»Danke, Jenks«, sagte ich. Seine Flügel kitzelten meinen Nacken, und ich fügte hinzu: »Ich weiß es zu schätzen, dass du mit mir Katz und Maus mit der I.S. spielst.«

»Hey, das ist mein Job.«

Seine Stimme war mehr als nur ein bisschen genervt. Ich fühlte mich schuldig, dass ich ihn gebeten hatte, zweimal die Strecke zu fliegen, die ich gefahren war, und sagte: »Es ist nicht dein Job, dafür zu sorgen, dass mein Hintern nicht vor dem Verkehrsgericht landet«. Dann fügte ich leise hinzu: »Ich gehe heute Abend zur Verkehrserziehung. Ich verspreche es.«

Jenks lachte. Das perlende Geräusch lockte drei Pixies aus einer nahen Gruppe von Bäumen, aber sie verschwanden wieder, sobald sie Jenks' rotes Stirnband gesehen hatten. Die gut sichtbare Farbe war seine erste Verteidigung gegen revierbewusste Pixies und Fairys, ein Zeichen der friedlichen Absichten und ein Versprechen, nicht zu wildern.

Sie würden uns beobachten, aber nicht mit Dornen beschießen, außer, Jenks verging sich an ihren mageren Pol en oder Nektar-Quel en. Ich wurde lieber von Pixies beobachtet als von Fairys, und mir gefiel die Idee von Pixies in Spring Grove. Sie mussten gut organisiert sein, denn das Gebiet war riesig.

Der weitläufige Friedhof war ursprünglich angelegt worden, um in den späten Achtzehnhundertern Choleraopfer

»umzubetten«. Er war einer der ersten Garten-Friedhöfe der Vereinigten Staaten; die Untoten schätzten Parks genauso sehr wie andere Leute. Es war damals schwer gewesen, seine gerade erst gestorbenen untoten Verwandten außerhalb des Grabes zu halten, und in so einem friedlichen Umfeld ausgegraben zu werden, musste ein gewisser Vorteil gewesen sein. Ich hatte mich schon gefragt, ob die große, versteckt lebende Vampirpopulation, die Cincy in diesen Tagen gehabt hatte, nicht viel damit zu tun hatte, dass die Stadt zweifelhafte Berühmtheit wegen Grabräuberei erlangt hatte. Es war weniger, dass sie die Toten aus den Gräbern geholt hatten, um die Universitäten mit Kadavern zu beliefern, sondern dass sie ihre Verwandten aus den Gräbern geholt hatten, um sie dorthin zurückzubringen, wo sie hingehörten.

Ich schaute über die ruhige, fast parkartige Anlage und wischte mir den letzten Zuckerkuss vom Mund. Das Gefühl meiner Finger auf den Lippen ließ mich aus offensichtlichen Gründen an Ivy denken, und mir wurde warm.

Gott, ich hätte etwas tun sol en. Aber nein, ich hatte dagestanden wie ein Idiot, zu überrascht, um mich zu bewegen. Ich hatte nicht reagiert, und jetzt musste ich darüber nachdenken, wie ich damit umgehen sol te, weil ich es nicht gleich klargestel t hatte. Saudämliche Hexe.

»Bist du okay?«, fragte Jenks, und ich zog meine Hand zurück.

»Tol «, sagte ich säuerlich, und er lachte.

»Du denkst an Ivy«, hakte er nach, und ich wurde noch röter.

»Naja, Dummkopf«, sagte ich und stolperte über einen Grabstein, der in den Boden eingelassen war. »Warte, bis deine Mitbewohnerin dich küsst, und dann schau, ob du es einfach vergessen kannst.«

»Höl e«, sagte Jenks und flog mit einem Grinsen auf dem Gesicht gerade außerhalb meiner Reichweite, »wenn einer von euch mich küssen würde, müsste ich nicht nachdenken.

Matalina würde mich töten. Entspann dich. Es war nur ein Kuss.«

Ich stapfte über das Gras und folgte dabei den Geräuschen der Funkgeräte. Das hatte mir gerade noch gefehlt. Als ob es nicht genug war, dass ein wahnsinniger Dämon meine Kirche auseinandernahm, erzählte mir jetzt auch noch ein zehn Zentimeter großer Mann, dass ich mal locker sein sol te, mit dem Strom schwimmen, mein Leben leben - und es nicht überanalysieren.

Jenks' Flügelgeklapper wurde leiser, und er landete auf meiner Schulter. »Mach dir keine Sorgen, Rache«, erklärte er mit ungewohnt ernster Stimme. »Du bist du und Ivy ist Ivy.

Nichts hat sich verändert.«

»Ach ja?«, murmelte ich, weil mir das nicht so klar war.

»Nach links«, antwortete er nur fröhlich. »In der Richtung kann ich toten Werwolf riechen.«

»Das ist nett.« Ich ging an einem Grabstein vorbei und bog nach links ab. Am Fuß eines Hügels, hinter ein paar Bäumen, sah ich die braun-blauen Lichter eines Notarztwagens für verschiedene Spezies. Ich bin nicht zu spät, dachte ich. Hinter einer Reihe Zedern lag ein künstlicher See, und zwischen dem und den Tannen stand eine Ansammlung von Leuten.

»Rache«, meinte Jenks mit nachdenklicher Stimme.

»Glaubst du, das hat was mit -«

»Die Büsche haben Ohren«, warnte ich.

»- dem Ding zu tun, das ich Matalina aus unserem letzten Urlaub mitgebracht habe?«, improvisierte er schnel , und meine Lippen zuckten amüsiert. Ich hatte einen Dämonenfluch gewunden, um den Fluch vom eigentlichen Fokus auf ein Ramschteil zu übertragen. Dass dieses dann langsam begonnen hatte, sich zu verändern, bis der Fokus wieder seine eigentliche Form angenommen hatte, war einfach nur unheimlich.

Mit gesenktem Blick murmelte ich: »Mmmm-hmm. Ich wäre überrascht, wenn es anders wäre.«

»Glaubst du, dass es Trent ist, der danach sucht?«

»Ich glaube nicht, dass Trent weiß, dass es existiert«, antwortete ich. »Ich gehe eher davon aus, dass es Mr. Ray oder Mrs. Sarong waren, und dass sie sich gegenseitig töten in dem Versuch, es zu finden.«

Jenks' Flügel schickten einen kalten Zug an meinen Hals.

»Was ist mit Piscary?«

»Viel eicht, aber er hätte nicht solche Probleme, es zu vertuschen«, sagte ich und schaute auf, als die Stimmen der Männer sich veränderten und damit anzeigten, dass sie mich gesehen hatten. Ich wurde langsamer, als ich leise meinen Namen hörte, aber nachdem al e mich ansahen, wusste ich nicht, wer ihn ausgesprochen hatte. Vor mir standen zwei FIB-Wagen, ein schwarzer I.S.-Van und ein in der Kurve geparkter Notarztwagen. Wenn man noch den dritten FIB-Wagen am Hintereingang des Friedhofes mitzählte, war das FIB stärker vertreten als die I.S. Ich fragte mich, ob Glenn sich zu weit aus dem Fenster lehnte. Es war schließlich ein Werwolf-Selbstmord.

Die Männer umringten einen dunklen Schatten am Fuß der Zedern und einen großen Grabstein. Eine zweite Gruppe in FIB-Uniformen und Anzügen wartete wie die Jungen eines Löwen an der Beute. Glenn war bei ihnen.

Er fing meinen Blick ein und sagte noch ein paar Worte zu dem Mann neben ihm, berührte zur Sicherheit seine Waffe und kam dann zu mir. Die Leute wandten sich wieder ab, und ich entspannte mich.

Meine Füße schlurften wieder über Gras, und ich wand mich innerlich, als mir klar wurde, dass ich genau auf einem dieser Grabsteine stehen geblieben war, die in den Boden eingelassen waren. Nervosität machte sich breit, als sich der massige Schatten neben dem Grabstein erhob und Denons braune Augen sich in meine bohrten. Er trug heute statt normalen Hosen mit Poloshirt einen Anzug, und ich fragte mich, ob er versuchte, mit Glenn Schritt zu halten, der in seinem Anzug fantastisch aussah. Ich habe keine Angst vor Denon, dachte ich. Dann gab ich nach und warf ihm ein spöttisches Lächeln zu.

Denon biss die Zähne zusammen und ignorierte den schmalen Mann in Jeans und T-Shirt, der neben ihn getreten war, um mit ihm zu reden. Ich dachte an mein Auto und machte mir Sorgen.

»Hey, Jenks«, sagte ich, fast ohne meine Lippen zu bewegen, »warum flitzt du nicht mal herum und findest heraus, was du al es mithören kannst? Lass mich wissen, fal s sie mein Auto finden, hm?«

»Al es klar«, sagte er, und mit einem Glitzern von Pixiestaub war er verschwunden.

Ich versuchte so auszusehen, als hätte ich mich mit der Umgebung vertraut gemacht und wäre nicht hierher gewandert, und drehte ab, um Glenn entgegenzugehen. Er sah frustriert aus. Das FIB wurde wahrscheinlich gerade aus der Untersuchung verdrängt. Ich wusste, wie schlecht sich das anfühlte, hatte aber trotzdem kein Mitleid, weil das letzte Mal er derjenige gewesen war, der mich unter Druck gesetzt hatte.

Ich nahm meine Sonnenbril e ab, als ich in den Schatten des massigen Baumes trat, und steckte sie in den Bund meiner kurzen Hose.

»Was ist los, Glenn?«, fragte ich zur Begrüßung, als er meinen El bogen ergriff und mich zu einem leeren FIB-Wagen führte. »Lässt dieser böse Vampir dich nicht im Sandkasten spielen?«

»Danke, dass du gekommen bist, Rachel«, grummelte er.

»Wo ist Jenks?«

»In der Gegend«, sagte ich knapp, und schlecht gelaunt gab er mir einen Ausweis, der mich als hinzugezogene Beraterin kennzeichnete. Ich steckte ihn mir an, bevor ich die Arme verschränkte, mich gegen das Auto lehnte und auf die guten Nachrichten wartete.

Glenn seufzte, strich sich mit einer Hand über sein glatt rasiertes Kinn und drehte sich so, dass er gleichzeitig mich und den Tatort sehen konnte. Seine dunklen Augen schienen müde, und in den Augenwinkeln standen Sorgenfalten, die ihn älter aussehen ließen, als er war.

Seine durchtrainierte Gestalt wirkte sogar neben Denon stark, und sein militärischer Hintergrund verschmolz gut mit seinem Anzug und der gelockerten Krawatte. Glenn hatte in einem Jahr große Fortschritte gemacht, was das Verständnis von Inderlandern anging, und obwohl ich wusste, dass er Denons Stel ung respektierte, galt dasselbe nicht für den Mann selbst.

Es machte ihm auch nichts aus, dass man ihm das anmerkte, und das konnte zum Problem werden. Ich hatte hier zwei große Männer am Tatort, die etwas zu beweisen hatten. Wie wunderbar.

»Wie bist du hierhergekommen?«, fragte er leise, während er eifersüchtig beobachtete, wie die I.S. Spuren sammelte.

»Ich habe dir einen Wagen geschickt, aber du warst schon weg.«

Ich zappelte ein bisschen, und Glenn drehte sich langsam zu mir um. »Du bist gefahren?«, fragte er vorwurfsvol , und ich wurde rot. »Du hast mir versprochen, dass du es lassen würdest.«

»Nein, habe ich nicht. Ich habe nur gesagt, dass ich es nicht tun würde, nicht versprochen. Ich wusste nicht, dass du einen Wagen schickst. Und es gibt keine Buslinie zum Friedhof. Es gibt einfach nicht genügend Fahrgäste, als dass es sich lohnen würde.«

Er schnaubte, und wir entspannten uns beide. Glenns erschöpfter Blick wanderte wieder zu der Leiche am Fuß der Zedern. »Wil st du dich reindrängen, oder warten, bis sie wirklich al es kontaminiert haben?«, fragte ich.

Glenn setzte sich in Bewegung, und ich folgte ihm. »Es ist zu spät«, erklärte er. »Ich habe auf dich gewartet. Da er ein Inderlander ist, darf ich nur einen Blick auf ihn werfen, außer, ich kann hieb- und stichfest beweisen, dass es etwas mit dem Mord an Mr. Rays Sekretärin zu tun hat.«

Ich nickte und hielt die Augen auf den Boden gerichtet, damit ich nicht auf noch mehr Grabsteine trat.

»Ich habe auf dem Weg hierher mit Mr. Ray gesprochen«, informierte ich ihn. »Ich habe nachher einen Termin in seinem Büro.« Meine Hand schoss nach oben, als er Luft holte. »Du wirst nicht mitkommen, also frag gar nicht - aber ich werde dir erzählen, worüber wir geredet haben, wenn es irgendwas hiermit zu tun haben sol te.« Ich konnte keinen FIB-Detective mit zu einem Kundentermin nehmen. Wie würde das denn aussehen?

Glenn schien protestieren zu wol en, aber dann senkte er den Blick. »Danke dir.«

Meine Entspannung hielt nicht lange vor, und mein Blutdruck stieg, als wir uns der Leiche näherten. Meine Nase fing an zu arbeiten, und unter dem Geruch von schlecht gewordenem Moschus und aufgeregtem Vampir lag eine Note von Rotholz. Ich zwang mein Gesicht in eine ausdruckslose Miene, und mein Blick wanderte zu dem Kerl in Jeans und Shirt, der ein wenig abseits stand. Sie haben eine Hexe hier draußen? Interessant.

Der Kreis von Inderlandern öffnete sich und gab den Blick auf eine Werwolf-Leiche frei, die am Fuß eines großen Grabsteines dramatisch in einer Pfütze aus schwarzem Blut lag. Ein toter Wolf von der Größe eines Ponys war ein gutes Stück weniger verstörend als ein toter Mann, selbst wenn der Wolf blutverschmiertes Fel hatte und die Augen so weit zurückgerol t waren, dass man nur das Weiße sah. Ein Hinterbein war bis auf den Knochen aufgerissen. Dabei war auch die Oberschenkelarterie durchtrennt worden.

Der Geruch von Blut lag schwer in der Luft, und mein Magen verkrampfte sich. Selbstmord?, dachte ich und wandte den Blick ab. Ich bezweifelte es.

Denon lächelte mich mit geschlossenen Lippen an, um seine menschlichen Zähne zu verbergen. Neben ihm weiteten sich die Nasenflügel der Hexe, als er meinen Geruch aufnahm, der von dem neuen Orangenparfüm überdeckt wurde, das ich verwendete, um Ivys Instinkte zu verwirren.

Sein Mund zuckte, und er berührte mit dem Handrücken sein glatt rasiertes Kinn. Meine Haut kribbelte, als er eine Kraftlinie anzapfte. Ich wusste nicht recht, ob ich beleidigt sein oder mich geschmeichelt fühlen sol te, weil er mich als potenziel e Bedrohung sah. Was dachte er, dass ich tun würde? Al e verfluchen? Aber als mit einfiel, dass er meine Aura sehen konnte, und dass sie mit schwarzem Dämonenschmutz überzogen war, konnte ich ihm keinen Vorwurf mehr machen.

Zwei Männer erhoben sich aus ihren knienden Positionen neben der Leiche und ließen nur einen zurück, der noch Proben nahm, um herauszufinden, wie tief das Blut in den Boden eingesickert war. Ich fühlte mich, als hätten wir Punks dabei unterbrochen, wie sie einen Hund zu Tode quälten, und zwang mich dazu, nicht zurückzuweichen, als sie sich uns zuwandten.

Glenn sah in seinem Anzug und mit der Waffe an der Hüfte cool und lässig aus, aber ich konnte an dem Geruch von Aftershave, der in Wel en von ihm aufstieg, riechen, dass er auf al es vorbereitet war. An Denon gewandt sagte er ruhig: »Ms. Morgan und mein Team würden die Leiche gerne einen Moment sehen, bevor Sie sie bewegen.«

Jemand kicherte, und mein Gesicht wurde warm.

»Spielst du wieder FIB-Nutte, Morgan?«, sagte Denon und ignorierte Glenn völ ig. »Anscheinend hält der Bus wieder für dich. Oder musstest du dich verkleiden, um mitgenommen zu werden?«

Ich runzelte die Stirn und spürte, dass Glenn wütend wurde. Denons glatte Stimme ließ ihn klingen, als sol te er auf dem Homeshopping-Sender Frauenunterwäsche anpreisen. Mein Gott, sie war schön, und ich fragte mich, ob es seine Stimme gewesen war, die seinen Meistervampir in erster Linie gefesselt hatte. Das, und seine fantastische dunkle Haut, die jetzt unglaublich vernarbt war. Als er noch mein Boss gewesen war, hatte er noch nicht so ausgesehen.

Offensichtlich hatte sich einiges geändert.

»Du scheinst besorgt, Denon«, spöttelte ich. »Ich wette, du musstest eine Menge erklären, nachdem du fast ein Mordopfer freigegeben hättest.« Ich lächelte ihn breit an.

»Bist du so lieb und schickst mir heute Nachmittag den aktualisierten Bericht des Gerichtsmediziners vorbei? Es würde mich brennend interessieren, was du fast im Krematorium hättest in Flammen aufgehen lassen.«

Die Hexe kicherte, und der letzte Werwolf erhob sich mit nervös herumhuschenden Augen. Denons Pupil en weiteten sich und ließen den braunen Rand darum schrumpfen. Es war nicht mehr so offensichtlich wie letztes Jahr. Er verlor an Ansehen bei wem auch immer - der Person eben, die ihm versprochen hatte, ihn zu verwandeln, wenn er starb.

Noch ein paar Jahre, und Denon wäre nicht viel mehr als ein Schatten. Und wenn ich seinen Ärger richtig deutete, gab er mir die Schuld daran.

Die Werwölfe neben ihm fielen zurück, als Denon beiläufig seine dicken Finger bewegte. Dann näherte er sich uns mit derselben Anmut, die er auch früher gehabt hatte, aber irgendwie enthielten seine Bewegungen nicht mehr dieselbe Bedrohung. Es half wahrscheinlich auch, dass ich nicht in einem winzigen Büro eingeklemmt war.

»Verschwindet«, sagte er. Sein Atem roch nach Zahnpasta.

»Das ist eine I.S.-Angelegenheit.«

Glenn versteifte sich. »Sol das heißen, Sie verweigern uns den Zugang zur Leiche?«

Denon bewegte sich in einer unausgesprochenen Drohung.

»Hey, hey, hey«, rief ich und sprang dann zurück, als Denons Hand nach vorne schoss und er nach meinem erhobenen Arm griff.

Glenn reagierte sofort, und sein gedrungener Körper schob sich vor mich, um Denons Hand abzuwehren. Mit einer Bewegung, die so süß und geschmeidig wirkte wie geschmolzene Schokolade, verdrehte er Denons Arm und überwältigte so den größeren, muskelbepackten Mann. Ich blinzelte. Es war schon vorbei.

An der Hüfte vornübergebeugt, verlagerte der lebende Vampir sein Gewicht. Glenns Griff verstärkte sich, und seine Füße suchten nach besserem Halt. Die Werwölfe wichen angespannt zurück, während Denons Hals rot wurde. Mit dem zum Boden gerichteten Gesicht und dem auf dem Rücken fixierten Arm wirkte er wie ein Kätzchen, das man am Nackenfel hält. Etwas knackte und Denon grunzte.

Glenn lehnte sich näher zu ihm, während er den größeren Mann festhielt. »Sie«, sagte der FIB-Detective leise, »sind eine Schande.« Er drückte gegen Denons Arm, und der grunzte wieder, während sich Schweißperlen auf seinem glatt rasierten Schädel bildeten. »Entweder Sie kacken oder Sie gehen vom Topf, aber diese halben Sachen hängen uns al en einen schlechten Ruf an.«

Glenn schob ihn von sich und legte seine Hand fast gemütlich auf den Kolben seiner Waffe.

Denon fing sich und wirbelte zu uns herum. Wut darüber, dass Glenn ihn vor seinen Tagelöhnern bloßgestel t hatte, stieg in Wel en von ihm auf. Es war offensichtlich, dass seine Schulter wehtat, aber er berührte sie nicht.

»Ich kann meine eigenen Kämpfe austragen, Glenn«, sagte ich trocken, um Denon abzulenken. Ich würde einen von Denons Vergeltungsschlägen viel eicht überleben, aber Glenn war ohne seine Waffe und das Überraschungsmoment verletzlich.

Glenn runzelte die Stirn. »Er hätte nicht fair gekämpft«, erwiderte er und gab mir einen dieser Zip-Strips mit verzaubertem Silberkern, welche die I.S. benutzte, um Kraftlinienhexen in Gewahrsam zu halten.

Meine Augen wanderten von dem unschuldig wirkenden Stück Plastik zu der Hexe. Dann schaute ich Denon finster an.

»Du kleiner Pisser«, sagte ich laut. »Was ist mit dir los?

Al es, was ich wil , ist mir die Leiche anschauen. Hast du was zu verbergen?« Ich trat einen Schritt nach vorne, und Glenn griff sich meinen Arm. »Wenn du was mit mir zu klären hast, dann lass uns was trinken gehen, und ich erkläre es dir in einfachen Worten«, fauchte ich und riss meinen Arm aus Glenns Halt. »Sonst geh einfach aus dem Weg, damit wir unseren Job machen können. Bis Mord definitiv ausgeschlossen ist, hat das FIB genauso viel Recht, sich die Leiche anzuschauen, wie ihr.«

Die kleine Vene auf Denons Stirn pulsierte, und der niedrigkastige Vampir bedeutete al en, zum Van zurückzukehren.

Sie bewegten sich langsam, mit den Händen in den Taschen oder an ihrer Ausrüstung. Ich hörte, wie die FIB-Leute sich bereit machten.

Die Spannung stieg, statt nachzulassen, und ich presste mein Gewicht in die Erde, fal s ich mich schnel bewegen müsste. Ceris Rat, mich von Kraftlinienmagie fernzuhalten, schoss mir durch den Kopf, aber ich suchte trotzdem in Gedanken nach der nächsten Linie.

»Du bist ein Narr, Morgan«, sagte Denon, und seine reso-nante Stimme erschütterte mich, obwohl er gute drei Meter von mir entfernt neben einem großen Grabstein stand.

»Deine Suche nach der Wahrheit wird dich umbringen.«

Das klang sehr nach einer Drohung, aber er ging schon weg, und die I.S.-Mitarbeiter folgten ihm. Ratlos steckte ich den Zip-Strip in meine Tasche und hielt nach Jenks Ausschau, während Glenn die FIB-Leute organisierte.

Jenks blieb außer Sicht, auch wenn ich mir sicher war, dass er die ganze Szene gesehen hatte. Mein Puls verlangsamte sich wieder, beruhigt von dem Summen der Insekten und dem Plätschern von Wasser.

Glenn würde einen Anfal kriegen, wenn ich versuchte, mir die Leiche anzuschauen, bevor er bereit war, und als ich sah, dass die Hexe al ein stand, lächelte ich. Es war Ewigkeiten her, dass ich mit irgendwem gefachsimpelt hatte, und ich vermisste es. Er starrte mich ausdruckslos an, und bei dieser Superreaktion auf mich überlegte ich es mir anders.

»Wir sind hier fertig«, sagte Denon laut zu den untergeordneten Tiermenschen. »Überlasst das Aufräumen dem FIB.« Es war herablassend, aber Glenn gab ein erfreutes Geräusch von sich, was mich vermuten ließ, dass er seine eventuel en Funde nicht teilen wol te. Denon musste ihn gehört haben, denn als die Mannschaft auf die Autos zuhielt, schnappte sich der lebende Vampir die Hexe am Arm und zog ihn zur Seite.

»Ich wil , dass Sie bleiben«, befahl er, und der Mann kniff die Augen zusammen. »Ich wil einen Bericht darüber, was das FIB tut und herausfindet.«

»Ich bin nicht Ihr Lakai«, antwortete die Hexe und starrte dabei auf Denons Hand an seinem Arm. »Wenn Sie meine Ergebnisse haben wol en, dann reichen Sie wie al e anderen bei der Abteilung Arkanes einen Antrag ein. Und jetzt nehmen Sie Ihre Finger von mir.«

Ich zog die Augenbrauen hoch. Er arbeitet in der Abteilung Arkanes? Mein Dad hat in der Arkanen gearbeitet. Ich schaute ihn mir mit neuem Interesse an.

Dann stoppte ich mich selbst und verfluchte meine idiotische Vorliebe für die Gefahr. Gott, ich war ein Trottel.

Denon ließ den Arm der Hexe los. Mit steifen, stolzen Bewegungen ging er zum Van und bedeutete dem Tiermenschen auf dem Beifahrersitz, dass er nach hinten umsteigen sol te. Die Tür knal te zu, und der Van rol te langsam auf den schmalen gepflasterten Weg. Der andere I.S.-Wagen folgte. Zurück blieben wir, der Notarztwagen und die Hexe - und die hatte, soweit ich sehen konnte, keinerlei Möglichkeit, zum I.S.-Turm zurückzukommen. Mann. . ich wusste genau, wie er sich fühlte.

Mitgefühl regte sich. Entschlossen ging ich zu ihm. Ich bin nur nett, ich will kein Date, ermahnte ich mich, aber er hatte hübsche blaue Augen, und seine Haare waren diese sanften braunen Locken, die sich oh so gut zwischen meinen Fingern anfühlen würden.

Hinter mir erklangen Glenns leise, aber ungeduldige Anweisungen, und die Kerle in Laborkitteln stürzten sich wie die Geier auf den Werwolf. Jenks ließ sich aus einer Eiche fal en und erschreckte mich, als er mit Flügelklappern auf meiner Schulter landete. »Ahm, Rache?«

»Kann es warten?«, murmelte ich. »Ich wil mit diesem Kerl reden.«

»Du hast einen Freund«, warnte er. »Und eine Freundin«, fügte er hinzu, was mich die Stirn runzeln ließ. »Ich kenne dich. Du musst jetzt nicht überkompensieren, nur wegen eines dämlichen Kusses.«

»Ich wil nur Hal o sagen«, protestierte ich und unterdrückte den Impuls, nach ihm zu schlagen. Und es war kein dämlicher Kuss gewesen, sondern ein den-Puls-zum-Rasen-bringender Kil erkuss, der mich schockiert und atemlos zurückgelassen hatte. Ich musste nur noch herausfinden, ob das Kribbeln eine ehrliche Reaktion gewesen war oder der bil ige Reiz, so zu tun, als wäre ich jemand, der ich eigentlich nicht war.

Ich senkte den Blick. Das ist wichtig. Das eine führt zu harten Fragen an mich selbst, das andere würde Ivy verletzen.

Sie zu benutzen, nur um einen neuen Kick zu finden, ist wirklich, wirklich falsch, und ich werde es nicht tun.

Ich zwang ein Lächeln auf mein Gesicht, als ich vor dem Kerl stand. Seine I.S.-Abzeichen wiesen ihn als TOM BANSEN

aus, und wenn man nach dem Foto ging, hatte er mal lange Haare gehabt. »Ich bin Rachel-«, setzte ich an und streckte die Hand aus.

»Ich weiß. Entschuldigen Sie mich.«

Kurz angebunden schob er sich einfach an meiner Hand vorbei, um sich zu den FIB-Leuten zu stel en und zu beobachten, wie sie ihre Daten sammelten.

Jenks kicherte, und ich stand mit hängendem Kiefer da. Ich schaute an mir herunter. So unprofessionel war mein Outfit nun auch wieder nicht. »Ich wol te nur Hal o sagen«, sagte ich verletzt.

»Er riecht nicht so hexig wie du«, bemerkte Jenks selbstgefäl ig. »Aber bevor dir jetzt der Kopf anschwil t, wenn er für die Arkanes arbeitet, ist er klassisch ausgebildet und würde dich plattmachen. Erinnerst du dich an Lee?«

Ich atmete einmal und fühlte einen Stich wegen des kommenden Freitags. Ich hatte mein Leben der Erdmagie gewidmet, und auch wenn sie kein bisschen schwächer war als Kraftlinienmagie, war sie doch langsamer. Kraftlinien waren dramatisch und aufsehenerregend, mit einer schnel en Anrufung und breiterem Anwendungsbereich. Dämonenmagie vermischte beide zu etwas Schnel em, sehr Mächtigem und Anhaltendem. Nur eine Handvol Leute wussten, dass ich Dämonenmagie entzünden konnte, aber der Schmutz auf meiner Seele war leicht zu sehen. Viel eicht hatte ihn das, zusammen mit meinem Ruf, dass ich mit Dämonen zu tun hatte, nervös gemacht.

Ich konnte das Missverständnis nicht so stehen lassen, also ignorierte ich Jenks' gemurmelte finstere Vorhersagen von Höl e und Schneeflocken und schob mich neben Tom.

»Schauen Sie, viel eicht haben wir auf dem falschen Fuß angefangen«, sagte ich vor dem Hintergrund der murmelnden FIB-Leute. »Brauchen Sie eine Mitfahrgelegenheit, wenn das hier vorbei ist?«

»Nein.«

Die Antwort wirkte richtig feindselig, und die FIB-Kerle, die sich über die Leiche gebeugt hatten, sahen mit überraschten Augen zu uns auf.

Tom drehte sich um und ging. Mein Puls raste, als ich einen Schritt hinter ihm herging. »Ich arbeite nicht mit Dämonen!«, sagte ich laut, und es war mir völ ig egal, was das FIB dachte.

Der junge Mann holte sich einen langen Mantel, der über einem Grabstein lag, und hängte ihn über seinen Arm. »Und wie haben Sie dann diesen Dämon dazu bekommen, auszusagen? Und das Dämonenmal an ihrem Handgelenk ist woher?«

Ich holte Luft, nur um sie dann wieder auszustoßen. Was sol te ich sagen?

Mit einem Gesichtsausdruck, der klar sagte, dass er sich vol gerechtfertigt fühlte, ging er und ließ mich umgeben von FIB-Leuten zurück, die verzweifelt versuchten, mich nicht anzusehen. Verdammt, dachte ich und biss die Zähne zusammen. Ich war Furcht und Misstrauen von Menschen gewöhnt, aber von meiner eigenen Art? Schlecht gelaunt zog ich meine Tasche höher auf die Schulter. Tom hatte ein Handy ans Ohr gepresst. Er würde schon eine Mitfahrgelegenheit finden. Warum hatte ich mir überhaupt die Mühe gemacht?

Jenks räusperte sich, und ich zuckte zusammen, weil ich vergessen hatte, dass er die ganze Zeit auf meiner Schulter gesessen hatte. »Mach dir keine Sorgen, Rachel«, sagte er bedrückt. »Er hat nur Angst.«

»Danke«, antwortete ich. Auch wenn ich die Absicht zu schätzen wusste, sorgte diese Sicht doch nicht dafür, dass ich mich besser fühlte. Tom hatte nicht verängstigt gewirkt, sondern feindselig.

Auf der anderen Seite des Weges gab Glenn einem jungen Officer letzte Anweisungen, schlug ihm aufmunternd auf die Schulter und kam dann zu mir. Das Glitzern war in seine Augen zurückgekehrt, und seine Haltung sprach von unterdrückter Aufregung. »Bereit, einen Blick zu riskieren?«, fragte er und rieb sich die Hände.

Ich warf einen kurzen Blick auf den toten Werwolf und rümpfte die Nase. »Was ist mit den Fußschützern?«, fragte ich trocken, weil ich mich an das letzte Mal erinnerte, als ich einen seiner heiligen Tatorte betreten hatte.

Er schüttelte nur den Kopf. »Sie haben den Tatort schon verunreinigt«, erklärte er, und es war deutlich, wie viel Abscheu er für die I.S.-Techniker empfand. »Du kannst es kaum noch schlimmer machen, es sei denn, du kotzt auf das Opfer.«

»Hey, danke«, sagte ich und zuckte zusammen, als er mir freundschaftlich die Hand auf die Schulter legte. Dann lächelte ich ihn an, damit er nicht dachte, dass ich die Berührung ablehnte, und er kniff die Augen zusammen.

»Lass es nicht an dich heran«, sagte der FIB-Detective leise, und seine dunklen, ausdrucksstarken Augen wanderten zu der entfernten Silhouette der Hexe zwischen den Grabsteinen. »Wir wissen, dass du eine gute Hexe bist.«

»Danke«, sagte ich und stieß den Atem aus, um die Verletzung loszulassen. Was kümmert es mich überhaupt, was eine Hexe denkt? Selbst wenn er süß ist?

Neben meinem Ohr kicherte Jenks. »Oh, ihr zwei seid so süß, dass ich Fairyeier furzen könnte.«

Ich schüttelte meine Haare, um ihn von meiner Schulter zu vertreiben, und richtete meine Aufmerksamkeit nach unten.

Die Männer an der Leiche waren mit ihrer ersten Untersuchung fertig und entfernten sich, vertieft in ein lautstarkes Gespräch darüber, wie lang das Opfer dort wohl schon lag. Es konnte nicht viel länger her sein als heute Morgen; der Geruch war nicht schlimm, und es gab noch keine Gewebezerstörung durch Verwesung oder Fliegen. Und gestern war es wirklich heiß gewesen.

Meine Gedanken wanderten zu einem gewissen Hirschkadaver, den ich dieses Frühjahr im Wald gefunden hatte. Ich riss mich zusammen und ging neben Glenn in die Hocke. Ich war nur froh, dass meine Nase nicht so empfindlich war wie die von Jenks.

Der Pixie war sichtbar grünlich. Nachdem ich ihn einen Moment unsicher hatte schweben lassen, schob ich einladend meine Haare zurück, und er landete sofort auf meiner Schulter. Seine warmen Hände griffen sich mein Ohr, und er holte ein ums andere Mal lautstark und theatralisch Luft, während er sich gleichzeitig über den Alkoholgeruch meines Parfüms beschwerte, der unter dem Orangenduft lag.

Glenn warf uns einen fragenden Blick zu. Ich richtete meine Aufmerksamkeit nach unten.

Mrs. Sarongs persönlicher Assistent war ein sehr mächtiger Wolf, und zu glauben, dass die Person in Pelz vor mir Selbstmord begangen hatte, war einfach lächerlich.

Er hatte das seidige schwarze Fel , das die meisten Werwölfe hatten, und seine Lefzen waren zurückgezogen, um Zähne zu zeigen, die weißer waren als die eines jeden Showhundes - al erdings waren sie jetzt mit seinem eigenen Blut verschmiert. Dass seine Gedärme sich irgendwo anders entleert hatten, war für mich ein klares Zeichen dafür, dass der Körper hierher transportiert worden war. Ich fühlte mich schlecht, als Denons Worte in meiner Erinnerung widerhal ten. Die I.S. vertuschte etwas, und weil ich dem FIB

half, kam es jetzt heraus. Irgendjemand würde darüber nicht gerade glücklich sein.

Viel eicht sol te ich einfach gehen.

»Er ist nicht hier gestorben«, sagte ich leise und suchte nach mehr Halt in meiner hockenden Stel ung.

»Stimmt.« Glenn verlagerte unangenehm berührt sein Gewicht. »Er wurde anhand seiner Ohrtätowierung identifiziert, und er wurde gerade mal zwölf Stunden lang nicht gesehen. Das erste Opfer wurde doppelt so lang vermisst, bevor die Leiche gefunden wurde.«

Verdammt, dachte ich, und mir wurde kalt. Jemand machte Ernst.

Glenn hob eine Vorderpfote und rieb seinen Daumen an einem Stück Fel . »Das hier wurde gesäubert.«

Jenks sauste nach unten. Seine kleinen Füße schwebten direkt über den stumpfen Kral en, die fast so lang waren wie sein gesamter Körper. »Es riecht nach Alkohol«, erklärte er und stemmte die Hände in die Hüften, als er langsam wieder nach oben schwebte. »Ich verwette meinen Hintergarten darauf, dass er medizinisches Klebeband auf sich hatte, wie diese Sekretärin.«

Ich schaute Glenn an, und er ließ die Pfote wieder sinken.

Ohne das Band half uns diese Vermutung überhaupt nichts.

Mit dem Blut auf seinen Zähnen wirkte es, als hätte er sich die Beinwunde, an der er verblutet war, selbst zugefügt, aber jetzt fragte ich mich, ob >wirkte< nicht das Schlüsselwort war.

Es war offensichtlich schnel er abgelaufen als im Fal von Mrs. Sarongs Sekretärin. Als ob jemand geschickter wurde.

Blut verschmierte seine Hinterläufe und zog langsam in den Boden ein. Wahrscheinlich war es Werwolfsblut, aber ich bezweifelte schwer, dass das Blut in seinem Fel und das Blut auf dem Boden von derselben Person stammten.

»Jenks, irgendwelche Einstichstel en?«, fragte ich, und seine Flügel setzten sich in Bewegung. Er schwebte einen Moment über dem zerrissenen Bein und landete dann auf Glenns angebotener Hand.

»Ich kann es nicht sagen, da sind zu viele Haare. Wenn du wil st, kann ich mit ins Leichenschauhaus kommen«, bot er Glenn an, und der Mann grunzte zustimmend.

Okay, es ist nur eine Frage der Zeit, bis eine Verbindung zwischen den zwei Verbrechen auftaucht.

»Glaubst du, es lohnt sich, seine Zähne genau zu untersuchen?«, fragte ich, weil ich mich an das Klebeband zwischen den Zähnen der Frau erinnerte.

Jetzt war Glenn an der Reihe, den Kopf zu schütteln. »Nein, ich gehe davon aus, dass die Leiche gesäubert wurde, bevor man sie hier abgelegt hat.« Er seufzte schwer und stand auf.

Jenks hob ab, um auf dem Grabstein hinter dem Werwolf zu landen. Ich versuchte, mir den Namen darauf einzuprägen, weil ich mir nicht sicher war, ob er wichtig sein könnte.

Dreck, ich war kein Ermittler. Woher sol te ich wissen, was wichtig war und was nicht?

»Zu beweisen, dass er bewegt wurde, ist kein Problem«, sagte Glenn über mir. »Das Problem ist, ihn mit Mr. Rays Sekretärin in Verbindung zu bringen. Viel eicht zeigt er ja Druckmale oder Einstichstel en, wenn wir ihn zurückverwandelt haben.«

Ich stand ebenfal s auf und bemerkte noch, dass sich derjenige, der den Werwolf hier abgeladen hatte, noch die Mühe gemacht hatte, die Pfoten in die Erde zu drücken, um sie dreckig zu machen. Aber es war offensichtlich, dass es nur oberflächlicher Schmutz war. Seine Kral en waren so sauber, als hätte er die letzten zwölf Stunden am Schreibtisch gearbeitet. Oder als wäre er auf einer Bahre festgeschnal t gewesen.

»Auf jeden Fal kannst du eine vol ständige Autopsie fordern«, meinte ich. »Die Leiche wurde hierhergeschafft. Die I.S. muss zugeben, dass Mord eine Möglichkeit ist. Du wirst eine Verbindung zu Mr. Rays Sekretärin finden.«

»Und das gibt der I.S. viel eicht die Zeit, Beweise zu fabrizieren für was auch immer sie mir verkaufen wol en«, erwiderte Glenn bitter, zog eine Packung Erfrischungstücher aus seiner Brusttasche und gab mir eines.

Ich hatte die Leiche nicht berührt, aber ich nahm es, weil Glenn offensichtlich der Meinung war, dass ich sol te.

»Er wird Einstichstel en haben. Jemand hat ihn ermordet.

Ich meine, wie zerfleischt man sich selbst tief genug, um daran zu sterben, behält dabei aber saubere Füße und riecht nach medizinischem Alkohol?«

Glenns Augen waren auf den toten Werwolf gerichtet. »Ich muss es beweisen, Rachel.«

Ich zuckte mit den Schultern, weil ich eigentlich nur noch nach Hause und mich duschen wol te, bevor ich mich mit Mr.

Ray traf. Beweise sind scheiße. Das war nicht mein Job. Zeigt mir einfach jemanden, den ich verhaften sol , und ich bin zur Stel e. »Wenn wir herausfinden können, wer es ist, haben wir viel eicht eine bessere Idee, wie wir es beweisen könnten«, sagte ich, wich dabei aber seinem Blick aus. Ich hatte das üble Gefühl, dass das >Warum< in meinem Tiefkühlfach lagerte und das >Wer< aus einer kurzen Liste von Cincys nobelsten Bürgern bestand: Piscary, Trent, Mr. Ray und Mrs.

Sarong. Ich ging davon aus, dass ich Newt von der Liste streichen konnte. Sie würde sich nicht die Mühe machen, etwas zu vertuschen.

»Brauchst du mich noch?«, fragte ich und gab ihm das benutzte Erfrischungstuch zurück.

Glenns Augen hatten ihr Funkeln verloren und wirkten wieder einfach nur müde. »Nein. Ich danke dir.«

»Warum wol test du dann, dass ich überhaupt hier rauskomme?«, moserte ich. »Ich habe überhaupt nichts getan.«

Sein dunkler Hals wurde noch dunkler, und ich folgte ihm zum FIB-Wagen. Hinter uns erklang die Unterhaltung der Kerle aus dem Notarztwagen, die sich bereit machten, die Leiche ins Leichenschauhaus zu transportieren.

»Ich wol te Denons Reaktion auf dich sehen«, murmelte er.

»Du hast mich hier rausgeholt, weil du sehen wol test, wie Denon auf mich reagiert?«, rief ich, und einige Köpfe drehten sich in unsere Richtung. Die FIB-Officer lächelten, als wäre es ein wunderbarer Witz - mit mir als Pointe.

Glenn senkte amüsiert den Kopf und ergriff meinen Arm.

»Du hast ihn in der Leichenhal e gesehen. Er wol te dich nicht dahaben und hatte Angst, dass du etwas bemerkst, was wir arme Menschen übersehen würden. Das deutet auf Behinderung der Justiz hin. Jemand hält nach dieser Statue Ausschau, die du hast, und du hast verdammtes Glück, dass sie nicht bei dir suchen. Ist sie immer noch im Postsystem unterwegs?«

Ich nickte, weil ich mir sicher war, dass al es andere ein Fehler wäre. Glenns Griff verstärkte sich, als wir weitergingen.

»Ich könnte dich zwingen, sie mir zu geben«, sagte er.

Genervt riss ich meinen Arm aus seinem Griff und blieb stehen.

»Ich habe dir die Flasche mit Salsa gebracht, die du wol test«, sagte ich, fast laut genug, dass die umstehenden FIB-Leute es hören konnten. Sein Gesicht wurde grau. Nicht weil ich damit drohte, sie für mich zu behalten, sondern weil er Angst hatte, dass ich öffentlich machte, dass er Tomaten mochte. Yeah, es war so schlimm.

»Das ist gemein«, erklärte Glenn schließlich.

Jenks ließ sich aus den Bäumen fal en und erschreckte den FIB-Officer. »Rache«, sagte der Pixie, ohne sich anmerken zu lassen, was er von meiner kleinen Erpressung hielt. »Ich bringe dich nach Hause und gehe dann ins Leichenschauhaus. Ich wil sehen, ob die Leiche Einstichstel en hat. Ich kann zurück sein, bevor du mit Mr.

Ray sprichst.«

Mein erster Gedanke war: Dann muss ich vielleicht mit Ivy al ein in der Kirche sein.

»Klingt gut«, sagte ich. Dann fühlte ich mich schlecht genug, um Glenn zuzuflüstern: »Ich habe das mit der Salsa ernst gemeint. Wil st du sie jetzt?«

Er biss die Zähne zusammen, offensichtlich wütend, und Jenks lachte. »Gib auf, du Scherzkeks«, flötete der Pixie. »Du hast kein Recht auf den Fokus, und das weißt du auch.«

»Es ist Jalapeno«, lockte ich. »Das brennt dir die Augäpfel aus den Höhlen.«

Glenns zorniger Gesichtsausdruck fiel in sich zusammen, und als Jenks aufmunternd nickte, leckte sich Glenn über die Lippen. »Jalapeno?«, murmelte er, und sein Blick wurde unscharf.

»Eine Riesenflasche«, erklärte ich und spürte die Spannung des Feilschens. »Hast du Zip-Strips?«

Glenns Blick wurde schlagartig wieder scharf. »Ich arbeite daran, aber es wird eine Weile dauern. Wil st du in der Zwischenzeit ein Paar Handschel en?«

»Sicher«, sagte ich, obwohl sie eine Kraftlinienhexe nicht stoppen würden. »Ich habe das erste Paar, das du mir gegeben hast, im Jenseits verloren.« Mann, ich vermisste meine alten Handschel en mit den ganzen Amuletten und al em. Viel eicht konnte ich die richtigen Zauber in die Zieramulette legen, die Kisten mir zu meinem Armband geschenkt hatte. Ich würde ihn fragen müssen, aus was für einem Metal sie waren.

Glenn wirkte schuldbewusst, als er seinen Blick über die Leute hinter mir gleiten ließ, die immer noch Informationen sammelten. »Ich brauche ein paar Tage«, murmelte er verstohlen. Er schob mir die Handschel en in die Tasche.

»Kannst du es noch eine Weile für mich aufbewahren?«

Ich nickte und wandte mich dann an Jenks: »Bereit?«

Der Pixie hob ab. »Ich sehe dich am Auto.« Seine Flügel verschwammen. Dann war er weg und überquerte auf Kopfhöhe den Friedhof, wobei er wie ein Kolibri mit einer Mission den Grabsteinen auswich.

Glenn presste die Lippen zusammen, und weil ich schon sah, dass eine Diskussion auf mich zukam, wurde mir warm.

»Jenks kundschaftet für mich«, sagte ich und warf mir die Haare über die Schulter. »Wir haben es unter Kontrol e.« Ich muss zu diesem Kurs. Das nervt langsam wirklich.

»Rachel?«

Ich hatte mich schon abgewandt, um zu gehen, drehte mich jetzt aber noch mal um und hob fragend die Augenbrauen.

»Sei vorsichtig«, sagte er und hob kapitulierend eine Hand.

»Und ruf mich an, wenn du Kaution brauchst.«

Ich lächelte breit. »Danke Glenn«, antwortete ich und war froh, dass wir den Streit um den Fokus umgangen hatten.

»Ich werde heute Abend zu diesem Kurs gehen. Wirklich.«

»Tu das«, sagte er. Dann ging er zu seinem Team und schrie nach irgendwem namens Parker.

Ich fühlte mich seltsam, als ich zwischen den Grabsteinen hindurch zu meinem Auto wanderte, auf demselben Weg, den Jenks in Sekunden geflogen war. Mit gesenktem Kopf, um nach den flachen Grabsteinen Ausschau zu halten, stapfte ich mit kleinen Schritten den Hügel hoch. Ich schwang meine Tasche nach vorne und suchte nach meinem Autoschlüssel mit Zebramuster, aber als ich um die Ecke des Mausoleums kam, hinter dem mein Wagen stand, blieb ich wie versteinert stehen.

Jemand wühlte auf meiner Rückbank herum.

16

»Hey!«, sagte ich streitlustig, und der Jeansträger schaute von seiner Durchsuchung des Rücksitzes auf, wo er mit Glenns Salsa herumgespielt hatte. Es war Tom. »Was tun Sie da?« Ich trat nach vorne und rutschte fast auf einem dieser flachen Grabsteine aus.

Tom trat einen Schritt vom Auto zurück, und ich hielt keuchend vor ihm an. In seinen blauen Augen stand ein Hauch von Wut und eine Menge Verachtung.

Ich musste gegen die Sonne schauen, um ihn zu sehen, und das machte mich wütend.

»Ich wurde gebeten, mit Ihnen zu reden«, sagte er steif, und ich kicherte. Jetzt wil er reden? Aber er stand vor meinem Auto und sah nicht so aus, als würde er sich ohne ein wenig Ermunterung dort wegbewegen. Doch als ich sah, dass Jenks bewusstlos auf dem Armaturenbrett lag, seine Libel enflügel weit von sich gestreckt, war ich mehr als bereit, diese Ermunterung zu liefern.

Mein Puls fing an zu rasen, angetrieben von Wut und Angst. »Was haben Sie mit Jenks gemacht?«

Der Mann zuckte bei dem bedrohlichen Ton in meiner Stimme zusammen. Er trat noch einen Schritt zurück und war damit fast aus dem Weg. »Ich wol te nicht, dass er unser Gespräch mithört.«

Mein Magen verkrampfte sich angstvol . »Sie haben ihn bewusstlos geschlagen? Sie haben ihn bewusstlos geschlagen, nur um ihn aus dem Weg zu haben?« Ich trat einen Schritt vor und Tom wich zurück. »Sie Sohn eines Bastards.«

Yeah, ich vermischte Redewendungen, aber ich war wirklich sauer. Mit überrascht aufgerissenen Augen wich Tom einen weiteren Schritt zurück.

»Er ist ein intel igentes Wesen!«, sagte ich mit brennenden Wangen. »Er wäre gegangen, wenn Sie ihn darum gebeten hätten.« Besorgt lehnte ich mich in meinen Wagen und schob Jenks vorsichtig auf meine Handfläche, bevor seine Flügel auf dem heißen Armaturenbrett verbrannten. Sein kleiner Körper war schlaff und fühlte sich viel zu leicht an. Ich erinnerte mich daran, wie er mich getragen hatte, als ich vom Blutverlust geschwächt gewesen war, und panische Angst durchfuhr mich. Entsetzen gesel te sich dazu, als ich sah, dass er blutete. »Was haben Sie getan?«, kreischte ich.

»Er blutet aus den Ohren!«

Die Kraftlinienhexe stand knapp einen Meter vor mir und hatte die Hände hinter dem Rücken verschränkt. »Rachel Morgan, ich möchte Sie fragen -«

Anspannung brachte meinen Körper zum Kribbeln, und vorsichtig hielt ich Jenks an meiner Brust. »Was haben Sie mit Jenks gemacht? Wissen Sie, wie gefährlich es für einen Pixie ist, Blut zu verlieren?«

»Ms. Morgan«, unterbrach mich Tom, »das hier ist wichtiger als ihre Rückendeckung.«

Ich hatte Mühe, genügend Luft zu bekommen. »Er ist mein Freund!«, rief ich. »Kein Taschentuch!«

Ich ging wieder auf ihn zu, und Tom wich weiter zurück.

»Fassen Sie mich nicht an«, warnte er.

Aber ich schob mein Gesicht direkt vor ihn und schrie: »Ein Zehennagel dieses Pixies ist mir mehr wert als dein dreckiges Leben, du scheinheiliger kleiner Arsch. Was hast du mit ihm gemacht?«

»Bleiben Sie zurück«, sagte er und ging, jetzt mit ausgestreckten Händen, noch weiter rückwärts.

»Ich werde dein Gesicht mit meinem Fuß berühren, wenn du nicht sofort diesen Zauber aufhebst!« Ich hielt Jenks vorsichtig in der Mitte meiner Handfläche und ging einen weiteren drohenden Schritt nach vorne. Die Haare auf meinen Armen stel ten sich auf, als Tom eine Linie anzapfte, und bevor er irgendetwas tun oder sagen konnte, sprang ich nach vorne, weil ich mir sicher war, dass er einen Schutzkreis errichtete. Ein Schutzkreis kann sich nicht durch eine Person mit Aura erheben, sondern rutscht entweder vor oder hinter ihr vorbei. Ich hatte eine Fifty-fifty-Chance. Entweder würde ich es in seinen Kreis schaffen, oder ich würde mir wie Minias die Nase daran einrennen.

Ich zuckte zusammen und der elektrische Geschmack von Alufolie durchschoss meine Zähne. Keuchend kauerte ich mich über Jenks. Toms Macht durchlief mich eiskalt, und für einen Moment wurde die Welt um mich herum schwarz.

Mein Chi fül te sich von ihm aus mit einem unheimlichen Gefühl von Verkehrtheit. Es lief über, und der Überschuss floss nach oben, um sich in meinem Kopf zu sammeln, wo ich die Kraft der Linie lagern konnte. Ich zuckte wieder, in dem Versuch, die Verbindung zu unterbrechen.

Sie brach mit einem Schwirren, von dem ich mir sicher war, dass es hörbar sein musste. Ich öffnete die Augen und stel te fest, dass Tom mich anstarrte. Ich war innerhalb seines Kreises. Und der Kreis war auch nicht besonders groß.

Die Augen der Hexe verengten sich. Seine Finger bewegten sich, und ich rammte ihm meine Faust in den Bauch. Gute Aktion, Rachel, dachte ich, als ich sah, wie er aufkeuchte und gleichzeitig umfiel. Sein Hintern knal te auf den Boden und sein Rücken stieß gegen die Wand des Schutzkreises. Jetzt würde er mich wahrscheinlich wegen tätlichen Angriffs anzeigen, aber er hatte mich zuerst mit Kraftlinienmagie bedroht.

»Sie können Denon sagen, dass er sich seine dritten Zähne in den Arsch schieben sol «, erklärte ich. Ich hatte das Gefühl, dass irgendetwas falsch war, konnte aber nicht den Finger darauf legen und hatte auch keine Zeit, darüber nachzudenken. »Er kann mir nicht genug Angst machen, um mich aus dem Fal zu drängen!« Ich erinnerte mich an die Splat Gun in meiner Tasche - die irgendwie immer noch an meiner Schulter hing -, aber ich würde wirklich dämlich dastehen, wenn ich ihn mit abgelaufenen Zaubern beschoss.

Außerdem war es ziemlich schwer, irgendwas zu tun, weil ich immer noch Jenks in der Hand hielt.

»Nicht Denon«, keuchte die Hexe, und sein Gesicht war rot, während er versuchte, Luft zu bekommen.

Ich trat zurück, und die Stärke des Schutzkreises summte über unseren Köpfen. Er sprach nicht für die I. S.? Was zur Höl e geht hier vor?

Plötzlich wachsam geworden, zog ich mein T-Shirt nach unten, damit es meinen Bauch bedeckte. Tom schaute von mir auf den Boden, immer noch mit dem Rücken an den Schutzkreis gelehnt, und seine schmerzverzogene Grimasse ließ mich weit genug zurücktreten, dass er aufstehen konnte.

Er sah erschüttert, erregt und verärgert aus, als er sich aufrappelte und sich das Gras von der Hose klopfte. Aber dann wurde sein Gesicht ausdruckslos, und er starrte auf den Bogen aus Jenseits über ihm. Das Gefühl von Verkehrtheit in mir wurde stärker, und ich folgte seinem Blick zu der hässlichen Schwärze.

Sein Schutzkreis war nicht zusammengebrochen, als ich ihn dagegen gestoßen hatte. Das war falsch.

»Sie haben ihn übernommen«, flüsterte Tom, während seine Augen den flackernden goldenen Flecken folgten, die unter dem Dämonenschmutz glänzten. »Sie haben meinen Schutzkreis übernommen!«

Mein Blick schoss in angstvol er Erkenntnis zu dem Bogen aus Macht über uns. Es war meine Aura, die er reflektierte, nicht seine. Ich habe seinen Schutzkreis übernommen?

Newt hatte Ceris übernommen, aber das hatte ein wenig Mühe gekostet. Ich war einfach nur gegen diesen hier gelaufen. Das war es wahrscheinlich, überlegte ich. Er war noch im Bildungsprozess, und daher angreifbar.

Verängstigt wich er zurück, bis er wieder mit dem Rücken gegen die dünne Schicht Jenseits stieß. »Sie haben mir gesagt, dass Sie eine Erdhexe sind. Verdammt, Sie haben meinen Schutzkreis übernommen. Das hätte ich niemals. .«, stammelte er mit bleichem Gesicht. »Ich meine. . Gott, Sie müssen mich für einen Idioten halten, dass ich versucht habe, Sie zu übertreffen.«

Erschrocken darüber, wie schnel er von unverschämt zu ängstlich übergegangen war, sagte ich: »Machen Sie sich keine Gedanken.«

Toms Blick glitt über die Innenseite der Blase. »Ich wol te Ihren Pixie nicht verletzen«, sagte er und schaute auf Jenks, den ich immer noch auf der Handfläche hielt. »Es geht ihm gut. Ich habe ihn mit Hochfrequenz betäubt. Er wird in einer Stunde aufwachen. Ich wusste nicht, dass er Ihnen etwas bedeutet.«

Mein Puls musste sich immer noch beruhigen, und es gefiel mir überhaupt nicht, wie schnel er seine Haltung geändert hatte. Ich würde lügen, wenn ich nicht zugäbe, dass es irgendwie schmeichelhaft war. Zumindest beruhigte es meine Wut ein wenig. Ich meine, wie kann man auf jemanden wütend sein, der glaubt, dass man eine mächtigere Hexe ist als er selbst?

»Ich wol te Ihren Kreis nicht übernehmen, okay?«, sagte ich. Beklommen berührte ich den Kreis, den ich nicht errichtet hatte, und schauderte, als er brach und die Energie, die jemand anders gezogen hatte, durch mich davonfloss.

Ich war zu abgelenkt, um den Überschuss in meinem Kopf gehen zu lassen, also blieb er.

Tom wankte ein wenig, als der Kreis fiel. Er war offensichtlich froh, aus dem Schutzkreis befreit zu sein, aber trotzdem war sein Gesicht unter den braunen Haaren noch bleich.

»Was wol ten Sie überhaupt?«, fragte ich und spürte Jenks geringes Gewicht in meiner Hand.

»Ich. .« Zögernd holte er Luft. »Sie haben Erfahrung darin, Dämonen anzurufen«, sagte er, und ich wand mich peinlich berührt. »Meine Vorgesetzten möchten, dass ich eine Einladung an Sie ausspreche.«

Angewidert ließ ich meine Tasche von der Schulter rutschen, fing den Gurt mit der freien Hand und schwang sie auf den Rücksitz. Er hatte erklärt, dass er nicht unter Denon arbeitete, aber ich wol te auch nicht für die Abteilung Arkanes angeworben werden. Ich streckte die Hand nach dem Türgriff aus und murmelte: »Ich arbeite keinesfal s für die I.S., also vergessen Sie es.«

»Hier geht es nicht um die I.S. - es ist eine private Gruppe.«

Meine Finger glitten vom Griff, und ich blieb mit dem Rücken zu ihm stehen - nachdenklich. Die Sonne war heiß

-sie würde wahrscheinlich die Geburtstagskerzen in meiner Tasche schmelzen -, und ich drehte mich so, dass Jenks in meinen Körperschatten kam. Dann ließ ich meinen Blick über Toms bequem aussehende Schuhe gleiten, seine neuen Jeans und das Polohemd, hinauf zu seinem Gesicht, über dem seine Haare fröhlich im Wind wehten. Er war jung, aber nicht unerfahren. Mächtig, aber ich hatte ihn überrascht. Er arbeitete in der Arkanen-Abteilung der I.S., aber er sprach für jemand anderen? Das klang nicht gut.

»Es geht um Dämonenbeschwörung, richtig?«, fragte ich.

Er nickte und versuchte dabei, weise auszusehen, was ihm mit seinem jungen Gesicht gründlich misslang. Ich lehnte mich gegen das Auto, völ ig überrascht, wie die am klügsten aussehenden Leute die dümmsten Dinge tun konnten. »Im Gegensatz zu dem, was Sie viel eicht gehört haben, beschwöre ich keine Dämonen. Sie tauchen einfach auf, um mich in den Wahnsinn zu treiben. Ich winde keine Dämonenflüche.« Nicht mehr. »Es gibt nicht genug Geld, um mich dazu zu bringen, für Sie einen zu winden. Also können Ihre Freunde, was für ein Problem sie auch immer haben, sich woanders nach einer Lösung umschauen.«

»Es ist nicht il egal, Dämonen zu beschwören«, warf Tom kampfeslustig ein.

»Nein, aber es ist dämlich.« Ich griff wieder nach der Tür und zog, aber Tom trat nach vorne und legte seine Hand über meine. Ich riss sie genervt weg. Verdammt noch mal, er war ein Dämonenbeschwörer.

»Rachel Morgan, warten Sie. Ich kann ihnen nicht sagen, dass Sie nicht einmal zugehört haben.«

Ich hatte nicht vor, ihn noch mal zu schlagen, aber normalerweise konnte ein schreiender Rotschopf selbst die nervigste Person vertreiben. Ich holte Luft, zögerte dann aber. Hier ging es nicht um den Fokus, oder?

Ich stieß die Luft aus und schaute ihn kritisch an. Mein Blick fiel auf Jenks, weil meine Hand anfing, von der starren Position, in der ich sie hielt, zu schmerzen. Dann sah ich wieder Tom an.

»Sind Sie derjenige, der die Werwölfe tötet?«, fragte ich direkt.

Tom fiel in so ehrlicher Überraschung die Kinnlade nach unten, dass ich einfach glauben musste, dass er nicht schauspielerte. »Wir dachten, Sie wären es«, antwortete er, und ich konnte mich kaum entscheiden, was verstörender war: dass sie dachten, dass ich zu solchen Morden fähig war, oder dass sie trotzdem wol ten, dass ich mich ihnen anschloss.

»Ich?«, fragte ich und verlagerte mein Gewicht von einem Fuß auf den anderen. »Weswegen? Ich habe noch nie in meinem Leben jemanden getötet!« Sie statt mir selbst von einem Dämonen mitnehmen lassen, ja, aber niemals getötet.

Ah, außer Peter. Aber der wol te sterben. Schuldgeplagt starrte ich auf den Horizont.

Toms Ohrmuscheln waren vor Scham rot angelaufen.

»Der innere Kreis hat eine Einladung ausgesprochen«, sagte er und bemühte sich, meine Aufmerksamkeit wieder auf sich zu ziehen. »Sie fordern Sie auf, sich Ihnen anzuschließen.«

Darauf wette ich. »Entschuldigen Sie«, sagte ich wütend.

»Nehmen Sie Ihre Griffel von meinem Auto.«

Tom zog seine Hand zurück, und ich riss die Tür auf. Er trat zurück, als ich einstieg und es mir in dem von der Sonne erwärmten Ledersitz bequem machte. Das war großartig.

Einfach großartig. Eine Organisation von Irren wol te mich als neue Rekrutin. Ich schlug die Tür zu, hielt Jenks in meiner Handfläche und grub die Packung mit Kleenex aus dem Handschuhfach. Ich stel te sie auf meinen Schoß und legte ihn vorsichtig hinein. Als ich ihn so leblos sah, durchfuhr mich ein Gefühl von Panik, nur um wieder zu verschwinden.

Wenn er nicht in Ordnung war, wäre Matalina am Boden zerstört, und ich würde richtig wütend werden.

Die mächtige schwarze Hexe in Jeans und Sonnenbril e, die wahrscheinlich mein Blut in Schlamm verwandeln konnte, wol te mich in seiner kleinen Gruppe.

Noch schlimmer, er schien einer der unteren Schergen zu sein. Meine Wut nahm zu, und ich schaute Tom an, wie er in die Sonne blinzelte. Dann verschob ich mit einem kleinen Gedanken meinen Blickwinkel und schaute mir mit meinem zweiten Gesicht seine Aura an. Sie war umgeben von einem winzigen schwarzen Rand.

»Ihre Aura ist dreckig«, sagte ich, schnal te mich mit abrupten Bewegungen an und ließ mein zweites Gesicht fal en, bevor ich etwas sah, was ich nicht sehen wol te; ich war schließlich auf einem Friedhof.

Mit rotem Kopf sagte er dreist: »Meine Position in der I.S.

verbietet mir, so viel mit Dämonen zu arbeiten, wie ich mir wünschen würde. Aber ich bin der Sache verschrieben und trage meinen Teil auf andere Weise bei.«

Oh mein Gott. Er entschuldigt sich dafür, dass er nicht mehr Schmutz auf seiner Seele hat?

Tom deutete meinen Gesichtsausdruck falsch und zog verärgert die Augenbrauen zusammen. »Mein Mantel mag hel sein, aber das dient einem Zweck. Ich kann mich ungesehen dort bewegen, wo in den dunklen Künsten Erfahrenere es nicht können.« Er trat näher. »Deswegen wol en wir Sie, Rachel Morgan. Sie pflegen öffentlichen Umgang mit Dämonen. Ihr Mantel ist so schwarz wie der eines jeden im inneren Kreis, und trotzdem haben Sie keine Angst, stolz und ohne Reue aufrecht durch die Welt zu gehen. Selbst die I.S. kann Ihnen nichts anhaben.«

Ich streckte mich zwischen den Sitzen hindurch nach meiner Tasche. Genau. Und deswegen habe ich auch keinen Führerschein? »Und deswegen glaubt Ihr kleiner Club, dass ich würdig bin?«, fragte ich und suchte nach meinen Schlüsseln. Meine Finger berührten meine Splat Gun und ich spielte mit dem Gedanken, ihn mit ein paar abgelaufenen Erdzaubern zu beschießen, einfach nur, um zu sehen, wie er wegrannte.

»Es ist kein Club«, antwortete Tom, sichtbar beleidigt. »Es ist eine traditionsreiche Vereinigung von Hexen, die zurückgeht bis zum Anfang der Überquerung der Kraftlinien.

Eine ruhmreiche Linie von Geheimnissen und Macht, die die Grenzen unserer Existenz erweitert.«

Bla, bla, bla. . Seine Stimme hielt den Ton sinnentleerter Floskeln. Während ich mich fragte, ob die I.S. wohl wusste, dass sie einen Kultisten auf ihrer Gehaltsliste hatte, rammte ich den Schlüssel ins Zündschloss. »Sie beschwören Dämonen?«

Toms Haltung wurde defensiv. »Wir erkunden Optionen, für die andere Hexen zu ängstlich sind. Und wir glauben, Sie sind. .«

»Lassen Sie mich raten. Ich wurde für würdig befunden, mich der Sache anzuschließen und Geheimnisse des innersten Kreises zu erfahren, die seit zweitausend Jahren vom Meister an den Schüler weitergegeben werden.«

Okay, viel eicht war das ein wenig sarkastisch, aber Jenks bewegte sich nicht, und ich machte mir Sorgen. Tom versuchte, eine Antwort zu finden, und ich startete mein Auto. Der Motor sprang grummelnd an, das Geräusch von Sicherheit. Mir war heiß, und ich spielte an der Klimaanlage herum, obwohl das Verdeck offen war. Die Brise aus den Lüftungsschlitzen wurde kühl, und ich genoss das Kitzeln von Haarsträhnen in meinem Gesicht.

Ich war mit ihm fertig und legte den ersten Gang ein. Tom legte seine Hand auf mein Auto, und seine Finger wurden weiß, während wieder Worte aus seinem Mund sprudelten:

»Rachel Morgan, Sie haben große Dinge vol bracht, mehrfach Dämonenangriffe überlebt, aber niemand erweist Ihnen die Achtung, die Ihnen zusteht. Bei uns können Sie die Ehre und den Respekt finden, der Ihnen gebührt.«

Seine Schmeichelei bedeutete gar nichts, und ich spielte an der Lüftung herum, bis Jenks' Haare sich bewegten. »Ich habe durch Glück und meine Freunde überlebt. Ich sol te nicht geehrt, sondern für außergewöhnliche Dummheit eingewiesen werden.«

Ich wol te losfahren, aber er kam noch näher. »Sie haben meinen Schutzkreis übernommen«, betonte er.

»Weil ich hineingetreten bin, während er noch im Aufbau war! Es war ein Timing mit der Chance von eins zu einer Mil ion!« Sorge ließ ihn die Augen zusammenkneifen, weil ich wegwol te, und ich zögerte. »Tun Sie sich und Ihrer Mutter einen Gefal en«, erklärte ich. »Laufen Sie weg. Sagen Sie Ihrem Boss, dass ich einen Zauber auf Sie gelegt habe, der es Ihnen unmöglich macht, die große Sache weiterzu-verfolgen. Vergessen Sie, dass Sie jemals von denen gehört haben, oder von mir, und laufen Sie so schnel und weit weg, wie Sie können. Denn wenn Sie mit Dämonen spielen, werden die Sie entweder töten oder Sie als Vertrauten nehmen, und - glauben Sie mir - das Erste ist Ihnen lieber.

Und nehmen Sie endlich Ihre Griffel von meinem Auto!«

Tom zog seine Hand zurück, aber in seinen Augen stand eine neue Entschlossenheit. »Sie werden al ein nicht überleben«, warnte er mich. »Seien Sie nicht gierig. Teilen Sie das, was Sie gelernt haben, genauso wie die Gefahr der Beschwörung. Es braucht eine Mindestanzahl von Hexen, um einen Dämon zu kontrol ieren.«

»Dann ist es ja gut, dass ich das gar nicht versuche.«

»Rachel Morgan. .«

Ich stöhnte genervt. »Nein!«, schrie ich. »Und hören Sie auf, mich Rachel Morgan zu nennen. Ich bin Rachel, oder Ms.

Morgan. Nur Dämonen verwenden jeden einzelnen verdammten Namen, unter dem eine Person bekannt ist.

Meine Antwort ist Nein. Kein Sicherheitsseil, kein Anruf bei meiner besten Freundin. Das ist mein letztes Wort. Gehen Sie zurück und erklären Sie ihrem Obermufti, dass ich das Angebot schmeichelhaft finde, aber lieber al ein arbeite.«

Seine Augen glitten zu Jenks auf meinem Schoß, und ich schaute mürrisch. »Jenks gehört zur Familie«, sagte ich finster. »Und wenn Sie jemals wieder meine Familie verletzen, werden Sie und Ihr Pissnelken-Kreis herausfinden, dass es schlimmere Dinge gibt als Dämonen, um sie gegen sich aufzubringen.«

»Die I.S. wird Ihnen nicht helfen«, sagte er und wich zurück, als ich aufs Gas trat und damit drohte, ihm über den Fuß zu fahren. »Die sind eine von Vampiren geführte Organisation, die von Egoisten kontrol iert wird, nicht von solchen, die verschlossene Geister erheben wol en.«

Mit rasendem Puls antwortete ich: »Zum ersten Mal sind wir einer Meinung. Aber ich habe nicht von der I.S.

gesprochen, sondern von mir.« Ich ließ die Kupplung kommen und fuhr an. Ich wol te da rausschießen wie Ivys letztes Blind Date aus der Tür, aber aus Respekt vor den Toten musste ich mich mit einem langsamen, vorsichtigen Kriechen zufriedengeben. Ich schaute zu Jenks, um sicherzustel en, dass er noch sicher lag und ihm nicht viel eicht durch das eigene Gewicht ein Flügel abbrach.

Meine Augen schossen zwischen ihm und der schmalen Straße hin und her. Ich kochte innerlich, nicht nur wegen Jenks, sondern auch wegen Toms Forderung. Es war niemals gut, wenn einem ein Platz in einer irren Organisation angeboten wurde, besonders wenn man ihnen dann auch noch sagte, dass sie sich ihre hohen Ideale und glorreiche Arbeit sonst wohin stecken sol ten.

Ich fühlte ein leichtes Ziehen in meinem Chi, und mein Blick schoss zum Rückspiegel. Mein Atem stockte, und ich kam fast von der Straße ab, als Tom mir den Rücken zuwandte und einfach verschwand.

Heilige Scheiße, er ist in eine Linie gesprungen. Besorgt rückte ich meine Hände auf dem Lenkrad zurecht und teilte meine Aufmerksamkeit zwischen der Straße und der Stel e, wo er gerade noch gewesen war, als könnte es sich noch als Irrtum herausstel en. Er war gut genug, um die Kraftlinien als Reiseweg zu benutzen, und er war nur ein kleines Licht?

Verdammt, wen genau hatte ich gerade beleidigt?

17

Davids Autofenster war offen, und die kühle, feuchte Nachmittagsluft fühlte sich gut an, als sie durch meine Haare wehte. Der vielschichtige Geruch von Werwolf vermischte sich mit dem Geruch des Flusses, und ich warf David einen Blick zu. Er trug seinen langen Mantel und den dazu passenden Hut, und obwohl er sich wahrscheinlich mit Lüftung wohler fühlen würde, hatte er es nicht vorgeschlagen - Jenks saß in meinen großen Ohrringen, und schnel e Temperaturveränderungen richteten bei seiner geringen Körpermasse schwere Schäden an. Es war einfacher, zu schwitzen, als Jenks dabei zuzuhören, wie er sich über die Kälte beschwerte. Außerdem waren wir sowieso schon fast bei Piscarys.

Nachdem ich von Spring Grove zurückgekommen war, hatte ich auf meinem Anrufbeantworter eine zweite Nachricht vorgefunden. Das rote Licht hatte geleuchtet wie der Timer an einer Bombe. Mein erster Gedanke, dass es viel eicht Ivy war, erwies sich als falsch.

Es war Mrs. Sarongs neue Assistentin. Die Besitzerin der Howlers wol te sich ebenfal s mit mir treffen. Und nachdem die I.S. den Mord an ihrem Assistenten als Selbstmord verkaufte, wol te sie wahrscheinlich, dass ich herausfand, wer es getan hatte. Mir gefiel die Idee, für ein und denselben Job dreimal bezahlt zu werden, also verschob ich mein Treffen mit Mr. Simon Ray auf neutralen Boden und stimmte dann zu, Mrs. Sarong zur selben Zeit zu treffen. Wenn schon sonst nichts, würde ich so zumindest herausfinden, ob sie sich gegenseitig töteten.

Die Spannung in Davids Händen verstärkte sich, als er nach rechts auf den fast verlassenen Parkplatz vor Piscarys einbog. Das zweistöckige Restaurant war bis fünf geschlossen, um dann um die Zeit zu öffnen, wenn Inderlander zu Mittag aßen. Deswegen fand ich, dass es den perfekten neutralen Boden abgab. Kisten hatte kurz nach dem Verlust der Lizenz für gemischtes Publikum - kurz LGP -

die Öffnungszeiten geändert und sich auf ein rein vampirisches Publikum spezialisiert. Die Bar wäre jetzt leer, bis auf Kisten und ein paar Angestel te, die al es vorbereiteten. Und das Ganze an einem Ort stattfinden zu lassen, wo Kisten eingreifen konnte, sol te es nötig werden, war einfach gute Planung.

Nervös kontrol ierte ich, ob ich meine Tasche mit meinen Zaubern und der Splat Gun hatte, mit neuen Gutenachtzaubern im Magazin. David parkte clever in einem weiter entfernten Parkplatz, wo er nicht umdrehen musste, wenn wir wegfuhren. Ohne etwas zu sagen, öffnete er den Kofferraum und stieg aus, während ich noch im Auto saß und mein Handy auf Vibrationsalarm umstel te. Die Fahrt hierher war sehr stil gewesen; Davids Gedanken waren anscheinend bei seinen Freundinnen, egal ob tot oder lebendig.

Ich war nicht unbedingt scharf darauf gewesen, dass er mitkam, aber er hatte ein Auto, und ich traf mich mit den Alphas von Cincys wichtigsten Rudeln. Jenks hatte erklärt, dass David als mein Alpha ein Recht darauf hatte, dabei zu sein, und ich vertraute seinem Urteil. Außerdem hatte er schon mit David gearbeitet. Selbst wenn er abgelenkt war, konnte er besser auf Gewalt reagieren, als man von seinem lässigen Auftreten her meinen sol te.

»Bereit, Jenks?«, flüsterte ich, als David den Kofferraum wieder zuschlug.

»Sobald du deinen lilienweißen Hexenarsch aus dem Auto geschafft hast«, antwortete Jenks sarkastisch.

Ich ignorierte das, warf mein Handy wieder in meine Tasche und stieg aus. Dann ließ ich meine Augen über den Parkplatz gleiten und genoss die kühle Brise vom Fluss, die ein paar meiner Strähnen zum Wehen brachte.

Kistens Boot lag am Kai. Ich hielt mit langsamen Schritten auf den Eingang des Restaurants zu. David schloss zu mir auf, und seine Augen unter seinem braunen Lederhut registrierten al es um uns herum. »Was war im Kofferraum?«, fragte ich. Dann riss ich die Augen auf, als er seinen Mantel öffnete und mir eine riesige Flinte zeigte.

»Ich kenne diese Leute«, sagte er, und sein Gesichtsausdruck verhärtete sich. »Wir wickeln ihre Versicherungen ab.«

O-kay, dachte ich und hoffte, dass ich meine kleine rote Splat Gun nicht ziehen musste. Sie würden sich totlachen.

Zumindest bis der Erste umfiel.

Vor der Tür standen ein mir unbekannter schwarzer Jaguar und ein Hummer, die sicherlich nicht der Belegschaft gehörten. Jemand war vor uns angekommen, trotz meiner Bemühungen, die Erste zu sein und damit den Heimvorteil zu erwerben. Mr. Ray, darauf würde ich wetten, einfach weil ich Mrs. Sarong mehr Klasse zutraute als einen gelben Hummer

- so cool das auch sein mochte.

Ich schaute zurück zu Davids Sportwagen und vermisste kurz die Freiheit, in mein rotes Cabrio zu springen und davonzubrausen. Ich seufzte.

»Was ist los, Rache?«, fragte Jenks, der immer noch erstaunlich stumm auf meiner Schulter saß.

»Ich muss an meinem Image arbeiten«, murmelte ich, zog meine Lederhose hoch und versuchte, mit Davids großen Schritten mitzuhalten. Leder war das Material meiner Wahl, wenn ich einen Auftrag hatte; wenn ich zu Boden ging, wol te ich keine Abschürfungen. Ich trug eine dazu passende Lederkappe mit Harley-Davidson-Logo und meine Vamp-gefertigten Stiefel. Meine schwarze Lederjacke war zu heiß, und auch wenn es mein Outfit versaute, zog ich sie aus und trug nur noch meine Bluse.

David hatte sich in der Arbeit ein paar Tage freigenommen, um sich zu beruhigen, und trug heute Jeans und ein Baumwol hemd statt seines Anzugs.

Der lange Mantel mit dem abgetragenen Hut und sein lockiges schwarzes Haar ließen ihn aussehen wie Van Helsing. Seine Stimmung war nah an einer Depression - die paar Falten in seinem Gesicht waren tief eingegraben.

Obwohl er langsam ging, entsprach ein Schritt von ihm fast eineinhalb von meinen, sodass er ein bisschen wirkte, als würde er schweben. Er war glatt rasiert, und die zusammengekniffenen Augen öffneten sich ein wenig, als wir in den kühlen Schatten der Markise vor dem Restaurant traten.

Vielleicht ist mein Image ja doch in Ordnung. .

Ich streckte die Hand nach dem Türgriff aus und ignorierte die städtische Verordnung, dass dieses Etablissement keine LGP besaß. Es war vor den Geschäftszeiten, und selbst wenn, ich hatte nichts zu befürchten. Mit Kisten war ich ständig hier. Bis jetzt hatte mich niemand belästigt.

Davids gebräunte Hand legte sich über meine. »Eine Alpha öffnet keine Türen«, sagte er, und als ich begriff, dass er vorhatte, das bis aufs Letzte auszuspielen, zog ich meine Hand zurück. Mühelos öffnete er die Tür und hielt sie für mich offen. Im Inneren konnte ich die ruhige Bar sehen.

Der Raum war nur gedämpft erleuchtet, grau und beruhigend. Als ich eintrat, nahm ich meine Sonnenbril e ab und ließ sie in meine Tasche fal en.

»Ms. Morgan!«, rief eine bekannte Stimme in dem Moment, als ich über die Schwel e trat. Es war Steve, Kistens Nummer eins. Er schmiss die Bar, wenn Kisten unterwegs war.

Ich lächelte, als der Bär von einem Mann sich mit einem Arm auf der Bar abstützte, darübersprang und zu mir kam, um mir seine traditionel e Umarmung zu verpassen.

Jenks hob mit einem Aufjaulen ab, aber ich schloss die Augen, als ich Steves Umarmung erwiderte und seinen köstlichen Geruch von Räucherwerk und Vamp-Pheromonen tief in mich einsog. Gott, er roch gut. Fast so gut wie Kisten.

»Hi, Steve«, sagte ich. Als ich ein Kribbeln an meiner Narbe fühlte, brachte ich ein wenig Distanz zwischen ihn und mich.

»Wie sauer ist Kisten, dass ich darum gebeten habe, die Bar für ein paar Stunden benutzen zu dürfen?«

Kistens stel vertretender Manager und Türsteher drückte mich ein letztes Mal und ließ dann los. »Überhaupt nicht«, sagte er mit einem hinterhältigen Glitzern in den Augen. Die Pupil en waren größer, als das Dämmerlicht es rechtfertigte, und das Lächeln mit den blitzenden Zähnen kam wahrscheinlich daher, dass er wusste, dass ich gerne seinen Duft atmete. »Er freut sich schon darauf, dir die Miete für das Hinterzimmer aus dem Kreuz zu leiern.«

»Darauf wette ich«, sagte ich trocken, und meine Hände sanken nach unten. »Ahm, das ist David, mein Alpha«, erklärte ich dann, als ich mich an den Mann neben mir erinnerte. »Und Jenks kennst du.«

David lehnte sich nach vorne und streckte die Hand aus.

»Hue«, erklärte er melancholisch. »David Hue. Schön, Sie kennenzulernen.«

Stevens Blick schoss von ihm zu mir und wieder zurück, in einem wortlosen Kommentar zu Davids depressiver Stimmung. »Es ist mir eine Freude, Sie kennenzulernen, Mr.

Hue«, sagte der Vampir ernst. »Ich hatte gehört, dass Rachel ein Rudel gestartet hat. Sie erlaubt nur außergewöhnlichen Männern, einen Anspruch auf sie zu erheben.«

»Hey!«, rief ich und schlug mit dem Handrücken auf Steves Schulter. Aber Steven fing meine Hand ab, und seine Augen wurden völ ig schwarz, als er meine Finger küsste.

Ich vergaß, wie ich ihn hatte beschimpfen wol en, als die harte Kühle seiner Zähne meine Finger berührte. Ein Schaudern überlief mich, und ich blinzelte. Seine Augen unter den tiefen Brauen waren direkt auf mich gerichtet.

»Hör auf damit«, sagte ich und zog meine Hand weg.

Steve lächelte mich an, als wäre ich seine kleine Schwester, und David tauchte aus seinem Loch auf, um mich anzustarren. »Mr. Ray ist bereits hier«, erklärte der Vamp. »Er ist mit sechs Männern hinten und wartet auf dich.«

Sechs Männer? Warum hat er so viele mitgebracht? Er weiß doch nicht, dass Mrs. Sarong kommt, oder?

»Danke«, sagte ich. Als Steven davonschlenderte, legte ich meine Jacke auf die Bar. »Macht es dir was aus, wenn wir hier warten, bis Mrs. Sarong ankommt?«

»Überhaupt nicht.« Er zog einen Stuhl für mich unter der Bar hervor. »Was kann ich dir und Mr. Hue bringen?« Er warf einen kurzen Blick auf den melancholischen Werwolf. »Ich erzähle es der I.S. nicht, wenn ihr es auch nicht tut.«

David lehnte sich gegen die Bar. Seine braunen Augen waren überal , und er sah aus wie ein Revolverheld frisch aus der Prärie. »Wasser, bitte«, meinte er, ohne sich bewusst zu sein, dass ich ihn beobachtete. Es musste ihn innerlich zerreißen, an dem Tod dieser Frauen beteiligt zu sein, wenn auch nur indirekt.

»Eistee?«, fragte ich, weil mir in meinem Lederoutfit richtig heiß war. Dann bereute ich es sofort. Ich würde mich mit zwei von Cincys mächtigsten Werwölfen treffen und währenddessen an einem Eistee nippen? Gott! Kein Wunder, dass niemand mich ernst nahm.

Ich setzte an, die Bestel ung zu einem Glas Wein zu ändern, einem Bier, irgendwas. . aber Steve war schon weg.

Das Klappern von Pixieflügeln ließ mich einladend die Hand heben, und Jenks landete darauf. Seine Flügel glitzerten. »Die Bar sieht gut aus«, meinte er und schüttelte sich die Ponyfransen aus den Augen. »Keine Zauber außer dem üblichen. Ich würde Mr. Ray belauschen, wenn es für dich in Ordnung ist.«

Ich nickte. »Danke, Jenks. Das wäre tol .«

Jenks berührte salutierend seine rote Kappe. »Du hast's erfasst. Ich komme zurück, wenn du mich brauchst.«

Der Wind seiner Flügel war ein kurzer, kühler Wirbel, und dann war er weg.

Vom anderen Ende der Bar kam Steve auf uns zu, mit zwei Drinks in seinen großen Händen. Er stel te sie vor uns ab und verschwand dann durch die großen, lautlosen Schwingtüren in die Küche.

David umfasste sein Wasserglas mit einer Hand. Ohne zu trinken, beugte er sich darüber und brütete. Aus der Küche war ein murmelndes Gespräch zu hören. Meine Augen glitten durch den kühlen, dämmrigen Raum und registrierten die Veränderungen, die Kisten vorgenommen hatte, seitdem er der einzige Manager war.

Der untere Raum war jetzt eng mit vielen kleinen Tischen gestel t, wo Gäste sich einen schnel en Bissen gönnen konnten statt ein richtiges Essen. . ohne das zweideutig zu meinen. Kurz nachdem Piscary in den Knast gewandert war, hatte die Küche sich von Gourmetessen, wofür Pizza Piscarys eigentlich bekannt war, auf Kneipenessen umgestel t. Aber Pizza gab es immer noch.

Zwischen dem Fuß der breiten Treppe und der Küche stand ein großer runder Tisch. Dort verbrachte Kisten den Großteil seiner Abende, wenn er arbeitete. Von da aus konnte er ein Auge auf al es halten, ohne dass es zu offensichtlich war. Im ersten Stock war jetzt eine Disco, komplett mit DJ-Pult, Discokugel und Lichtinstal ation.

Ich ging da nicht hoch, wenn sie in Stimmung waren; die Pheromone von mehreren Hundert Vampiren würden mich so angenehm und schnel flachlegen wie ein Sechserpack auf Ex.

Gegen al e Erwartungen hatte Kisten den Verlust der LGP

in einen Erfolg verwandelt; Piscarys war die einzige seriöse Kneipe in Cincy, wo ein Vampir sich entspannen konnte, ohne den Erwartungen al er anderen in Bezug auf Zurückhaltung und vampirische Standards gerecht werden zu müssen. Selbst Schatten waren nicht erlaubt. Ich war der einzige Nicht-Vampir, der reindurfte - schließlich hatte ich Piscary besiegt und dann am Leben gelassen -, und ich fühlte mich geehrt, dass sie mir erlaubten, sie so zu sehen, wie sie sein wol ten.

Die lebenden Vampire tanzten mit beängstigender Zügel osigkeit, um zu vergessen, dass es ihnen bestimmt war, ihre Seele zu verlieren, und die Untoten versuchten sich daran zu erinnern, wie es war, eine zu haben. Und umgeben von so einem Erguss von Energie schien es ihnen fast zu gelingen. Jeder, der auf der Suche nach einem schnel en Schuss Blut hier reinkam, wurde wieder nach draußen begleitet. Blut hatte keinen Platz in der Fantasie, nach der sie suchten.

Mein Blick wanderte über die Bilder, die an der Wand direkt unter der Decke hingen, und ich zuckte zusammen, als ich den verschwommenen Schnappschuss von mir, Nick und Ivy auf ihrem Motorrad sah. Er war nicht scharf, aber man konnte trotzdem erkennen, dass auf dem Tank eine Ratte und ein Frettchen standen. Mein Gesicht wurde warm, und ich hob meinen Eistee, um ein bisschen Salz auf meine Serviette zu streuen.

»Ist das ein Zauber?«, fragte David. Als hinter der Küchentür jemand lachte, schossen seine Augen zur Tür.

Ich schüttelte den Kopf. »Es sorgt dafür, dass das Papier nicht am Boden des Glases festklebt und mich noch mehr aussehen lässt wie ein Idiot.«

Der Werwolf hob den Kopf. »Rachel, du trägst Leder und sitzt in einer Vampir-Bar. Du könntest einen pinkfarbenen Drink mit einem Papierschirmchen in der Hand haben und würdest die meisten Leute immer noch tief beeindrucken.«

Ich stieß die Luft aus meinen Lungen. »Yeah, aber Alphas sind nicht die meisten Leute.«

»Das wird schon al es. Du bist die Alpha meines Rudels, erinnerst du dich?« Sein Blick wanderte hinter mich.

»Schönen Nachmittag, Kisten«, sagte er, und ich drehte mich mit einem Lächeln um, weil ich den Geruch von Räucherwerk und Leder erkannte.

»Danke, Mr. Peabody«, sagte der Vampir säuerlich, weil sein Versuch, mich zu überraschen, zerstört worden war.

»Hi, Kist«, sagte ich, schob einen Arm um seine Hüfte und zog ihn zu mir heran. Er trug dunkle Hosen und ein rotes Seidenhemd - seine üblichen Klamotten. »Danke, dass ich mir deinen Club leihen darf«, fügte ich hinzu und zog ihn anzüglich noch näher. Verdammt, ich hätte diesen Freitag wirklich ein wenig Zeit al ein mit ihm brauchen können. Die Erinnerung an Ivys Kuss flatterte durch meine Gedanken und verschwand wieder.

Seine Pupil en schwol en an, und mein Puls beschleunigte sich trotz meines Versuches, es nicht zuzulassen. Ein Lächeln glitt über sein Gesicht, und sein Blick wurde eindringlicher.

»Du kannst dir jederzeit das Hinterzimmer leihen«, sagte er, und seine Hand fand mit angenehmer Vertrautheit meine Tail e, bevor er sich für einen kurzen Kuss vorlehnte.

Er zielte auf meine Lippen, aber wegen Davids Gegenwart drehte ich den Kopf, sodass er stattdessen meinen Mundwinkel erwischte. Sein genervtes Brummein jagte einen unerwarteten Schauder von Begehren durch mich. Er war nicht wirklich sauer - eher amüsiert -, und ich fragte mich, ob es wohl richtigen Spaß bedeuten würde, mich für einen Abend zu zieren. Oder ob es zu einer tödlichen Bedrohung werden konnte.

»Ich. . ahm, es tut mir leid, dass ich unser Date verschieben muss«, sagte ich, als er sich wieder zurücklehnte, atemlos, weil er einen Moment zu lange so nah gewesen war. »Lass mich wissen, wenn du einen anderen Abend freihast, und ich verlege die Reservierung.«

David musterte Kisten von oben bis unten, nahm dann seinen Drink und schlenderte davon, um sich die Bilder anzusehen. Kisten starrte mit seinen blauen Augen an die Decke und fuhr sich mit einer Hand durch die Haare, was sie attraktiv zerzauste.

»Oh«, neckte er und lehnte sich so gegen die Bar, dass er gleichzeitig verführerisch und völ ig kontrol iert aussah.

»Meine Hexe hat genug Einfluss, um wann immer sie wil , einen Tisch im Tower reserviert zu bekommen.« Er führte eine Hand an die Brust. »Mein männlicher Stolz ist verletzt.

Ich musste meinen schon vor drei Monaten reservieren.«

»Es bin nicht ich«, erklärte ich und schlug ihn leicht auf die Schulter. »Trent ist es. Das war Teil der Abmachung, damit ich auf seiner Hochzeit arbeite.«

»Macht keinen Unterschied«, erklärte er. »Wichtig ist, dass es passiert, und es ist passiert - für dich.«

Weil ich nicht wusste, was ich sagen sol te, trank ich einen Schluck von meinem Tee. Das schmelzende Eis kippte, und fast hätte ich es auf dem Schoß gehabt. »Es tut mir wirklich leid«, sagte ich wieder und schüttelte das Glas, um das Eis zu bewegen. »Ich hätte Trent nicht zugesagt, aber er hat mit genügend Geld vor mir herumgewedelt, um die Kirche frisch weihen zu lassen.« Mein Blick wurde abwesend, als ich mich fragte, ob ich ihm von meiner Begegnung mit Ivy heute Morgen erzählen sol te. Dann entschied ich mich dagegen.

Viel eicht später, wenn wir mehr Zeit hatten.

Kisten beugte sich vor, um hinter die Bar zu greifen. Als mir aufging, dass ich ihn gierig anstarrte, riss ich meinen Blick von seinem knackigen Hintern und richtete ihn wieder auf mein Glas. Dreck, der Mann wusste wirklich, wie man sich lecker verpackte.

»Vergiss es«, sagte er, als er sich mit einer Schale Mandeln in der Hand auf den Stuhl neben mir setzte. »Irgendwann werde ich dir auch mal absagen müssen, weil ein Geschäftstermin ansteht, und dann. .« Er warf sich eine Mandel in den Mund und kaute darauf herum, ». .musst du es würdevol akzeptieren und keine spastische Freundin sein.«

»Spastische Freundin?«, schnaubte ich, als mir klar wurde, dass seine Toleranz aus Selbstschutz resultierte und nicht aus Verständnis. Leicht genervt rutschte ich auf meinem Stuhl hin und her.

Mit einer leichten Schulterbewegung, als hätte er etwas beschlossen, legte Kisten eine Hand auf mein Knie, um meine Bewegungen zu stoppen. »Wil st du heute Abend zum Essen vorbeikommen?«, fragte er. Als er sich näher zu mir lehnte, berührten seine Haare meine. »Ich muss heute arbeiten, aber Steve kann al es regeln, und wir können auf dem Boot essen. Keiner wird uns stören, außer es geht um Blut.«

Seine Schulter berührte meine, und seine Hand war über meine Schultern gewandert und spielte jetzt mit den Haaren über meinem linken Ohr. Mein Puls wurde schnel er, und ich konnte mich kaum daran erinnern, weswegen ich genervt war. Seine Hand glitt tiefer, und sein Atem befächelte meinen Hals. Die Narbe war nicht mehr zu sehen - versteckt unter meiner perfekten Haut -, aber der Vampirspeichel, den der Dämon in mich gepumpt hatte, war noch da.

»Ich sterbe fast dafür, dir etwas Bestimmtes zum Geburtstag zu schenken«, sagte er mit leiser, bestimmter Stimme. »Wenn ich dich am Freitag nicht sehen kann, wil ich es dir . .jetzt. . geben.«

Das war fast eine Forderung, und ich erschauderte bei der Anspannung, die mich durchschoss. Ich richtete mich auf, leckte mir über die Lippen und drehte mich so, dass ich meinen Kopf an seinen legen konnte. Ich konnte nicht anders, als an Ivys Kuss zu denken, nur um den Gedanken dann sofort wegzudrängen. »Gott, das fühlt sich gut an«, flüsterte ich.

»Mmmmm.« Kistens Berührungen an meinem Hals wurden zu einer Massage, die mehr versprach als nur ein Abendessen. Mein Atem ging schnel er, und ich sog absichtlich seinen Geruch in mich auf. Es war mir egal, ob er bewusst Pheromone ausstieß, um mich dazu zu bringen, mich verletzlicher zu machen. Es fühlte sich verdammt noch mal zu gut an, und ich vertraute ihm, dass er meine Haut nicht durchstoßen würde, wenn wir seinen Drang nach Blut durch Sex ersetzten.

Meine Fingerspitzen spielten mit den Haaren an seinem Nacken, ich entspannte die Schultern, und mein Bauch verkrampfte sich in Vorfreude. Meine unspezifische Narbe war gleichzeitig Vergnügen und Ärgernis - sie machte mich empfänglich gegenüber jedem Vampir, der wusste, wie man sie stimulierte, aber wenn ich in den Händen eines Experten war, sorgte sie für unglaublich intensive Schlafzim-merspielchen. Und Kisten kannte sie al e.

Völ ig verloren machte ich Anstalten, mein linkes Bein über seines zu schwingen, um ihn näher zu ziehen. Dann erstarrte ich, weil ich mich daran erinnerte, wo ich war. Ich sammelte meinen Wil en und zog mich von ihm zurück. Kisten lachte leise. In seinem Blick stand Begehren.

»Verdammt noch mal, schau dir an, was du mit mir gemacht hast«, sagte ich. Mein Gesicht war warm. »Musst du nicht viel eicht Servietten falten oder irgendwas?«

Sein Lächeln war arrogant, als er sich zurücklehnte und noch eine Mandel aß. Meine Aufregung vertiefte sich, als er kurz mit einem irritierenden, männlich-befriedigten Gesichtsausdruck zu David schaute. Dann hatte er es eben geschafft, mich heiß zu machen und aus dem Konzept zu bringen. Das war nicht schwer, wenn man die Knöpfe kannte, und mein Dämonenbiss war ein großer Knopf - leicht zu treffen und schwer zu verfehlen. Und außerdem liebte ich ihn. »Ich sehe dich also heute Abend?«, fragte er unverschämterweise.

»Ja«, blaffte ich, freute mich aber schon darauf, auch wenn es mir peinlich war, dass David die ganze Episode beobachtet hatte. Okay, ich war eine Hexe mit Vampir-Freund. Was dachte er, dass wir auf unseren Dates machten?

Fang den Hut spielen?

Das Summen von Jenks' Flügeln erregte meine Aufmerksamkeit, und der Pixie landete auf der Dessertkarte.

»Was ist los, Rache?«, fragte er mit besorgtem Gesicht. »Du bist ganz rot.«

»Nichts.« Ich nippte an meinem Tee, und das Eis rutschte wieder durchs Glas und stieß gegen meine Nase. »Wil st du ein bisschen Zuckerwasser oder Erdnussbutter?«, fragte ich, als ich es wieder abstel te.

Kisten rutschte unauffäl ig ein wenig weiter von mir weg.

Jenks' Flügel summten lauter. »Bist du sicher, dass du in Ordnung bist? Du wirst nicht krank, oder? Du bist heiß, als hättest du Fieber. Lass mich deine Stirn fühlen«, sagte er und hob ab.

»Mir geht es gut«, sagte ich und wedelte ihn weg. »Das kommt von dem ganzen Leder. Was tut Mr. Ray?«

Jenks sah Kisten über seinen Mandeln grinsen, und dann bemerkte er meine Hand an der Narbe. Der Pixie schaute zu David, der mit dem Rücken zu uns stand. »Oh!«, sang Jenks lachend. »Kisten hat dich heiß gemacht? Du hast ihm davon erzählt, dass Ivy dich geküsst hat, und daraufhin musste er sich beweisen?«

»Jenks!«, schrie ich. Kisten zuckte zusammen, und sein Gesicht wurde weiß. Am anderen Ende der Bar grunzte David und drehte sich so, dass er mich fragend anschauen konnte.

»Ivy hat dich geküsst?«, fragte Kisten, und ich wäre am liebsten gestorben.

»Schau, es war keine große Sache«, wiegelte ich ab und warf währenddessen böse Blicke zu Jenks, der mich jetzt anstarrte, als ob er mich für verrückt hielt. »Sie hat versucht mir zu beweisen, dass ich sie nicht kontrol ieren könnte, wenn sie sich in ihrem Blutdurst verliert, und die Dinge sind außer Kontrol e geraten. Können wir bitte über etwas anderes reden?« Jenks verlor Pixiestaub, der eine Pfütze auf der Bar bildete. »Jenks, was tut Mr. Ray?«, fragte ich wieder und schnippte eine Mandel in seine Richtung. Verdammt noch mal, ich habe gerade einfach keine Zeit für das hier.

Jenks blieb genau da, wo er war, als hätte ihn jemand in der Luft festgenagelt. Die Nuss flog über seinen Kopf und fiel klappernd hinter der Bar zu Boden. »Meckern«, sagte er mit einem fiesen Grinsen. »Er ist seit zwanzig Minuten da. Und lass dich nicht von ihr in die Irre führen, Kisten. Sie denkt schon den ganzen Nachmittag über diesen Kuss nach.«

Ich versuchte ihn zu erwischen, verfehlte ihn aber, weil er nach hinten schoss. »Ich war einfach überrascht.« Ich schaute aus den Augenwinkeln zu Kisten und sah, dass er versuchte, seine Sorge zu verstecken. Hinter ihm runzelte David die Stirn und drehte sich wieder weg. Ich erinnerte mich daran, warum ich hier war, griff mir Kistens Handgelenk und drehte es so, dass ich auf die Uhr schauen konnte. »Ich wil mit Mrs.

Sarong reingehen, da ja keiner der beiden weiß, dass der andere hier sein wird. Wo bleibt sie überhaupt? Sie sol te eigentlich schon da sein.«

Am Ende der Bar richtete David seine Aufmerksamkeit auf die Tür und rückte seinen Mantel zurecht. Auch Kisten setzte sich aufrecht. »Wenn man vom Teufel spricht«, meinte er.

»Mindestens drei Autos, den Geräuschen nach.«

Mit langsamen Schritten, die trotzdem die Entfernung unheimlich schnel überbrückten, kam David zurück, und ich fühlte einen Stich von Angst. Dreck, ich hatte Mrs. Sarongs Basebal feld verzaubert, um sie davon zu überzeugen, mich zu bezahlen, nachdem ich in dem Glauben, es wäre ihrer, Mr.

Rays Fisch geklaut hatte. Ja, sie hatte um das Treffen gebeten, und auch wenn es wahrscheinlich war, dass sie mit mir über ihren ermordeten Assistenten reden wol te, gab es immer noch die Möglichkeit, dass es immer noch um den Fisch ging. Und das machte mich nervös.

»Ich bin in der Küche und falte Servietten«, sagte Kisten leise. Seine Hand glitt über meine Schulter, als er aufstand und ging.

Vor meinem inneren Auge stand sein Gesicht, als Jenks ihm gesagt hatte, dass Ivy mich geküsst hatte. »Ich bin ein Feigling«, sagte ich leise zu Jenks, als er auf meinem Ohrring landete.

»Nein, bist du nicht«, setzte er an. »Es ist nur. .«

»Doch, bin ich schon«, unterbrach ich ihn, als ich aufstand und sicherstel te, dass ich kein Eis an meinen Hosen kleben hatte. »Ich habe einen Ort ausgesucht, an dem ich sicher sein kann, dass mir jemand den Arsch rettet, wenn ich zu tief sinke.«

David räusperte sich, und ich war dankbar, dass er deswegen offensichtlich nicht weniger von mir hielt. Aus welchem Grund auch immer. »Das ist nicht feige«, sagte er, als sich die Eingangstür öffnete. »Das ist taktische Planung.«

Ich sagte nichts. Nervös zwang ich mein Gesicht in eine selbstbewusste Miene, als vor dem Licht von draußen die Silhouetten von acht Leuten auftauchten. Zuerst kam Mrs.

Sarong, mit einer jungen Frau hinter sich. Viel eicht ihre neue Assistentin? Hinter ihr glitten fünf Männer in identischen Anzügen in den Raum und bildeten einen schützenden Halbkreis. Mrs. Sarong ignorierte sie.

Die kleine Frau lächelte mit geschlossenen Lippen, zog ihre Handschuhe aus und gab sie ihrer Assistentin. Ohne den Blick von mir zu wenden, griff sie nach oben und nahm ihren weißen Hut ab, den sie zusammen mit ihrer weißen Handtasche ebenfal s der Frau gab.

Mit klappernden Absätzen kam sie dann über den Holzfußboden auf mich zu. Sie trug einen geschmackvol en weißen Anzug, der geschäftsmäßig aussah, ohne deswegen die Kurven ihres kleinen, aber gut gebauten Körpers zu verbergen. Ihre Füße waren winzig. Sie war ungefähr Mitte fünfzig, aber sie achtete offensichtlich auf sich und wirkte fit und aufmerksam. Sie trug ihr blondes Haar mit den einzelnen grauen Strähnen kurz und aus dem Gesicht gebürstet, aber das unterstrich nur ihr professionel es Auftreten. Um ihren Hals trug sie eine einreihige Perlenkette, und an der Hand einen Diamantenring, der genug funkelte, um damit eine Disco zu beleuchten.

»Ms. Morgan«, sagte sie, als sie näher kam. Der Fächer ihres Anhangs hinter ihr ließ mich wachsam bleiben. »Es ist schön, Sie wiederzusehen. Aber ehrlich, meine Liebe, wir hätten uns in meinem Büro oder viel eicht im Carew Tower treffen können, wenn Sie neutralen Boden bevorzugen.« Sie ließ ihre Augen kurz durch den Raum gleiten und rümpfte die Nase. »Auch wenn das hier einen gewissen rustikalen Charme hat.«

Ich ging nicht davon aus, dass sie das als Beleidigung meinte, also fasste ich es auch nicht so auf. Mit David neben mir und Jenks auf meiner Schulter trat ich einen Schritt vor, um ihre Hand zu schütteln. Das letzte Mal, als wir uns getroffen hatten, war mein Arm in einer Schlinge gewesen.

Ich nahm ihre Hand und war erfreut zu spüren, dass ihr Händedruck fest und ehrlich war.

»Mrs. Sarong«, sagte ich und fühlte mich in meinen Lederklamotten riesig und plump, da ich fast zwanzig Zentimeter größer war als sie. »Ich möchte Ihnen David Hue vorstel en, meinen Alpha.«

Ihr Lächeln wurde breiter. »Ein Vergnügen«, sagte sie und nickte David zu, der das Nicken erwiderte. »Eine Hexe zu nehmen, um ein Rudel zu starten?« Sie zog die Augenbrauen hoch und ihre von ihrem Alter völ ig unberührten Augen glitzerten. »Wundervol e Art, mit den Regeln zu spielen, Mr.

Hue. Seitdem habe ich diese speziel e Lücke in meinem Arbeitnehmerhandbuch geschlossen, aber trotzdem wundervol .«

»Danke Ihnen«, sagte er würdevol und trat dann einen Schritt zurück, um sich aus dem Gespräch auszuklinken, wenn auch nicht aus dem Treffen.

Mrs. Sarong hielt ihre Hand in Richtung der Assistentin und die Frau ergriff sie und erlaubte, dass sie nach vorne gezogen wurde. »Das ist meine Tochter, Patricia«, erklärte die ältere Frau und überraschte mich damit. »Nach dem unglückseligen Tod meines Assistenten wird sie mich für das nächste Jahr begleiten, um einen besseren Einblick in das zu bekommen, womit ich es täglich zu tun habe.«

Ich hob die Augenbrauen und versuchte, meine Überraschung zu verstecken. Assistentin? Die junge Frau vor mir war nicht Mrs. Sarongs Assistentin, sondern ihre verdammte Erbin. »Es ist mir ein ehrliches Vergnügen«, sagte ich ernsthaft und schüttelte ihre Hand.

»Ebenso«, sagte sie nachdrücklich, und ihre braunen Augen verrieten ihre Intel igenz. Ihre Stimme war hoch, aber bestimmt, und sie war mit genauso viel Klasse gekleidet wie ihre Mutter, wenn sie auch um einiges mehr nackte Haut zeigte. Jetzt, wo ich von der Verwandtschaft wusste, war die Ähnlichkeit offensichtlich. Aber wo Mrs. Sarong attraktiv alterte, war ihre Tochter Patricia einfach nur schön. Ihr langes schwarzes Haar umrahmte sanft ihr Gesicht und ihre kleinen, feingliedrigen Hände besaßen trotzdem eine harte Stärke.

Statt Perlen trug sie eine Goldkette, an der ein einfacher Anhänger mit einem braunen Stein hing. Ihr Rudeltattoo -

eine Efeupflanze, die sich um Stacheldraht rankte - wand sich um ihren Fußknöchel.

Mühsam zog ich David wieder nach vorne. »Das ist David«, erklärte ich und konnte selbst fast mein unausgesprochenes

>Er ist Single< hören.

David zögerte kurz, aber schüttelte dann mit einem verzagten Lächeln, das ihn noch zehnmal attraktiver wirken ließ, ihre Hand. »Hal o, Ms. Sarong«, sagte er. »Es ist mir ein Vergnügen, Sie kennenzulernen.«

Mrs. Sarong schaute mich an, und in ihrem Gesicht stand Verwunderung über meine Dreistigkeit.

»Möchten Sie etwas trinken?«, fragte ich und konnte mich des Gefühls nicht erwehren, dass meine eingerosteten Gastgeberfähigkeiten an diesem Nachmittag mal wieder geübt werden würden, wo ich es mit einer Frau zu tun hatte, die so offensichtlich mit Etikette und Umgangsformen erzogen worden war. Und was zur Höl e habe ich mir dabei gedacht, David ihrer Tochter vorzustellen, als wäre er auf dem Markt? Ich presste die Lippen zusammen, als Jenks auf meinem Ohrring kicherte. »Wir können in ein abgetrenntes Zimmer gehen«, fügte ich hinzu. Ich war mir nicht sicher, ob es einfacher wäre, sie zu Mr. Ray zu bringen oder ihn hier rauszuholen, aber sie unterbrach mich mit einer Handbewegung.

»Nein«, sagte sie einfach, und ihre geschäftsmäßige Haltung kehrte zurück. »Was ich wil , wird nur einen Moment dauern.« Sie schaute demonstrativ zu ihrer Tochter und die junge Frau bedeutete den Männern, sich zurückzuziehen, bis sie außer Hörweite waren. Sie gingen, unwil ig aber gehorsam, aber als Mrs. Sarongs Blick auf David fiel, schaute ich einfach nur auf ihre Tochter neben ihr.

»Gut«, sagte die ältere Frau im Ton eines Zugeständnisses.

»Ich wil einfach nur ihre Dienste in Anspruch nehmen.«

Das hatte ich erwartet und nickte. Aber ein Anfal von Moral brachte mich dazu, zu sagen: »Ich arbeite bereits mit dem FIB zusammen, um herauszufinden, wer Ihren Assistenten getötet hat.« Ich machte eine Geste, um sie aufzufordern, sich an einen der kleinen Tische zu setzen. »Es gibt keinen Grund, mich ebenfal s anzuheuern.«

Sie nahm elegant Platz, und ich setzte mich auf den Stuhl ihr gegenüber. David und Patricia blieben stehen.

»Fantastisch«, sagte Mrs. Sarong und bemühte sich offensichtlich darum, den Tisch nicht zu berühren. »Aber ich möchte Ihre anderen Dienste in Anspruch nehmen.«

Verwirrt starrte ich sie an.

»Ihren älteren Beruf, Liebes«, fügte sie hinzu.

Von meiner Schulter erklang ein fröhliches Pixielachen, und ich riss die Augen auf.

»Mrs. Sarong. .«, stammelte ich und konnte fühlen, wie ich rot wurde.

»Oh, bei Zerberus«, sagte die Frau verzweifelt. »Ich wil , dass sie Mr. Ray dafür umbringen, dass er meinen Assistenten ermordet hat. Und ich bin bereit, Sie großzügig zu bezahlen.«

Als ich es endlich kapierte, war ich schockiert. »Ich töte keine Leute«, protestierte ich. Ich versuchte, meine Stimme leise zu halten, aber in einer Bar vol er Vampire und Werwölfe hatte mich wahrscheinlich trotzdem noch jemand gehört. »Ich bin Kopfgeldjägerin, kein Kil er.« Hat sie von Peter gehört?

Mrs. Sarong tätschelte meine Hand. »Es ist okay, Liebes.

Ich verstehe. Sol en wir sagen, fünfundsiebzigtausend?

Setzen Sie einfach beim nächsten Spiel die angemessene Summe und lassen Sie es mich wissen. Dann übernehme ich.«

Fünfundsiebzig. . Ich bekam keine Luft. »Sie verstehen nicht«, erklärte ich und fing an zu schwitzen. »Ich kann nicht.« Was, wenn David das herausfindet? Peters Tod war ein Versicherungsbetrug.

Die Frau kniff die Augen zusammen und schürzte die Lippen, während ihr Blick zu ihrer Tochter wanderte.

»Hat Simon Ray Sie bereits angeworben?«, fragte sie ungestüm. »Dann eben hunderttausend. Verdammt, er ist ein Bastard.«

Ich schaute zu David, aber er schien ebenso schockiert zu sein wie ich. »Sie verstehen mich falsch«, stammelte ich.

»Was ich meinte ist, solche Sachen mache ich nicht.«

»Und trotzdem«, sagte sie und betonte jede einzelne Silbe,

»haben Leute, die Ihnen in die Quere kommen, die Angewohnheit zu sterben.«

»Haben sie nicht«, protestierte ich und lehnte mich zurück, bis ich an die Stuhl ehne stieß.

»Francis Percy?«, fing sie an und zählte die Namen an ihren Fingern ab. »Stanley Saladan? Diese Maus von einem Mann. . äh, Nicholas Sparagmos, glaube ich?«

Ihre ausgestreckten Finger schlossen sich elegant, und Besorgnis machte sich in mir breit. »Ich habe Francis nicht getötet«, sagte ich. »Das hat er ganz al ein geschafft. Und Lee wurde von einem Dämon verschleppt, den er angerufen hatte. Nick ist von einer Brücke gefal en.«

Mrs. Sarongs Lächeln wurde breiter, und sie tätschelte wieder meine Hand. »Den Letzten haben Sie wirklich gut hingekriegt«, lobte sie und warf wieder einen kurzen Blick zu ihrer Tochter. »Einen alten Exfreund übrig zu lassen, der dann neue Beziehungen verkompliziert, bringt nur Ärger.«

Für einen Moment konnte ich nur starren. Sie wol te, dass ich Simon Ray tötete? »Ich habe sie nicht getötet«, protestierte ich. »Wirklich.«

»Aber sie sind trotzdem tot.« Mrs. Sarong schenkte mir ein perfektes Lächeln, als hätte ich einen tol en Trick aufgeführt.

Dann richtete sie sich plötzlich auf, und die ruhige Kameradschaft, die gerade noch ihr Gesicht bestimmt hatte, machte einem fragenden Ausdruck Platz. Die Haare in meinem Nacken stel ten sich auf, und ich beobachtete, wie sie tief Luft holte. »Simon!«, bel te sie dann und stand auf.

Ich zuckte zusammen, als ihr Anhang in Aktion ging und genau auf uns zuhielt. Sie wusste es. Sie wusste, dass Mr. Ray hier war.

»Rache!«, kreischte Jenks und hob in einem glitzernden Regen von Pixiestaub von meinem Ohrring ab. Ich ließ mich zu David zurückfal en, aber Mrs. Sarongs Rudel hatte es nicht auf mich abgesehen.

Ein Schrei, gefolgt von einem unterdrückten Knal , klang durch die Luft. Kisten kam aus der Küche, und seine Bewegungen hatten diese unheimliche Schnel igkeit eines Vampirs. Er hielt auf das Hinterzimmer zu, aber bevor er es erreicht hatte, stürmte Mr. Ray in den Raum.

Super, dachte ich, als seine Schläger sich hinter ihm mit gezogenen Waffen in den Raum ergossen. Einfach nur super.

18

»Du aufgeblasene kleine Hündin!«, schrie der wütende Wer-wolf mit rotem Gesicht. »Was tust du hier?«

Mrs. Sarong schob sich an den Männern vorbei, die sich vor sie gestel t hatten. »Ich arrangiere deinen Abtransport«, sagte sie mit scharfer Stimme und blitzenden Augen.

Abtransport? Als ob er ein gefäl ter Baum wäre, der aus dem Weg geschafft werden musste?

Der kleine Geschäftsmann schien an seinem eigenen Atem zu ersticken, völ ig cholerisch. Sein Mund öffnete und schloss sich wie bei einem Fisch, als er darum kämpfte, eine Antwort zu finden. »Den Teufel tust du!«, gelang es ihm schließlich.

»Darüber wol te ich mit ihr reden!«

Von meiner Schulter ertönte leise: »Heilige Scheiße, Rache.

Wie bist du zu Cincys Auftragskil er Nummer eins geworden?«

Ich starrte die zwei Rudel an, die nur von kleinen runden Tischen getrennt wurden. Mr. Ray wil mich dafür bezahlen, Mrs. Sarong auszuschalten?

Das Klicken von Waffen, die entsichert wurden, riss mich aus meinem Schockzustand.

»Ab durch die Mitte, Jenks!«, schrie ich, trat einen Tisch um und stel te mich dorthin, wo das Möbel gerade noch gestanden hatte.

Jenks verließ mich in einem blendenden Ausbruch goldenen Glitzerns. Ich roch einen Hauch Moschus, und plötzlich stand David in meinem Rücken. Die riesige Flinte in seinen Händen ließ ihn aussehen wie einen Revolverhelden auf Rachefeldzug. Kisten sprang nach vorne. Seine blonden Haare wehten, als er zwischen die zwei Rudel trat. Seine Arme waren beruhigend erhoben, aber sein Gesicht war hart.

Der Luftdruck veränderte sich, und plötzlich war auch Steve da.

Al e erstarrten. Mein Puls raste, und meine Knie wurden weich. Das ähnelte einfach zu sehr dem Abend, als Piscary Ivy blutvergewaltigt hatte und ich hier reingestürmt war, um ihn zu suchen. Mit dem Unterschied, dass es dieses Mal jede Menge gezogene Waffen gab.

Schwitzend beobachtete ich, wie Kisten die Anspannung von seinem Gesicht und aus seiner Haltung verdrängte, bis er locker dastand und oberflächlich ganz der selbstbewusste Manager war. »Mir ist es schnurz, ob einer von euch den anderen tötet«, erklärte er mit gut hörbarer Stimme. »Aber ihr werdet es auf dem Parkplatz tun, nicht in meiner Bar, wie jeder andere auch.«

David drückte sich gegen meinen Rücken. Mit seiner beruhigenden Wärme hinter mir holte ich tief Luft.

»Niemand wird irgendjemanden töten«, sagte ich. »Ich habe Sie hierher bestel t, und Sie werden sich al e hinsetzen, damit wir das regeln können wie Inderlander, und nicht wie Tiere.

Kapiert?«

Mr. Ray trat einen Schritt nach vorne und zeigte dabei mit dem Finger auf Mrs. Sarong. »Ich werde. .«

Angst durchschoss mich. »Ich habe gesagt, Schnauze!«, brül te ich. »Was ist nur mit Ihnen los?« Meine Tasche hing schwer auf meiner Schulter, und auch wenn ich meine Splat Gun jederzeit rausholen konnte, ich wusste nicht, auf wen ich zielen sol te. Und eine Kraftlinie anzuzapfen, um einen Schutzkreis zu errichten, würde sie viel eicht nur austicken lassen. Niemand schoss - daraus konnte ich was machen.

»Ich werde Mrs. Sarong nicht töten«, erklärte ich Mr. Ray.

Links neben mir versteifte sich Mrs. Sarong, aber sie wirkte sauer, nicht ängstlich.

»Und ich werde auch nicht für Sie Mr. Ray ausschalten.«

Mr. Ray schnaubte und wischte sich mit einem weißen Taschentuch über die Stirn. »Ich brauche Ihre Hilfe nicht, um die jaulende Hündin fertigzumachen«, sagte er, und die Männer um ihn herum spannten ihre Muskeln an, als wol ten sie jeden Moment losstürmen.

Das machte mich sauer. Das war verdammt noch mal meine Party! Hörten sie nicht zu?

»Hey! Hey!«, schrie ich. »Entschuldigen Sie, aber ich bin diejenige, die Sie beide anheuern wol ten, um den anderen zu töten. Ich schlage vor«, sagte ich sarkastisch, »dass wir uns an den großen Tisch da drüben setzen, nur Sie, Sie und ich.« Ich schaute auf die immer noch gezogenen Waffen.

»Al ein.«

Mrs. Sarong nickte zustimmend, aber Mr. Ray verzog höhnisch das Gesicht.

»Sie können al es auch vor meinem Rudel sagen«, erklärte er kampfeslustig.

»Prima.« Ich trat von David weg, und er nahm seine Waffe runter. »Dann rede ich mit Mrs. Sarong.«

Die gefasste Frau lächelte dem wütenden Mann gehässig zu und drehte sich zur Seite, um ihrer Tochter etwas zu sagen. Sie war genauso rasend wie Mr. Ray, aber dadurch, dass sie ruhig blieb, statt darauf zu bestehen, dass al es nach ihrem Wil en ging, wirkte sie kontrol ierter. Fasziniert speicherte ich dieses Stück Weisheit für ein anderes Mal ab.

Fal s es noch ein anderes Mal geben sol te.

»Hast du al es im Griff?«, murmelte ich David zu.

Ich konnte den Moschus riechen, der von ihm aufstieg, dicht und berauschend von der Anspannung. Die Depression war verschwunden und hatte nur einen tüchtig aussehenden Mann zurückgelassen, der eine Flinte hielt, mit der man ein Loch in einen Elefanten schießen konnte. Es war ein Vampirkil er - das würde auch bei Werwölfen funktionieren.

»Kein Problem, Rachel«, sagte er, und seine Augen beobachteten al es außer mir. »Ich halte sie genau da, wo sie jetzt sind.«

»Danke.« Ich berührte ihn leicht am Oberarm und sein Blick schoss kurz zu mir. Dann trat er mit wehendem Mantel einen Schritt zurück.

Ich atmete langsam aus. Mein Puls verlangsamte sich, als ich zwischen die zwei Werwolfgruppen und ihre Waffen trat, um zu dem Tisch am Fuß der Treppe zu gehen. Kisten stand immer noch in der Mitte des Raums, und als ich an ihm vorbeiging, wurde er in mein Kielwasser gezogen. Die Härchen an meinem Nacken prickelten, aber das war von den Werwölfen, nicht von ihm.

»Ich habe das hier unter Kontrol e«, sagte ich leise.

»Warum gehst du nicht noch ein paar Servietten falten?«

»Das sehe ich«, erklärte er und lächelte trotz der Anspannung, die ich in seiner Stimme hören konnte. Jenks gesel te sich von der Decke zu uns, und unter den prüfenden Blicken der beiden rieb ich mir mit den Fingerspitzen die Stirn. Dreck, ich bekam Kopfweh. Das lief nicht so, wie ich es geplant hatte, aber woher hätte ich wissen sol en, dass sich mich beide anheuern wol ten, um den anderen zu töten?

»Ich finde, sie schlägt sich tol «, meinte Jenks. »In diesem Raum sind achtzehn Waffen, und noch ist nicht eine davon losgegangen. Neunzehn, wenn man die in Patricias Schenkelhalfter mitzählt.«

Erschöpft warf ich einen Blick zu der schmalen Werwölfin.

Yeah, mit dem Schlitz im Rock würde das wirklich gut funktionieren.

Kisten berührte meinen El bogen. »Ich kann den Raum nicht verlassen«, sagte er, und seine Pupil en waren fast vol ständig erweitert. »Aber das ist deine Show. Wo wil st du Steve und mich?«

Erleichtert bemerkte ich, dass Mr. Ray gegenüber von Mrs.

Sarong saß - mit gut einem Meter fünfzig zwischen ihnen.

»Die Tür«, bat ich. »Einer von ihnen hat wahrscheinlich Verstärkung gerufen, und ich wil nicht, dass das ein Bevölkerungswettbewerb wird.«

»Verstanden«, sagte er und glitt mit einem leisen Lächeln davon. Er sprach mit Steve, und der große Vampir ging auf den Parkplatz hinaus. In seiner breiten Hand hielt er ein Handy, über dessen Tasten seine Finger eifrig hin und her huschten.

Befriedigt hielt ich auf den Tisch zu. Neunzehn Waffen?, dachte ich, und mein Magen verkrampfte sich. Nett.

Viel eicht sol te ich mich in einem Schutzkreis einschließen und einfach nur »Feuer« rufen, um denjenigen, der nach fünf Minuten noch stand, zum Sieger zu erklären.

»Jenks«, sagte ich, als ich näher zum Tisch kam, »bleibst du bitte zurück? Austausch wie im Einsatz? Es sol en nur sie und ich sein, ohne Begleitung.«

Immer noch schwebend stemmte er die Hände in die Hüften. Sein ebenmäßiges Gesicht war verzogen, was ihn älter aussehen ließ, als er war. »Niemand zählt Pixies als Leute«, protestierte er.

Ich sah ihm direkt in die Augen. »Ich schon, und es wäre nicht fair.«

Seine Flügel blitzten in erfreuter Verlegenheit auf, und er verlor ein wenig Pixiestaub. Mit einem Nicken und klappernden Libel enflügeln schoss er davon.

Al ein setzte ich mich auf den Stuhl, der mit dem Rücken zur Küchentür stand, sicher, dass niemand von dort kommen würde. Nicht mit Steve draußen. Ich konnte den ruhenden Pizzateig riechen, und Tomaten. Pizza klang wirklich tol für heute Abend.

Ich schob den Gedanken weg, machte es mir bequem und öffnete meine Tasche, die ich auf meinen Schoß gestel t hatte. Die Schwere meiner Splat Gun war beruhigend, und ich versuchte, nicht über die Waffen nachzudenken, die Mr.

Ray und Mrs. Sarong wahrscheinlich am Körper trugen.

»Zuerst«, sagte ich und zitterte innerlich vor Adrenalin,

»möchte ich Ihnen beiden mein Beileid zum Verlust ihrer Rudelmitglieder aussprechen.«

Zu meiner Rechten zeigte Mr. Ray unhöflich mit dem Finger auf Mrs. Sarong. »Ich werde nicht zulassen, dass du mein Rudel belästigst«, erklärte er mit zitternden Wangen.

»Der Tod meiner Sekretärin war eine eindeutige Kriegserklärung. Ein Krieg, den ich bis zum Ende führen werde.«

Mrs. Sarong rümpfte die Nase und schaute ihn dann von oben herab an. »Meinen Assistenten zu ermorden, war inakzeptabel. Ich werde nicht so tun, als wärst du das nicht gewesen.«

Gott. Sie fingen wieder an! »Hören Sie beide damit auf!«, rief ich.

Mr. Ray ignorierte mich und lehnte sich über den Tisch zu Mrs. Sarong. »Du hast nicht den Mumm, mich von dem fernzuhalten, was von Rechts wegen mir gehört. Wir werden die Statue finden, und dann wirst du zu meinen Füßen sitzen wie die Hündin, die du bist.«

Hey!, dachte ich, und eine plötzliche Erkenntnis durchfuhr mich. Hier ging es um den Fokus und nicht um ihre jeweiligen Toten. Ich warf einen Blick zu David und sah, dass er die Lippen aufeinandergepresst hatte. Fal gelöst. Sie ermordeten sich gegenseitig.

Aber Mrs. Sarong schob langsam ihre Hand zu ihrem Hosenbund und damit wahrscheinlich zu der Waffe, die sie dort versteckt hatte. »Ich habe deine Sekretärin nicht getötet«, sagte sie und hielt damit Mr. Rays Aufmerksamkeit auf ihrem Gesicht, statt auf ihren Händen. »Aber ich würde demjenigen, der es getan hat, gerne danken. Meinen Assistenten zu töten, nur um zu vertuschen, dass du den Fokus nicht hast, lässt dich aussehen wie einen Feigling.

Wenn du ihn nicht durch Stärke halten kannst, sondern dich auf Hinterlist verlegen musst, dann verdienst du ihn nicht.

Und außerdem habe ich sowieso mehr Macht in Cincinnati als du.«

»Ich!«, schrie der Werwolf, was dafür sorgte, dass Steve kurz hereinschaute. »Ich habe ihn nicht, aber ich werde ihn verdammt noch mal kriegen. Ich habe nicht mal an den Spuren deines hundeverseuchten Rudels geschnüffelt, aber wenn du diese Farce aufrechterhältst, werde ich jeden Einzelnen davon ausschalten.«

Aus dem Augenwinkel sah ich, wie David seinen Griff um den Vampirkil er von einer Waffe verstärkte. Die zwei Fraktionen wurden unruhig.

»Das reicht«, sagte ich und fühlte mich wie eine Pausenaufsicht. »Halten Sie beiden den Rand.«

Mr. Ray drehte sich zu mir um. »Sie diebische, jaulende Hündin!«, rief der dickliche Werwolf und war sich seiner Überlegenheit offensichtlich sehr sicher.

David hob seine Waffe ein Stück, und die Werwölfe, die als Schläger mitgenommen worden waren, fingen an, ihr Gewicht zu verlagern. Auf meiner anderen Seite lächelte Mrs.

Sarong wie eine Königin und verschränkte die Beine. Damit sagte sie ohne Worte dasselbe wie Mr. Ray. Ich verlor die Kontrol e. Ich musste etwas unternehmen.

Wütend setzte ich mich aufrecht hin und zapfte eine Linie an. Sofort begannen meine Haare zu schweben und aus der Mitte des Raumes erklang unruhiges Gemurmel. Ich konzentrierte mich auf die zwei Werwölfe bei mir am Tisch.

»Ich glaube, Sie wol ten Hexe sagen«, sagte ich leise und bewegte sinnlos die Finger, um so zu tun, als würde ich einen Kraftlinienzauber wirken. Aber das wussten sie ja nicht. »Ich schlage vor, Sie entspannen sich. Und der Fisch war eine Rettungsaktion, kein Diebstahl«, fügte ich hinzu. Mein Gesicht wurde warm. Okay, viel eicht stach mich noch mein Gewissen.

»Sie sind beide Idioten«, fügte ich hinzu und starrte Mr.

Ray an. »Sie töten sich gegenseitig für eine Statue, die keiner von Ihnen besitzt. Wie dämlich ist das denn?«

Mrs. Sarong räusperte sich. »Und Sie wissen, dass er sie nicht hat. . woher genau?«

Ein gutes Dutzend Antworten schoss mir durch den Kopf, aber die einzige, die sie glauben würden, war die, die am unwahrscheinlichsten war. »Weil ich sie habe«, sagte ich und betete darum, dass das die Antwort war, die mich einen weiteren Tag am Leben halten würde.

Meine Aussage wurde mit Schweigen quittiert. Dann lachte Mr. Ray. Ich zuckte zusammen, als er mit der Hand auf den Tisch schlug, aber Mrs. Sarongs Blick war starr auf die Werwölfe hinter mir gerichtet, während sie bleich wurde.

»Sie!«, sagte der untersetzte Werwolf zwischen zwei Lachsalven. »Wenn Sie den Fokus haben, fresse ich meine Unterhosen.«

Ich presste die Lippen aufeinander, aber Mrs. Sarong sprach zuerst. »Nimmst du Ketchup zu deiner Seide, Simon?«, meinte sie säuerlich. »Ich glaube, sie hat ihn.«

Mr. Ray hörte auf zu lachen. Er bemerkte ihr graues Gesicht und schaute dann mich an. »Sie?«, fragte er ungläubig.

Mein Puls wurde schnel er, und ich musste mich fragen, ob ich gerade einen Fehler gemacht hatte, weil sie sich jetzt zusammenschließen würden, um ihn mir abzunehmen, statt weiter gegeneinanderzukämpfen.

»Schau dir ihren Alpha an«, sagte die zierliche Frau und blickte zu David.

Wir al e schauten hinüber. David saß mit einem Fuß auf dem Boden halb auf einem Tisch. Sein weiter Mantel stand offen und zeigte seinen durchtrainierten Körper, und in den Händen hielt er das Gewehr. Ja, es war eine große Knarre, aber in diesem Raum waren - laut Jenks - neunzehn Waffen.

Und trotzdem hielt er zwei aggressive Rudel in Schach.

David war immer schon ein eindrucksvol es Individuum gewesen, mit dem Ansehen eines Alphas und der mysteriösen Aura eines Einzelgängers. Aber selbst ich konnte die neue Macht in seiner Haltung sehen. Er war nicht nur dazu fähig, andere Werwölfe zu dominieren; er erwartete, dass es ohne Probleme akzeptiert wurde. Das war die Magie des Fokus, die ihn durchfloss. Er hatte die Macht der Schöpfung gewonnen, und auch wenn es im Tod von Unschuldigen geendet hatte, minderte das nicht die Bedeutung der Geschehnisse.

»Mein Gott«, sagte Mr. Ray. Mit weit aufgerissenen Augen drehte er sich zu mir um. »Sie haben ihn.« Er schluckte schwer. »Sie haben ihn wirklich?«

Mrs. Sarong hatte ihre Hand von ihrer Waffe zurückgezogen und auf den Tisch gelegt. Es war eine unterwerfende Geste, und mir wurde kalt. Was habe ich getan? Werde ich es überleben?

»Sie waren dort, auf der Brücke, oder? Als die Mackinaw-Werwölfe ihn gefunden haben?«, fragte sie kühl.

Ich lehnte mich zurück, um mich zu distanzieren. Was ich eigentlich tun wol te, war weglaufen. »Ich hatte ihn genau genommen schon vorher«, gab ich zu. »Ich war oben, um meinen Freund zu retten.« Ich schaute ihr in die Augen und fragte mich, ob darin nicht ein Hauch von Ärger lag.

»Denjenigen, von dem Sie glauben, dass ich ihn getötet habe«, fügte ich hinzu.

Mein Puls raste, als sie für einen Moment den Blick senkte und ihn dann wieder zu meinen Augen hob. Gott helfe mir, wozu bin ich geworden?

Mr. Ray war nicht überzeugt. »Geben Sie ihn mir«, verlangte er. »Sie können ihn nicht halten. Sie sind eine Hexe.«

Einer erledigt, einer noch vor mir, dachte ich verängstigt, aber jetzt nachzugeben, würde mich schnel er umbringen als zuzugeben, dass ich das dämliche Ding hatte. »Ich bin seine Alpha«, sagte ich und nickte in Davids Richtung. »Ich denke, das heißt, dass ich es kann.«

Die Augen des Mannes verengten sich. Mit einem Gesichtsausdruck, als hätte er gerade ein verdorbenes Ei aufgeschlagen, sagte er: »Ich mache Sie zu einem Mitglied meines Rudels. Das ist mein bestes Angebot. Nehmen Sie es an.«

»Annehmen oder was?« Ich gestattete mir einen Hauch Sarkasmus. »Ich habe ein Rudel, vielen Dank. Und warum erzählen mir al e ständig, dass ich irgendetwas nicht kann?

Ich habe ihn. Sie nicht. Ich werde ihn Ihnen nicht geben.

Ende der Geschichte. Also können Sie jetzt aufhören, sich gegenseitig umzubringen, um herauszufinden, wo er ist.«

»Simon«, sagte Mrs. Sarong in bissigem Ton, »halt die Schnauze. Sie hat ihn. Schluck es.«

Ich hätte ja versucht, ein Kompliment in ihrer Aussage zu finden, aber ich ging davon aus, dass ihre Unterstützung nur so lange halten würde, bis sie einen Weg fand, mich zu töten.

Mr. Ray fing ihren Blick auf, und etwas, das ich nicht verstand, wurde zwischen ihnen ausgetauscht. David fühlte es. Wie jeder andere Werwolf im Raum auch. Al e entspannten sich. Mir war schlecht, als beide Rudel sich bewegten und die Waffen wegsteckten. Meine Sorge vertiefte sich. Verdammt und zweimal verdammt. Ich kann es mir nicht leisten, dem zu trauen.

»Ich habe deinen Assistenten nicht ins Visier genommen«, sagte Mr. Ray und legte seine breiten Arme auf den Tisch.

»Ich habe deine Sekretärin nicht angefasst«, erklärte die Frau, zog einen Spiegel hervor und kontrol ierte ihr Makeup.

Sie schloss den Spiegel mit einem Schnappen und schaute ihm direkt in die Augen. »Und auch keiner aus meinem Rudel.«

Einfach wundervol . Sie sprachen miteinander, aber ich hatte nicht das Gefühl, als hätte ich die Situation unter Kontrol e. »Tol «, sagte ich. »Keiner tötet irgendwen, aber wir haben immer noch zwei tote Werwölfe.« Die zwei richteten ihre gesamte Aufmerksamkeit auf mich, und mein Magen verkrampfte sich. »Schauen Sie«, sagte ich und fühlte mich extrem unbehaglich, »noch jemand außer uns weiß, dass der Fokus in Cincinnati ist, und hält danach Ausschau. Viel eicht sind es die Insel-Werwölfe. Hat einer von Ihnen etwas von einem neuen Rudel in der Stadt gehört?«

Während ich an Brad dachte, schüttelten sie beide den Kopf.

Okay. Super. Zurück auf Start. Ich wol te, dass sie gingen, also lehnte ich mich demonstrativ zurück. Ich hatte das ein paarmal bei Trent gesehen, und bei ihm schien es zu funktionieren. »Dann werde ich weiter nach dem Mörder suchen«, sagte ich und warf einen Blick zu ihren Schlägern.

»Bis ich herausfinde, wer es ist, bleiben Sie sich gegenseitig von den Kehlen?«

Mr. Ray schnaubte hörbar. »Ich werde es tun, wenn Sie es auch tut.«

Mrs. Sarongs Lächeln war geziert und offensichtlich aufgesetzt. »Ich kann dasselbe tun. Ich muss ein paar Anrufe tätigen. Vor Sonnenuntergang.« Nach einem betonten Blick zu ihrer Tochter entschuldigte sich die junge Frau und ging mit ihrem Handy in der Hand nach draußen. Mr. Ray machte eine Geste und einer seiner Männer folgte ihr.

Ich fragte mich, was Mrs. Sarong wohl für Sonnenuntergang geplant hatte, verdrängte den Gedanken dann aber. Mir gefiel es nicht, wenn die beiden kämpften, aber eine Zusammenarbeit gefiel mir noch weniger. Viel eicht wurde es Zeit für ein bisschen Selbstschutz. »Der Fokus ist versteckt«, sagte ich. Irgendwie. »Er ist im Jenseits«, fuhr ich fort, und sie starrten mich an. Mr. Rays Finger zuckten.

Lügner, dachte ich ohne auch nur einen Hauch von Schuldgefühl. »Keiner von Ihnen kann ihn finden, und noch viel weniger bekommen.« Lüge, Lüge, dicke fette Lüge. »Wenn ich verschwinde, wird keiner von Ihnen ihn bekommen.

Wenn irgendjemand in meiner Familie oder von meinen Freunden verschwindet, werde ich ihn zerstören.«

Immer derjenige, der die Grenzen so krass wie möglich austesten musste, grunzte Mr. Ray. »Und ich sol te das ernst nehmen, weil. .?«

Ich stand auf, weil ich einfach nur noch wol te, dass sie gingen. »Weil Sie bereit waren, mich für etwas zu bezahlen, was Sie nicht konnten. Mrs. Sarong töten.«

Mrs. Sarong lächelte ihn an und zuckte mit den Schultern.

Nur noch ein bisschen mehr, dachte ich, und ich kann vielleicht heute Nacht schlafen. »Und weil ich einen Dämon habe, der mir einen Gefal en schuldet«, fügte ich hinzu.

Nein, flüsterte ein kleiner Teil meines Hirns, und ich unterdrückte einen Anfal von Angst über das, was ich gerade tat. Ich akzeptierte, dass Minias mir etwas schuldete.

Ich akzeptierte seinen Handel. Ich hatte Umgang mit Dämonen. Aber der Gedanke, dass diese zwei Leute in mein Leben einfielen und bei ihrer Suche nach der dämlichen Statue meine Kirche anzündeten und bis auf die Grundmauern niederbrannten, machte mir momentan mehr Angst. Mit Angst um mich selbst konnte ich umgehen. Mit Angst um andere nicht.

»Wenn irgendetwas passiert, was mir nicht gefäl t«, erklärte ich, »wird er nach Ihnen suchen. Und wissen Sie was?« Mein Puls raste, und ich hielt mich am Tisch fest, weil mir schwindlig wurde. »Er tötet gerne, also ist er viel eicht ein bisschen übereifrig. Es würde mich überhaupt nicht überraschen, wenn er einfach sie beide nimmt, nur um ganz sicher zu sein, dass er den Richtigen erwischt hat.«

Mr. Ray schaute auf mein Handgelenk, wo das Dämonenmal deutlich sichtbar war.

»Erledigen Sie Ihre Telefonate«, sagte ich und war kurz davor, am ganzen Körper zu zittern. »Beruhigen Sie Ihre Leute. Und halten Sie Ihren Mund. Wenn bekannt wird, dass ich ihn habe, verringert das Ihre Chancen, einen Weg um meinen Dämon herum zu finden und den Fokus selbst zu bekommen.« Ich hielt kurz inne und schaute ihnen in die Augen. »Haben wir eine Abmachung?«

Mrs. Sarong stand auf und hielt ihre Tasche fest umklammert. »Ich danke Ihnen für das Getränk, Ms. Morgan.

Es war eine sehr aufschlussreiche Unterhaltung.«

Kisten kam hinter der Bar hervor, als sie auf die Tür zuhielt und sich ihr gesamter Anhang anschloss. Die Sonne drang in den Raum, als die Tür sich öffnete, und ich blinzelte. Ich fühlte mich, als hätte ich die letzten drei Wochen in einem tiefen Loch verbracht. Mr. Ray musterte mich von oben bis unten, ohne dass sein feistes Gesicht seine Gedanken verriet.

Mit einem Nicken winkte er seinen Leute zu und folgte Mrs.

Sarong mit langsamen, provokativen Schritten hinaus.

Ich blieb, wo ich war, bis der letzte von ihnen über die Schwel e getreten war. Dann wartete ich noch, bis die Tür wieder zugefal en war und ich wieder im Dunkeln saß. Erst dann gab ich nach und ließ meine Knie einknicken. Ich konnte hören, wie Kisten durch den Raum ging, als ich meinen Kopf auf den Tisch sinken ließ und tief seufzte.

Ich hatte den Ruf, mit Dämonen zu verkehren. Ich wol te ihn nicht, aber wenn er für die Sicherheit derjenigen sorgen konnte, die ich liebte, würde ich ihn benutzen.

19

Kistens Boot war groß genug, dass das Kielwasser der Touristendampfboote nur dagegen schlug, ohne die schnittige Motoryacht zu bewegen. Ich war schon früher darauf gewesen, hatte sogar ein paar Wochenenden damit verbracht, herauszufinden, wie gut Stimmen über dunkles, ruhiges Wasser tragen und dass ich meine Schuhe schon am Dock ausziehen musste. Das Boot hatte drei Decks, wenn man das höchste mit dem Steuerbereich mit zählte. Groß genug, um darauf zu feiern, wie Kisten sagte, aber klein genug, dass er nicht das Gefühl hatte, sich übernommen zu haben.

Naja, es ist definitiv außerhalb meiner Reichweite, dachte ich, als ich mit einem Stück angetoastetem Brot die letzte Spaghettisauce von dem feinen Porzel an wischte. Aber wenn man ein Vampir war, dessen Boss die hässlicheren Teile von Cincinnatis Unterwelt regierte, war Auftreten wichtig.

Das Brot war aus Piscarys Küche gemopst, und ich hatte so ein Gefühl, dass dasselbe auch für die Sauce galt. Mir war es egal, ob Kisten versuchte, es als eigene Kochkunst zu verkaufen, indem er es auf seinem winzigen Herd aufwärmte.

Wichtig war, dass wir ein gemütliches Abendessen hatten, statt darüber zu diskutieren, dass ich meinen Job über seine Pläne für meinen Geburtstag gestel t hatte.

Ich schaute auf und über das von Kerzen erleuchtete, abgesenkte Wohnzimmer. Meinen Tel er balancierte ich auf meinem Schoß. Wir hätten in der Küche oder auf der großzügigen Veranda essen können, aber die Küche war klaustrophobisch klein und die Veranda zu ungeschützt.

Meine Begegnung mit Mr. Ray und Mrs. Sarong hatte mich unruhig gemacht. Wenn man da noch die ausgeschlagene Einladung von Tom hinzuzählte, müsste ich eigentlich paranoid sein.

Von vier Wänden umgeben zu sein, war viel besser. Der luxuriös eingerichtete Wohnbereich erstreckte sich von einer Seite des Bootes zur anderen und sah mit den großen Fenstern aus wie eine Filmkulisse. Auf der einen Seite sah man die Lichter der Stadt und den Mond über dem Wasser, während auf der anderen die Vorhänge zugezogen waren, damit wir nicht auf den Parkplatz vor Piscarys schauen mussten.

Eigentlich arbeitete Kisten - weswegen wir hier waren und nicht in einem richtigen Restaurant -, aber als wir in die Küche gehuscht waren, um uns eine Flasche Wein und das Brot zu schnappen, hatte ich gehört, wie er Steve erklärt hatte, dass er nicht gestört werden wol te, außer irgendwer hatte schon Blut im Mund.

Es war schön, in seinen Prioritäten so hoch oben zu stehen. Mein Gesicht zeigte immer noch die Freude über diesen Gedanken, als ich den Blick hob und feststel te, dass Kisten mich über den niedrigen Couchtisch zwischen uns beobachtete. Das Kerzenlicht erzeugte in seinen Augen eine künstliche, gefährliche Dunkelheit.

»Was?«, fragte ich und wurde rot, weil klar war, dass er mich schon eine Weile beobachtete.

Sein zufriedenes Lächeln vertiefte sich, und in mir kribbelte es. »Nichts.« Seine Stimme war sanft. »Jeder Gedanke, den du hast, zeigt sich auf deinem Gesicht. Ich schaue gern zu.«

»Mmmm.« Peinlich berührt stel te ich meinen Tel er auf seinen und lehnte mich mit meinem Weinglas in der Hand in der Couch zurück. Er stand auf und schob sich mit einer fließenden Bewegung neben mich. Als er sich zurücklehnte und seine Schulter meine berührte, atmete er befriedigt aus.

Die Anlage sprang ein Lied weiter, und aus dem Lautsprecher drang leiser Jazz. Ich würde jetzt nicht darauf hinweisen, dass Vampire und Sopransaxofon irgendwie nicht zusammenpassten, sondern seufzte, weil ich den Geruch von Leder und Seide, der sich mit Räucherwerk und letzten Spuren der Nudelsoße verband, einfach genoss. Aber mein Lächeln verschwand, als meine Nase anfing zu kribbeln.

Dreck. Minias? Ich habe meinen Anrufungsspiegel nicht dabei. Panisch setzte ich mich auf und entzog mich damit Kistens Armen. Mein Weinglas knal te gerade rechtzeitig für ein Niesen auf den Tisch.

»Gesundheit«, sagte Kisten leise und legte eine Hand an meine Hüfte, um mich zurückzuziehen. Als ich mich versteifte, lehnte er sich vor. »Bist du in Ordnung?«, fragte er mit echter Besorgnis in der Stimme.

»Ich sag es dir in einer Minute.« Ich holte vorsichtig Luft, einmal und dann noch einmal. Weil ich Ivy und Jenks nicht beunruhigen wol te, hatte ich mich vor Sonnenuntergang in meinem Zimmer eingeschlossen und mein Passwort festgelegt. Verdammt noch mal, ich hätte die Glyphe auf einen kleinen Taschenspiegel ritzen sol en.

Kisten musterte mich, und ich sagte: »Ich bin in Ordnung«.

Anscheinend war es nur ein Niesen gewesen. Langsam atmete ich auf und ließ mich in seine Wärme zurückfal en.

Sein Arm wanderte hinter meinen Nacken, und ich lehnte mich an ihn, glücklich, dass ich hier war und keiner von uns woanders sein musste.

»Du warst heute Abend sehr stil «, sagte Kisten. »Bist du sicher, dass du in Ordnung bist?« Seine Finger streichelten meinen Nacken und suchten nach meiner Dämonennarbe, die unter perfekter Haut verborgen lag. Die leichte Berührung kitzelte.

Er fragte nach mir, aber ich wusste, dass seine Gedanken bei Ivys Kuss waren. Und als seine Finger meine Narbe weckten und sich die Gefühle mit der Erinnerung daran verbanden, unterdrückte ich einen Adrenalinschub. »Ich habe eine Menge im Kopf«, sagte ich. Mir gefiel es nicht, wie sich seine Berührung mit der Erinnerung an Ivys Kuss vermischte.

Ich war schon verwirrt genug.

Ich drehte mich in seinen Armen, um ihn anzuschauen, und zog mich ein wenig zurück, verzweifelt auf der Suche nach etwas, worauf ich mich stattdessen konzentrieren konnte. »Ich glaube, diesmal habe ich mir wirklich zu viel aufgeladen, das ist al es. Mit den Werwölfen?«

Kistens blaue Augen wurden sanft. »Nachdem ich dich dabei beobachtet habe, wie du zwei der einflussreicheren Rudel von Cincinnati im Zaum gehalten hast, würde ich sagen, nein, du hast dir nicht zu viel aufgeladen.« Sein Lächeln wurde breiter und ein wenig stolz. »Es war wunderbar, dich bei der Arbeit zu beobachten, Rachel. Du bist gut.«

Ich schnaubte ungläubig. Ich war nicht besorgt über die Werwölfe, sondern über die Art und Weise, wie ich sie unter Kontrol e bekommen hatte. Gereizt ließ ich den Kopf gegen die Lehne der Couch fal en und schloss die Augen. »Konntest du nicht sehen, wie ich gezittert habe?«

Ich riss die Augen auf, als Kisten sein Gewicht verlagerte und ich gegen ihn rutschte. Seine Lippen berührten mein Ohr, als er sagte: »Nein.« Sein Atem wärmte meine Schulter, und ich bewegte mich nicht, bis auf einen Finger, der über sein zerrissenes Ohrläppchen glitt. »Ich mag Frauen, die auf sich selbst aufpassen können«, fügte er hinzu. »Dich zu beobachten, hat mich heiß gemacht.«

Ich konnte ein Lächeln nicht unterdrücken, aber es verschwand gespenstisch schnel wieder. »Kisten?«, sagte ich und fühlte mich trotz seiner Arme um mich verletzlich.

»Wirklich, ich habe Angst. Aber nicht wegen der Werwölfe.«

Kistens suchende Finger hielten inne. Er zog seinen Arm zurück und nahm meine Hände in seine. »Was ist es?«, fragte er mit besorgtem Blick.

Peinlich berührt schaute ich auf unsere verschlungenen Finger. »Ich musste mit einem Dämon drohen, um sie zu kontrol ieren.« Ich hob meinen Blick und sah seine Sorge in den Falten auf seiner Stirn. »Das gibt mir das Gefühl, ein Dämonenbeschwörer zu sein«, beendete ich die Erklärung.

»Ich bin ein Idiot, mit einem Dämon zu bluffen. Oder viel eicht auch ein Feigling.«

»Liebes. .« Kisten zog meinen Kopf nach vorne, sodass er auf seiner Schulter ruhte. »Du bist weder ein Feigling noch ein Beschwörer. Es ist ein Bluff, und zwar ein verdammt guter.«

»Aber was, wenn es kein Bluff ist?«, sagte ich in sein T-Shirt und dachte an al die Leute, die ich wegen schwarzer Magie verhaftet hatte. Sie hatten niemals vorgehabt, zu den fanatischen, verrückten Leuten zu werden, die ich auf den Rücksitz eines Taxis packte und zur I.S. beförderte. »So ein Kerl hat heute mit mir geredet.« Ich spielte mit dem obersten Knopf an seinem Hemd. »Er hat mich eingeladen, Mitglied in einem Dämonenkult zu werden.«

»Mmmm.« Seine Stimme rol te durch mich hindurch. »Und was hat meine harte Kopfgeldjägerin ihm gesagt?«

»Dass er seinen Club nehmen und ihn sich in den Arsch stecken kann.« Kisten sagte nichts, und ich fügte hinzu:

»Was, wenn sie den Bluff durchschauen? Wenn sie Ivy oder Jenks wehtun. .«

»Shhhh«, beschwichtigte er mich und streichelte sanft mein Haar. »Niemand wird Ivy wehtun; sie ist ein Tamwood-Vampir und Piscarys Nachkomme. Und warum sol te irgendjemand Jenks verletzen?«

»Weil sie wissen, dass er mir wichtig ist.« Ich hob den Kopf und atmete tief die frischere Luft. »Ich würde es viel eicht tun«, sagte ich verängstigt. »Wenn irgendwer Jenks oder seiner Familie schaden würde, würde ich viel eicht Minias rufen und mein Mal einfordern.«

»Minias.« Kistens Überraschung war deutlich. »Ich dachte, du müsstest ihre Namen geheim halten.«

In seiner Stimme hatte mehr als nur ein Hauch von Eifersucht gelegen, und ich fühlte ein Lächeln auf meinem Gesicht. »Das ist sein gewöhnlicher Name. Er hat rote Ziegenaugen, einen albernen purpurnen Hut und eine wirklich verrückte Freundin.«

Kisten zog mich näher und legte seine Arme um mich.

»Viel eicht sol te ich den Kerl mal rufen und mit ihm bowlen gehen, damit wir unsere Notizen über verrückte Freundinnen vergleichen können.«

»Hör auf«, tadelte ich, aber es war ihm gelungen, meine Laune zu heben. »Du bist eifersüchtig.«

»Zur Höl e, ja, ich bin eifersüchtig.« Er schwieg für einen Moment und lehnte sich dann vor. »Ich wil dir dein Geschenk jetzt schon geben«, sagte er und griff über die Armlehne der Couch.

Ich drehte mich und lehnte mich mit dem Rücken gegen die Armlehne. Als Kisten mir das offensichtlich im Laden verpackte Geschenk in die Hand drückte, strahlte ich. Auf der Schleife stand VALERIAS GRUFT. Das war ein exklusiver Kleidungsladen, wo die Lücke im Konto umso größer wurde, je weniger Stoff verarbeitet worden war.

»Was ist es?«, fragte ich und schüttelte die Schachtel, in der viel eicht ein Shirt Platz hatte. Etwas darin klapperte.

»Mach auf und schau selbst«, sagte er, und seine Augen glitten von mir zu der Kiste.

Irgendetwas an seinem Verhalten war seltsam. Eine Art peinlich berührte Ungeduld. Ich war niemand, der Geschenkpapier aufbewahrte, also riss ich es ab und warf es über meine Schulter, nur um sofort mit einem Fingernagel unter das Klebeband zu fahren, das die Schachtel verschloss.

Schwarzes Seidenpapier raschelte, und mir wurde warm, als ich sah, was darunter zum Vorschein kam.

»Oh, das ist hübsch!«, sagte ich und hob das Neglige hoch. »Genau rechtzeitig für die Sommernächte.«

»Es ist essbar«, sagte Kisten mit glitzernden Augen.

»Hey!«, rief ich, wog das leichte Material in meinen Händen und fragte mich, wie wir wohl diese neue Möglichkeit erkunden sol ten. Dann erinnerte ich mich an das Klappern und legte das Neglige zur Seite. »Was ist da noch drin?«, fragte ich und grub herum. Meine Finger fanden eine kleine, samtige Schatul e. Als ich die Form erkannte, verlor mein Gesicht jeden Ausdruck. Es war eine Ringschatul e. Oh mein Gott. »Kisten?«, hauchte ich mit weit aufgerissenen Augen.

»Mach auf«, drängte er und rutschte näher zu mir.

Mit zitternden Händen drehte ich sie, um den Öffnungsmechanismus zu finden. Ich wusste nicht, was ich tun sol te. Ich liebte Kist, aber ich war noch nicht bereit, mich zu verloben. Zur Höl e, ich war kaum bereit, die Freundin von jemandem zu sein. Zwei Werwolfrudel wol ten mir das Fel abziehen, ständig tauchten Dämonen auf, ein Meistervampir hatte es auf mich abgesehen. Ganz abgesehen von einer Mitbewohnerin, die mehr wol te, wovon ich nicht wusste, was ich damit anfangen sol te. Und wie könnte ich das zu einer dauerhaften Beziehung machen, ohne zu erlauben, dass er mich biss?

»Aber Kisten. .«, stammelte ich mit rasendem Puls.

»Öffne sie einfach«, drängte er ungeduldig.

Ich hielt den Atem an und machte die Schatul e auf. Dann blinzelte ich. Es war kein Ring. Es war ein Paar. .

»Kappen?«, fragte ich. Erleichterung breitete sich aus. Ich schaute auf und sah, wie durcheinander er war. Das waren nicht seine Kappen. Nein, die hier waren scharf und spitz.

Und die sind für mich?

»Wenn sie dir nicht gefal en, bringe ich sie zurück«, sagte er, ganz ohne sein übliches Selbstbewusstsein. »Ich dachte, es würde viel eicht ab und zu Spaß machen. Wenn du viel eicht mal wil st. .«

Ich schloss die Augen. Es war kein Ring. Es war ein Spielzeug. Nach dem essbaren Neglige hätte ich es wissen müssen. »Du hast mir Kappen gekauft?«

»Naja, ja. Was hast du denn gedacht?«

Ich setzte an, um es ihm zu sagen, schloss aber dann meinen Mund wieder. Stattdessen musterte ich mit rotem Kopf die Kappen auf ihrem samtenen Kissen. Okay, es war kein Ring, aber wo sol te das hinführen?

»Kisten, ich kann dich mich nicht beißen lassen.« Ich schloss den Deckel mit einem schnappenden Geräusch und hielt ihm die Schatul e entgegen. »Ich kann die nicht annehmen.«

Aber Kisten lächelte. »Rachel«, schmeichelte er.

»Deswegen habe ich sie nicht gekauft.«

»Warum dann?«, fragte ich und hatte das Gefühl, dass er mich in eine wirklich schwierige Situation gebracht hatte. Ich konnte nicht anders, als mich zu fragen, ob das eine Reaktion auf Ivys Kuss war.

Er legte das kleine Kästchen wieder in meine Hände und schloss meine Finger darum. »Das ist kein Versuch, über Umwege meine Zähne in deinen Hals zu kriegen. Ich bin nicht mal darauf aus, dass du mich beißt, obwohl das. .« Er holte tief Luft, ». .nett wäre.«

Ich konnte spüren, dass er die Wahrheit sagte, und meine Aufregung legte sich.

Kisten senkte den Blick. »Ich wol te dich nur mit kleinen spitzen Zähnen sehen«, sagte er leise. »Schlafzimmerspiele.

Wie ein Neglige tragen. Ein bisschen. . zusätzlicher Nervenkitzel.«

»Dir gefal en meine Zähne nicht?«, fragte ich unglücklich.

Verdammt noch mal, ich war kein Vampir, und er wol te mehr.

Das war total zum Kotzen.

Aber Kisten zog mich mit einem reumütigen Lachen an sich. »Rachel, ich bete deine Zähne an«, sagte er, als meine Wange an seinem Seidenhemd lag. »Sie nagen und zwicken, und dass du meine Haut nicht einfach so verletzen kannst, treibt mich verfi. .« Er stoppte das nächste Wort, weil er mein Missfal en spürte. ». .in den Wahnsinn«, beendete er seinen Satz. »Aber wenn du diese Kappen trägst und ich weiß, dass du meine Haut durchstoßen könntest?« Er seufzte tief. »Mir ist nicht wichtig, ob du mich beißt oder nicht. Der Gedanke, dass du es könntest, ist erregend.«

Seine Hand auf meinen Haaren war beruhigend und meine letzte Verwirrung verschwand. Das verstand ich. Mir ging es ähnlich. Zu wissen, dass Kisten mich beißen könnte, aber sich wil entlich zurückhielt aus Respekt und viel eicht wegen Ivy, war genug, um mich völ ig über die Kante zu treiben. Das eines Tages viel eicht sein Wil e nicht stark genug sein könnte oder er breit wäre, sich Ivy zu stel en, war ein großer Teil der Erregung.

»Wil st du. . ahm, dass ich sie anprobiere?«, fragte ich.

Seine Pupil en erweiterten sich. »Wenn du möchtest.«

Lächelnd setzte ich mich auf und öffnete die Schatul e wieder. »Man setzt sie einfach auf?«

Er nickte. »Sie sind mit irgendeinem Wunderpolymer überzogen. Steck sie auf und beiß die Zähne zusammen, und sie passen sich genau an. Mit ein bisschen Ziehen kannst du sie wieder abnehmen.«

Cool. Seine Augen waren auf die Kappen gerichtet, und ich stel te die Schatul e wieder auf den Tisch. Als ich danach griff, spürte ich die ungewohnte Glätte von Knochen unter meinen Fingern. Ich fühlte mich, als müsste ich Kontaktlinsen einsetzen, während ich herumfummelte, bis ich endlich herausfand, welche wohin kam, und den geformten Knochen über meine Zähne schob. Sie fühlten sich seltsam an, als ich darauf biss. Mit geöffneten Lippen ließ ich meine Zunge über die Innenseiten gleiten.

Kisten atmete tief ein, und meine Aufmerksamkeit schoss zu ihm. »Verdammt, Frau.« Der blaue Rand um seine Pupil en wurde kleiner. Mein Lächeln wurde breiter, als seine Augen völ ig schwarz wurden.

»Wie sehen sie aus?«, fragte ich und sprang auf.

»Wo gehst du hin?«, fragte er mit einer plötzlichen Dringlichkeit in der Stimme.

»Ich wil schauen, wie sie aussehen.« Lachend zog ich mich von ihm zurück und ging zum Badezimmer am Ende des Flurs. »Bist du dir sicher, dass ich mich damit nicht in die Lippe beiße?«, fragte ich dann. Das Deckenlicht ging an, gelblich und düster, wegen der geringen Stromversorgung.

»Das geht nicht«, sagte Kisten laut, um die Entfernung zu überbrücken. »Sie sind dafür gemacht, dass es nicht passiert«, fügte er dann von direkt hinter mir hinzu, und ich zuckte zusammen, wobei ich mir in der Enge den El bogen an der Wand anstieß.

»Gott! Ich hasse es, wenn du das tust!«, rief ich.

»Ich wil auch sehen«, sagte er, schob einen Arm um meine Hüfte und kuschelte seinen Kopf in die Kuhle zwischen meinem Hals und meiner Schulter.

Seine Augen waren nicht auf mein Spiegelbild gerichtet.

Ich versuchte das Kribbeln zu ignorieren, das seine Lippen auslösten, schaute in den Spiegel und befühlte die Kappen mit meiner Zunge. Sie hatten eine sanfte Rundung, und die Hinterseiten waren rechteckig. Ich lächelte und drehte den Kopf, um besser zu sehen, wie sie in die konkave Lücke zwischen meinen unteren Zähnen passten. Die Erinnerung an aufgesteckte Reißzähne zu Hal oween schoss mir durch den Kopf und verschwand wieder.

»Hör auf, deine Zähne aufblitzen zu lassen«, grol te Kisten.

Ich drehte mich, um ihn anzusehen, und seine Hände streichelten ein wunderbares Muster auf meinen Hüften.

»Warum?«, fragte ich und lehnte mich suggestiv gegen ihn.

»Stört es dich?«

»Nein.« Seine Stimme war angespannt und sein Griff an mir wurde fest.

Hier drin gab es nicht genug Platz, aber als ich versuchte, ihn aus dem Raum zu stoßen, stand er unerschütterlich. Er war warm und fest. Ich blieb, wo ich war, legte ihm die Arme um den Hals und benutzte ihn als Stütze. »Magst du sie?«, flüsterte ich nur Zentimeter von seinem Ohr.

»Ja.«

Seine Lippen wanderten über mein Schlüsselbein, und ich schauderte, weil ich erwachendes Verlangen fühlte.

»Ich auch«, sagte ich. Mit rasendem Puls schob ich aggressiv seinen Kopf weg, sodass er meinen Nacken nicht erreichen konnte, richtete mich auf und ließ meine neuen Zähne aufreizend über eine alte Narbe gleiten.

Kisten erschauderte an meinem Körper. »Oh Gott. Das wird mich umbringen«, flüsterte er, und ich spürte seinen warmen Atem an meiner Schulter.

Mein Blut pulsierte, als ich die neue Macht fühlte, die ich jetzt hatte. Kisten stand bewegungslos unter meinen Zähnen, gefügig, ohne fügsam zu sein.

Seine Hände glitten nach unten, um meine Kurven nachzuzeichnen, und zogen auf ihrem Weg nach oben mein T-Shirt aus der Hose.

Fingerspitzen, die von der Arbeit rau waren, glitten über mich, hoben sich, bis sie meine Brüste erreichten. Seine andere Hand lag an meinem Rücken und drückte mich gegen ihn. Mein Atem wurde schnel er, und ich biss sanft in eine alte Narbe an seinem Nacken. Gefühle durchschossen mich, fast zu schnel , um sie al e auszukosten.

Ich wandte mich einer kleinen Narbe zu, von der ich wusste, dass sie empfindlich war. Ich atmete seinen Geruch ein und fiel in einen Zustand von entspannter Anspannung.

Ich war nicht auf der Suche nach so etwas hierhergekommen, aber warum nicht? Eine kleine Stimme in meinem Kopf fragte sich, ob ich mich von Kisten bei der Zahnsache so einfach überzeugen ließ, um klarzumachen, dass wir beide schon etwas Echtes hatten - und dass Ivys Angebot anzunehmen, wenn man mal von der Überraschung absah, hieße, ihn zu betrügen. Vampire betrachteten mehrere Sex- und Blutpartner als die Norm, und Monogamie war eher die Ausnahme. Und auch wenn ich kein Vampir war und daher polygame Beziehungen nicht ohne eine Menge Seelenprüfung akzeptieren konnte, momentan wusste ich nur, dass es sich verdammt gut anfühlte.

Ich zog meine Zähne seinen Hals entlang und fühlte, wie seine Muskeln sich anspannten. Kistens Hände zitterten, und ich fragte mich, was ich gerade rauszufinden versuchte.

Sein Seufzen jagte Adrenalin in meine Adern, und ich konnte mich kaum davon abhalten, den Kopf zu senken und seine Haut zumindest einzudrücken. Ein verruchtes Gefühl wuchs in mir und ich genoss es. Ich konnte ihn beißen. Ich konnte meine Zähne in ihn versenken. Und ich wusste genau, was es ihm antun würde. Ich war kein Vamp und konnte daher seine Narben nicht wecken, aber er war es, und ein Vampir war genug.

Seine Hände bewegten sich wieder unter meinem Oberteil.

Ich ließ eine Hand in den Spalt zwischen uns gleiten und schob sie nach unten, um einen Knopf zu öffnen. Nur einen.

Mit ungeschickten Fingern hantierte ich an dem gespannten Stoff herum, bis es mir gelang. Unfähig, mich zu stoppen, suchte ich dann nach seinem Reißverschluss.

Kisten verlagerte sein Gewicht und presste mich gegen ein schmales Stück Wand. Seine sonst blauen Augen waren völ ig schwarz, und er fixierte meine Hände über meinem Kopf.

»Du setzt eine Menge voraus, Hexe«, grol te er, und ein Stich von Begehren durchfuhr mich.

»Sol ich aufhören?«, fragte ich, lehnte mich nach vorne und erzwang einen Kuss.

Oh Gott. Seine Lippen pressten sich aggressiv gegen meine, sie schmeckten nach Wein. Der Gedanke an meine Zähne so nah an seinen Lippen war erregend. Ich wusste, dass Kisten spüren konnte, wie in mir der Drang nach mehr wuchs, und er spielte damit. Aber solange er meine Hände über meinem Kopf festhielt, konnte er mich nicht davon abhalten, das zu kosten, was in meiner Reichweite lag.

Eine kleine Bewegung nach vorne und meine Lippen erreichten seinen Hals. Kisten atmete langsam aus. Ich genoss es, so etwas bei ihm auslösen zu können, und erkundete langsam und fand neue Reaktionen auf alte Narben.

Ich hätte das schon früher tun sollen, dachte ich, schlang ein Bein um seine Hüfte und zog ihn näher. Sobald ich wieder zu Hause war, würde ich nachschauen, was Cormels Anleitung zu Dates mit Vampiren dazu zu sagen hatte.

Als Kisten meine Hände freiließ, fielen meine Arme nach unten, und ich schlang sie sofort um seinen Hals. Erregendes Kribbeln durchfuhr meinen Körper, als er uns in den dunklen Flur schob. Mein Rücken stieß mit einem dumpfen Knal gegen die dünne Wand, und er schob mir mein Oberteil von den Schultern, um sofort die freigelegte, makel ose Haut zu küssen, von der ich wusste, dass sie für Vampire unwiderstehlich war. Die Glätte seiner überkappten Zähne auf meiner zarten Haut jagte ein Schaudern über meinen Körper. Fal s sein Telefon klingelte, würde ich jemanden töten.

Ich schloss in purem Genuss die Augen und öffnete rein nach Gefühl die Knöpfe an seinem Hemd. Jazz spielte und das Geräusch eines Bootes drang über das Wasser. Ich bekam die letzten Knöpfe nicht auf - Kisten biss immer wieder spielerisch in meinen Hals und schickte Wel en der Erregung durch mich, die keine Zeit hatten abzuebben, bevor er weitermachte. Ich gab auf, packte mir sein Hemd und zog, bis die Knöpfe davonflogen.

Kisten gab ein wenig erfreutes >Mmmmm< von sich. Er verlagerte sein Gewicht und presste mich gegen die Wand.

Ich riss die Augen auf und griff nach seinem Gürtel.

»Gib mir, was ich wil «, flüsterte ich und fühlte meine neuen Zähne. »Dann muss ich nicht grob werden, Vamp-Boy.«

»Das ist mein Satz«, sagte er, und in seiner Stimme lag ein neuer Unterton.

Die Worte waren unterlegt von Bluthunger, und Angst durchschoss mich, nur um schnel unterdrückt zu werden.

Kistens Hände zögerten für einen Moment, um die Kontrol e zurückzugewinnen, dann machte er weiter.

Seine Selbstbeherrschung war um einiges stärker als meine. Er ergriff meine Schultern und hielt mich unbeweglich, als sein Mund meinen Halsansatz fand und an meiner alten Narbe spielte. Er wol te mein Blut, aber er nahm es sich nicht.

»Oh Gott«, hauchte ich. Unfähig, mich zu stoppen, zog ich mich nach oben, schlang meine Beine um seine Hüfte und verstärkte meinen Griff um seinen Hals. Er bewegte sich wieder, um sich an das neue Gewicht anzupassen. Ich konnte ihn schwer durch seine Hose fühlen, und mein Puls wurde schnel er. Als er das spürte, wurde seine Berührung aggressiver, und das silberne Funkeln von angespannter Erwartung bildete in meinem Innersten einen harten Bal .

Das war nicht gut. Es war zu viel. Ich konnte nicht mehr denken. Es war einfach zu gut.

Ich klammerte mich an ihn und sehnte mich nach dem Rausch von seinen Zähnen in mir. Wenn er wüsste, wie sehr ich es wol te, würde er mich viel eicht darum bitten, und ich wäre nicht in der Lage, Nein zu sagen. Ivy wird ihn töten.

Seine Lippen wurden sanft, als könnte er meine Verwirrung spüren, und zogen langsam ihren Weg von meinem Hals bis hinter mein Ohr, wo sie mit sanftem Druck verweilten - und mehr andeuteten. »Kannst du bis morgen früh bleiben?«, fragte er.

»Mmmmm«, war das Einzige, was ich sagen konnte. Aber ich stel te sicher, dass er meine Bereitschaft verstand, indem ich meine Nägel über seinen Nacken gleiten ließ.

»Gut.« Er trug mich den Flur entlang in das dunkle Schlafzimmer. Die Lichter von Cincinnati spiegelten sich sanft auf dem Wasser, und für einen kurzen Moment dachte ich, dass ich keine Chance haben würde, das Neglige zu tragen.

Zumindest nicht heute Nacht. Sein Bett lag direkt unter der Fensterreihe, aber er setzte mich auf einer Kommode ab.

Ich saß auf einer wunderbaren Höhe, die jede Menge interessante Möglichkeiten bot - und Verlangen durchfuhr mich, als seine Hand einen langsamen Weg zu meinem Busen zog und sein Daumen neckend streichelte.

Kistens Lippen verließen mich, und mit bewusster Langsamkeit zog er sich zurück. Seine Finger verharrten reglos. Fast keuchend schaute ich ihm in die Augen.

Sie waren schwarz, erfül t von einer bekannten, kontrol ierten Blutlust, und reflektierten die Lichtspiegelungen auf dem Wasser. Adrenalin verband sich mit gespannter Erwartung und Angst. Etwas veränderte sich

- ich war mit meinen scharfen Zähnen mehr geworden. Sie waren nicht einfach nur zwei Knochenstücke, sondern sie waren eine Quel e von Macht. Ich konnte ihn kontrol ieren durch die Gefühle, die ich auslösen konnte. Und Kisten wusste es; das war seine Absicht gewesen, als er sie mir gegeben hatte. Mit seinen Zähnen überkappt und meinen scharf, hatte er mich über sich erhoben. Dieser Gedanke machte uns definitiv beide scharf.

Er sah mich unverwandt an, als er die Hand ergriff, die ich zwischen sein offenes Hemd und seinen Rücken geschoben hatte. Er hielt mein Handgelenk unter seine Nase und atmete tief ein. Seine Augen schlössen sich langsam, als er mein Blut witterte. »Du riechst wie meine zwei liebsten Personen gleichzeitig.«

Seine Worte ließen ein Zittern über meine Haut gleiten.

Ivys Geruch überzog mich, eine sanfte Erinnerung an das, was sie einst geteilt hatten. Die zwei hatten sich in ihrer verletzlichen Jugend zusammengeschlossen, um zu überleben, und ich wusste, dass er ihre vergangene Nähe vermisste. Er sehnte sich schmerzlich danach, das wiederzufinden. Sein Schmerz zerrte an mir und brachte mich dazu, ihm das geben zu wol en, was er brauchte, um sowohl seinen Geist als auch seinen Körper zu befriedigen.