unter keinerlei Kontrol e. Die Leute haben Angst. Sie wol en, dass er verschwindet.«
»Er hat sie eingeäschert?«, wiederholte ich, und mein Entsetzen vermischte sich mit Verwirrung. Okay, vielleicht ist er mächtiger, als ich gedacht habe. »Ich bin diejenige, die er wil . Warum tut er das?«,
Sie wandte sich mit großen Augen vom Fernseher ab und versuchte, mich wegzuschieben.
»Worum hat er dich gebeten?«, fragte sie, und ich leckte mir über die Lippen.
Nach einem kurzen Zögern sagte ich: »Auszusagen, das du versprochen hast, niemandem beizubringen, wie man Kraftlinienenergie speichert. Ich habe Nein gesagt, und wenn er ohne mich zurückgeht, stecken sie ihn ins Gefängnis.«
Ceri schloss die Augen und biss die Zähne zusammen, als sie darum kämpfte, ihre Angst und Verzweiflung nicht zu zeigen. »Es tut mir leid«, sagte sie mit zitternder Stimme. »Er versucht, deine Meinung zu ändern. Ich habe ihn so was schon früher tun sehen. Du und Piscary sind die Einzigen, die gezeigt haben, dass sie ihn kontrol ieren können, und weil du ihn heute Abend nicht in einen Schutzkreis gebunden hast, werden al e glauben, dass er das al es mit deinem Einverständnis tut. Wenn du nicht tust, was AI wil , wird er die ganze Stadt gegen dich aufbringen.«
»Was?«, kreischte ich, gerade als Keasley in der Tür auftauchte, beladen mit drei Flaschen Wasser und dem staubigen kleinen batteriebetriebenen Radio, das ich aufbewahrt hatte, fal s mal der Strom ausfiel.
»Nimm dein Telefon mit«, sagte er knapp. »Hast du zusätzliche Batterien?«
Ich konnte nicht denken. Als er meine Verwirrung sah, hob er eine verkrümmte braune Hand und ging selbst suchen.
Ceri zupfte an mir, und ich ließ zu, dass sie mich in den Flur zog.
»Das ist nicht mein Problem«, sagte ich und fühlte, wie Panik in mir aufstieg. »Wenn ich aussage, um AI aus Cincy zu entfernen, dann bin ich ein Praktizierender der Dämonenmagie, und er tötet mich noch viel früher. Und wenn ich ihm nicht helfe, dann bin ich für jeden verantwortlich, den er verletzt oder ins Jenseits schickt?«
Sie hob meine Decke auf und nickte, während sie mir in die Augen sah.
»Super.« Ich konnte nicht gewinnen. Verdammt, das war nicht fair!
»Aber das ist noch nicht das Schlimmste«, sagte Ceri, und ihr herzförmiges Gesicht war vol er Angst. »Al e Nachrichtensender wissen, dass du mit AI zu Abend gegessen hast. Du hast ihn nicht unter Kontrol e genommen, also haben sie Piscary aus dem Gefängnis gelassen, um es zu tun. Er ist die einzige andere Person in Cincy, die das kann.«
Ich stand für drei Sekunden wie erstarrt, weil ich das erst mal einsinken lassen musste. Piscary ist draußen? Oh..
scheiße.
»Jenks«, schrie ich und stiefelte den Flur entlang. »Jenks!
Ist der Garten sauber?« Ich musste hier raus. Es war dunkel.
Die Kirche war nicht mehr geweiht. Meine Sicherheit hatte sich in eine Fal e verwandelt. Ceri folgte mir in die Küche. Sie bedauerte offensichtlich, mir Angst zu machen, aber das war mir egal.
»Jenks!«, schrie ich wieder, und er schoss in den Raum.
Sein grüner Bademantel wirbelte um seine Beine.
»Was zur Höl e wil st du?«, schnauzte er. »Kannst du nicht mal eine einzige dämliche Nacht al ein sein?«
Ich blinzelte bestürzt. »Cincinnati ist in Panik, weil AI auf den Straßen wandelt, ohne dass ihn jemand an der Leine hat«, sagte ich dann. »Sechs Hexen haben versucht, ihn einzufangen, und er hat sie ins Jenseits geschickt. Al e haben Angst, dass er hier ist, um Vertraute zu ernten, und weil ich ihn nicht eingefangen habe, haben sie Piscary rausgelassen, um ihn unter Kontrol e zu bekommen. Ist der Garten sauber?
Ich werde die heutige Nacht auf dem Friedhof verbringen.«
Und morgen, und übermorgen. Zur Höl e, vielleicht sol te ich mir dort ein kleines Häuschen bauen.
Jenks keuchte und wurde bleich. Sein Mund bewegte sich eine Weile, bevor er sagte: »Ich kontrol iere ihn.«
Und damit war er weg.
»Schönen Abend, Jenks«, sagte Ceri in den leeren Raum.
Die Hintertür knal te zu, und Keasley schlurfte in den Raum. »Lasst uns gehen.«
Ich legte eine Hand auf meinen Magen. »Ich muss meine Mutter anrufen.«
»Tu das vom Friedhof aus.« Ceri nahm meinen El bogen und führte mich zur Hintertür. Keasleys gebeugter Schatten war vor uns, und ich ließ zu, dass sie mich über die hölzerne Veranda in die Nacht schleppten.
Das Verandalicht war an und in seinem flackernden Schein suchte ich nach dem Telefon. Piscarys Nummer leuchtete als letzte Rufnummer auf, und vol er Angst erkannte ich, wo Ivy war. Sie hatte nichts von Kisten und mir gehört.
Piscary hatte sie zu sich gerufen. Das war ein abgekartetes Spiel. AI und Piscary arbeiteten zusammen, wie sie es schon früher getan hatten. Piscary hatte angerufen, und sie war gegangen, um al es für ihn vorzubereiten - wie der Nachkomme, der sie war.
»Oh Gott«, flüsterte ich, und meine Knie wurden weich, als meine nackten Füße das Gras berührten. Ivy war bei Piscary.
Jetzt gerade.
»Ivy!«, schrie ich und wirbelte herum - die Küche, meine Autoschlüssel.
»Rachel, nein!«, rief Keasley. Er griff nach mir und verfiel in einen Hustenanfal . Ich sprang zu den Stufen, wurde aber zurückgerissen, als Ceri meine Schulter packte.
»Sie ist ein Vampir«, sagte die Elfe, und ihre Augen blitzten im Dämmerlicht. »Es ist eine Fal e. Sie ist ein Lockvogel. AI und Piscary arbeiten zusammen. Du weißt, dass es eine Fal e ist!«
»Sie ist meine Freundin«, protestierte ich.
»Geh auf den Friedhof«, forderte sie und zeigte mit dem Finger, als wäre ich ein Hund. »Wir werden organisiert damit umgehen.«
»Organisiert!«, brül te ich sie an. »Weißt du, was dieses Monster ihr antun kann? Was glaubst du, wer du bist!« Ich stieß ihre Hand von mir.
Ceri wich einen Schritt zurück. Dann biss sie die Zähne zusammen, und ich fühlte, wie sie eine Linie anzapfte.
Ich versteifte mich. Sie wil mich verzaubern?
»Wag es ja nicht!«, rief ich und schubste sie, als wären wir zwei Mädchen auf dem Spielplatz, die sich um ein Stück Kreide stritten.
Ceri keuchte und fiel auf den Hintern. Ihre Augen waren schockiert aufgerissen, als sie mit völ ig zerzausten Haaren zu mir aufschaute. Mein Gesicht wurde rot vor Verlegenheit.
»Es tut mir leid, Ceri«, sagte ich. »Sie ist meine Freundin, und Piscary wird sie fertigmachen. Es ist mir egal, ob es eine Fal e ist; sie braucht mich.«
Die Elfe starrte mich an, al ihr Können und ihre Magie vergessen über der Verwirrung und der Beleidigung, dass ich sie umgeworfen hatte. »Keasley«, sagte ich und wirbelte zu ihm herum. »Ich werde. .«
Mein Satz brach ab, als ich meine kirschrote Splat Gun in seinen Händen sah. Adrenalin schoss in meine Adern, und ich erstarrte. »Ich kann mich nicht umstoßen lassen«, sagte er, die Mündung der Waffe direkt auf meine Brust gerichtet.
»Ich könnte mir etwas brechen«, fügte er hinzu und drückte dann den Abzug, so geschmeidig und unaufgeregt, als würde er Walzer tanzen.
Ich spannte mich an, um loszurennen, aber der Knal der Druckluft stoppte mich. »Au!«, jaulte ich, als mich ein stechendes Gefühl mitten in der Brust traf und ich zu den roten Plastikteilen runterschaute.
»Verdammt noch mal, Keasley«, sagte ich und fiel dann in mich zusammen, bewusstlos, noch bevor mein Kopf auf dem Gras aufkam.
25
»Sol das so lange dauern?«, erklang Jenks Stimme, irgendwie brummend, als käme sie von hinter meinen Augen. Meine Schulter tat weh. Ich bewegte meinen Arm und berührte ihn dann mit der Hand. Ich war klatschnass, und die Überraschung weckte mich endgültig auf.
Ich holte Luft, setzte mich auf und riss die Augen auf.
»Ho! Da ist sie!«, sagte Keasley mit sorgenvol en braunen Augen, als er zurückwich und sich aufrichtete. Sein ledriges Gesicht war vol er Falten, und sein verblichener Wol mantel sah nicht gerade warm aus. Die aufgehende Sonne spendete vages Licht, und ich sah, dass Jenks neben ihm schwebte.
Beide beobachteten mich besorgt, als ich mich an den Grabstein zurücklehnte. Wir waren umgeben von Pixies, und ihr Kichern klang wie ein Glockenspiel.
»Du hast mich verzaubert!«, schrie ich, sodass Jenks'
Kinder kreischend auseinanderschossen. Ich schaute nach unten, und mir ging auf, dass es Salzwasser war, das aus meinen Haaren, von meiner Nase und meinen Fingern tropfte und von meiner Unterhose aufgesaugt wurde. Ich bin ein verdammtes Wrack.
Keasleys verkniffenes Gesicht entspannte sich. »Ich habe dir das Leben gerettet.« Er ließ den großen Plastikeimer fal en und streckte eine Hand aus, um mir aufzuhelfen.
Ich ignorierte sie und rappelte mich auf, bevor das Wasser noch mehr in meine Hose einziehen konnte. »Verdammt noch mal, Keasley«, fluchte ich und schüttelte empört meine tropfnassen Hände. »Vielen Dank auch.«
Er schnaubte und Jenks landete auf einem der nahe stehenden Steine. Die Sonne leuchtete hübsch durch seine Flügel. »Vielen Dank auch«, spottete er. »Was habe ich dir gesagt? Dämlich, ohne einen Schimmer und zickig. Du hättest sie bis Mittag pennen lassen sol en.«
Ich versuchte genervt, das Salzwasser aus meinen Haaren zu wringen. Es war acht Jahre her, dass jemand mich so überrumpelt hatte. Dann erstarrten meine Finger und meine Aufmerksamkeit wanderte über den Rest des Friedhofes, nebelig und golden in der aufgehenden Sonne. »Wo ist Ceri?«
Keasley beugte sich mühsam vor, um sich einen Klappstuhl unter den Arm zu klemmen. »Zu Hause. Und weint.«
Schuldbewusst schaute ich zur Friedhofsmauer, als könnte ich durch sie hindurch sein Haus sehen. »Es tut mir leid«, sagte ich und erinnerte mich an ihr schockiertes Gesicht, als ich sie zu Boden gestoßen hatte. Oh Gott. Ivy.
Ich spannte mich an, um loszurennen, aber Jenks flog mir ins Gesicht und trieb mich so zurück. »Nein, Rachel!«, schrie er. »Das ist kein bescheuerter Film. Wenn du Piscary jagst, bist du tot! Wenn du auch nur eine Bewegung machst, pixe ich dich und verpasse dir dann eine Lobotomie. Ich sol te dich sowieso pixen, du dämliche Hexe! Was zur Höl e stimmt nicht mit dir?«
Der Drang, zu meinem Auto zu laufen, starb. Er hatte recht.
Keasley beobachtete mich, und seine Hände waren dabei verdächtig tief in den weiten Taschen seines Mantels versenkt. Dann hob ich meine Augen zu seinem Gesicht, in dem weise Intel igenz stand. Ceri hatte ihn einmal einen Krieger im Ruhestand genannt. Inzwischen glaubte ich ihr. Er hatte den Abzug gestern Abend mit zu viel Routine gezogen.
Wenn ich Ivy aus Piscarys Fängen retten wol te, würde ich das sorgfältig planen müssen.
Deprimiert verschränkte ich die Arme und lehnte mich gegen den Grabstein. In einiger Entfernung sah ich eine Gruppe von ungefähr zehn Leuten über die Mauer klettern, um das Grundstück zu verlassen. Ich starrte sie gereizt an, entspannte mich dann aber. Es war heiliger Boden, und ich war sicherlich nicht die Einzige gewesen, die Angst gehabt hatte.
»'tschuldigung für gestern Nacht«, sagte ich. »Ich habe nicht nachgedacht. Es ist nur. .« Meine Gedanken schossen zu Ivy im letzten Jahr, wie sie starr unter ihrer Decke lag und mir erzählte, wie Piscary sie in Geist und Seele vergewaltigt hatte in einem Versuch, sie davon zu überzeugen, mich zu töten. Mein Gesicht wurde kalt, und ich musste meine Angst herunterschlucken. »Ist Ceri in Ordnung?«, gelang es mir, zu fragen. Ich musste Ivy von ihm wegkriegen.
Mit scharfen dunklen Augen räusperte sich Keasley, als wüsste er, dass ich innerlich immer noch kochte.
»Ja«, sagte er. Er bewegte sich vorsichtig, um seinen Stuhl fester fassen zu können. »Sie ist in Ordnung. Al erdings habe ich sie noch nie so gesehen. Peinlich berührt, weil sie versucht hat, dich mit ihrer Magie zu stoppen.«
»Ich hätte sie nicht schubsen sol en.« Mit steifen Bewegungen griff ich mir das Radio und mein taunasses Kissen.
»Eigentlich war das so ungefähr das Einzige, was du richtig gemacht hast.«
Das Radio fiel in den leeren Eimer. »Hä?«
Mit einem Grinsen hob Jenks ab und schoss in einem Herzschlag zwölf Meter in die Höhe. Er wol te die Umgebung checken, weil ihn unsere Unterhaltung offensichtlich langweilte.
Keasley ließ die Thermosflasche mit Kaffee in den Eimer fal en und stöhnte, als er sich wieder aufrichtete.
»Du hast sie zu Boden gestoßen, weil sie Magie verwenden wol te, um dich aufzuhalten. Wenn du auch Magie verwendet hättest? Na, das wäre viel eicht gruselig geworden. Aber das hast du nicht, und damit hast du eine Kontrol e gezeigt, die sie nicht mehr hatte. Momentan wälzt sie sich in Schamgefühl, das arme Mädchen.«
Ich starrte, weil ich das nicht kapiert hatte.
»Ich bin froh, dass du sie geschubst hast«, fuhr er nachdenklich fort. »Sie ist in den letzten Wochen etwas hochnäsig geworden.«
Ich schob mir eine kalte, nasse Haarsträhne hinters Ohr.
»Es war trotzdem falsch«, meinte ich. Er tätschelte meine Schulter und brachte damit den Geruch von bil igem Kaffee in meine Nase. Mein Blick fiel auf mein neues rotes Shirt. Die Baumwol e hatte das Salzwasser aufgesaugt wie ein Schwamm. Dreck. Jetzt hatte ich es wirklich ruiniert.
Ich griff mir meine Tagesdecke von dem Grabstein, über dem sie hing, und schüttelte sie gut aus. Dreck und Reste des letzte Woche gemähten Grases wirbelten um mich herum. Die Decke war noch warm, weil sie vorher über meinem Körper gelegen hatte, und nachdem ich sie mir über die Schultern geworfen hatte wie ein Cape, blinzelte ich in das dämmrige Licht und versuchte mich zu erinnern, um welche Uhrzeit im Juli die Sonne aufging.
Normalerweise schlief ich um diese Zeit, aber ich war seit Mitternacht bewusstlos gewesen. Das würde ein langer Tag werden.
Gähnend schlurfte Keasley mit seinem Stuhl von mir weg.
»Ich habe deine Mutter angerufen«, sagte er, griff in die Tasche und gab mir das Telefon. »Sie ist in Ordnung. Die Dinge sol ten sich beruhigen. Im Radio haben sie gesagt, dass Piscary AI in einem Schutzkreis gefangen und gebannt hat, und damit Mr. Saladan befreit. Der verdammte Vampir ist jetzt der Held der Stadt.«
Er schüttelte seinen ergrauten Kopf, und ich konnte ihm nur zustimmen. Lee von AI befreit? Unwahrscheinlich. Ich steckte mir mein Handy in eine Tasche, was wegen der Feuchtigkeit gar nicht so einfach war. »Danke«, sagte ich und bemerkte dann seine zweifelnde Miene. »Sie arbeiten zusammen, oder? Piscary und AI, meine ich«, fragte ich und schnappte mir die restlichen Sachen, bevor ich hinter Keasley herging.
Sein silberdurchzogenes Haar glitzerte in der Sonne, als er nickte. »Scheint eine weise Annahme zu sein.«
Ich seufzte schwer. Die zwei hatten eine lang zurückreichende Verbindung. Beide wussten, dass Geschäft Geschäft war, und es war ihnen egal, dass Als Zeugenaussage Piscary ins Gefängnis gebracht hatte. Und jetzt war Piscary aus dem Knast raus. Die Stadt war wieder sicher, aber ich steckte in Schwierigkeiten. Klang ungefähr richtig.
Ich hatte mir mein Kopfkissen unter den Arm geklemmt, trug die Decke um meine Schultern und hielt den Eimer mit dem Radio und der Thermoskanne in der Hand. Nachdem ich mein Gleichgewicht gefunden hatte, sagte ich leise:
»Danke, dass du mich gestern Nacht aufgehalten hast.« Er antwortete nicht, und ich fügte hinzu: »Ich muss sie da rausholen.«
Keasley legte eine arthritische Hand auf einen Grabstein und blieb stehen. »Wenn du auch nur einen Schritt in Richtung Piscary machst, beschieße ich dich mit dem nächsten Zauber.«
Ich schaute grimmig, und mit einem zahnlückigen Grinsen gab Keasley mir meine Splat Gun.
»Ivy ist ein Vampir, Rachel«, sagte der alte Mann, und sein Amüsement verschwand. »Wenn du nicht endlich eine gewisse Verantwortung übernehmen wil st, sol test du einfach akzeptieren, dass sie da ist, wo sie hingehört, und gehen.«
Ich versteifte mich und griff nach der Decke, weil sie drohte, von meinen Schultern zu rutschen. »Was zur Höl e sol das heißen?«, schnauzte ich und ließ die Waffe in den Eimer fal en.
Keasley al erdings lächelte, und seine schmale Brust bewegte sich heftig, als er versuchte, wieder zu Atem zu kommen. »Entweder gibst du eure Beziehung öffentlich bekannt, oder du lässt sie gehen.«
Überrascht starrte ich ihn an und kniff in der hel en Morgensonne die Augen zusammen. »Entschuldigung?«
»Vampire haben unerschütterliche Regeln«, sagte er, legte einen Arm um meine Schulter und steuerte uns Richtung Gartentor. »Neben dem Meistervampir ist es ihnen ein körperliches Bedürfnis, sich nach jemandem zu richten, der stärker ist als sie. Es ist eine Veranlagung, wie Werwölfe und ihre Alphas. Ivy sieht mächtig aus, weil es nur so wenige Leute gibt, die stärker sind als sie. Piscary ist einer davon. Du ein anderer.«
Meine Schritte, die sowieso schon langsam waren, um neben ihm zu bleiben, verlangsamten sich noch mehr. »Ich kann ihn nicht besiegen. Egal, was ich gestern Nacht tun wol te.« Gott, das war peinlich. Ich hatte es verdient, mit meinem eigenen Zauber erledigt zu werden.
»Ich habe nie gesagt, dass du Piscary besiegen könntest«, sagte die alte Hexe, während wir uns gegenseitig über den unebenen Boden des alten Friedhofes halfen. »Ich habe gesagt, dass du stärker bist als er. Du kannst Ivy dabei helfen, diejenige zu sein, die sie sein wil , aber wenn sie ihre Angst nicht loslassen und mit ihren Bedürfnissen ins Reine kommen kann, wird sie immer wieder zurückfal en auf Piscary. Ich glaube nicht, dass sie sich schon entschieden hat.«
Ich fühlte mich seltsam. »Wie kommst du darauf?«
Seine Falten vertieften sich. »Weil sie letzte Nacht nicht versucht hat, dich zu töten.«
Mein Magen verkrampfte sich. Wieso sieht er die Dinge so klar und ich bin begriffsstutzig wie eine Betonmauer? Musste etwas mit dem Image des weisen Mannes zu tun haben.
»Wir haben es einmal probiert«, sagte ich leise und kämpfte gegen den Drang, meinen Hals zu berühren. »Sie hat mich fast umgebracht. Sie sagt, dass der einzige Weg, ihren Blutdurst zu kontrol ieren, darin besteht, ihn mit Sex zu vermischen. Sonst verliert sie die Kontrol e, und ich muss ihr wehtun, um sie zurückzutreiben. Das kann ich nicht, Keasley.
Ich werde die Ekstase des Blutsaugens nicht damit verbinden, ihr wehzutun. Das ist falsch und krank.«
Mein Puls hatte sich beschleunigt, als mir der Gedanke gekommen war, dass es genau das war, was Piscary tat. . und wozu er sie gemacht hatte. Ich wusste, dass mein Kopf rot war, aber Keasley schien nicht schockiert zu sein, als er mich ansah. Er runzelte die Stirn und warf mir einen mitleidigen Blick zu. »Da hast du dir was eingebrockt, hm?«
Wir passierten die niedrige Mauer, die den Friedhof vom Garten trennte. Überal waren Pixies, und die Sonne glitzerte auf ihren Flügeln. Das hier war wirklich unangenehm, aber mit wem sonst konnte ich reden? Meiner Mutter?
»Also«, fragte ich leise, »glaubst du, dass es mein Fehler ist, dass sie zu Piscary gelaufen ist? Weil ich mich nicht dazu bringen kann, sie zu verletzen, wenn sie die Kontrol e verliert, aber auch nicht mit ihr schlafen wil ?«
Keasley grunzte. »Ivy denkt wie ein Vampir. Du sol test anfangen zu denken wie eine Hexe.«
»Du meinst, zum Beispiel ein Zauber?«, schlug ich vor. Ich erinnerte mich an Ivys Abneigung gegen sie und errötete dann, als ich den Eifer in meiner Stimme hörte. »Viel eicht einer, um ihren Hunger zu dämpfen, oder sie zu beruhigen, ohne sie zu verletzen?«
Sein Kopf bewegte sich hoch und runter, und ich verlangsamte unsere Schritte, weil ich sah, dass es ihn anstrengte. »Also, was wirst du tun?«, fragte er und legte eine Hand auf meine Schulter. »Ich meine, heute.«
»Etwas planen und sie rausholen«, gab ich zu. Ich wusste nicht mehr, was ich denken sol te.
Er blieb stil . Dann: »Wenn du es versuchst, wird er nur seine Kontrol e über sie verstärken.«
Ich wol te protestieren. Er hielt an und drehte sich zu mir um. In seinen dunklen Augen stand eine deutliche Warnung.
»Geh da rein, und Piscary wird sie dazu bringen, dich zu töten. Vertrau ihr, dass sie sich selbst befreit. Piscary ist ihr Meister, aber du bist ihre Freundin, und sie besitzt ihre Seele noch.«
»Ihr vertrauen?«, fragte ich, schockiert, weil er damit meinte, dass ich nichts tun sol te. »Ich kann sie da nicht lassen. Das letzte Mal hat er sie blutvergewaltigt, als sie abgelehnt hat, mich zu töten.«
Die sanfte Hand auf meiner Schulter setzte uns wieder in Bewegung. »Vertrau ihr«, sagte er einfach. »Sie vertraut dir.«
Seine Brust hob und senkte sich in einem Seufzen. »Rachel, wenn sie sich von Piscary abwendet ohne jemanden, dessen Schutz sie in Anspruch nehmen kann, wird der erste untote Vampir, dem sie begegnet, sie benutzen und missbrauchen.«
»Als ob Piscary sie nicht missbraucht!«, höhnte ich.
»Sie braucht mindestens so sehr Schutz wie du«, schalt er mich. »Und wenn du ihn ihr nicht geben kannst, dann sol test du sie nicht dafür verdammen, dass sie sich an die Person hält, die es kann.«
So ausgedrückt machte es Sinn. Aber es gefiel mir nicht.
Besonders weil, wenn man genauer darüber nachdachte, Piscary mich durch sie beschützte. Oh super. .
»Gib ihr einen Grund, sich selbst zu befreien, und sie wird an deiner Seite stehen«, sagte Keasley, als wir das hölzerne Tor erreichten. »Du weißt, wozu sie das machen wird?«
»Nein«, antwortete ich und dachte, dass es mich zu einem Feigling machte.
Er lächelte über mein schlecht gelauntes Gesicht und nahm dann seine Thermoskanne aus dem Eimer. »Es wird sie zu jemandem machen, den niemand manipulieren kann. Das ist, wer sie sein wil .«
»Das ist Dreck«, sagte ich, als ich den Riegel hob und das Tor öffnete. »Sie braucht meine Hilfe!«
Keasley schnaubte, stel te den Klappstuhl an der Mauer ab und schlurfte durch das Tor. Die Straße hinter ihm war ruhig und taunass. »Du hast ihr bereits geholfen. Du hast ihr eine Wahlmöglichkeit neben Piscary gegeben.«
Ich senkte den Blick. Es war nicht gut genug. Ich war nicht gut genug. Ich konnte sie nicht vor den Untoten beschützen.
Ich konnte mich selbst nicht schützen - auch nur zu denken, dass ich sie schützen könnte, war lächerlich.
Keasley stoppte kurz hinter der Mauer. »Ich werde ehrlich zu dir sein«, meinte er. »Ich mag die Vorstel ung von gleichgeschlechtlichen Partnerschaften nicht. Das erscheint mir nicht richtig, und ich bin zu alt, um meine Meinung zu ändern. Aber ich weiß, dass du hier glücklich bist. Und nach dem, was Jenks mir erzählt, ist Ivy es auch. Was es für mich schwer macht, zu glauben, dass du einen Fehler machst, oder dass es falsch ist. Was auch immer du tust.«
Wenn ich den Zauber dafür gekannt hätte, mich einfach zusammenrol en und sterben zu können, ich hätte ihn benutzt. Aber so, wie es war, schaute ich auf meine Füße und trat vor, bis ich im Tor stand.
»Wirst du Piscary verfolgen?«, fragte er plötzlich.
Ich trat von einem Fuß auf den anderen, warm unter meiner Decke. »Ich möchte.«
»Kluge Entscheidungen, Rachel«, sagte er mit einem Seufzen. »Triff kluge Entscheidungen.«
Unruhe erfül te mich, als er auf sein windschiefes Haus zuhielt. »Keasley, sag Ceri, dass es mir leid tut, dass ich sie geschubst habe«, rief ich ihm hinterher.
Er hob eine Hand. »Werde ich.«
Jenks ließ sich aus dem Baum über uns fal en und landete auf dem Tor, was mich vermuten ließ, dass er mal wieder gelauscht hatte. Ich warf ihm einen kurzen Blick zu und rief dann Keasley noch zu: »Kann ich später vorbeikommen?«
Er blieb am Randstein stehen, um den Minivan vorbeizulassen, der der einzigen menschlichen Familie in der Straße gehörte, und lächelte mich mit kaffeeverfärbten Zähnen an. »Ich mache Mittagessen. Sind Thunfisch-Sandwichs okay?«
Der Minivan hupte kurz, und Keasley erwiderte das Winken des Fahrers. Ich konnte ein Lächeln nicht unterdrücken. Die alte Hexe trat vorsichtig auf die Straße, mit hoch erhobenem Kopf und suchenden Augen.
Jenks hob ab, als das Tor zufiel, und ich machte mich auf den Weg zur Hintertür. »Und du warst wo, als Keasley mich niedergeschossen hat?«, fragte ich ihn sauer.
»Genau hinter ihm, Dummchen. Wer, glaubst du, hat ihm gesagt, womit du deine Splat Gun fül st?«
Dazu konnte ich kaum etwas sagen. »Sorry.« Ich ging die Verandastufen hinauf und schichtete al es um, um die Tür öffnen zu können. Jenks schoss hinein, um kurz al es zu checken, und ich brül te ihm hinterher, weil ich mich an seinen grünen Bademantel am gestrigen Abend erinnerte:
»Geht es Matalina gut?«
»Sie ist in Ordnung«, sagte er und flog wieder zu mir.
Ich schob meine nassen Schuhe und Socken von den Füßen und tapste in die Küche, wobei ich nasse Fußabdrücke hinterließ. Dort stel te ich den Eimer ab, nur um gleich ins Bad weiterzugehen und die Tagesdecke in die Waschmaschine zu stecken. »Ceri ist durcheinander, hm?«, fragte ich in dem Versuch herauszufinden, was während meiner Bewusstlosigkeit passiert war.
»Sie ist völ ig fertig«, antwortete er und landete auf der Waschmaschine, während ich an den Knöpfen herumdrückte, um sie anzuwerfen. »Und du wirst warten müssen. Der Strom ist weg. Merkst du es nicht?«
Ich zögerte, dann fiel mir auf, dass es unheimlich stil war, ohne jegliches Summen von Computern, Kühlschrank-ventilatoren oder irgendetwas anderem.
»Ich mache mich nicht gerade gut, oder?«, fragte ich und erinnerte mich daran, wie Ceri mich angestarrt hatte, mit wirren Haaren und weit aufgerissenen Augen, weil ich sie geschubst hatte.
»Ach, wir lieben dich trotzdem«, meinte Jenks und erhob sich in die Luft. »Die Kirche ist sauber. Die Eingangstür ist immer noch verriegelt. Ich habe ein paar Dinge im Garten zu erledigen, aber schrei, wenn du mich brauchst.«
Er flog höher, und ich lächelte ihn an. »Danke, Jenks.« Er sauste aus dem Raum, und das Surren seiner Flügel war in der Stromausfal -stil en Luft deutlich zu hören.
Ich versuchte noch mal, die Maschine anzuwerfen, und fing an, meinen Tag zu planen: duschen, essen, vor Ceri kriechen, den heiligen Mann anrufen und anbieten, sein Kind auszutragen, wenn er einen Weg fand, die Blasphemie aus der Kirche zu entfernen und sie neu zu weihen, ein paar Zauber vorbereiten, um die Festung des bösen Vampirs zu stürmen. Typischer Samstagskram eben.
Barfuß wanderte ich in die Küche. Ich konnte ohne Strom keinen Kaffee machen, aber Tee ging. Und bis ich aus den nassen Klamotten raus war und etwas Trockenes trug, wäre auch das Wasser heiß.
Während ich herumräumte, um den Kessel aufzusetzen, kehrten meine Gedanken immer wieder zu Piscary zurück.
Ich steckte richtig in Schwierigkeiten. Ich ging nicht davon aus, dass er mir verziehen hatte, dass ich ihn mit einem Stuhlbein bewusstlos geprügelt hatte, und ich hatte so ein hässliches Gefühl, dass ich nur noch am Leben war, damit er mich dazu benutzen konnte, im richtigen Moment Ivy unter Kontrol e zu bekommen. Noch schlimmer war meine zunehmende Gewissheit, dass er und AI zusammenarbeiteten. Das war einfach al es zu praktisch.
Nach dem, was AI gesagt hatte, ging ich nicht davon aus, dass es möglich war, einen Dämon zu beschwören und in einem Schutzkreis zu halten, wenn er Besitz von jemandem ergriffen hatte. Also hatte Piscary nur den Ruhm dafür eingeheimst, Cincy von seinem neuesten Inderlander-Bewohner befreit zu haben, und das al es war wahrscheinlich vorher abgemacht worden. Für erwiesene Dienste war der Meistervampir begnadigt worden, und die Schuld, dass er letztes Jahr die Kraftlinienhexen ermordet hatte, galt als abgegolten. Es war ein Schwindel. Das Ganze war ein Schwindel. Meine einzige verbleibende Frage war, wer ihm geholfen hatte, das Ganze einzufädeln, nachdem Piscary kaum im Gefängnis einen Dämon hatte beschwören können.
Jemand hatte ihm dabei geholfen, das zu arrangieren.
Das war einfach nicht fair.
Der beißende Geruch von Schwefel breitete sich aus, als ich ein Streichholz anzündete und den Gasherd anmachte.
Ich hielt den Atem an, bis der Rauch sich verzog, und dachte darüber nach, dass ich tot sein würde, wenn ich nicht bald etwas unternahm.
Entweder würde Cincy mich über die Planke schicken, weil ich mit AI zu Abend gegessen und ihn dann Türsteher einäschern und sechs Hexen ins Jenseits hatte werfen lassen, oder Mr. Ray und Mrs. Sarong würden sich verbünden, um an den Fokus zu kommen. Und da war auch noch die unbekannte Fraktion, die herauszufinden versuchte, wer das Ding hatte, zumindest laut AI.
Ich musste den Fokus loswerden. Ich konnte nicht verstehen, wie die Vampire die ganze Sache so lang begraben gehalten hatten. Zur Höl e, sie hatten ihn für eine halbe Ewigkeit versteckt gehabt, bevor Nick ihn fand.
Meine Bewegungen wurden langsamer, und mein Gesicht erstarrte, als ich den Kessel auf die Flamme stel te. Vampire.
Piscary. Ich brauchte Schutz vor so gut wie jedem und ihren Cousins. Schutz, auf den Piscary spezialisiert war. Was, wenn ich den Fokus Piscary gab, im Austausch für seinen Schutz?
Sicher, AI und Piscary arbeiteten zusammen, aber Vampirpolitik hatte Vorrang vor persönlichen Machtspielchen. Und selbst wenn AI es herausfand, was dann?
AI versteckte sich auf dieser Seite der Linien. Wenn der Fokus erstmal in Sicherheit war, konnte ich Minias anrufen und AI verpetzen, um ihn loszuwerden. Dafür konnte ich meinen Gefal en doch verwenden, oder? Dann wäre ich gleichzeitig AI und Piscary los, und der verdammte Fokus wäre wieder versteckt und in Sicherheit.
Ich stand in meiner Küche und starrte ins Leere, während Jubelstimmung und Angst sich in mir ausbreiteten. Ich würde Piscary vertrauen müssen, dass er ihn versteckt hielt. Gar nicht zu reden davon, dass er seinen Wunsch aufgeben müsste, mich zu töten.
Aber er dachte in Zeitfenstern von Jahrhunderten, und so lange würde ich nicht leben. Die Vampire wol ten nicht, dass sich der Status quo änderte. Piscary hatte al es zu gewinnen, wenn ich ihm den Fokus gab, und das Einzige, was er zu verlieren hatte, war seine Rache.
Zur Höl e, wenn ich das richtig machte, dann konnte ich sogar Lee befreien, und Trent würde mir wirklich eine Menge schulden.
»Oh«, flüsterte ich, und meine Knie fühlten sich seltsam an.
»Das gefäl t mir. .«
Die Klingel an der Eingangstür bimmelte, und ich zuckte zusammen. Rex saß in der Küchentür - starrte mich an -, und ich schob mich an ihr vorbei. Wenn ich Glück hatte, war das Ceri. Und der Tee war schon in Vorbereitung.
»Rache!«, sagte Jenks aufgeregt und schoss von irgendwoher in den Raum. Ich tapste barfuß durch den Altarraum. »Du wirst nie erraten, wer vor der Tür steht.«
Ivy?, dachte ich, und mein Herz machte einen Sprung, aber sie wäre einfach reingekommen. Ich zögerte und zog meine Hand von der Tür zurück, aber Jenks sah überdreht aus und leuchtete im Halbdunkel des Foyers, aber vor Aufregung, nicht vor Angst. »Jenks«, sagte ich genervt, »spar dir das Ratespielchen und sag mir einfach, wer es ist.«
»Mach auf!«, sagte er mit leuchtenden Augen. Pixiestaub rieselte von ihm herab. »Es ist sicher. Tink ist eine Disneyhure, das ist tol ! Ich werde Matalina holen. Zur Höl e, ich hole meine Kinder.«
Rex war uns gefolgt - naja, Jenks, nicht mir -, und mit Bildern von Fernsehkameras und Übertragungswagen im Kopf griff ich nach dem Riegel und zog ihn hoch. Nervös schaute ich an mir herab und war mir absolut bewusst, was für ein schreckliches Bild ich abgab, mit meinem salzverkrusteten feuchten Haar, mit einem Pixie an meiner Seite und einer Katze zu meinen bloßen Füßen. Gott, ich lebte in einer Kirche!
Aber es war kein Nachrichtenteam, das auf meiner Schwel e stand und mich anblinzelte; es war Trent.
26
Überraschung glitt über Trents Gesicht und verschwand dann hinter dem kühlen Selbstbewusstsein seines Sechs-hundert-Dol ar-Anzuges und des Einhundert-Dol ar-Haar-schnitts. Quen stand auf dem Gehweg unter ihm wie eine Anstandsdame. Trent hielt eine faustgroße hel blaue Schachtel in der Hand, der Deckel zugehalten von einer passenden goldenen Schleife. »Ist das ein schlechter Zeitpunkt, Ms. Morgan?«, fragte Trent, und seine grünen Augen huschten von meinen nackten Füßen zu Rex und dann wieder zu meinem Gesicht.
Es war verdammt noch mal sieben Uhr morgens. Ich sol te im Bett liegen, und das wusste er auch. Ich war mir meines feuchten, zerknitterten Aussehens sehr bewusst, als ich mir meine strähnigen Locken aus den Augen schüttelte. Meine Gedanken schossen wieder zu meiner Idee, Lee von AI zu befreien, aber er war wegen Ceri hier. Das hatte ich fast vergessen.
»Bitte sag mir, dass das nicht für mich ist«, sagte ich und schaute auf das Paket. Er wurde rot.
»Es ist für Ceri«, sagte er. »Ich wol te ihr etwas geben als sichtbares Zeichen, wie glücklich ich bin, sie zu finden.«
Sichtbares Zeichen. . Gott, Trent schwärmte schon für sie, bevor er sie überhaupt das erste Mal getroffen hatte. Mit zusammengepressten Lippen verschränkte ich die Arme vor der Brust, aber mein Harte-Braut-Image wurde von Rex gesprengt, die sich um meine Beine wand. Sie konnte mich nicht täuschen - ich war einfach nur ein bequemer Reibepunkt. Als ihr aufging, dass ich feucht war, warf sie mir einen beleidigten Blick zu und stolzierte davon.
»Du hast Ceri nicht gefunden«, sagte ich bissig. »Ich war das.«
»Kann ich reinkommen?«, fragte er müde.
Er trat einen Schritt nach vorne, aber ich bewegte mich nicht, also blieb er wieder stehen. Meine Aufmerksamkeit huschte von ihm zu Quen in seinem schwarzen Outfit mit Sonnenbril e. Sie waren im BMW gekommen statt in der Limo. Gute Idee; Ceri wäre nicht beeindruckt.
»Schau«, sagte ich, weil ich ihn nicht ohne Grund in meiner Kirche haben wol te. »Ich bin nicht davon ausgegangen, dass du kommst, also habe ich nicht mit ihr gesprochen. Das ist wirklich nicht der beste Zeitpunkt.« Nicht, während sie weint, wie sie es gerade tut. »Normalerweise schlafe ich jetzt.
Warum bist du so früh hier? Ich habe vier Uhr gesagt.«
Trent machte noch einen Schritt nach vorne, und ich versteifte mich und verfiel fast in eine Verteidigungshaltung.
Quen zuckte, und Trent wich zurück. Er schaute hinter sich und drehte sich dann wieder zu mir. »Verdammt, Rachel, hör auf, mit mir zu spielen«, sagte er mit zusammengebissenen Zähnen. »Ich möchte diese Frau treffen. Ruf sie.«
Ich riss die Augen auf. Ooohhh, da habe ich einen wunden Punkt erwischt, oder? Mein Blick hob sich zu Jenks, der außer Sichtweite innen auf dem Türstock saß, und er zuckte mit den Schultern. »Jenks, wil st du mal schauen, ob sie rüberkommen kann?«
Er nickte, und Überraschung zeigte sich sowohl auf Trents als auch auf Quens Gesicht, als er sich fal en ließ.
»Darauf kannst du wetten. Sie braucht aber wahrscheinlich eine Minute, um sich die Haare zu richten.«
Und sich das Gesicht zu waschen und ein Kleid anzuziehen, das nicht mit Friedhofserde verschmiert ist.
»Quen«, befahl Trent, und in mir klingelten al e Alarmglocken.
»Nur Jenks«, sagte ich, und Quen zögerte. Der dunkle Elf schaute für weitere Befehle auf Trent, und ich fügte hinzu:
»Quen, park deinen kleinen Arsch genau da, oder es passiert gar nichts.« Ich wol te Quen nicht da drüben. Keasley würde nie wieder mit mir reden.
Jenks schwebte bewegungslos in der Luft, während Trent die Augenbrauen zusammenzog und seine Möglichkeiten abwog.
»Oh, bitte, lass es drauf ankommen«, spottete ich, und Trent zog eine Grimasse.
»Mach es auf ihre Art«, sagte er leise, und Jenks schoss von dannen und verschwand in einem Aufblitzen durchsichtiger Flügel.
»Siehst du?«, sagte ich und strahlte ihn an. »Das war doch gar nicht so schwer.« Hinter mir erklang ein Chor von hochfrequentem Kichern, und Trent wurde bleich. Als ich ihn so nervös sah, trat ich einen Schritt zur Seite. »Wil st du reinkommen? Sie braucht viel eicht eine Weile. Du weißt, wie tausendjährige Prinzessinnen sind.«
Trent schaute an mir vorbei in das dunkle Foyer, plötzlich zögerlich. Quen nahm die Stufen zwei auf einmal und glitt an mir vorbei. Ich roch Eichenlaub und Aftershave.
»Hey!«, blaffte ich und folgte ihm. Trent setzte sich in Bewegung und folgte mir auf dem Fuß. Er machte die Tür nicht zu - viel eicht, um schnel verschwinden zu können -, aber als Trent im Altarraum stehen blieb, huschte ich kurz zurück und schloss sie.
Pixies riefen in den Dachbalken, und Trent und Quen beobachteten sie wachsam. Ich zupfte an meinem salzig feuchten Shirt herum und versuchte, eine lässige Haltung zu finden, in der ich seiner Hoheit von Nervensäge Miss Elfenprinzessin vorstel en konnte.
Die Haare in meinem Nacken stel ten sich auf, als ich an Quen vorbeischlenderte und mich in den Bürostuhl neben meinem Schreibtisch fal en ließ.
»Setzt euch«, sagte ich, wippte in meinem Stuhl auf und ab und deutete auf Ivys Möbel, die immer noch in einer Ecke des Raumes standen. »Ihr habt Glück. Normalerweise haben wir unser Wohnzimmer nicht hier drin, aber wir dekorieren gerade um.«
Trent schaute die graue Wildledercouch und die dazu-passenden Sessel an, warf einen Blick zu meinem Schreibtisch, bevor er dann Ivys Piano musterte und interessiert die Augenbrauen hochzog. »Ich stehe lieber«, erklärte er dann.
Rex kam aus dem dunklen Foyer hereingewandert und hielt direkt auf Quen zu. Zu meiner Überraschung ging der ältere Elf in die Knie und kraulte die orangefarbene Katze hinter den Ohren, was sie dazu brachte, sich auf den Rücken zu werfen. Quen stand mit Rex in den Händen auf, und die Katze kniff genüsslich die Augen zu, während sie laut schnurrte.
Dämliche Katze.
Trent räusperte sich, und ich schaute wieder zu ihm.
»Rachel«, setzte er an und legte sein Geschenk auf das geschlossene Klavier, »duschst du öfter in deinen Kleidern?«
Ich hörte auf zu wippen und versuchte, mir eine glaubwürdige Lüge auszudenken, aber dass der Strom weg war machte meine Nässe noch unglaubwürdiger. »Ich. . ahm, habe auf dem Friedhof geschlafen«, erklärte ich. Ich wol te ihm definitiv nicht sagen, dass mein Nachbar mich mit meinem eigenen Zauber lahmgelegt hatte, und hoffte, dass Trent davon ausging, dass es Taunässe war.
Ein Grinsen erschien auf seinem Gesicht, und irgendwie ließ ihn das noch besser aussehen. Er wusste, dass ich Angst vor Piscary hatte.
»Du hättest Piscary töten sol en, als du die Gelegenheit dazu hattest«, stel te er fest, und seine wundervol e Stimme fül te den Altarraum mit Anmut und Behaglichkeit.
Verdammt, hatte der Mann eine schöne Stimme. Ich hatte es fast vergessen. Und ja, ich hätte Piscary töten können und wäre wahrscheinlich mit dem Argument der Selbstver-teidigung davongekommen, aber wenn ich es getan hätte, könnte der Vampir nicht mehr den Fokus für mich verstecken. Also sagte ich nichts. Trent aber wol te offensichtlich reden.
»Das erklärt nicht, warum du klatschnass bist«, hakte er nach.
Ich biss die Zähne zusammen, zwang mich aber dann dazu, mich zu entspannen. Zur Höl e, wenn Ivy das schaffte, konnte ich das auch. »Nein«, sagte ich fröhlich. »Tut es nicht.«
Trent setzte sich vorsichtig auf die Klavierbank und nickte einmal. »Probleme mit deinen Zaubern?«, riet er.
»Absolut nicht.«
Quen ließ Rex auf den Boden fal en, und die Katze schüttelte sich, was die kleine Glocke, die Jenks ihr angelegt hatte, zum Klingeln brachte. Ich beobachtete, wie Trent kaum merklich zappelte, und konnte an seiner rötlichen Gesichtsfarbe und seiner etwas hektischen Sprechweise ablesen, wie nervös er war.
Ich dachte an seine Wut, als er mich gefragt hatte, ob ich die Security auf seiner Hochzeit machen konnte, daran, dass er mir die Schuld dafür gab, dass Lee gefangen worden war und als Vertrauter eines Dämons endete.
Ich spürte einen kurzen Stich von Schuld, den ich schnel unterdrückte. Aber wenn ich Lee von AI freibekam, würde mir Trent eine Menge Dankbarkeit schulden. Genug, um mich danach zufriedenzulassen?
»Ahm«, sagte ich zögernd über das Gelächter der Pixies hinweg. Trent schaute mich mit interessierten grünen Augen an. Jemand zwischen den Dachbalken kreischte, als er oder sie von ihrem Platz geschubst wurde, und Trents Lid zuckte.
Ich empfand ein bisschen Mitleid, deswegen stand ich auf und klatschte in die Hände. »Okay, ihr habt al e genug gestarrt. Zeit zu verschwinden. Hinter der Mikrowel e ist Wachspapier. Geht und poliert die Kirchturmspitze.«
Quen zuckte leicht zusammen, als Jenks' Kinder in einem wirbelnden Chaos aus Seide und hochfrequenten Beschwerden von der Decke fielen. Es war Jhan, der die Kontrol e übernahm und sie al e Richtung Flur trieb, die Hände in die Hüften gestemmt in einer Imitation von Jenks.
»Danke, Jhan«, sagte 4ich. »Ich habe vorhin Blauhäher gehört. Passt auf.«
»Ja, Ms. Morgan«, antwortete der Pixie ernst und schoss dann aus dem Raum. Rex wanderte unter ihm entlang. Aus der Küche erklangen ein Klirren und ein Schrei, dann nichts mehr.
Ich verzog das Gesicht und lehnte mich dann gegen die Rückwand von Ivys Couch. Quen schaute mich erwartungsvol an, und Trent fragte: »Wil st du nicht schauen, was sie kaputt gemacht haben?«
Ich schüttelte den Kopf. »Ich. . äh, wol te dir noch mal dafür danken, dass du AI gestern unterbrochen hast«, sagte ich, und mein Gesicht wurde warm. Gott! AI hatte mich praktisch in einen Orgasmus getrieben, mitten auf der Tanzfläche, vor al en Leuten.
»Kein Problem.«
Unbehaglich verschränkte ich die Arme vor der Brust.
»Wirklich. Du musstest das nicht tun, und ich weiß es zu schätzen.«
Quen verlagerte sein Gewicht und stand bequem, und als Trent das sah, fand auch er eine weniger steife Position. Wie er da an Ivys kleinem Flügel saß, sah er immer noch aus wie ein männliches Model.
»Ich mag keine Rüpel«, sagte er schlicht, als ob es ihm peinlich wäre.
Ich zog eine Grimasse und wünschte mir, dass Ceri sich beeilen würde. Aus der Küche kam ein Piepen, und ich hörte ein elektronisches Kreischen. Die Lichter gingen an -
unsichtbar in der hel en Sonne, und hinter mir steigerte der Fernseher seine Lautstärke immer weiter. Ich suchte hektisch nach der Fernbedienung und schaltete ihn ab.
Verlegenheit machte sich plötzlich breit, und ich wurde wütend auf mich selbst. Ich konnte fühlen, wie Trent mich und mein Leben abschätzte - mein kleiner Fernseher, Ivys Wohnzimmermöbel, meinen unter Pflanzen begrabenen Schreibtisch, die Kirche mit den zwei Schlafzimmern und den zwei Badezimmern, die wir bewohnten - und es machte mich sauer, dass ich so viel schlechter wegkam im Vergleich zu seinem riesigen Wohnzimmer, seinem Großbildfernseher und seiner Stereoanlage, die eine ganze Wand fül te.
»Entschuldige mich«, murmelte ich, weil ich hörte, dass die Waschmaschine anfing, Wasser zu ziehen. Ich würde darauf wetten, dass Trent es nicht nötig hatte, Leute zu empfangen, während im Hintergrund das Geräusch eines Haushaltsgerätes zu hören war.
Als ich ging, schaltete ich im Vorbeigehen die Deckenlichter aus und hielt dann im Bad bei der Waschmaschine an, um den Deckel zu heben. Ich konnte es einweichen lassen.
Dann kontrol ierte ich kurz Ivys Bad, für den Fal , dass Trent unter dem Vorwand, mal auf den Topf zu müssen, kurz ihr Badezimmerschränkchen durchsuchen wol te. Es war aufgeräumt und ordentlich, und der Geruch von Räucherwerk und Asche, der einen Vampir ausmachte, war fast unter der mit Orange parfümierten Seife verborgen, die Ivy benutzte. Deprimiert ging ich in die Küche, um zu schauen, ob auch dort das Licht an war.
Mein Handy klingelte, und die elektronische Melodie ließ mich zusammenzucken. Ich griff danach und verfluchte Jenks. Normalerweise hatte ich es nur auf Vibrationsalarm, aber jemand - nämlich Jenks - hatte damit gespielt und meinen Klingelton geändert. Zu der Melodie von »I've Got a Lovely Bunch of Coconuts« gelang es mir schließlich, das dämliche Teil aus meiner feuchten Hosentasche zu ziehen.
Wirklich lustig, Jenks. Ha-ha.
Es war Glenns Nummer, und nach einem kurzen Zögern lehnte ich mich gegen die Arbeitsplatte und öffnete das Handy. Ich hatte ihm definitiv einiges zu sagen.
»Hi, Glenn«, sagte ich bissig; er wusste, dass ich normalerweise jetzt schlief. »Ich habe gehört, Piscary ist raus.
Es wäre ja so nett gewesen, wenn jemand mir gesagt hätte, dass der untote Vampir, den ich in den Knast gebracht habe, frei ist!«
Ich konnte im Hintergrund das Klappern von Tastaturen und eine laut geführte Diskussion hören. Aber Glenns schweres Seufzen war trotzdem deutlich. »Ich habe dir eine Nachricht hinterlassen, sobald ich es wusste.«
»Ich habe sie nie bekommen«, antwortete ich, nur ein wenig besänftigt. Dann verzog ich das Gesicht. »Ich wol te dich nicht anpöbeln. Aber ich habe die Nacht auf meinem Friedhof verbracht und habe miese Laune.«
»Ich hätte noch mal angerufen«, sagte Glenn, und ich hörte, wie Papiere herumgeschoben wurden. »Aber als dein Dämon das Lagerhaus angezündet und die Türsteher als Zunder verwendet hat, waren wir am Limit.«
»Mein Dämon!«, jaulte ich und presste das Telefon fest an mein Ohr. »Seit wann ist AI mein Dämon?«, fragte ich dann leiser, als ich mich daran erinnerte, wie gut Quen und Trent hören konnten.
»Seitdem du ihn gerufen hast, um auszusagen.« Der FIB-Officer legte anscheinend die Hand über die Sprechmuschel.
Ich hörte Gemurmel und durfte vor mich hinkochen, bis er wieder bei mir war.
»Das erklärt nicht, warum Piscary draußen ist«, knurrte ich.
»Was erwartest du?« Glenn klang genervt. »Weder die I.S.
noch das FIB sind ausgerüstet, mit einem Dämon umzugehen, der unter der Sonne wandelt. Du hast nichts unternommen. Es gab eine Notsitzung im Stadtrat, und sie haben Piscary rausgelassen, um die Situation zu retten.« Er zögerte kurz, dann kam: »Es tut mir leid. Er hat eine vol e Begnadigung bekommen.«
Stadtrat? Das bedeutete, dass Trent es gewusst hatte. Zur Höl e, er hatte mitbestimmt. Was für ein Arsch. Ich hatte meine Seele riskiert, um Piscary für die Morde an den Kraftlinienhexen hinter Gitter zu bringen. Anscheinend hatte das nichts bedeutet. Ich fragte mich, warum ich mir überhaupt die Mühe gemacht hatte.
»Aber deswegen rufe ich nicht an«, meinte Glenn dann.
»Es ist noch eine Leiche aufgetaucht.«
Meine Gedanken waren immer noch bei Piscary, anscheinend frei, um meiner Mitbewohnerin anzutun, was auch immer er wol te. »Und du wil st, dass ich komme«, sagte ich. Ich legte eine Hand an die Stirn und senkte den Kopf, während ich immer wütender wurde. »Ich habe dir gesagt, dass ich keine Ermittlerin bin, sondern diejenige, die sie verhaftet. Außerdem weiß ich nicht, ob ich noch für euch arbeiten wil , wenn ihr einfach Mörder rauslasst, wenn die Dinge mal kompliziert werden.«
»Kompliziert!«, schrie Glenn. »Wir hatten letzte Nacht sechzehn Großfeuer, fünf Ausschreitungen, und ein Kerl im Kostüm, der im Park Shakespeare rezitiert hat, wäre fast gelyncht worden. Ich glaube nicht, dass überhaupt bekannt ist, wie viele Unfäl e und Anzeigen wegen Körperverletzung es letzte Nacht gab. Es ist ein Dämon. Du hast selbst gesagt, dass du die Nacht auf dem sicheren Friedhof verbracht hast.«
»Hey!«, blaffte ich. Das war unfair. »Ich habe mich vor Piscary versteckt, nicht vor AI. AI fackelt Gebäude ab, um mich ins Jenseits zu kriegen. Und wage es nicht, dazusitzen und mich Feigling zu nennen, nur weil ich das nicht wil .«
Ich war stinkwütend - weil meine Wut noch von meinen Schuldgefühlen aufgeheizt wurde -, und ich kochte vor mich hin, bis Glenn murmelte: »Entschuldigung.«
»In Ordnung«, schnaubte ich, schlang einen Arm um mich selbst und drehte meinen Rücken zur Flurtür. Das ist nicht mein Fehler. Ich bin nicht für Als Handlungen verantwortlich.
»Zumindest ist er weg«, sagte Glenn ausdruckslos.
Ich lachte bitter. »Nein, ist er nicht.«
Für einen Moment war es stil in der Leitung. »Piscary hat gesagt. .«
»Piscary und AI arbeiten zusammen, und ihr seid drauf reingefal en. Jetzt laufen zwei Monster durch Cincy statt nur eines.« Ich verzog schlecht gelaunt das Gesicht. »Und dieses Mal frag nicht mich, mich um sie zu kümmern, okay?«
Eine Weile lang lauschte ich nur den Hintergrundgeräuschen des Büros. »Kannst du trotzdem herkommen?«, fragte Glenn schließlich. »Ich möchte, dass du jemanden identifizierst.«
Mein Herz verkrampfte sich. Er hatte gesagt, dass es eine neue Leiche gab. Plötzlich war Piscary das Letzte, woran ich dachte.
»David?«, fragte ich. Meine Knie wurden weich, und mir wurde kalt, obwohl die Sonne durch das Fenster auf meinen Rücken schien. Jemand hatte ihn getötet. Jemand tötete Werwölfe auf der Suche nach dem Fokus, und eine Menge Leute wussten, dass David mein Alpha war. Gott helfe mir, ich habe ihn umgebracht.
»Nein«, sagte Glenn, und Erleichterung durchflutete mich.
»Es ist ein Werwolf mit dem Namen Brad Markson. Er hatte deine Karte in seinem Geldbeutel. Kennst du ihn?«
Mein kurzes Hochgefühl, dass David in Ordnung war, verwandelte sich zu Schock. Brad? Der Werwolf aus Mackinaw? Ich glitt auf den Boden, den Rücken an meinen Spülschrank gelehnt, weil meine Beine nachgaben.
»Rachel?«, hörte ich Glenns Stimme wie aus weiter Entfernung. »Bist du in Ordnung?«
»Yeah«, hauchte ich. »Nein«, gab ich dann zu. »Ich komme sofort.« Ceri. Ich leckte mir die Lippen und versuchte zu schlucken. »Kann ich noch eine Stunde haben?« Duschen und essen. »Viel eicht zwei?«
»Ach verdammt, Rachel, kanntest du diesen Kerl wirklich?«, fragte Glenn, und jetzt lag Schuld in seiner Stimme. »Es tut mir leid. Ich hätte vorbeikommen sol en.«
Ich schaute auf und auf Ivys leeren Platz am Tisch. »Nein, es geht mir gut. Er war. . ein Bekannter.« Ich atmete ein und erinnerte mich an das letzte Mal, als ich Brad gesehen hatte.
Ein kraftvol er Mann, der nach etwas suchte, woran er glauben konnte, und in den Randbereichen meines Lebens herumhing und nach einem Weg suchte, in mein Rudel zu kommen.
»Jetzt ist es was? Halb acht?«, fragte Glenn. »Ich schicke dir mittags einen Wagen. Außer, du hast deinen Führerschein?«
Ich schüttelte den Kopf, obwohl er es nicht sehen konnte.
»Ein Wagen wäre schön.«
»Rachel? Bist du in Ordnung?«
In der Stadt war ein Dämon los. Ein Meistervampir war hinter mir her. Meine Kirche war nicht mehr geweiht. Und Brad war tot. »Mir geht es gut«, antwortete ich mit schwacher Stimme. »Ich sehe dich heute Nachmittag.«
Wie betäubt legte ich auf, bevor er noch etwas sagen konnte. Das Telefon lag schwer meiner Hand, und ich starrte auf meine Zauberbücher, die auf Augenhöhe vor mir standen. Verdammt, das war einfach nicht richtig.
Ich wischte mir über die Augen und kämpfte mich auf die Beine, während ich gleichzeitig das Gefühl hatte, dass sich plötzlich al es verändert hatte.
Ich ging zurück Richtung Altarraum und hielt kurz vor dem Türrahmen an. Trent musterte gerade die kunstvol en Buntglasfenster, und seine blitzblanken Schuhe schimmerten im Licht, als er sich umdrehte. Quen stand zwei Meter von ihm entfernt und sah aus, als wäre er auf al es vorbereitet.
»Trent, es tut mir leid«, sagte ich und ging davon aus, dass mein Gesicht weiß war, da er überrascht die Augenbrauen hochzog. »Ich kann das jetzt gerade nicht. Ich glaube sowieso nicht, dass Ceri kommen wird.«
»Warum?«, fragte er und wandte sich mir vol zu.
Oh Gott, sie hatten Brad umgebracht. »Ich habe sie letzte Nacht zu Boden gestoßen«, sagte ich, »und sie ist deswegen wahrscheinlich noch aufgewühlt.« Brad war tot. Er war militärisch ausgebildet. Wie konnte ihn jemand umbringen?
Er war verdammt gut darin, am Leben zu bleiben.
Trent schüttelte die Ärmel seines teuren Anzugs aus und gab ein ungläubiges Lachen von sich. »Du hast sie zu Boden gestoßen? Weißt du, wer sie ist?«
Ich schnappte nach Luft und versuchte, mich unter Kontrol e zu halten. Brad war tot. Meinetwegen. »Ich weiß, wer sie ist, aber wenn mich jemand schubst, schubse ich zurück.«
Trent warf einen kurzen Blick zu Quen, und sein Gesicht wurde hart. Ich biss die Zähne zusammen und hielt meinen Atem flach. Dann blickte ich auf der Suche nach Jenks zu den Dachbalken und bemühte mich, nicht zu weinen.
Jemand hatte Brad getötet. Er war immer nur einen Schritt von mir entfernt gewesen. Ich war so verdammt verletzlich.
Es brauchte nur einen Scharfschützen. Aber ich konnte ja auch nicht in einer Höhle leben. Das war Scheiße. Purpurne Fairy-Scheiße mit grünem Glitter drauf.
Ich ließ die Hand an der Wand entlanggleiten, als ich zu Ivys Stuhl ging, um mich hinzusetzen. Der Geruch von vampirischem Räucherwerk sorgte dafür, dass ich mich noch schlechter fühlte. Ich musste aufhören, mein Leben zu leben, als wäre es ein Spiel. Ich musste Versicherungen abschließen, oder ich würde es nicht mehr erleben, dass meine Mutter sich über das Nichtvorhandensein von Enkeln beschwerte.
Obwohl es mir den Magen zusammenschnürte, würde ich Piscary den Fokus übergeben und ihn damit bestechen, mich nicht zu töten. Dann würde ich Lee retten, um AI dorthin zurückzuschicken, wo er hingehörte, und Trent loszuwerden.
Damit kann ich genauso gut anfangen, dachte ich, setzte mich gerade hin und holte tief Luft. Um AI konnte ich mich später kümmern. Wenn es dunkel war.
»Trent«, sagte ich und schloss kurz die Augen, als mir bewusst wurde, dass meine Vorstel ung von richtig und falsch wieder einmal einen Treffer abbekam. »Ich weiß viel eicht einen Weg, wie man Lee von AI befreien kann. Es wird dich keinen Penny kosten, aber ich wil , dass du mich in Ruhe lässt.« Ich schaute ihn an, und sein Gesicht war vor Verwunderung völ ig leer. »Kannst du das schaffen?«
»Du sagtest, dass man keinen Vertrauten von einem Dämon freibekommen kann«, sagte er, und in seiner samtigen Stimme lag ein rauer Ton.
Ich zuckte mit den Schultern und starrte an ihm vorbei zur Tür. »Was glaubst du, wo Ceri hergekommen ist?«
Er warf einen ausdruckslosen Blick zu Quen. Der dunkle Elf blinzelte einmal bedeutungsschwer.
»Ich höre zu«, meinte Trent dann wachsam.
Und jetzt wurde es knifflig. »Ich werde einen Deal mit Piscary machen. .«
»Vorsichtig«, spottete er. »Man könnte denken, dass deine schwarz-weiße Weltsicht langsam grau wird.«
»Halt den Mund!«, schrie ich den Mil iardär an, weil ich diesen Seitenhieb durchaus gespürt hatte. »Ich breche kein Gesetz. Ich habe etwas, was er viel eicht wil , und wenn er es mal hat, sol te ich es schaffen, AI sicher und so loszuwerden, dass Lee befreit wird. Aber ich wil dein Wort, dass du mich und die Leute, die mir etwas bedeuten, in Frieden lässt.
Und. .« Ich holte tief Luft und fühlte mich, als würde ich eine von ihnen werden. »Und ich lasse dich und deine Geschäfte in Frieden.«
Ich wol te überleben. Ich wol te leben. Ich hatte mit Mördern und Gelegenheitskil ern gespielt, und das mit der arroganten Unschuld einer Schneeflocke. Das FIB konnte mich nicht beschützen. Die I.S. würde es nicht tun. Trent konnte mich umbringen, und das musste ich respektieren, auch wenn ich ihn nicht respektierte. Gott, zu was werde ich?
»Du wirst aufhören zu versuchen, mich festzunageln?«, fragte Trent leise, und dann erstarrte er, anscheinend wegen eines unausgesprochenen Gedankens. Seine Lippen öffneten sich, und er schaute überrascht Quen an. »Sie hat den Fokus«, sagte er zu ihm und drehte sich dann amüsiert zu mir um. »Das wil st du Piscary geben. Du hast den Fokus.« Er lachte. »Ich hätte wissen müssen, dass du es bist.«
Mein Gesicht wurde kalt, und ich fühlte, wie mein Magen sich umdrehte. Oh scheiße.
Ich stand auf, als Quen die Position wechselte, sodass er zwischen uns stand - ein Manöver.
»Stopp!«, sagte ich, die Hand ausgestreckt, und er hielt an.
Mit klopfendem Herzen versuchte ich, mir einen Reim auf al es zu machen. Trent tötet die Werwölfe?
»Du hast Brad getötet?«, fragte ich und sah, dass er rot wurde. »Du warst es!«, schrie ich, ließ die Hand sinken und wurde wütend. Verdammt, was hatte ich fast getan? Was zur Höl e stimmte nicht mit mir? Das konnte einfach nicht sein!
»Ich habe ihn nicht getötet. Er hat sich selbst umgebracht«, sagte Trent mit zusammengebissenen Zähnen.
»Bevor er mir sagen konnte, dass du den Fokus hast.«
Quen stand ausbalanciert auf den Zehenspitzen, und seine Arme hingen locker herunter. Wie im Traum sagte ich zu ihm:
»Ihr habt Brad getötet. Und Mr. Rays Sekretärin. Und Mrs.
Sarongs Assistenten.«
Quens Gesicht zeigte Schuld, und er spannte die Muskeln an.
»Ihr Hurensöhne«, flüsterte ich. Ich wol te es nicht glauben und verfluchte mich selbst dafür, dass ich Trent positiver hatte sehen wol en, als er war. Dass ich mir gewünscht hatte, dass sie beide mehr wären als Mörder und Kil er.
»Ich dachte, du hättest mehr Ehre, Quen.«
Der ältere Elf biss die Zähne zusammen.
»Wir haben sie nicht getötet«, verteidigte sich Trent, aber ich schnaubte nur abfäl ig. »Sie haben Selbstmord begangen«, erklärte er, der Teufel in einem perfekt sitzenden Anzug und perfekter Frisur. »Jeder Einzelne. Keiner hätte sterben müssen. Sie hätten es mir auch sagen können.«
Als ob das einen Unterschied machen würde. »Sie wussten nicht, dass ich ihn habe!«
Trent trat einen Schritt vor und deutete mit dem Finger auf mich. Quen zog ihn zurück. »Es herrscht Krieg, Rachel«, sagte der jüngere Mann angespannt und schüttelte Quens Hand ab. »Das fordert Opfer.«
Ich starrte ihn ungläubig an. »Das ist kein Krieg. Das ist deine Machtgier. Gott, Trent, wie viel mehr wil st du noch?
Bist du so unsicher, dass du König der verdammten Welt sein musst, um dich sicher zu fühlen?«
Ich dachte an meine Kirche und meine Freunde und hob das Kinn. Yeah, sie hatten auch getötet, aber Ivy versuchte sich daraus zu befreien, und Jenks hatte es tun müssen, um das Überleben seiner Familie zu sichern. Und nachdem ich quasi Lee geopfert hatte, um selbst zu überleben, konnte man auch nicht behaupten, dass ich makel os und rein war.
Aber ich hatte niemals für Geld oder Macht getötet -und meine Freunde auch nicht.
Meine Worte trafen Trent, und sein Gesicht wurde rot, ob aus Scham oder Wut, wusste ich nicht. »Wie viel wil st du dafür?«, fragte er leise.
Schockiert starrte ich ihn an. »Du wil st. . ihn kaufen?«
Trent leckte sich die Lippen. »Ich bin Geschäftsmann.«
»Und als Hobby mordest du?«, beschuldigte ich ihn. »Oder glaubst du, dass dir der schwache Stand deiner Spezies das Recht gibt zu morden?«
Trent zog seinen Anzug zurecht, aber sein Gesicht zeigte seine Schuld und seinen Ärger. Wenn er ein Scheckbuch herausgezogen hätte, hätte ich angefangen zu schreien.
»Al es, Rachel. Genug, um deine Sicherheit zu garantieren.
Genug, um auch dafür zu sorgen, dass deine Mutter, Jenks, sogar Ivy sicher sind. Genug, um dir al es zu kaufen, was du wil st.«
Es klang so einfach. Aber ich wol te nichts mehr mit ihm zu tun haben. Piscary tötete Leute, aber er hatte kein Konzept von Schuld oder Reue. Es wäre, als würde man einem Hai sagen, dass er ein böser Fisch ist und endlich aufhören sol te, Leute zu fressen. Aber Trent? Er wusste, dass er falsch handelte, und er tat es trotzdem.
Trent wandte seine Augen nicht einen Moment ab, während er wartete. Ich hasste ihn bis auf den Grund meiner Seele. Er war attraktiv und mächtig, und ich hatte fast zugelassen, dass das mein Gefühl für Gut und Böse trübte.
Dann konnte er mich eben umbringen. Und? Machte es das akzeptabel, einen Handel mit ihm einzugehen, um mich selbst zu schützen? Warum zur Höl e sol te ich ihm glauben, dass er sein Wort halten würde? Es war, als würde man einen Pakt mit einem Dämon schließen oder einen Dämonenfluch verwenden. Beides war der einfache Weg, der faule Weg.
Ich würde keine Dämonenflüche verwenden. Ich würde keinen Pakt mit einem Dämon schließen. Ich würde Trent nicht vertrauen, dass er sein Wort hielt. Er war ein Gelegenheitsmörder, der seine Spezies über al es andere stel te. Verflucht sol te er sein.
Quen wusste, was ich dachte, und ich sah, dass er sich anspannte. Trent al erdings war nicht so aufmerksam. Er war ein Geschäftsmann, kein Krieger. Ein schleimiger kleiner Geschäftsmann. »Ich gebe dir eine Viertelmil ion dafür«, sagte Trent. Er widerte mich an.
Ich verzog das Gesicht. »Du kapierst es einfach nicht, Pixiestaub«, sagte ich. »Es würde einen Krieg auslösen, wenn er unter die Leute kommt. Ich gebe ihn Piscary, damit er ihn wieder verstecken kann.«
»Er wird dich töten, wenn er ihn einmal hat«, sagte Trent schnel , und in seiner schönen Stimme klang Wahrheit mit.
»Sei diesmal kein Narr. Gib ihn mir. Ich werde dich schützen.
Ich werde keinen Krieg anfangen. Nur al es ins Gleichgewicht bringen.«
»Gleichgewicht?« Ich trat vor, nur um wieder anzuhalten, als Quen sich vor mich stel te. »Viel eicht gefäl t dem Rest der Inderlander, wie die Situation momentan austariert ist.
Viel eicht ist es Zeit für die Elfen, auszusterben. Wenn sie al e sind wie du und El asbeth, immer auf der Jagd nach Geld und Macht, dann habt ihr euch viel eicht so weit von euren Wurzeln entfernt, so weit von jeder Art von Anstand und Moral, dass ihr als Spezies bereits tot seid. Tot und verschwunden, und es ist gut, dass wir euch los sind.« Ich verspottete ihn, während Trent immer stärker errötete.
»Wenn du das Vorbild dafür bist, woraus du deine Spezies aufbauen wil st, dann wil ich euch nicht zurück.«
»Wir waren nicht diejenigen, die das Jenseits den Dämonen überlassen haben«, schrie Trent, und ehrliche, heiße Wut strahlte von ihm ab wie eine Wel e. »Ihr seid gegangen! Ihr habt uns al eine kämpfen lassen! Wir haben Opfer gebracht, während ihr feige geflohen seid! Wenn ich skrupel os bin, dann nur, weil ihr mich dazu gemacht habt!«
Hurensohn. . »Du kannst mich nicht für etwas verantwortlich machen, was meine Vorfahren getan haben!«
Trent zog eine Grimasse. »Zehn Prozent meines Portfolios«, sagte er wütend.
Kranker Bastard. »Er steht nicht zum Verkauf. Raus.«
»Fünfzehn Prozent. Das ist eine Drittelmil iarde.«
»Verschwinde verdammt noch mal aus meiner Kirche!«
Trent richtete sich auf, als wol te er etwas sagen, dann schaute er auf seine Uhr. »Ich bedaure, dass du so empfindest«, sagte er, als er sich zum Piano zurückzog. Er steckte sein Geschenk für Ceri wieder in die Tasche und fragte: »Ist er auf dem Grundstück?« - als wäre es nur beiläufiges Interesse.
Verdammt. Ich wurde angespannt wie ein Drahtseil.
»Jenks!«, schrie ich und fand dadurch mein Gleichgewicht wieder. »Jhan, hol deinen Dad!« Aber er hielt nach Blauhähern Ausschau, wie ich es ihm aufgetragen hatte.
Zweimal verdammt.
Quen wartete auf Anweisungen, und mir brach der Schweiß aus. Trent hob seinen Kopf, und in seinen Augen stand ein Ausdruck, von dem ich hoffte, dass es Bedauern war. »Quen«, sagte er leise, »nimm Ms. Morgan in Gewahrsam. Wir werden zu einem späteren Zeitpunkt mit Ceri reden. Anscheinend kommt sie heute nicht. Hast du einen Vergesslichkeitstrank?«
Oh Gott.
»Im Auto, Sa'han.«
Seine Stimme klang nicht glücklich, und ich warf ihm einen schnel en Blick zu, weil ich wusste, was passieren würde.
»Gut.« Trent war so unbeugsam wie Eisen. »Keine Erinnerungen heißt nichts Unerledigtes. Wir lassen sie schlafen, bis jemand sie für ihren Auftrag in der Leichenhal e abholt.«
»Hurensohn«, flüsterte ich und schaute wieder zu den leeren Dachbalken. Verdammt, warum hatte ich sie rausgeschickt? »Jenks!«, schrie ich, aber es kam kein Flügelgeklapper. Quen zog eine Splat Gun aus dem hinteren Hosenbund, und ich fluchte unterdrückt.
»Was ist es?«, fragte ich und dachte an meine Waffe in dem Eimer neben der Hintertür. Wenn ich mich bewegte, würde er schießen.
»Es ist etwas anderes, wenn man am anderen Ende der Waffe steht, oder?«, spöttelte Trent, und ich konnte mich nur mit Mühe davon abhalten, ihn anzuschreien.
»Trent. .« Ich wich mit beschwichtigend erhobenen Händen zurück.
Quen gab die Waffe Trent. »Wenn Ihr sie so wol t, dann schießt selbst auf sie.«
Trent nahm die Waffe und zielte auf mich. »Das kann ich«, sagte er und drückte den Abzug.
»Hey!«, kreischte ich, als das Geschoß mich traf. Verdammt, zweimal an einem Tag. Aber ich fiel nicht in mich zusammen.
Es war kein Gutenachtzauber. Trent schien nicht überrascht, als ich nicht zusammenklappte, sondern nur nach hinten stolperte.
Trent gab Quen die Splat Gun zurück. »Ehre ist teuer, Quen. Ich zahle dir nicht genug.« Quen war nicht glücklich, und ich starrte die beiden an, vol er Angst, was als Nächstes passieren würde.
Mit kalter Stimme sagte Trent: »Rachel. Sag mir, wo der Fokus ist.«
»Fahr zur Höl e.«
Trent riss seine grünen Augen auf. Quen musterte mich schockiert von oben bis unten, dann entspannte er sich und verkniff sich ein Lachen. »Sie ist mit Salzwasser durchtränkt«, sagte er. »Sie hat gesagt, dass sie Ceri zu Boden gestoßen hat. Die Frau hat sie offensichtlich verzaubert, und Rachel ist immer noch nass von dem Salzwasser, mit dem der Zauber gebrochen wurde.«
Das war nicht ganz, was passiert war, aber ich würde ihn nicht aufklären. Langsam wurde ich wütend, wie ich da barfuß vor ihnen stand. Aus Trents Frage hatte ich geschlossen, dass er seine Splat Gun mit Unterwerfungszaubern befül te. Il egal. Grau, da man nichts töten musste, um sie anzufertigen, aber sehr, sehr il egal.
Trent gab ein schnaubendes Geräusch von sich und zog seine Ärmel nach unten. »Gut. Dann unterwirf sie auf deine Art. Versuch, keine Schrammen zu hinterlassen. Ohne Spuren hat sie keinen Grund, ihr Gedächtnis zu erforschen.«
Okay, noch nicht aus der Sache raus. . Mit rasendem Puls ließ ich mich in Kampfposition fal en und lauschte auf das Geräusch von Pixieflügeln. Quen kam auf mich zu. Die Unentschiedenheit, die er vorher gezeigt hatte, kam offenbar daher, dass Magie verwendet wurde statt Kraft. Es schien, als ginge er davon aus, dass ich es verdient hatte, benutzt und weggeworfen zu werden, wenn ich ihn körperlich nicht besiegen konnte.
»Quen, ich wil das nicht tun müssen«, warnte ich und erinnerte mich an unseren letzten Kampf. Er hätte mich durch die Mangel gedreht, wenn meine Mitbewohner nicht eingeschritten wären. »Verschwinde, oder ich werde. .«
»Du wirst was?«, fragte Trent, der neben dem Piano stand und ein nerviges Lächeln zur Schau trug. »Uns in Schmetterlinge verwandeln? Du benutzt keine schwarze Magie.«
Ich bal te die Hände zu Fäusten und balancierte mich aus.
»Sie viel eicht nicht«, erklang plötzlich Ceris Stimme hinter mir, und Trents Blick schoss über meine Schulter. »Ich schon.«
27
»Verdammt noch mal«, fluchte Trent leise. Seine Augen waren auf Ceri gerichtet. Quen rührte sich nicht.
Die Luft schien zu knistern, aber dann fiel mir auf, dass es Jenks' Flügel waren. Der Pixie schwebte neben mir und wartete auf Anweisungen. Ich konnte Ceri hinter mir fühlen, aber ich konnte meine Augen nicht von Quen abwenden, der in seiner schwarzen Uniform vor mir stand, mit geöffneten Lippen und hängenden Armen.
Langsam richtete ich mich aus meiner geduckten Haltung auf. Ceri trat vor. Sie roch nach Seife trug ein frisches purpur-goldenes Kleid, das ihre bloßen Füße verbarg, als sie sich neben mich stel te. Ihr Kruzifix lag um ihren Hals, und ihr Selbstvertrauen war absolut. Wie auch ihre Wut.
»Ahm, Ceri«, sagte ich, weil mir sonst nichts einfiel, »der Mann in dem Anzug ist Trenton Aloysius Kalamack, Drogenbaron, Mörder und Mitglied der Fortune-20-Liste.
Das vor ihm ist Quen, sein Sicherheitsoffizier. Trent, Quen, das ist Ceridwen Merriam Duciate, ursprünglich aus dem europäischen Mittelalter.« Lasst das Fest beginnen!
Trents Gesicht war weiß. »Wie lange haben Sie gelauscht?«
Ceri reckte das Kinn. »Lange genug.«
Ich wurde bleich, als mir klar wurde, dass das summende Geräusch im Raum von Ceri ausging, und dass der leichte schwarze Rand, der um ihre Finger lag, Magie war, die darauf wartete, eingesetzt zu werden.
Oh Dreck.
»Ahm, Rachel. .«, sagte Jenks mit hoher Stimme.
Mich schauderte vor ihrer stolzen Wut. »Zurückziehen, Jenks. Das könnte hässlich werden.«
Trents Gesichtsausdruck verriet mir, dass er so tun wol te, als wäre nichts passiert, damit er Ceri kennenlernen konnte, ohne dass die hässliche Realität seines Lebens störte.
Genau. .
Das vielfarbige Licht, das durch die Buntglasfenster in den Raum drang, machte die ganze Situation nur noch surrealer.
Quen stand am Flügel, und als der ältere Elf nach vorne trat, um sich zu Trent zu stel en, richtete Ceri ihre Aufmerksamkeit auf ihn. Quen hielt an. Als sie seine stil schweigende Akzeptanz sah, verschwand das Schwarz um ihre Hände.
Meine Schultern entspannten sich, als ich fühlte, wie sie die Kraftlinie fal en ließ. Ich wusste, dass sie wahrscheinlich genug Jenseits in ihrem Kopf gespeichert hatte, um das Dach von der Kirche zu sprengen, aber Trent und Quen wussten das nicht.
»Jetzt, da ich Euch gefunden habe, scheint es, als hätte Rachel recht«, sagte Ceri, als sie würdevol mit leicht schwingendem Kleid in die Mitte des Raumes ging. »Ihr seid ein Dämon.«
»Wie bitte?« Trents wunderschöne Stimme klang weniger verwirrt als zornig.
Ich hatte keine Ahnung, wie das enden würde, aber ich war froh, aus der Schusslinie zu sein. Ceri bemerkte, dass Quen sich bewegte, um spiegelbildlich meine Position einzunehmen. Sie versteifte sich und legte herablassend den Kopf schief. »Hat Rachel Ihnen gesagt, dass ich die Vertraute eines Dämons war, bevor sie mich rettete?«, fragte sie Trent.
Als sie sah, dass er verstand, sprach sie weiter: »Ich kenne Dämonen sehr gut. Und das ist, was sie tun: sie bieten etwas an, was scheinbar außer Reichweite ist, im Austausch gegen etwas, was sie wol en und was wirklich außerhalb ihrer Reichweite ist. Hier nennt man Euch Geschäftsmänner. Ihr seid sehr gut.«
Sein Gesicht lief rot an. »So wol te ich nicht Ihre Bekanntschaft machen.«
»Darauf wette ich«, antwortete Ceri. Der moderne Ausdruck und der Sarkasmus, mit dem sie ihn von sich gab, waren schockierend.
Stolz und scheinbar gelassen fummelte Trent an seinem Geschenk herum und kam näher. Seine Anspannung verbarg er hinter der geübten Ruhe, die er in den Sitzungssälen gelernt hatte. Ich konnte mich einer gewissen Anerkennung für seine Entschlossenheit, noch etwas aus der Situation rauszuholen, nicht erwehren.
»Ich habe Ihnen ein Geschenk mitgebracht«, sagte er und streckte ihr das Paket entgegen. »Als Dankeschön für Ihre Zel probe.«
Jenks landete auf meiner Schulter. »Der Mann hat mehr Eier in der Hose als ein Besamungsbul e«, murmelte er, und Ceris Ohren wurden leicht rot. Sie nahm das Geschenk nicht an, und Trent legte es schließlich auf den Flügel.
Ceri ignorierte ihn und wandte sich an Quen. »Ihr habt zuerst gezögert, Rachel anzugreifen. Warum?«
Quen blinzelte, weil er das offensichtlich nicht erwartet hatte. »Rachels größte Begabung, was die Verteidigung angeht, liegt in ihren körperlichen Fähigkeiten, nicht in ihrer Magie«, sagte er, und seine raue Stimme bildete einen wunderbaren Kontrast zu Ceris glattem, perfektem Tonfal .
»Ich beherrsche beides, und es wäre nicht ehrenhaft, sie mit etwas zu unterwerfen, wogegen sie sich nicht verteidigen kann, wenn ich meinen Wil en auch auf einem Gebiet durchsetzen kann, wo sie wenigstens die Chance hat, mir auf gleicher Augenhöhe zu begegnen.«
Von meiner Schulter erklang laut Jenks' Stimme: »Da piss mir doch einer auf meine Gänseblümchen, ich wusste, dass es etwas an dem kleinen Keksmampfer gibt, was ich mag.«
»Und das ist Ihnen wichtig?«, fragte Ceri in ihrer königlichen Art und ignorierte Jenks' Kommentar völ ig.
Quen senkte den Kopf, aber in seinen Augen stand nicht eine Spur Reue. Trent trat von einem Fuß auf den anderen.
Ich wusste, dass es ein Ablenkungsmanöver war, um die Aufmerksamkeit wieder auf sich zu ziehen, aber Ceri lächelte Quen an. »Ein Funken von uns ist am Leben«, sagte sie und holte dann Luft, als müsste sie sich einer schwierigen Aufgabe stel en.
Draußen pressten sich Pixies gegen die Scheiben, und ich war ein wenig nervös, als Ceri ihre Aufmerksamkeit wieder Trent zuwandte. Als ich sie so zusammen sah, war ich überrascht, wie sehr sie sich ähnelten. Ihr Haar hatte das gleiche fast durchscheinende Blond, die Gesichtszüge waren bei beiden gleichzeitig fein gezeichnet und entschieden.
Schlank, ohne deswegen schwach zu sein. Stark, ohne deswegen an Schönheit einzubüßen.
»Ich habe Euch schon eine Weile beobachtet«, sagte Ceri leise. »Ihr seid sehr verwirrend. Sehr verwirrt. Ihr habt nichts vergessen, aber Ihr wisst nicht, wie Ihr es anwenden sol t.«
Trents Miene verbarg fast seine Wut. Fast. »Mal Sa'han. .«
Ceri stieß zischend den Atem aus und ließ sich einen Schritt zurückfal en.
»Nicht«, sagte sie, ihre Gesicht sanft gerötet. »Nicht von Euch.«
Quen zuckte, als sie an ihre Tail e fasste, aber sie ließ ihn mit einem Blick erstarren, bevor sie ein Abstrichstäbchen in einer zerrissenen Plastiktüte aus dem Gürtel zog. Ich erkannte es als eins von meinen. »Ich kam, um Euch das zu geben«, sagte sie und übergab es Trent. »Aber nachdem ich Eure Aufmerksamkeit gerade habe. .«
Jenks' Flügel schickten eine kühle Brise an meinen Hals, und die Spannung eskalierte. Ceri zapfte eine Linie an, und ihr Haar bewegte sich in einem Wind, den nur sie spürte. Ich glaubte, einen metal ischen Geschmack auf meiner Zunge zu spüren. Mit kaltem Gesicht schaute ich durch den Altarraum, weil ich fast erwartete, dass sich plötzlich ein Dämon materialisieren würde, aber dann fiel mein Blick wieder auf Ceri, und al e Farbe wich aus meinem Gesicht.
»Heilige Scheiße. .«, hauchte Jenks, und seine Flügel waren jetzt vol kommen bewegungslos.
Ceri stand absolut stil und sammelte vorsätzlich Macht um sich, als ob sie damit ihre beschädigte Aura aufbessern könnte. Ihre unbestreitbare Schönheit war wie die einer Fairy, wild und bleich, mit eingefal enem Gesicht, hart und unnachgiebig. Quen bewegte sich nicht, als sie auf Trent zuging und ihm nah genug kam, dass ihre Haare sich berührten. Nah genug, um seine Aura in sich aufzunehmen, wenn sie atmete.
»Ich bin schwarz«, sagte sie, und mich überlief ein Schaudern. »Ich bin unrein von tausend Jahren Dämonenflüchen. Verärgert mich nicht, oder ich werde Euch und Euer Haus zu Fal bringen. Rachel ist das einzig Reine, was ich in meinem Leben habe, und Ihr werdet sie nicht weiter verunglimpfen, nur um Eure großen Ideen zu fördern.
Verstanden?«
Ein harter Ausdruck verdrängte den Schrecken von Trents Gesicht und erinnerte mich daran, wer er war und wozu er fähig war. »Sie sind nicht, was ich erwartet hatte«, erklärte er, und Ceri erlaubte einem grausamen Lächeln, ihre Mundwinkel nach oben zu ziehen.
»Ich bin Euer schlimmster Alptraum, der erschienen ist, um auf dieser Seite der Linien zu wandeln. Ich bin eine Elfe, Trent, etwas, was Ihr zu sein vergessen habt. Ihr fürchtet schwarze Magie. Ich kann Furcht unter Eurer Aura schimmern sehen wie Schweiß. Ich lebe und atme schwarze Magie. Ich bin so damit verschmutzt, dass ich sie ohne einen Gedanken verwende, ohne Schuld und ohne jedes Zögern.«
Sie trat noch einen Schritt näher an ihn heran, und Trent wich zurück.
»Lasst Rachel in Frieden«, wiederholte sie, sanft wie Regen und so fordernd wie die Stimme eines Gottes.
Ceri streckte die Hand aus, um ihn zu berühren, und in einer rasend schnel en Bewegung sprang Quen nach vorne.
Ich holte Luft, um ihr eine Warnung zuzurufen, aber Ceri wirbelte herum und warf einen schwarzen Bal aus Jenseits.
»FinireU«
»Ceri, schrie ich, nur um mich dann sofort zu ducken, als der Bal den Kreis traf, den Quen errichtet hatte, und in schwarze Funken zerstob.
Sichtlich verärgert schritt Ceri zu Quen, und lateinische Worte flössen aus ihrem Mund: »Quis custodiet ipsos custodies?«, fragte sie zornentbrannt und schlug dann eine winzige weiße Faust in seinen Kreis.
Quen starrte sie schockiert an, als sein Kreis in sich zusammenfiel.
»Finire«, sagte Ceri wieder und griff nach ihm. Als Quen ihr Handgelenk packte, um etwas zu unternehmen, erstarrte er erst und fiel dann bewusstlos auf den Parkettboden.
»Heilige Scheiße!«, piepste Jenks in den Dachbalken, und Ceri wandte ihren Blick von Quen. Die Wut ließ ihre bleiche Schönheit schrecklich erscheinen.
»Ceri«, beschwor ich sie, hielt aber dann inne, als sie sich zu mir umdrehte.
»Halt den Mund!«, befahl sie, und ihr langes Haar wehte um sie herum. »Ich bin auch auf dich wütend. Niemand hat mich jemals in meinem ganzen Leben geschubst.«
Mit offenem Mund schaute ich zu Trent. Der schockierte Mil iardär zog sich rückwärts Richtung Tür zurück.
»Entschuldigen Sie mich«, sagte er. »Das war ein Fehler.
Wenn Sie so freundlich wären, Quen zu wecken, dann werde ich gehen.«
Ceri wirbelte zu ihm herum. »Nehmt meine Entschuldigung dafür an, dass ich Euch von Eurem nächsten Termin abhalte. Ihr seid sicherlich ein sehr beschäftigter Mann«, sagte sie in ätzendem Tonfal und richtete ihren Blick dann auf den am Boden liegenden Quen.
»Ist er ein guter Mann?«, fragte sie plötzlich.
Trent zögerte, und der metal ische Geruch in meiner Nase wurde schärfer. »Ja.«
»Ihr sol tet öfter auf ihn hören«, sagte sie und ging vor Quen in die Hocke. Ihr Kleid legte sich um sie wie Wasser, das sich in Seide verwandelt hatte. »Deswegen umgeben wir uns mit anderen.«
Jenks ließ sich wieder auf meine Schulter fal en, und ich fragte mich, ob Ceri wohl so von mir dachte. Ein wenig wie ein Diener, mit dem man Dinge durchsprechen konnte.
Trent kniff besorgt die Augen zusammen, als Ceri Latein murmelte und ein schwarzer Schein von Jenseits Quen überzog. Der schnaubte, und das Schwarz zersplitterte in silberne Fäden, als er die Augen öffnete. Er kämpfte sich auf die Beine, während Ceri sich würdevol erhob. Aus seiner verärgerten Miene konnte man deutlich ablesen, dass er gleichzeitig überrascht und beschämt war. Ich konnte nicht anders, als ihn zu bemitleiden. Ceri war schwierig, selbst wenn sie uns nicht herumstieß.
»Habt Ihr gesehen, was ich getan habe?«, fragte sie ihn ernsthaft, und Quen nickte. Seine grünen Augen waren auf sie gerichtet, als sähe er seine Erlösung vor sich. »Könnt Ihr es selbst?«, fragte sie ihn als Nächstes.
Er warf einen kurzen Seitenblick zu Trent und nickte. »Jetzt, wo ich gesehen habe, wie Sie es gemacht haben«, sagte er schuldbewusst.
Aber Ceri lächelte erfreut. »Er wusste nicht, dass Ihr die dunklen Künste praktiziert, oder?«
Quen schaute zu Boden und blinzelte, als ihm bewusst wurde, dass sie barfuß war.
»Nein, Mal Sa'han«, sagte er leise, und Trent verlagerte unangenehm berührt sein Gewicht.
Ceri lachte, und das wundervol e Geräusch überlief mich wie Wasser. »Viel eicht sind wir ja doch noch am Leben«, sagte sie und berührte die Oberseite seiner Hand, als wären sie alte Freunde. »Schützt ihn, wenn es Euch gelingt. Er ist ein Idiot.«
Trent räusperte sich, aber die beiden waren in ihrem Gespräch verloren.
»Er ist, wozu er gemacht wurde, Mal Sa'han«, sagte Quen und küsste in einer anmutigen Bewegung ihren Handrücken.
»Er hatte keine Wahl.«
Ceri rümpfte die Nase, als sie ihre Hand aus Quens zog.
»Nun hat er sie«, sagte sie frech. »Schaut, ob Ihr ihn daran erinnern könnt, wer und was er ist.«
Mit einem respektvol en Nicken drehte sich Quen zu mir um. Auch ich empfing diesen Gruß, al erdings begleitet von einem Schmunzeln, das ich nicht deuten konnte. Jenks seufzte auf meiner Schulter, und ich verlagerte mein Gewicht wieder auf die Fersen. Es schien vorbei zu sein.
»Nur einen Moment«, sagte ich. »Geht noch nicht. Ceri, lass sie nicht gehen.«
Beide Männer erstarrten, als Ceri sie anlächelte, und ich joggte in mein Zimmer. Ich griff mir die zwei Kleidersäcke und hetzte zurück. Ich war am Leben - abgehakt. Ich hatte immer noch den Fokus - abgehakt.
Ceri und Trent vorgestel t - abgehakt. Ich habe irgendwie Hunger. Ich frage mich, was im Kühlschrank ist. Ich riss die Augen auf, als mir klar wurde, woher der metal ische Geruch kam. Verdammt, der Teekessel stand noch auf dem Herd und kochte leer.
»Hier«, sagte ich und schob die zwei Kleider in Trents Arme. »Ich arbeite nicht auf deiner dämlichen Hochzeit. Ich würde dir ja dein Geld zurückerstatten, aber du hast mir nichts gegeben.«
Trents Miene zeigte eine mörderische Wut, und er ließ die Kleider auf den Boden fal en. Dann wirbelte er auf dem Absatz herum und stakste aus der Tür, die er hinter sich offen ließ. Ich hörte seine Schritte auf dem Gehweg und das Geräusch einer sich öffnenden und wieder zuschlagenden Autotür, dann nichts mehr.
Quen verbeugte sich elegant vor Ceri, die ihr Kleid hob und die Geste mit einem Knicks erwiderte, was mich schockierte. Nach einem Zögern verbeugte sich Quen auch vor mir, und ich warf ihm einen saloppen Bis-später-Salut zu.
Als ob ich knicksen könnte? Mit einem Lächeln auf seinem dunklen Gesicht folgte Quen Trent nach draußen und schloss leise die Tür hinter sich.
Ich stieß laut die Luft aus.
»Heilige Scheiße«, sagte Jenks und verließ meine Schulter, um in Kreisen um Ceri herumzufliegen. »Das war das Coolste, was ich je gesehen habe.«
Als ob er ein Signal gegeben hätte, war der Altarraum plötzlich vol er Pixies. Mein Kopf fing an zu schmerzen, und obwohl ich offensichtlich glücklich darüber war, wie die Sache geendet hatte, machte ich mir auch Sorgen. Ich musste den Fokus so schnel wie möglich loswerden.
»Ceri«, sagte ich und wedelte Pixiekinder aus meinem Weg, als ich die liegen gebliebenen Kleider über die Couch warf und in die Küche sprintete, um die Kochplatte auszumachen, »was genau bin ich eigentlich für dich?«
Sie war mir gefolgt, und ich war überrascht, sie mit Trents Geschenk in der Hand zu sehen, als ich einen Blick über die Schulter warf. »Meine Freundin«, antwortete sie einfach.
Der Gestank in der Küche war furchtbar, und ich schob das Fenster höher nach oben. Genau deswegen mochte ich Kaffee. Beim Kaffeekochen konnte man nichts falsch machen.
Selbst das schlechte Zeug war gut.
Ich benutzte einen Topflappen, um den schwarzen Kessel in die Spüle zu stel en. Das Knacken von hocherhitztem Wasser erschreckte mich, als der Kessel mit dem feuchten Porzel an in Kontakt kam.
»Wil st du einen Kaffee?«, fragte ich, weil mir nichts einfiel, was ich sonst tun könnte. Ich wusste, dass sie lieber Tee gehabt hätte, aber nicht wenn er in etwas gemacht wurde, was außen so mit Ruß verschmiert war.
»Ich mag ihn«, sagte sie wehmütig, und ich wirbelte herum, weil mich der scheue Ton in ihrer Stimme wirklich schockierte.
»Quen?«, stammelte ich und dachte daran, wie er ihre Hand geküsst hatte.
Sie stand auf der Türschwel e zur Küche. Auf ihrem Gesicht lag ein verträumter Ausdruck, wo vor Kurzem noch mörderische Wut gewesen war.
»Nein«, sagte sie, als würde meine Verwirrung sie vor ein Rätsel stel en. »Trent. Er ist so wunderbar unschuldig. Und das bei al dieser Macht.«
Ich starrte sie an, als sie den Deckel von der Geschenkbox öffnete, die er zurückgelassen hatte, und einen Opal von der Größe eines Hühnereis hervorzog. Sie hielt ihn ins Licht und seufzte: »Trenton Aloysius Kalamack. .«
28
Die Sonne war zur gegenüberliegenden Wand der Küche gewandert, und ich saß in einem von Jenks'
menschengroßen Shirts über einem schwarzen Top in der Küche am Tisch. Ich trug es wegen der Bequemlichkeit; ich freute mich nicht gerade darauf, wieder ins Leichenschauhaus zu müssen.
Links von mir stand die Flasche mit Jalapeno-Soße, daneben lag eine Tomate für Glenn. Rechts von mir stand ein Tasse längst kalt gewordener Kaffee neben meinem Handy und dem Festnetztelefon. Keines davon klingelte. Es war Viertel nach zwölf, und Glenn kam zu spät. Ich hasste es, zu warten.
Ich lehnte mich näher zum Tisch und überzog meinen Zeigefingernagel mit noch einer Schicht farblosem Nagel ack. Der Geruch von Lösungsmitteln vermischte sich mit dem der Kräuter, die über der Kücheninsel hingen. Die Stimmen von Jenks' Kindern, die im Garten Versteck spielten, war Balsam für meine Seele. Drei der Pixies flochten mir die Haare mit Jenks als Aufsicht, um eine Wiederholung des
»Knotenvorfal s« zu verhindern.
»Nein, nicht so, Jeremy«, sagte Jenks, und ich versteifte mich. »Du gehst unter Jocelynn, dann über Janice, bevor du zurückkommst. So, genau. Habt ihr das Muster verstanden?«
Ein genervter Chor von: »Ja, Dad«, zauberte ein Lächeln auf meine Lippen, und ich versuchte, mich möglichst wenig zu bewegen, während ich mir die Nägel lackierte. Ich konnte kaum fühlen, dass sie etwas taten. Schließlich schraubte ich die Flasche zu und hielt meine Hand zur Begutachtung hoch.
Ein dunkles, fast schon kastanienbraunes Rot.
Ich hielt meine Hand näher vor die Augen, weil mir aufgefal en war, dass die feine Narbe an meinen Knöcheln verschwunden war, ohne Zweifel zusammen mit meinen Sommersprossen, als ich in diesem Frühling den Dämonenfluch verwendet hatte, um mich in einen Wolf zu verwandeln.
Ich hatte die Narbe bekommen, als ich durch eine Glastür geflogen war, als ich zehn war. Robbie hatte mich gestoßen, und nachdem meine Tränen getrocknet waren und meine Hand verbunden war, hatte ich ihm einen Schlag in den Magen verpasst. Was mich dazu brachte, mich zu fragen, ob Ceri mir eine verpassen würde, wenn ich es am wenigsten erwartete.
Robbie und ich hatten uns dann die wilde Geschichte ausgedacht, dass der Nachbarshund versucht hatte, durch die Tür zu springen. Als ich mich jetzt zurückerinnerte, war ich mir sicher, dass Mom und Dad gewusst hatten, dass der schwarze Labrador nichts mit dem zerbrochenen Glas zu tun gehabt hatte, aber sie hatten nichts gesagt.
Wahrscheinlich, weil sie stolz waren, dass wir unseren Streit beigelegt und dann zusammengehalten hatten, um der Bestrafung zu entgehen. Ich rieb meinen Daumen über die glatte Haut meines Fingers, traurig, weil die Narbe weg war.
Der Luftzug von Jenks' Flügeln traf meine Hand. »Warum lächelst du?«
Mein Blick fiel auf das Telefon, und ich fragte mich, ob Robbie wohl zurückrufen würde, wenn ich ihm eine Nachricht hinterließ. Ich arbeitete nicht mehr für die I.S. »Ich habe an meinen Bruder gedacht.«
»Das ist so merkwürdig«, sagte Jenks. »Ein Bruder. Ich hatte vierundzwanzig, als ich gegangen bin.«
Mein Blick verschwamm, als ich darüber nachdachte, dass es gewesen war, als würde er sterben, als er gegangen war.
Sie wussten, dass es nur eine Hinfahrt nach Cincy war. Er war stärker als ich.
»Au!«, schrie ich, als jemand zu fest zog. Meine Hand flog zu meinem Kopf, und ich drehte mich um, was einen Wirbel aus Seide und Pixiestaub auslöste. Der Nagel ack war immer noch klebrig, und ich erstarrte.
»Okay, raus«, erklärte Jenks herrisch. »Al e. Ihr spielt nur noch. Los. Jeremy, schau nach deiner Mutter. Ich kann Ms.
Morgans Haare fertig machen. Los!«
Die drei schwebten protestierend in die Höhe und er zeigte mit dem Finger. Immer noch mit Beschwerden auf den Lippen flogen sie rückwärts zum Fenster. Sie redeten al e gleichzeitig, flehten, rangen die Hände und verzogen ihre Gesichter zu traurigen Mienen, die mein Herz erweichten.
»Raus!«, verlangte Jenks, und einer nach dem anderen schlüpfte in den Garten. Jemand kicherte, und dann waren sie weg. »Tut mir leid, Rache«, sagte er und flitzte hinter mich. »Halt stil .«
»Jenks, es ist in Ordnung. Ich nehme es einfach raus.«
»Halt deine Hände aus deinem Haar«, murmelte er. »Dein Nagel ack ist nicht trocken, und du gehst mir nicht mit einem halb geflochtenen Zopf aus dem Haus. Du glaubst, ich weiß nicht, wie man Haare flicht? Bei Tinks kleinen roten Schuhen, ich bin alt genug, um dein Vater zu sein.«
War er nicht, aber ich legte meine Hände auf den Tisch und lehnte mich zurück. Ich spürte nur ein leichtes Ziehen, als er das zu Ende brachte, was seine Kinder begonnen hatten. Ein schwerer Seufzer entkam mir, und Jenks fragte:
»Was jetzt?« Sein Ton war ungewöhnlich barsch, um seine Betretenheit darüber zu überspielen, dass er mein Haar machte. Das Geräusch seiner Flügel war angenehm, und ich konnte Eichenblätter und wilde Möhren riechen.
Mein Blick wanderte zu Ivys leerem Platz, und das Geräusch der Flügel wurde tiefer. »Holst du sie raus?«, fragte er leise.
Er war fast fertig, und ich lehnte mich langsam nach vorne und legte meinen Kopf auf die verschränkten Arme. »Ich mache mir Sorgen, Jenks.«
Jenks räusperte sich. »Zumindest ist sie nicht gegangen, weil du Kisten gebissen hast.«
»Wahrscheinlich«, sagte ich, und mein warmer Atem wehte von dem alten Holz wieder zu mir hoch.
Ich spürte ein letztes Ziehen, und dann landete Jenks vor mir auf dem Tisch. Ich setzte mich auf und fühlte das Gewicht meines Zopfes. Sein winziges Gesicht verzog sich.
»Viel eicht wil sie Piscary gar nicht verlassen.«
Ich hob und senkte die Hand in einer frustrierten Geste.
»Dann sol ich sie also dortlassen?«
Jenks sah müde aus, als er sich im Schneidersitz neben meine vergessene Kaffeetasse setzte. »Mir gefäl t es auch nicht, aber er ist ihr Meistervampir - derjenige, der sie beschützt.«
»Und sie verdreht.« Beunruhigt rieb ich über meinen Nagel und glättete eine Scharte, bevor er ganz trocknen konnte.
»Glaubst du, du bist stark genug, um sie zu beschützen?
Gegen einen untoten Meistervampir?«
Ich dachte zurück an meine Unterhaltung mit Keasley im Garten.
»Nein«, flüsterte ich und warf einen Blick auf die Uhr. Wo zum Teufel bleibt Glenn?
Jenks Flügel verschwammen, und er erhob sich zehn Zentimeter, immer noch im Schneidersitz. »Dann lass sie sich selbst befreien. Sie kommt in Ordnung.«
»Verdammt noch mal, Jenks!« Er fing an zu lachen, was mich noch wütender machte. »Da ist nichts lustig dran«, sagte ich, und mit einem Schmunzeln landete Jenks wieder.
»Ich hatte genau dasselbe Gespräch in Mackinaw mit Ivy über dich. Sie kommt in Ordnung.«
Meine Augen wanderten wieder zur Uhr. »Wenn nicht, töte ich ihn.«
»Nein, wirst du nicht«, erklärte Jenks, und ich schaute zu ihm. Nein, würde ich nicht. Piscary schützte Ivy vor räuberischem Verhalten. Wenn sie nach Hause kam, würde ich ihr eine Tasse Kakao machen, ihr beim Weinen zuhören und diesmal, verdammt noch mal, würde ich sie in den Arm nehmen und ihr sagen, dass al es gut werden würde.
Die Vampirgesellschaft stinkt.
Mein Blick verschwamm, und ich zuckte zusammen, als es an der Eingangstür klingelte. »Da ist er«, sagte ich, schob mit einem Quietschen den Stuhl zurück und zog meine Jeans nach oben.
Jenks' Flügel gaben ein bedrücktes Surren von sich, als ich mir mein Handy schnappte und es in meine Tasche fal en ließ. Meine Gedanken wanderten zu Piscary, und ich stopfte auch noch meine Splat Gun hinein. Dann dachte ich an Trent und packte auch noch den Fokus ein. Ich kontrol ierte, ob ich meinen Lack versaut hatte, schnappte mir die Flasche und griff nach der Tomate. »Bereit, Jenks?«, fragte ich mit gezwungener Fröhlichkeit.
»Jau«, sagte er und schrie dann: »Jhan!«
Der ernste Pixie kam so schnel , dass ich mir sicher war, dass er direkt vor dem Fenster gewartet hatte. »Pass auf deine Mutter auf«, sagte Jenks. »Du weißt, wie man mein Telefon benutzt?«
»Ja, Dad«, antwortete der Achtjährige, und Jenks legte eine Hand auf seine Schulter.
»Ruf Ms. Morgan an, wenn du mich brauchst. Such nicht nach mir, benutz das Telefon. Verstanden?«
»Ja, Da-a-ad.« Diesmal lag Verzweiflung in seiner Stimme, und ich lächelte, auch wenn ich innerlich weinte. Jhan übernahm mehr Verantwortung, um in den nächsten Jahren den Platz seines Vaters einzunehmen. Die Lebenszeit von Pixies stinkt.
»Jenks«, sagte ich und verschob die Flasche mit der Soße auf meine Hüfte, »es ist Mittag. Wenn du dieses Mal nicht mit wil st, dann ist das in Ordnung. Ich weiß, dass du normalerweise um diese Tageszeit schläfst.«
»Ich bin in Ordnung, Rachel«, sagte er finster. »Lass uns gehen.«
Darauf zu bestehen, hätte ihn nur wütend gemacht, also gingen wir. Meine Vamp-gefertigten Stiefel klapperten auf dem Holzboden des Altarraums, und nachdem ich meine Flasche auf dem Tisch neben der Tür abgestel t hatte, suchte ich in meiner Tasche nach meiner Sonnebril e. Ich schob sie mir einhändig auf die Nase und öffnete die Tür.
»Ich habe die Soße, die du wol test, Glenn«, sagte ich und schaute auf. Langsam war ich es leid, unangekündigte Gäste auf meiner Türschwel e zu finden. Viel eicht sol te ich einen Nachmittag mit einer Bohrmaschine verbringen und einen von diesen Spionen in die Tür machen. Wie teuer konnten sie schon sein?
»Hey, David, was ist los?«, fragte ich und musterte ihn. Er trug nicht seinen üblichen Anzug, sondern ein graues Wildlederhemd und ein Paar Jeans. Sein Gesicht war glattrasiert, und über seine Wange bis hin zum Hals zog sich ein langer Kratzer. Hinter ihm am Bordstein lief sein grauer Sportwagen im Leerlauf.
»Rachel.« Ein schnel er Blick schoss zu Jenks. »Jenks«, fügte er hinzu. Der normalerweise so gefasste Werwolf trat einen Schritt zurück, holte tief Luft und rückte eine Jacke zurecht, die er nicht trug. Seine Hand bal te sich, als vermisste sie die nicht vorhandene Aktentasche. Meine Sorge vertiefte sich.
»Was?«, fragte ich und rechnete mit dem Schlimmsten.
David schaute über seine Schulter zu seinem Auto. »Ich brauche deine Hilfe. Serena, meine Freundin, braucht ein heftiges Schmerzmittel.« Er kniff die Augen zusammen und sah mich direkt an. »Ich hätte angerufen, aber ich glaube, das FIB hat meine Leitung angezapft. Sie hat sich verwandelt, Rachel. Mein Gott, sie hat sich wirklich verwandelt.«
»Heilige Scheiße«, sagte Jenks.
Angespannt nahm ich die Sonnenbril e ab und legte die Tomate neben die Soße. »Vol mond ist erst Montag. Das war der Zeitpunkt, an dem sich die anderen das erste Mal verwandelt haben.«
David nickte und zappelte weiter herum. »Ich habe ihr von den Frauen im Leichenschauhaus erzählt. Ich habe ihr gesagt, dass es mir leidtut, und dass sie die Verwandlung am Montag wahrscheinlich nicht aufhalten könnte, außer, sie gewinnt jetzt sofort ein wenig Kontrol e darüber.«
Seine braunen Augen flehten um Vergebung, als er hinzufügte: »Also habe ich sie Schritt für Schritt hindurchgeführt, oder ich habe es versucht. Sie ist nicht dafür gemacht.« Seine Stimme brach. »Die Werwölfe kamen von den Menschen, aber wir haben uns schon vor langer Zeit von ihnen wegentwickelt. Es sol te nicht so wehtun. Sie hat zu heftige Schmerzen. Hast du einen Zauber? Einen Trank?
Irgendwas.«
In letzter Zeit hatte ich angefangen, Schmerzamulette in meiner Tasche mit mir herumzutragen wie andere Leute Hustenbonbons. »Ich habe momentan drei dabei«, antwortete ich und griff hinter mich, um die Tür zu schließen.
»Lass uns gehen.«
David nahm immer zwei Stufen auf einmal. Jenks war nur ein Blitzen von Flügeln, und ich glitt auf den Beifahrersitz, als David seine Tür zuknal te. Ich dachte darüber nach, dass ein Fluch, der Menschen in Werwölfe verwandelte, ziemlich dämlich war, wenn er dann so wehtat, dass sie handlungsunfähig waren. Aber der Fokus ermöglichte es auch Alphas, sich zu verbinden, um den Schmerz der Verwandlung zu übernehmen, also hatte das Ganze viel eicht doch einen Sinn.
»Hey!«, schrie ich, als das Auto sich in Bewegung setzte, bevor ich meine Tür zu hatte. David ignorierte mich und beobachtete die Straße, während ich mich anschnal te und dann am Armaturenbrett abstützte, als er eine Kurve zu schnel nahm. Werwölfe hatten ausgezeichnete Reflexe, aber das hier ging ans Limit. »David. Fahr langsamer.«
»Ich habe sie auf Eisenhut gesetzt«, sagte er und lenkte mit nur einer Hand, während er sich mit der anderen anschnal te. »Ich kann nicht zulassen, dass sie aufwacht und dann feststel t, dass ich weg bin. Der Schmerz bringt sie um.
Ich glaube nicht, dass er aufhören wird, bevor sie sich zurückverwandelt. Es war ein Fehler. Gott, was habe ich getan?«
Meine Finger tasteten über die Konturen des Fokus in seiner bleigefütterten Tasche. Ich nahm nicht an, dass das Artefakt helfen würde. Die Schmerzlinderung trat ein, wenn sich Werwolfrudel in einer Runde verbanden. Der Fokus sorgte nur dafür, dass ihnen das besser gelang.
»David, fahr langsamer«, wiederholte ich, als er in eine Einbahnstraße einfuhr, als wäre er ein Teilnehmer der Indy 500. Jenks klammerte sich an den Stiel des Rückspiegels und war ein wenig grün im Gesicht. »Die I.S. beobachtet mich«, fügte ich hinzu. »Normalerweise steht ein Wagen auf dem Parkplatz neben der Kirche, da vorne rechts.«
David bremste ab, und seine Hand am Lenkrad zitterte.
Der Parkplatz war leer, also gab er wieder Gas.
»Was meinst du damit, das FIB hat dein Telefon angezapft?«, fragte ich, als wir auf die Schnel straße auffuhren, um von den Hol ows über den Fluss nach Cincinnati zu fahren. »Das dürfen sie nicht.«
»Haben sie aber«, sagte David grimmig. »Officer Glenn denkt, dass ich für die toten Werwölfe verantwortlich bin.
Nicht nur für die Selbstmorde, sondern für al e. Er denkt, ich bin eine Art Jack the Ripper trifft Mr. Hyde.«
Ich gab ein leises, bel endes Lachen von mir, nur um mich dann zu versteifen, als er kurz vor einem Lieferwagen die Spur wechselte. »Es ist Trent«, sagte ich, als wir es sicher geschafft hatten. »Er hat es mir selbst gesagt. Und pass auf!
Gott! Du bist ein schlechterer Fahrer als Ivy!«
David warf mir einen kurzen Blick zu. »Trent Kalamack?
Weswegen?«
Jenks' Flügel hatten eine seltsame grüne Farbe angenommen. »Er ist hinter dem Fokus her«, erklärte der Pixie, dem offensichtlich übel war. »Heute Morgen hat er herausgefunden, dass Rachel ihn hat.«
»Verdammt wil ich sein bis zu der Hündin, die meine Mutter geboren hat«, fluchte David leise. »Hast du ihn? Ist er sicher?«
Ich nickte. »Ich werde ihn Piscary geben, damit er ihn wieder versteckt.«
»Rachel!«, rief David, und ich zeigte auf den Lastwagen, der an der roten Ampel am Fuß der Brücke angehalten hatte.
»Ich kann ihn nicht schützen«, sagte ich, als er auf die Bremse stieg. »Was sol ich denn damit tun? Ich habe nicht genug Magie, um ihn zu verstecken, wenn jemand weiß, dass ich ihn habe. Zumindest hat Piscary genügend politische Schlagkraft, um Leute davon abzuhalten, ihn unter Drogen zu setzen, damit er ihnen verrät, wo er ist.«
In Davids Augen stand Sorge. »Aber er gehört den Werwölfen.«
Die Ampel schaltete auf grün, und ich hielt den Atem an, bis ich mir sicher war, dass David den Lastwagen vor uns nicht überholen würde, aber der normalerweise hypersi-cherheitsbewusste Werwolf kochte nur vor sich hin, weil der Laster so langsam anfuhr. »Glaub mir«, sagte ich leise, »wenn es einen Weg gäbe, wie ich ihn den Werwölfen geben könnte, würde ich es tun. Aber der Fokus ist Dämonenwerk und wird nur Ärger verursachen. Veränderung ist notwendig, aber langsam, nicht schnel . Sonst. .« Ich dachte an die Schmerzen seiner Freundin.
»Dann sol te ein Werwolf ihn verstecken«, schlug er vor.
»Wer, David?«, fragte ich frustriert, und Jenks bewegte nervös die Flügel. »Du? Das haben wir probiert. Mr. Ray? Mrs.
Sarong? Wie wäre es mit Vincent? Er hatte drei Rudel an sich gebunden, und sie waren wild. Jeder Einzelne mit der Macht eines Alphas, aber ohne die Zurückhaltung, die sich aus der Position eines Rudelführers ergibt.«
Schweigend biss er die Zähne zusammen, und ich sprach weiter: »Du wirst nicht nach und nach zum Alpha, du wirst so geboren. Sie konnten nicht damit umgehen. Veränderungen müssen langsam kommen. Es ist wie deine Freundin, die versucht hat, sich zu verwandeln, ohne das mentale und körperliche Kissen, das aus tausend Jahren Evolution entspringt.«
Davids Griff am Lenkrad entspannte sich ein wenig und damit auch ich mich. »Viel eicht ist es einfach noch nicht die richtige Zeit dafür?«, fragte ich sanft und hielt mich am Türgriff fest, als er rasant nach rechts in seine Straße abbog.
»Ahm, das sieht nicht gut aus«, sagte Jenks, und Davids Gesicht verlor jeden Ausdruck. Ich folgte ihren Blicken zum Parkplatz, und mein Magen überschlug sich. Da standen zwei I.S.-Wagen, drei vom FIB und ein Multi-Spezies-Notarzt.
»Es ist okay«, sagte ich und griff nach dem Sicherheitsgurt.
»Ich glaube nicht, dass sie in deinem Apartment sind.«
Ohne etwas zu sagen, fuhr David so nah heran wie möglich und griff dann nach seinem Gurt, nur um zu fluchen, bis er ihn endlich aufbekam. »Es ist mein Apartment. Die Vorhänge waren vorgezogen. Jetzt sind sie offen. Und Serena kann noch nicht wieder wach sein.« Er ließ die Schlüssel stecken und schob sich aus dem Auto. Mit schnel en Schritten ging er auf seine Tür zu.
Langsam stieg auch ich aus, um dann zwischen dem Auto und der geöffneten Tür stehen zu bleiben und meine Arme aufs Autodach zu legen. Jenks landete auf meiner Schulter.
Schweigend beobachteten wir, wie ein I.S.-Officer David auf der Türschwel e anhielt.
David sah niedergeschlagen aus, aber er widersetzte sich nicht, weil er wusste, dass ein Kampf ihnen nur einen Grund geben würde, ihn in eine Zel e zu werfen und dort zu vergessen, solange es gesetzlich irgendwie möglich war.
Jemand bewegte sich hinter dem Fenster im ersten Stock, und ich griff nach meiner Tasche, froh darüber, dass ich den Fokus hatte, da die I.S. die Gelegenheit ergriff, um Davids Apartment zu durchsuchen. Seine Katze beobachtete mich durch ein zweites Fenster und schoss dann davon, als eine zweite dunkle Gestalt an ihr vorbeiging.
»Was sol en wir tun, Jenks?«, flüsterte ich.
Jenks' Flügel kühlten meinen Nacken, und ich blinzelte in das grel e Licht, als sie David in einen Streifenwagen verfrachteten. »Jenks?«, fragte ich noch mal, und das Geräusch seiner Flügel veränderte sich.
»Ich sehe dich in der Kirche«, erklärte er und schoss davon, um sie zu belauschen.
Ich hielt den Atem an, als er über dem Parkplatz schwebte, um dann wie ein Stein zu fal en und zu David in den Wagen zu huschen, als gerade niemand hinsah. Ich wünschte ihm al es Gute, als das Auto anfuhr und sich vorsichtig in den Verkehr einfädelte. Ciao, David.
Dann lehnte ich mich in Davids Auto, zog die Schlüssel ab und ließ sie in meine Tasche fal en. Ich würde einen anderen Weg nach Hause finden, aber ich würde seine Schlüssel brauchen, um die Katze zu füttern.
Verdammt, so was hatte ich schon früher gesehen, und es war selten gut ausgegangen.
Ich schloss mit einem Knal en die Autotür, und mein Blutdruck stieg gewaltig, als ich Glenns durchtrainierte Silhouette über den Parkplatz auf mich zukommen sah.
»Na, zumindest weiß ich jetzt, warum du nicht zu unserem Date im Leichenschauhaus aufgetaucht bist!«, rief ich ihm entgegen.
Sein Schritt war entschlossen, aber er hielt den Kopf gesenkt. Ich konnte nur hoffen, dass das ein Ausdruck von Schuld war. »Es tut mir leid, Rachel«, sagte er Ex-Army-Offizier, als er neben mir anhielt.
»Leid!«, rief ich, mehr als ein bisschen erschüttert von Glenns übereifriger Pfadfindermentalität. »Wofür auch immer ihr David verhaftet habt, er war es nicht! Ich war heute Morgen mit Trent zusammen, und er hat mir geradeheraus gestanden, dass er derjenige ist, der die Werwölfe umbringt, um diese dämliche Statue zu finden.«
Glenn sah dadurch nicht glücklicher aus, und mir fiel wieder auf, was für einen seltsamen Akzent seine Ohrstecker neben seinem sonst absolut geschäftsmäßigen Auftreten setzten. »Ich bin wirklich froh, das zu hören«, sagte er, verschränkte die Hände hinter dem Rücken und nagelte mich mit seiner übermäßigen körperlichen Nähe fast am Auto fest.
Erstaunt kühlte meine Wut ein wenig ab. »Also. . lasst ihr ihn laufen?«
Er schüttelte den Kopf und kniff besorgt die Augen zusammen. »Nein, aber wenn Mr. Kalamack bestätigen kann, dass du heute Morgen mit ihm zusammen warst, kann ich die I.S. davon abhalten, dich auf der Stel e zu verhaften.«
Ich fühlte, wie ich bleich wurde. »Mich?«, stammelte ich.
»Wofür?«
»Für Beihilfe zum Mord an Brad Markson.« Sein Blick senkte sich auf meine Tasche. »Ist da irgendetwas drin, wovon ich besser wissen sol te?«
Adrenalin schoss in meine Adern, als hätte mich jemand in den Magen getreten. »Ich habe meine Splat Gun, aber dafür brauche ich keine Genehmigung. Und das ist Bul shit, Glenn.
Ich habe dir gerade gesagt, dass Trent sie umgebracht hat.
Al e. Die drei Jane Wolfs waren Unfäl e und haben nichts mit den Morden zu tun.«
Glenn richtete sich zu seiner vol en Größe auf. Seine Hände lagen immer noch hinter seinem Rücken. »Rachel, könntest du von dem Wagen wegtreten und mit mir mitkommen, bitte? Und gib mir deine Tasche.«
Mir fiel das Kinn nach unten. »Bin ich verhaftet?«, fragte ich laut und umklammerte meine Tasche fester. Dreck, da war der Fokus drin.
»Nein, niemand verhaftet dich - vorerst«, sagte er mit einem schmerzerfül ten Gesichtsausdruck. »Bitte, Rachel, wenn du nicht kooperierst, wird die I.S. deine Befragung durchführen. Ich versuche hier, ihnen zuvorzukommen.«
Das war die Ermunterung, die ich brauchte. Ich fühlte mich ohne Jenks sehr al ein. Widerstandslos gab ich Glenn meine Tasche. Sie sah in seinen Händen seltsam aus. Er bedeutete mir mit der freien Hand, ihn zu begleiten. Innerlich zitterte ich, als ich neben ihm herging. Wir gingen direkt auf den FIB-Van zu - den mit dem Drahtgitter in den Fenstern. »Sprich mit mir, Glenn.«
»Mr. David Hue wurde gesehen, wie er letzte Nacht mit Mr.
Markson gesprochen hat«, sagte er unglücklich. »Heute wurde das Opfer tot in der Mül tonne von Mr. Hues Apartmentblock gefunden, mit deiner Visitenkarte in seiner Brieftasche. Mr. Hue gibt zu, Beziehungen zu den drei Jane Wolfs gehabt zu haben, die jetzt im Leichenschauhaus liegen, und als Beamte kamen, um ihn zu befragen, fanden sie eine schwer unter Beruhigungsmittel gesetzte Werwolffrau, die Angriffsspuren aufwies.«
Meine Knie wurden weich. Das sah wirklich übel aus, und ich war froh, dass ich Glenn bereits vom Fokus erzählt hatte.
»Serena war menschlich, Glenn. Der Fokus hat sie verwandelt. David hat ihr geholfen, damit sie wusste, was auf sie zukam und sie lernen konnte, damit umzugehen. Er hat sie unter Eisenhut gesetzt, um ihre Schmerzen zu lindern.
Das ist al es!«
Glenn schaute mich böse an, und in seinen braunen Augen stand eine deutliche Warnung. »Sprich leiser.«
Ich senkte die Augen, runzelte die Stirn und lauschte auf das deutlich zu hörende Knistern von Funkgeräten.
»Entschuldigung«, sagte ich und blieb dann stehen, bevor wir uns diesem offenen Van noch mehr näherten. »David hat Brad nicht getötet«, sagte ich bestimmt. »Die drei Frauen im Leichenschauhaus waren tragische Unfäl e. Serena versucht, mit dem klarzukommen, was passiert ist, und David gibt sein Bestes. Du sol test Trent verhaften, nicht David.«
»Rachel, stopp.«
»Er hat mir gesagt, dass er es getan hat«, rief ich. »Warum glaubt mir niemand?«
Glenn lehnte sich nah zu mir, und ich versteifte mich, um dann jedes Quäntchen Selbstbeherrschung aufzubringen, seinen Griff nicht abzuschütteln, als er mir eine Hand auf die Schulter legte. »Halt. Den. Mund«, sagte er gepresst, so nah, dass ich den Schweiß unter seinem Aftershave riechen konnte. »Jeder mit einer Dienstmarke weiß, dass du Kalamack hasst. Ich kann keinen Haftbefehl beantragen, weil du behauptest, er hätte dir gesagt, dass er es getan hat.«
Ich gab ein verächtliches Geräusch von mir, nur um dann aufzujaulen, als er mich noch näher zu sich zog.
»Ich glaube dir, Rachel«, sagte Glenn. Eigentlich flüsterte er es fast in mein Ohr. »Der Mann ist ein Schleimbatzen. Und ich werde der Sache nachgehen.«
»Der Sache nachgehen«, spottete ich und verzog dann das Gesicht, als Glenn meine Schulter richtig fest packte.
»Ich habe gesagt, dass ich der Sache nachgehe, und wenn ich etwas rausfinde, dann lasse ich es dich wissen.« Er ließ mich los. »Halt dich nur stil . Du bist mir keine Hilfe, wenn du ins Gefängnis wanderst.«
Ich trat einen Schritt zurück und beobachtete, wie die Notärzte Serena aus dem Haus brachten. Sie hatten einen Hexenzauber verwendet, um ihre Rückverwandlung in ihre menschliche Form auszulösen. Soweit ich sie sehen konnte, sah sie aus wie die Frauen in der Leichenhal e, ein durchtrainierter Körper unter der Decke, braune, jetzt unordentliche Haare. David mochte offensichtlich einen bestimmten Typ. Obwohl sie bewusstlos war, stand Schmerz in ihrem Gesicht.
»David hat ihr nicht wehgetan«, flüsterte ich, als die Besatzung des Notarztwagens sie einlud.
»Dann wird er freigelassen, sobald sie wieder zu Bewusstsein kommt und uns das sagt«, erklärte Glenn.
Ich drehte mich zu ihm um, und die angestaute Frustration ließ mich fast schielen. »Wenn wir in einer perfekten Welt leben würden.«
Mir stieg der Geruch von Räucherwerk in die Nase, und ich wirbelte herum. Denon stand hinter mir, sichtbar amüsiert, dass er mich überrascht hatte. Er sah besser aus, fast sein altes Selbst, und trug sein übliches Polohemd mit Stoffhosen, die seine schmalen Hüften und seine muskulösen Beine betonte. Offensichtlich war irgendein untoter Vampir an ihm dran gewesen und hatte ihm damit einen Moralschub verpasst. Es stand in seiner ganzen Haltung zu lesen.
Mein Puls beschleunigte sich bei der Erinnerung an die I.S.-Officer, die David in Handschel en legten, und wich bis zu Glenn zurück. »Denon«, sagte ich steif und sagte mir, dass ich keine Angst vor ihm hatte, sondern nur vor dem, was er unter der Flagge der I.S.-Justiz tun konnte.
»Morgan«, sagte der große Mann, und seine tiefe, schöne Stimme klang wie tongewordene Milchschokolade. Sein Blick glitt zu Glenn. »Detective Glenn.«
Ich schauderte, weil seine Stimme mit der Glätte von Samt meine Wirbelsäule hinauflief. Verdammt, jemand hatte definitiv mit ihm gespielt. Auch Glenn schien es bemerkt zu haben, denn er nickte nur.
Denon lächelte mit seinen flachen Zähnen. »Morgan, es ist mir eine große Freude, dich zum Verhör in Bezug auf den Mord an Brad Markson mitzunehmen.«
Mir stockte der Atem, als er nach mir griff, und ich ließ mich gegen Glenns soliden Körper zurückfal en. Nervös richtete ich mich auf. »Ich habe ein Alibi, Denon. Lass stecken.«
Die Leute beobachteten uns, und Denon zog die Augenbrauen hoch. »Der Todeszeitpunkt von Markson wurde auf sieben Uhr festgelegt. Du hast geschlafen und niemand war bei dir. Nachdem sowohl dein Freund als auch deine Mitbewohnerin zu dieser Zeit bei Piscary waren.« Er grinste heimtückisch.
Ich wol te nicht darüber nachdenken. Ich konnte nicht darüber nachdenken. »Ich hatte ein frühmorgendliches Meeting mit Mr. Kalamack«, sagte ich und achtete darauf, dass er das Zittern in meiner Stimme nicht hören konnte.
Denon riss die Augen auf, was seine unverschämte Haltung ziemlich ruinierte und mir ein bisschen Kraft zurückgab.
»Du weißt ja, wie Menschen sind«, fügte ich hinzu und verschob mich ein wenig nach seitwärts, damit ich nicht gegen Glenn stoßen würde, fal s ich mich schnel bewegen musste. Aber Glenn bewegte sich mit mir. »Die Art, wie sie verlangen, dass al es nach ihrer Zeit läuft. Kein Respekt vor anderen Kulturen.«
Denon verengte seine braunen Augen und zog ein unverschämt flaches Handy aus einer Gürteltasche. Seine braunen Finger bedienten die Tasten sorgfältig, als er anscheinend durch eine Eintragsliste scrol te.
»Es macht dir ja sicher nichts aus, wenn ich das nachprüfe.«
Ich erstarrte, weil ich nicht wusste, ob Trent die Wahrheit sagen würde. »Jederzeit«, sagte ich mutig.
Die Leute um uns herum kamen näher. Ich konnte sie fühlen. Glenn rückte an mich heran. »Rachel. .«
Meine Augen schossen zu seinen, und ich fühlte mich zwischen den zwei schwarzen Männern sehr klein.
»Trent war bei mir«, beharrte ich. Aber wird er das zugeben? Ich wand mich innerlich, als ich daran dachte, wie die Begegnung geendet hatte. Wahrscheinlich nicht.
»Mr. Kalamack, bitte«, sagte Denon freundlich, und ich hörte die leise Stimme einer Frau. »Natürlich, Ma'am. Hier spricht Officer Denon von der I.S.« Denon lächelte mich an, als der Anruf durchgestel t wurde. »Mr. Kalamack«, sagte er fröhlich. »Bitte entschuldigen Sie die Störung. Ich weiß, Sie sind beschäftigt, und es wird auch nur einen Moment dauern. Ich müsste wissen, ob Sie heute zwischen sieben und sieben Uhr dreißig tatsächlich mit Ms. Rachel Morgan zusammen waren.«
Ich schluckte schwer und wünschte mir meine Splat Gun aus meiner Tasche. Wahrscheinlich war es gut, dass Glenn sie hatte.
Denons Augen schössen zu mir. »Nein, Sir«, sagte er dann in das winzige Telefon. »Ja, Sir. Danke Ihnen. Auch Ihnen einen schönen Tag.« Mit ausdruckslosem Gesicht klappte Denon das Handy zu.
»Und?«, fragte ich. Ich schwitzte. Sogar ein Mensch konnte das sehen.
»Du benimmst dich, als würdest du die Antwort nicht kennen«, antwortete er glatt.
Hinter mir bewegte sich Glenn. »Officer Denon, verhaften Sie Ms. Morgan, oder nicht?«
Ich hielt den Atem an. Denon bal te seine großen Hände und entspannte sie dann wieder. »Nicht heute«, sagte er mit einem gezwungenen Lächeln. Ich atmete auf und versuchte, zuversichtlich auszusehen.
»Du hast Glück, Hexe«, erklärte Denon, als er einen eleganten Schritt nach hinten trat. »Ich weiß nicht, an welchen Stern du deine Wünsche gehängt hast, aber er wird fal en.« Und damit drehte er sich um und ging davon.
»Yeah, und die Engel weinen, wenn gute Männer sterben«, sagte ich und wünschte mir, er würde ein neues Buch der Plattitüden finden, das er auswendig lernen konnte.
Erleichtert griff ich nach meiner Schultertasche, die immer noch in Glenns Besitz war. »Gib mir das«, sagte ich und riss sie ihm aus der Hand.
Der Wagen, in den Denon eingestiegen war, fuhr mit leise quietschenden Reifen an.
Mit nachdenklich gesenktem Kopf zeigte Glenn auf ein ziviles FIB-Auto: groß, schwarz, eckig. »Ich fahre dich nach Hause«, sagte er, und gehorsam hielt ich darauf zu.
»Trent hat die Wahrheit gesagt«, staunte ich, als wir in perfektem Gleichschritt nebeneinander hergingen. »Ich versteh das nicht. Er hätte mich ins Gefängnis bringen und dann gemütlich die Kirche nach dem Fokus durchsuchen können.«
Glenn öffnete mir die Tür, ich glitt hinein und genoss seine gute Erziehung.
»Viel eicht macht er sich Sorgen, dass jemand ihn gesehen hat«, überlegte Glenn laut und schloss meine Tür.
»Viel eicht hat er Ceri und mich als sein Alibi missbraucht«, murmelte ich, während Glenn um die Motorhaube herum zur Fahrertür ging. Ich zog eine Grimasse. Wie krank war das?
Das Treffen mit einer wunderschönen Frau wie Ceri als Alibi zu benutzen, während einer deiner Handlanger jemanden für dich in einen Mül container schob. Glenn startete das Auto, und wir warteten darauf, dass der Notarztwagen vor uns losfuhr, mit ausgeschalteter Sirene und sehr langsam.
»David wird nicht die Schuld dafür übernehmen«, sagte ich entschlossen und umklammerte die Tasche auf meinem Schoß. Viel eicht hatte Trent die Wahrheit gesagt, weil er wusste, dass ich den Fokus dabeihatte, und dass es für ihn um einiges schwerer werden würde, ihn zu bekommen, wenn die I.S. ihn beschlagnahmte?
»Ich hoffe, du hast recht.« Glenns Stimme klang abwesend, als er in beide Richtungen schaute, bevor er auf die Straße einfuhr. »Ich hoffe wirklich, dass du recht hast. Weil Mr. Hue offiziel für die Morde unter Anklage steht, wird die I.S.
wegen Beihilfe hinter dir her sein, selbst mit dem Alibi. Dass David dich um Hilfe gebeten hat, wirkt wirklich übel.«
Ich ließ mich in den Ledersitz zurücksinken, legte einen El bogen ins Fenster und starrte ins Nichts. »Super«, flüsterte ich. Mein Leben stinkt.
29
Meine Augen öffneten sich, als Glenn an einer Ampel hielt.
Blinzelnd stel te ich fest, dass ich fast zu Hause war, und ich richtete mich auf. Der Tag war warm geworden, und anscheinend war ich eingenickt. Offensichtlich waren acht Stunden Bewusstlosigkeit nicht dasselbe wie Schlaf. Peinlich berührt warf ich einen Blick zu Glenn und wurde rot, als er mich anlächelte. Seine weißen Zähne blitzten richtig in seinem dunklen Gesicht.
»Bitte sag mir, dass ich nicht geschnarcht habe«, murmelte ich. Ich hatte nur schnel die Augen geschlossen, um nachzudenken, und hätte nie damit gerechnet, dass ich einschlafen würde. Aber viel eicht wol te ich al em eine Weile entfliehen.
»Du schnarchst süß«, sagte er und tippte gegen seinen unbenutzten Aschenbecher. »Ihr zwei seid witzig.«
Jenks hob in einer Wolke von goldenem Glitzern ab. »Ich bin wach«, rief er, rückte seine Kleidung zurecht und kämmte mit den Händen seine blonden Haare. Er hatte zumindest eine Ausrede, da er normalerweise um diese Tageszeit schlief.
Die Uhr am Armaturenbrett sagte, dass es kurz nach zwei war. Nachdem wir von Davids Apartment losgefahren waren, hatte Glenn mich zuerst zum FIB mitgenommen, um eine offiziel e Aussage zu machen, bevor die I.S. die unmöglichste Zeit wählen konnte, um meine Aussage einzuholen. Dann hatten wir noch Jenks bei der I.S. abgeholt und ihnen eine Kopie meines Papierkrams übergeben, schön ordentlich und legal.
Wir hatten auch noch das Leichenschauhaus eingeschoben, was mich deprimiert hatte. Ich war mir sicher, dass Glenn Besseres zu tun hatte, als uns herumzukutschieren, aber nachdem ich keinen gültigen Führerschein hatte, war ich ihm dankbar.
David war immer noch in Gewahrsam. Jenks hatte seine Befragung mitgehört, und anscheinend hatte sich Brad gestern mit David getroffen, um darüber zu sprechen, Brad in unser Rudel aufzunehmen. Es sol te eine Überraschung sein, was bei mir Tränen auslöste, als ich es hörte.
Deswegen hatte Trent ihn aufs Korn genommen. Trent war ein Schleimbatzen, und ich verfluchte mich selbst dafür, dass ich ein paar seiner guten Taten - wie zuzugeben, dass er heute Morgen bei mir war, zum Beispiel - die Erinnerung daran hatte trüben lassen, dass er ein Mörder und ein Drogenbaron war. Er tat nur etwas Anständiges, wenn es ihm von Nutzen sein konnte, wie sich selbst ein Alibi für die Zeit zwischen sieben und halb acht zu verschaffen.
Ceri hatte recht. Der Mann war ein Dämon in al em außer seiner Rasse.
Die I.S. hielt David unter irgendeinem erfundenen Rechtsvorwand in Gewahrsam, ohne offiziel e Anklage. Es war il egal, aber jemand im Kel er hatte wahrscheinlich kapiert, dass der Fokus da draußen war, nachdem ein Einzelgänger Frauen in Werwölfinnen verwandelte. David stand knietief in der Scheiße. Und es war nur eine Frage der Zeit, bis ich genauso tief drinsaß. Viel eicht konnte Trent ihn nicht töten, solange er in einer Zel e saß. Viel eicht.
Es tut mir leid, David. Ich habe nie erwartet, dass das passieren würde.
Wir tauchten in den kühlen Schatten meiner Straße ein, und ich zog meine Tasche auf meinen Schoß und spürte die harten Umrisse des Fokus. Plötzlich sah ich, dass ein schwarzer Van vor der Kirche parkte - und jemand einen Zettel an meine Tür nagelte.
»Jenks. Schau dir das an«, flüsterte ich, und er folgte meinem Blick.