Schuldbewusst, aber glücklich. Ich ging nicht davon aus, dass Ivy glücklich sein konnte, ohne es mit Schuldgefühlen zu überfrachten. Und in der Zwischenzeit konnten wir so tun, als würde ich nicht die ersten Verlockungen der Blutekstase verspüren, und ich drängelte auch nicht, weil Ivy Angst hatte.
Unsere Rol en hatten sich verkehrt, und ich hatte nicht so viel Übung darin wie Ivy, mir selbst zu sagen, dass ich etwas, das ich haben wol te, nicht haben konnte.
Der hölzerne Löffel klapperte gegen den Topf, als meine Hand anfing zu zittern, weil bei der Erinnerung an ihre Zähne, wie sie in mich glitten und Angst und Vergnügen zu einer ekstatischen Mischung verbanden, Adrenalin in meine Adern schoss.
Als ob die Erinnerung sie herbeigerufen hatte, erschien Ivys schlaksige Silhouette im Flur. In ihren engen Jeans und einem Oberteil, das kurz genug war, um ihr Bauchnabel-piercing zu zeigen, ging sie zum Kühlschrank, um sich eine Flasche Wasser zu holen. Ihr Griff nach der Kühlschranktür wurde zögerlich, als sie die Luft witterte und verstand, dass ich an sie gedacht hatte, oder zumindest an etwas, das mich anregte und meinen Puls schnel er werden ließ. Ihre Pupil en erweiterten sich, und sie musterte mich eindringlich.
»Dieses Parfüm funktioniert nicht mehr«, erklärte sie.
Ich versteckte mein Lächeln und dachte, dass ich viel eicht ganz aufhören sol te, es zu tragen. Aber sie über die Kante zu treiben, damit sie mich wieder biss, war eine schlechte Idee.
»Es ist ein altes«, meinte ich. »Ich hatte nichts anderes im Bad.«
Zu meiner großen Überraschung schüttelte sie den Kopf und lachte leise. Sie hatte gute Laune, und ich fragte mich, was Skimmer und sie da draußen getan hatten, außer die Einrichtung umzustel en. Nicht dein Bier, dachte ich und wandte mich wieder meiner Sauce zu.
Ivy war stil , trank noch einen Schluck Wasser und lehnte sich dann mit an den Knöcheln überkreuzten Beinen gegen die Arbeitsfläche. Ich fühlte, wie ihr Blick durch die Küche streifte und schließlich auf dem Kupferkessel verharrte.
»Kommt Ceri vorbei?«, fragte sie.
Ich nickte und schaute in den feuchten Garten hinaus, der durch den wolkenverhangenen Himmel in einer frühen Dämmerung lag.
»Sie wird mir mit meinem Anrufungskreis helfen.« Ich warf ihr einen Seitenblick zu, während mein Löffel weiterrührte.
Im Uhrzeigersinn, im Uhrzeigersinn. . niemals dagegen. »Was ist dein Plan für heute Abend?«
»Ich gehe aus und werde nicht vor Sonnenaufgang zurück sein. Ich habe einen Auftrag.« Mit einer kraftvol en Bewegung drückte sie sich mit einer Hand nach oben, um sich auf die Arbeitsfläche zu setzen.
»Nimmst du Jenks mit?«, fragte ich. Ich wol te ihn bei mir haben, aber meine Angsthasenanfäl e mussten hinter einem richtigen Job zurückstehen.
»Nein.« Ivy ließ ihren Finger in einer nervösen Geste durch die Spitzen ihrer kürzeren Haare gleiten, was mir verriet, dass sie etwas für Piscary tat und nicht für ihr Bankkonto. Sie war der Nachkomme des Meistervampirs, und das hatte Vorrang-wenn es nicht mich betraf. »Glaubst du, es war diese hässliche Statue, hinter der der Dämon her war?«
»Der Fokus?« Ich strich einen Finger über den Löffel, leckte ihn ab und legte den Löffel dann in die Spüle. »Was sonst könnte es sein? Ceri sagt, wenn Newt wüsste, dass David ihn hat, wäre sie in seinem Apartment aufgetaucht und nicht hier, aber ich werde ihn trotzdem zurückholen. Irgendjemand in Cincy weiß, dass er wieder aufgetaucht ist.«
Mein Blick wurde abwesend, und ein unangenehmes Gefühl von Verrat breitete sich in meiner Magengrube aus.
Außer Ivy, Jenks und Kisten gab es nur noch einen, der wusste, dass ich den Fokus noch hatte, meinen Exfreund Nick. Ich konnte nicht glauben, dass er mich auf diese Art verraten hatte, aber er hatte schon früher Informationen über mich an AI verkauft. Und jetzt war er sauer auf mich.
Das Wasser kochte, und ich schüttete genug Makkaroni für drei hinein. Ivy lehnte sich vor und zog die offene Packung Nudeln zu sich. »Was wol te Glenn?«, fragte sie und knabberte auf einer trockenen Nudel herum.
Ich stocherte im Topf, damit die Nudeln nicht zusammen klebten, und stel te die Flamme kleiner. »Meine Meinung zu einem Werwolf-Mord. Es war Mr. Rays Sekretärin. Wer auch immer es getan hat, hat versucht, es wie einen Selbstmord aussehen zu lassen.«
Ivy zog ihre eleganten Augenbrauen hoch und schaute zu dem Kalender, der neben ihrem Computer hing. »Eine Woche vor Vol mond? Auf keinen Fal war das Selbstmord, und die I.S. weiß das.«
Ich nickte. »Ich glaube nicht, dass sie erwartet haben, dass sich das FIB dafür interessiert. Sie hatte Fesselungsmale und Einstichstel en. Denon wol te es vertuschen.«
Ivy zögerte, bevor sie nach einer weiteren trockenen Nudel griff. »Du glaubst, es hat etwas mit dem Fokus zu tun?«
»Warum nicht?«, fragte ich gereizt. Verdammt. Ich hatte die hässliche Statue erst seit zwei Monaten, und schon jetzt war bekannt, dass sie nicht bei einem Fal von der Mackinac-Brücke verloren gegangen war. Ich schob mir eine Strähne hinters Ohr, rührte in meinen Nudeln und versuchte mich daran zu erinnern, ob ich in der ganzen Zeit mal bei David gewesen war oder ihn auch nur angerufen hatte. Bis auf die Nacht, wo ich ihm den Fokus gegeben hatte, wohl nicht. Er war mein Alpha, aber es war ja nicht, als wären wir verheiratet oder irgendwas. Dreck, das war einfach nicht sicher. Ich musste den Fokus von ihm zurückholen, am besten noch heute.
»Ich kann mich umhören, wenn du wil st«, bot Ivy an und zog ihre Beine auf die Arbeitsfläche, um es sich im Schneidersitz mit der Nudelpackung gemütlich zu machen.
Schlagartig konzentrierten sich meine Gedanken wieder vol auf sie. »Absolut nicht«, sagte ich. »Je weniger ich herumschnüffle, desto sicherer bin ich. Außerdem, wir würden nicht dafür bezahlt, wenn du was findest.«
Sie lachte, und meine Laune besserte sich. Ivy lachte nicht oft, und ich liebte diesen Klang.
»Denkst du deswegen an Nick?«, fragte sie plötzlich. »Du machst sonst nie Pasta mit Alfredosoße, außer wenn du an ihn denkst.«
Mir fiel die Kinnlade runter, dann schloss ich meinen Mund wieder. Scheiße. Sie hat Recht. »Mmmmm«, murmelte ich und rührte verärgert in meiner Soße. »Glenn hat mir heute seine Akte gegeben. Sie ist zehn Zentimeter dick.«
»Wirklich«, sagte Ivy gedehnt, und ich runzelte die Stirn.
Sie hatte Nick vom ersten Tag an nicht gemocht.
»Ja, wirklich.« Ich zögerte und beobachtete die Dampfschwaden über dem Topf. »Er macht das schon eine Weile.«
»Tut mir leid.«
Ich zwang mein Gesicht zu einer ausdruckslosen Miene.
Sie hasste Nick, aber ihr tat es wirklich leid, dass er mir das Herz gebrochen hatte. »Ich bin drüber weg.« Und das war ich wirklich. Bis auf den Teil von mir, der sich immer noch benutzt fühlte. Er hatte AI im Austausch für Gefal en Informationen über mich verkauft, bevor wir uns getrennt hatten. Arschloch.
NIN's »Only« im Hintergrund wurde sanft, und ich war nicht überrascht, als Skimmer in die Küche kam, wahrscheinlich, weil sie neugierig war, was wir trieben. Ich fühlte mehr als dass ich es sah, wie Ivys Haltung sich veränderte, als Skimmers jeansbekleidete Gestalt in den Raum fegte.
Ivy war mit mir genauso offen wie mit Skimmer, aber sie hatte ein Problem damit, Skimmer das wissen zu lassen. Wir drei hatten eine seltsame Dynamik, eine, die mir nicht besonders gefiel. Skimmer liebte Ivy einfach und war deswegen hierher gezogen, mit dem Versprechen in der Hinterhand, dass sie in Piscarys Camaril a aufgenommen werden würde und bleiben dürfte, wenn sie ihn aus dem Gefängnis holte.
Ich war diejenige, die ihn dorthin geschafft hatte, und an dem Tag, an dem er freikam, wäre mein Leben wahrscheinlich weniger wert als ein Trol furz. Ich hatte es hauptsächlich Ivy zu verdanken, dass ich noch am Leben war, was sie in eine Bredouil e brachte, die mit jedem Erfolg vor Gericht schlimmer wurde.
Skimmer würde al es tun, was nötig war, um bei Ivy bleiben zu können. Ich würde tun, was nötig war, um meine Seele und meinen Körper zusammenzuhalten. Und Ivy wurde langsam wahnsinnig, weil sie uns beiden Erfolg wünschte. Es hätte geholfen, wenn Skimmer nicht so verdammt nett gewesen wäre.
Der aufmerksame Vampir bemerkte offensichtlich, dass sie irgendetwas unterbrochen hatte, und setzte sich stil auf Ivys Stuhl am Tisch. Aus dem Augenwinkel sah ich, wie ihr Gesicht sich einen Moment verzog, als sie und Ivy einen Blick tauschten, aber dann entspannte sie ihre Miene und pflasterte sich einen freundlichen Ausdruck auf ihr hübsches Gesicht. Neben Skimmers delikater Nase und dem kleinen Kinn hatte ich immer das Gefühl, mit meinem ausgeprägten Kinn und den deutlich sichtbaren Wangenknochen wie ein Neandertaler zu wirken. Obwohl sie einen rasiermesserscharfen Verstand hatte und eine der Besten in ihrem Bereich war, wirkte die Frau mit ihren blauen Augen und der Westküstenbräune unschuldig. Eine Eigenschaft, die ihr in ihrem Beruf wahrscheinlich zugute kam, weil es die Konkurrenz dazu brachte, sie zu unterschätzen.
»Mittagessen?«, fragte sie fröhlich, und in ihrer angenehmen Stimme lag ein wohlkalkulierter Unterton von Trübsal.
»Nur weiße Nudeln«, sagte ich und ging zur Spüle, um die Makkaroni abzuschütten. »Ich habe genug für drei, fal s ihr wol t.« Ich drehte mich von der Spüle weg und begegnete ihrem Blick. Die kleiner werdende blaue Iris in ihren Augen machte sie nur noch attraktiver. Ihre Wimpern waren lang und dicht und betonten noch ihre feinen Gesichtszüge. Ich fragte mich, was sie wohl im Altarraum getan hatten. Es gab mehr als eine Stel e, an der man jemanden beißen konnte -
und die meisten waren von Kleidung verdeckt.
»Ich bin dabei«, sagte sie und warf einen kurzen Blick auf ihre Armbanduhr mit dem diamantenbesetzten Ziffernblatt.
»Ich habe noch eine Stunde, bevor ich wieder im Büro sein muss, und wenn ich nicht auftauche, können sie verdammt noch mal auf mich warten.«
Das war cool - da sie der Boss war -, aber mein Blutdruck stieg, als sie zum Kühlschrank ging und nach Ivys Brimstone-Cookies angelte. Gott, ich hasste diese Dinger, und ich lebte in der ständigen Angst, dass die I.S. eines Tages einen Vorwand finden würde, um unsere Küche zu durchsuchen und ich dann eingeknastet werden würde.
»Warum machen wir kein richtiges Essen?«, fragte der Vampir. Sie war sich offensichtlich bewusst, dass ich verärgert war, war aber entschlossen weiterzudrängen. »Ivy hat heute Nacht einen Auftrag, und ich muss zurück zur Arbeit. Es wäre nicht besonders aufwendig, jetzt ein richtiges Mittagessen draus zu machen.«
Wenn meine Pasta nicht gut genug für dich ist, warum hast du dann Ja gesagt?, dachte ich genervt, aber ich unterdrückte meine erste Reaktion, da ich wusste, dass das Angebot dem echten Versuch entsprang, Kameradschaft zu vermitteln.
Ich schaute kurz auf die Uhr und entschied, dass noch jede Menge Zeit war, bevor Ceri rüberkam, und als Ivy mit den Schultern zuckte, nickte ich. »Klar«, sagte ich. »Warum nicht?«
Skimmer lächelte. Es war offensichtlich, dass sie es nicht gewöhnt war, nicht gemocht zu werden. Es war ja auch nicht so, als würde ich sie hassen, aber jedes Mal, wenn sie vorbeikam, tat sie etwas, das mir gegen den Strich ging
-ohne es zu wol en. »Ich mache Knoblauchbrot«, sagte sie gut gelaunt, und ihre Haare schwangen, als sie den Schrank mit den Gewürzen öffnete.
»Rachel hat eine Knoblauchal ergie«, erklärte Ivy, woraufhin der lebende Vampir zögerte. Ich konnte beinahe hören, wie sie sich selbst beschimpfte.
»Oh. Dann Toast mit Kräuterbutter.« Mit gezwungener Fröhlichkeit ging sie zur Spüle, um sich die Hände zu waschen.
Ich war nicht wirklich al ergisch, nur empfindlich - dank derselben genetischen Aberration, die mich getötet hätte, wenn Trents Vater nicht eingegriffen hätte. Ivy glitt von der Arbeitsfläche, und nachdem sie die Nudelpackung zugemacht hatte, begann sie damit, al es für einen Salat zusammenzusammeln. Sie stand direkt neben Skimmer, und als sich ihre Köpfe fast berührten, glaubte ich, leise ermunternde Worte zu hören.
Wie ich da mit meiner Pasta am Herd stand, regte sich in mir leises Mitleid für die Frau. Sie bemühte sich wirklich, weil sie akzeptierte, dass ich für Ivy wichtig war, und deswegen versuchte, freundlich zu sein.
Skimmer wusste, dass Ivy mich mal im Visier gehabt hatte, ihr Spiel um mein Blut aber nach dem ersten und einzigen Mal hatte fal en lassen, weil die Begegnung so schlimm geendet hatte, dass sie jetzt zu verängstigt war, um es noch einmal zu versuchen. Und es war kein Geheimnis, dass es mich keinen Deut interessierte, dass die beiden sowohl Blut als auch Bett miteinander teilten. Ich glaubte, dass dieser Punkt eine Menge mit Skimmers Attitüde zu tun hatte.
Ich war eine von Ivys wenigen Freundinnen, und Skimmer wusste, dass gemein zu mir zu sein der schnel ste Weg war, Ivy wütend zu machen.
Vampire, dachte ich und schüttete die Pasta in die weiße Soße. Ich würde sie nie verstehen.
»Wie wäre es mit ein bisschen Wein?«, fragte Skimmer, als sie mit einer Packung Butter in der Hand vor dem offenen Kühlschrank stand. »Rot passt gut zu Pasta. Ich habe heute welchen mitgebracht.«
Ich konnte keinen Rotwein trinken, ohne eine Migräne zu riskieren, und Ivy trank nicht viel - und vor einem Auftrag überhaupt nicht. Ich öffnete den Mund, um einfach nur zu sagen, dass ich keinen wol te, aber Ivy kam mir zuvor:
»Rachel verträgt keinen Rotwein. Sie reagiert empfindlich auf Schwefel.«
»Oh Gott.« Skimmers hübsches Gesicht war zerknittert, als sie hinter der Kühlschranktür auftauchte. »Es tut mir leid. Das wusste ich nicht. Gibt es sonst noch was, was du nicht verträgst?«
Nur dich.
»Weißt du was?«, meinte ich, legte den Deckel auf den Topf mit den fertigen Nudeln und machte den Herd aus. »Ich besorge ein bisschen Eis. Wil sonst noch jemand Eis?«
Ich wartete nicht auf eine Antwort, sondern schnappte mir meine Schultertasche und eine von Ivys Stofftaschen und ging aus der Küche. »Ich bin zurück, bevor das Brot fertig ist«, rief ich noch über die Schulter.
Das Echo meiner Sandalen klang im Altarraum anders, und ich verlangsamte meine Schritte, um mir das gemütliche Arrangement anzuschauen, das Ivy und Skimmer in der vorderen Ecke des Raumes als vorübergehendes Wohnzimmer geschaffen hatten. Das Fernsehen würde ganz schön langweilig sein, weil wir hier draußen keinen Kabel-anschluss hatten, aber al es, was ich brauchte, war die Stereoanlage. Skimmer musste die Zimmerpflanzen mitgebracht haben, da ich sie noch nie vorher gesehen hatte.
Der verdammte Vampir zog quasi ein.
Und ich habe damit ein Problem? Jetzt wütend auf mich selbst, schob ich eine der schweren Türen auf, trat auf die breite Schwel e und knal te die Tür hinter mir zu. Das Licht über unserem Schild war an und brachte den Gehweg zum Glänzen. Sanfte Regenluft umschmeichelte meine nackten Schultern, aber sie beruhigte mich nicht. War ich wütend, weil ich angefangen hatte, die Kirche als mein Eigentum zu sehen, oder war es, weil Skimmer einen Teil von Ivys Aufmerksamkeit beanspruchte?
Wil ich wirklich eine Antwort auf diese Frage?
Meine Laune verschlechterte sich, als ich an meinem Auto in der Garage vorbeiging. Wegen der dämlichen I.S. konnte ich nicht mal mein dämliches Auto zu dem dämlichen Eckladen fahren.
Ich scannte die Straße nach meinem Rudel-Aspiranten, fand Brad aber nicht. Viel eicht hatte der Regen ihn vertrieben. Und der Mann musste ja irgendwann auch arbeiten.
In der feuchten Luft hinter mir erklang das Knal en der Kirchentür, und ich drehte mich mit einem entschuldigenden Gesichtsausdruck um. Aber es war nicht Ivy.
»Ich komme mit dir«, erklärte Skimmer, schlüpfte in ihre leichte cremefarbene Jacke und sprang die Stufen hinunter.
Super. Ich drehte mich um und fing an zu gehen.
Stil hielt Skimmer ihre Tasche eng an die Brust gedrückt, als sie mit mir in Schritt fiel, ein wenig zu nah, da der Gehweg nicht besonders breit war. Unsere Füße patschten in eine Pfütze, und ich schaute auf ihre weißen Stiefel. Obwohl sie für einen Runner als Arbeitsschuhe völ ig unangemessen waren, sahen sie an ihr tol aus. Was zur Höl e wil sie?
Skimmer holte tief Luft. »Ivy und ich haben uns an dem Tag getroffen, als sie in mein Zimmer einzog.«
Hey. Das ist nicht, was ich erwartet habe. »Skimmer. .«
Ihre Schritte blieben schnel . »Lass mich weiterreden«, bat sie, und in den vereinzelten Lichtinseln der Straßenlampen konnte ich rote Flecken auf ihrem Gesicht sehen. »Meine alte Mitbewohnerin war rausgeschmissen worden, und Ivy zog ein. Piscary hatte ihre Psyche ganz schön verdreht, und ihren Eltern gelang es, sie für ein paar Jahre aus seinem Einflussbereich zu holen, sodass sie eine Identität finden konnte, die nicht an ihm festgemacht war. Ich glaube, es hat ihr das Leben gerettet. Es hat sie verdammt noch mal stärker gemacht. Sie brauchte jemanden, und ich war da.«
Mein Puls beschleunigte sich, und ich verlangsamte meine Schritte. Viel eicht musste ich das hören.
Skimmers Haltung entspannte sich bei meiner Reaktion, und ihre schmalen Schultern senkten sich ein wenig. »Wir haben uns sofort verstanden«, fuhr sie fort, und das Schwarz in ihren Augen wurde größer. »Sie war weg von ihrem Meister und ihren Eltern, hatte aber ein Jahr Erfahrung mit Meistervampirtechniken zu ihrer Verfügung. Ich suchte nach Ärger. Mein Gott, es war fantastisch, aber sie machte mir genug Angst, um ruhiger zu werden, und ich gab ihr etwas, woran sie glauben konnte.« Skimmer schaute mich an. »Sie war hetero, bis sie mich traf. Bis auf eine latente Veranlagung.
Es hat mich zwei Semester gekostet, sie davon zu überzeugen, dass sie mich und Kisten gleichzeitig lieben konnte, ohne ihn zu betrügen.«
Meine Schritte schienen mich plötzlich bis ins Innerste zu erschüttern. Und das war gut? Skimmer war die Beste, und ich wusste, dass al es, was sie sagte, darauf ausgerichtet war, mir Angst zu machen. Was auch immer. Sie konnte mir nicht mehr Angst machen, als Ivy es schon getan hatte.
»Es war eine Privatschule«, erklärte Skimmer. »Jeder lebte auf dem Campus. Es wurde erwartet, dass Ivy und ich -als Zimmergenossen - schon der Bequemlichkeit wegen Blut teilten, aber man bestand nicht darauf. Dass wir ein Paar wurden, bedeutete nur. . dass wir eben so waren. Ich brauchte sie, um mein Gegengewicht zu sein, und sie brauchte mich, um sich gut zu fühlen, nachdem Piscary sie manipuliert hatte.«
Die Wut in ihrer Stimme war deutlich zu hören. »Du magst ihn nicht«, stel te ich fest.
Skimmer riss den Riemen ihrer Handtasche zurück auf ihre Schulter, während wir weitergingen. »Ich hasse ihn. Aber ich werde tun, was auch immer er verlangt, wenn das bedeutet, dass ich bei Ivy bleiben kann.« Sie sah mich ruhig an, und das Licht einer nahen Straßenlaterne erleuchtete ihr Gesicht.
»Ich werde ihn aus dem Gefängnis holen, damit ich bei Ivy bleiben kann. Wenn er dich hinterher umbringt, ist das nicht mein Problem.«
Die Drohung war offensichtlich, aber wir gingen im Gleichschritt weiter. Deswegen war sie nett zu mir. Warum sol te sie riskieren, Ivy gegen sich aufzubringen, wenn Piscary sich darum kümmern würde.
Ich zitterte innerlich, aber Skimmer war noch nicht fertig.
Ihr hübsches Gesicht verzog sich, als sie bitter hinzufügte:
»Sie liebt dich. Ich weiß, dass sie mich benutzt, um zu versuchen, dich eifersüchtig zu machen. Es ist mir egal.« In ihrer Scham wurden ihre Pupil en größer. »Sie wil , dass du al es mit ihr teilst, und du trittst es in den Dreck. Warum lebst du mit ihr, wenn du nicht wil st, dass sie dich berührt?«
Plötzlich ergab das al es viel mehr Sinn. »Skimmer, du verstehst da was falsch«, sagte ich leise. Auf der Straße war es ruhig, bis auf das entfernte Geräusch der Autos auf der Hauptstraße. »Ich wil ein Blutgleichgewicht mit Ivy finden.
Sie ist diejenige, die mauert, nicht ich.«
Ihre weißen Stiefel kamen abrupt zum Stehen, weshalb ich ebenfal s anhielt. Skimmer starrte mich an. »Sie mischt immer Sex mit Blut«, sagte sie. »Benutzt ihn, um die Kontrol e zu behalten. Das machst du nicht. Das hat sie mir gesagt.«
»Ich werde keinen Sex mit ihr haben, richtig. Aber das heißt nicht, dass wir nicht. .« Ich zögerte. Warum erzähle ich ihr das?
Der Schock war auf Skimmers bleichem Gesicht klar zu sehen, und ihre Silhouette wurde scharf erleuchtet, als ein Auto an uns vorbeifuhr. »Du liebst sie«, stammelte Skimmer.
Ich wurde blutrot. Okay, ich liebte Ivy, aber das hieß nicht, dass ich mit ihr schlafen wol te.
Skimmer fiel in sich zusammen und sah plötzlich fast hässlich aus. »Bleib weg von ihr«, zischte sie.
»Ivy trifft hier die Entscheidungen, nicht ich«, sagte ich schnel .
»Sie gehört mir!«, schrie Skimmer und schlug zu.
Ich bewegte mich instinktiv, ohne Angst, blockte den Schlag und trat nach vorne, um einen Tritt in ihren Unterleib zu landen. Sie war eine Tänzerin, kein Kampfsportler, und der Tritt traf sein Ziel. Er war nicht fest, aber der Vampir setzte sich hart auf den nassen Gehweg, und ihre Augen tränten, als sie um Luft rang.
»Oh Gott«, entschuldigte ich mich und streckte die Hand aus, um ihr aufzuhelfen. »Es tut mir leid.«
Skimmer umklammerte meine Hand und riss mich aus dem Gleichgewicht. Mit einem Schrei fiel ich, rol te durch das nasse Gras und wurde klatschnass. Der lebende Vampir kam schnel er auf die Füße als ich, aber sie weinte.
Stumme Tränen liefen ihr über das Gesicht. »Bleib weg von ihr!«, schrie sie. »Sie gehört mir!«
In der Nähe bel te ein Hund. Verängstigt zog ich mein Oberteil zurecht. »Sie gehört niemandem«, sagte ich und kümmerte mich nicht darum, ob die Nachbarn uns zuhörten.
»Mir ist es egal, ob ihr beide miteinander schlaft oder Blut teilt oder was auch immer, aber ich werde nicht gehen!«
»Du selbstsüchtiges Flittchen!«, tobte sie, und ich wich langsam zurück, als sie auf mich zuging. »Zu bleiben, ohne dass sie dich berühren darf, ist grausam. Warum wil st du mit ihr leben, wenn du nicht wil st, dass sie dich berührt?«
In den benachbarten Häusern wurden Vorhänge zur Seite gezogen, und ich fing an mir Sorgen zu machen, dass jemand die I.S. rufen könnte.
»Weil ich ihre Freundin bin«, sagte ich und wurde langsam wütend. »Sie hat nur Angst, okay? Und ein Freund geht nicht einfach, nur weil ein anderer Freund Angst hat. Ich bin bereit zu warten, bis sie keine mehr hat. Gott weiß, dass sie auf mich gewartet hat. Sie braucht mich, und ich brauche sie -
also hör auf!«
Skimmer stoppte ihren Vormarsch und richtete sich auf, wobei sie gleichzeitig ruhig, gesammelt und wütend aussah.
»Du hast zugelassen, dass sie dein Blut kostet. Was könntest du schon tun, um ihr Angst zu machen?«
Ich schaute von meinen nassen Beinen hoch. »Ich habe ihr so sehr vertraut, dass ich zugelassen hätte, dass sie mich tötet, wenn Jenks nicht eingegriffen hätte.«
Skimmer wurde noch bleicher.
»Skimmer, es tut mir leid«, sagte ich und wedelte hilflos mit den Händen. »Ich habe das nicht geplant.«
»Aber du schläfst mit Kisten«, protestierte sie. »Ich kann ihn überal an dir riechen.«
Das war höl enpeinlich. »Du bist diejenige, die ihr beigebracht hat, dass man zwei Leute gleichzeitig lieben kann, nicht ich.«
Mit einer plötzlichen Bewegung drehte sich Skimmer auf dem Absatz um und ging den Weg zurück, den wir gekommen waren, mit schnel en Schritten und wehenden blonden Haaren.
Tatsächlich nagte es an meinem Gewissen, dass ich mit Kisten schlief, während ich wol te, dass Ivy mich biss. Aber ich hatte mir ausgerechnet, dass mit Ivys Ängsten und der vampirischen Mentalität, nach der mehrere Bettpartner eher die Norm waren, ich mich mit dem Thema beschäftigen konnte, wenn es zum Thema wurde.
Ich liebte Kisten. Ich wol te, dass Ivy mich biss. Ich dachte einfach nicht zu viel darüber nach.
Deprimiert hob ich meine Tasche und Ivys Stofftasche vom Boden auf. »Wenn du mich noch einmal angreifst, breche ich dir verdammt noch mal deinen dämlichen Arm«, murmelte ich, während ich hinter ihr herging. Ich wusste, dass sie mich hören konnte. Ich wusste nicht, wo wir jetzt standen, aber Eis klang jetzt ungefähr so verlockend wie ein Hotdog mitten in einem Schneesturm. Viel eicht war die Begegnung unvermeidbar gewesen. Es hätte schlimmer sein können. Ivy hätte uns hören können.
»Bist du okay?«, fragte ich, als ich Skimmer auf den Kirchenstufen einholte, wo das Licht aus dem Altarraum gelbe Striche auf den Asphalt warf.
Sie warf mir einen Seitenblick zu und betastete ihren Bauch. Ihr Gesicht zeigte eine Mischung aus beleidigtem Misstrauen und Wut. »Ich liebe Ivy, und ich werde al es tun, um sie zu beschützen. Verstehst du das?«
Ich kniff die Augen zusammen, weil ich die Unterstel ung heraushören konnte, dass ich eine Bedrohung für Ivy war.
»Ich bringe sie nicht in Gefahr.«
»Doch, tust du.« Sie hob ihr schmales Kinn und stand dabei eine Stufe über mir. »Wenn sie dich aus Versehen umbringt, weil du sie in etwas hineinlockst, wird sie sich das niemals verzeihen. Ich kenne sie. Sie wird al es beenden, um dem Schmerz zu entkommen. Ich liebe Ivy, und ich werde nicht zulassen, dass sie sich tötet.«
»Genauso wenig wie ich«, entgegnete ich scharf.
Skimmers Gesicht verlor jeden Ausdruck, und das machte mir Angst. Ein ruhiger Vampir war ein Ränke schmiedender Vampir. Sie riss die Tür auf und betrat vor mir die Kirche.
Super. Ich musste davon ausgehen, dass ich mich gerade auf Skimmers Abschussliste gesetzt hatte.
Während ich mich gegen die Wand lehnte und meine Sandalen auszog, murmelte Skimmer etwas vom Badezimmer. Sie wischte sich die Stiefel ab und klapperte in Ivys Badezimmer, um dann die Tür zuzuknal en. Ich folgte dem Geruch von warmem Brot in die Küche. Ich fand Ivy vor ihrem Computer beim Runterladen von Musik. »Was für eine Sorte habt ihr mitgebracht?«
»Ahm, es hat angefangen zu regnen«, improvisierte ich,
»und wir haben beschlossen, dass es die Mühe nicht wert ist.« Es war nicht wirklich eine Lüge, nur eine Betrachtung aus einem anderen Blickwinkel.
Ivy nickte vor ihrem Bildschirm. Ich hatte irgendeine Reaktion erwartet, aber dann bemerkte ich, dass ihre Stiefel nass waren, und fiel in mich zusammen. Dreck, sie hatte die ganze Sache gesehen.
Ich holte Luft, um es zu erklären, aber ihre braunen Augen schossen zu meinen und stoppten mich. Skimmer kam mit dem Handy in der Hand in den Raum. »Hey, das Büro hat angerufen«, sagte sie, und die Lüge ging ihr so leicht von den Lippen wie ein Atemzug. »Sie wol en, dass ich früher zurückkomme, also werde ich mich ausklinken. Esst ihr zwei ruhig Mittag.«
Ivy setzte sich aufrecht hin. »Du fährst nach Cincy rein?«
Skimmer nickte. Ivy stand auf und streckte sich. »Stört es dich, wenn ich mitfahre?«, fragte sie. »Mein Auftrag ist in dieser Richtung.« Ivy warf mir einen schnel en Blick zu. »Es macht dir doch nichts aus, Rachel?«
Als ob ich irgendetwas sagen könnte? »Geh nur«, sagte ich zu ihr, ging zum Herd und rührte in den abkühlenden Nudeln. Meine Augen fielen auf die geöffnete Flasche Weißwein. »Ich rufe Ceri an. Viel eicht kommt sie früher.«
Zehn zu eins, dass sie beide zu Piscary gingen. Warum sagten sie es nicht einfach?
»Bis später, Rachel«, sagte Skimmer angespannt und ging.
Ivy zog ihre Tasche über den Tisch. Mein Blick fiel auf ihre Stiefel, und als ich ihn wieder hob, sah ich einen Anflug von Schuldgefühl.
»Ich werde es nicht tun«, sagte sie. »Wenn ich dich beiße, schieße ich al es, was wir haben, ins Jenseits.«
Ich zuckte mit den Schultern und dachte, dass sie wahrscheinlich recht hatte, aber nur, wenn wir uns dämlich anstel ten. Wenn sie gelauscht hatte, dann wusste sie auch, dass ich bereit war zu warten. Außerdem, zu denken, dass ich ihren gesamten Blutdurst befriedigen konnte, war Wahnsinn.
Ich wol te es nicht mal versuchen. Ich wol te ihr nur beweisen, dass ich sie so akzeptierte, wie sie war. Ich würde einfach warten müssen, bis sie bereit war, das zu glauben.
»Du gehst besser los«, sagte ich, auch weil ich sie nicht hier haben wol te, wenn Minias auftauchte.
Ivy zögerte im Türrahmen. »Mittagessen war eine gute Idee.«
Ich zuckte wieder mit den Schultern, ohne aufzuschauen, und nach einem Moment ging sie. Mein Blick folgte ihren nassen Fußabdrücken, und ich runzelte die Stirn, als ich Ivy verteidigend sagen hörte: »Ich habe dir gesagt, dass sie das kann. Du hast Glück, dass sie dich nicht mit etwas anderem getroffen hat als ihrem Fuß.«
Müde glitt ich auf meinen Stuhl, während der Geruch von Pasta, Essig und getoastetem Brot schwer in der Luft hing.
Ich wusste, dass Ivy nicht aus der Kirche ausziehen würde.
Was bedeutete, dass der einzige Weg für Skimmer, um Ivy für sich al eine zu haben, mein Tod war. Wie nett.
6
Als ich hörte, wie die Eingangstür sich öffnete, klopfte ich die Soße vom Löffel. Jenks war rübergeflogen, um Ceri zu holen. Er war reingekommen, nachdem Ivy und Skimmer verschwunden waren. Er mochte den dünnen blonden Vampir nicht und machte sich eher rar. Es war nach Sonnenuntergang und Zeit, Minias zu rufen.
Mir gefiel die Idee, schlafende Dämonen zu wecken, nicht, aber ich musste das Chaos in meinem Leben reduzieren, und ihn zu rufen, war der einfachste Weg, das zu tun.
Verdammt noch mal, was mache ich da? Dämonen anrufen? Und was für ein Leben führe ich, wenn einen Dämon zu beschwören, an erster Stel e meiner To-do-Liste steht?
Ceris sanfte Schritte erklangen im Flur, und ich drehte mich gerade rechtzeitig um, um ihr strahlendes Lächeln über etwas zu sehen, das Jenks gesagt hatte. Sie trug ein sommerliches Leinenkleid in drei Purpurtönen, und ein farblich passendes Band hielt ihre langen, fast durchsichtigen Haare in der feuchten Hitze von ihrem Nacken fern. Jenks saß auf ihrer Schulter und sah aus, als gehöre er genau dort hin, und sie trug Rex, Jenks' Katze, im Arm. Das orangefarbene Kätzchen schnurrte mit geschlossenen Augen.
»Hal o, Rachel«, sagte die scheinbar junge Frau, und ihre Stimme hatte ein Timbre, das an die entspannte Atmosphäre einer feuchten Sommernacht erinnerte. »Jenks hat gesagt, dass du etwas Gesel schaft brauchst. Mmmm, ist das Kräuterbrot?«
»Ivy und Skimmer wol ten mit mir zu Mittag essen«, erklärte ich und holte zwei Weingläser. »Ahm. .« Ich war plötzlich peinlich berührt, weil ich mich fragte, ob sie wohl gehört hatte, wie Skimmer und ich. . diskutiert hatten. »Es ist dann nichts geworden, und jetzt habe ich jede Menge Essen, aber niemanden, der es mit mir teilt.«
Ceris grüne Augen zogen sich besorgt zusammen, was mir verriet, dass sie uns gehört hatte. »Nichts Ernstes?«
Ich schüttelte den Kopf, auch wenn ich gleichzeitig darüber nachdachte, dass es sehr schnel sehr ernst werden konnte, wenn Skimmer es darauf anlegte.
Die schlanke Elfe lächelte und glitt zum Geschirrschrank, um zwei Tel er zu holen, so selbstverständlich, als wäre es ihre Küche. »Ich würde gerne mit dir zu Mittag essen. Keasley würde jeden Abend Fischbrötchen essen, aber ehrlich, der Mann erkennt kein gutes Essen, wenn man es ihm in den Mund schiebt und für ihn kaut.«
Die banale Unterhaltung hob meine Laune ein wenig. Ich entspannte mich und fül te zwei Tel er vol er Pasta mit weißer Soße, während Ceri sich den speziel en Tee machte, den sie bei mir aufbewahrte. Jenks saß die ganze Zeit auf ihrer Schulter, und während ich sie beobachtete, erinnerte ich mich daran, wie Jih, Jenks' älteste Tochter, sich sofort an Ceri angeschlossen hatte. Ich überlegte, ob Elfen und Pixies nicht eine gemeinsame Geschichte hatten. Ich hatte es immer seltsam gefunden, dass Trent solche Anstrengungen unternahm, um Pixies und Fairys aus seinen persönlichen Gärten zu halten.
Fast wie ein Süchtiger, der die Quel e der Versuchung mied. Das war wahrscheinlicher als meine erste Vermutung, dass er einfach fürchtete, dass sie ihn anhand seines Geruchs als Elf erkennen könnten.
Schließlich folgte ich Ceri mit meinem Tel er, dem Weinglas und wiederhergestel ter innerer Ruhe in den Altarraum, weil es dort kühler war. Ihr Tee stand bereits auf dem Tisch zwischen der Ledercouch und den dazu passenden Sesseln in der Ecke.
Ich wusste nicht, wie sie das Zeug ertragen konnte, wenn es so heiß war, aber wenn ich sie mir in ihrem leichten Kleid so ansah, wirkte sie kühler als ich in Top und Shorts, obwohl bei mir mehr Haut freilag. Wahrscheinlich so ein Elfending.
Kälte schien sie auch nicht zu stören. Langsam fand ich das Ganze richtig unfair.
In der Nähe lagen auch mein Wahrsagespiegel, auf den ich das Rufpentagramm ritzen würde, mein letztes Stück magnetische Kreide, noch mehr Eibe, ein Zeremonienmesser, meine silberne Schere, ein kleiner Sack vol er Meersalz und eine grobe Skizze, die Ceri mit Ivys Buntstiften gemalt hatte.
Ceri hatte auch den Eimer aus der Abstel kammer geholt.
Ich wol te es gar nicht wissen. Ich wol te es wirklich nicht wissen. Der Kreis würde sich von dem unterscheiden, den sie heute Morgen auf den Boden gezeichnet hatte: eine dauerhafte Verbindung, die ich nicht jedes Mal mit meinem Blut entzünden musste, wenn ich antworten wol te. Das meiste Zeug auf dem Tisch würde dazu dienen, den Fluch auf dem Glas haltbar zu machen.
Das sanfte Geklapper unserer Tel er wirkte beruhigend, als ich mich in den gepolsterten Sessel fal en ließ. Ich würde noch ein bisschen länger so tun, als wären wir einfach nur drei Freunde, die sich an einem verregneten Sommerabend zum Mittagessen trafen. Minias konnte warten. Ich stel te den Tel er auf meinen Schoß, hob meine Gabel und genoss die Ruhe.
Ceri stel te die Flasche mit dem unberührten Rotwein neben sich, hob mit ihren verbundenen Händen ihre Teetasse an und nippte anmutig daran. Nervosität breitete sich in mir aus und ließ mich jeden Appetit verlieren.
Jenks hielt auf den Honig zu, den Ceri in ihren Tee tat, und die Elfe schraubte den Deckel wieder auf das Glas und schob es aus seiner Reichweite. Motzend flog Jenks in die Pflanzen auf meinem Schreibtisch, um zu schmol en.
»Du bist dir sicher, dass es ungefährlich ist?«, fragte ich, und mein Blick huschte zu den ganzen Utensilien. Ich verstand Kraftlinienmagie nicht und misstraute ihr daher.
Ceri zog die Augenbrauen hoch und riss sich ein Stück von dem Kräuterbrot ab. »Es ist niemals sicher, die Aufmerksamkeit eines Dämons zu erregen, aber du sol test das nicht ungeklärt lassen.«
Ich nickte und spießte noch ein paar Nudeln auf meine Gabel. Es schmeckte nach nichts, also legte ich die Gabel weg. »Du glaubst nicht, dass Newt mit ihm kommen wird?«
Ihr Gesicht rötete sich leicht. »Nein. Al er Wahrscheinlichkeit nach erinnert sie sich nicht an dich, und Minias wird nicht erlauben, dass irgendjemand sie erinnert.
Er wird getadelt, wenn sie umherwandert.«
Ich fragte mich, was Newt so Schreckliches wusste, dass sie es vergessen musste, um wenigstens ansatzweise ihre geistige Gesundheit zu behalten. »Sie hat deinen Schutzkreis übernommen. Ich dachte nicht, dass das möglich ist.«
Ceri tupfte sich elegant mit einer Serviette den Mundwinkel ab, um ihre Furcht zu verbergen. »Newt tut, was sie wil , weil niemand stark genug ist, um sie zur Rechenschaft zu ziehen«, sagte sie. Meine Angst musste deutlich zu sehen gewesen sein, denn sie fügte hinzu: »In diesem Fal geht es um Können. Newt weiß al es. Sie muss sich nur lang genug daran erinnern, um es jemandem beizubringen.«
Viel eicht blieb Minias deswegen trotz al er Gefahren bei ihr. Er lernte, nach und nach.
Ceri griff nach der Fernbedienung und richtete sie auf die Stereoanlage. Für ein so altes Wesen war das eine sehr moderne Geste, und ich lächelte. Wenn man nicht wusste, dass sie tausend Jahre, ohne zu altern, als Vertraute eines Dämons verbracht hatte, könnte man meinen, sie wäre eine etwas verknöcherte Mittdreißigerin.
Die sanfte Jazzmusik, die bis jetzt die Luft erfül t hatte, brach ab. »Die Sonne ist untergegangen. Du sol test den Anrufungskreis vor Mitternacht neu gezeichnet haben«, erklärte sie fröhlich, und mein Magen verkrampfte sich.
»Erinnerst du dich noch an die Zeichen von heute Morgen?
Es sind dieselben.«
Ich starrte sie an und versuchte, nicht al zu dämlich auszusehen. »Äh, nein.«
Ceri nickte und machte dann fünf deutliche Bewegungen mit ihrer rechten Hand. »Erinnerst du dich?«
»Äh, nein«, wiederholte ich, weil ich wirklich keine Ahnung hatte, wo der Zusammenhang zwischen den gezeichneten Figuren und ihren Handbewegungen war. »Und ich dachte, du würdest es machen. Es zeichnen, meine ich.«
Ceri stieß mit einem verzweifelten Geräusch die Luft aus.
»Es ist überwiegend Kraftlinienmagie«, sagte sie. »Vol er Symbolismus und Vorsätze. Wenn du es nicht von Anfang bis Ende selbst zeichnest, dann bin ich diejenige, die al e Rufe empfängt - und, Rachel, ich mag dich, aber das werde ich nicht tun.«
Ich zuckte zusammen, »'tschuldigung.«
Sie lächelte, aber ich bemerkte, dass sie ihr Gesicht zu einer Grimasse verzog, als sie dachte, ich könnte es nicht sehen. Ceri war die netteste Person, die ich kannte. Sie gab Kindern Süßigkeiten, fütterte Eichhörnchen und war freundlich zu klinkenputzenden Vertretern, aber sie hatte nur wenig Geduld, wenn es ums Unterrichten ging. Ihr kurzer Geduldsfaden vertrug sich nicht besonders gut mit meiner mangelhaften Konzentrationsfähigkeit und schludrigen Lernweise.
Ich errötete, stel te meinen Tel er zur Seite und hob meinen Wahrsagespiegel auf meinen Schoß, wo er einen kühlen Fleck bildete, der sich anfühlte, als würde er in meine Beine einsinken. Ich hatte keinen Hunger mehr, und Ceris Ungeduld gab mir das Gefühl, dumm zu sein. Ich griff nervös nach der magnetischen Kreide. »Ich bin nicht besonders gut in so was«, murmelte ich.
»Weswegen wir es erst mit Kreide machen und dann einritzen«, sagte sie. »Los, lass mal sehen.«
Ich zögerte und schaute auf die große leere Glasfläche.
Scheiße.
»Los jetzt, Rache!«, ermunterte mich Jenks und ließ sich auf den Spiegel sinken. »Folg mir einfach.« Mit rasend schnel en Flügelschlägen begann er, sich im Kreis zu bewegen.
Ich setzte mich zurück, um seinen Schritten zu folgen, während Ceri sagte: »Zuerst das Pentagramm.«
Ich riss meine Hand vom Glas zurück. »Richtig.«
Jenks schaute mich fragend an, und ich fühlte, wie mein Magen nach unten rutschte. Ceri stel te offensichtlich genervt ihren Tel er ab. »Du hast keine Ahnung, oder?«
»Mensch, Ceri«, beschwerte ich mich und beobachtete Jenks, wie er unauffäl ig zu Ceris Löffel flog, um sich ein wenig Honig zu stibitzen. »Ich habe nicht ein einziges Kraftlinien-Seminar wirklich abgeschlossen. Ich weiß, dass meine Pentragramme entsetzlich sind, und ich habe keine Ahnung, was diese Symbole bedeuten oder wie man sie zeichnet.« Ich fühlte mich dämlich und griff nach meinem Weinglas - dem Weißwein, nicht dem Rotwein, den Ceri mit in den Altarraum gebracht hatte - und nippte daran.
»Du sol test nichts trinken, wenn du Magie wirkst«, rügte Ceri.
Frustriert stel te ich das Glas so fest ab, dass es fast überschwappte. »Warum ist er dann hier?«, fragte ich ein wenig zu laut.
Jenks starrte mich warnend an, und ich sank in mich zusammen. Ich mochte es nicht, mich dumm zu fühlen.
»Rachel«, sagte die Elfe sanft, und ich verzog das Gesicht, als ich den Kummer in ihrer Stimme hörte. »Es tut mir leid.
Ich hätte nicht erwarten dürfen, dass du die Fähigkeiten eines Meisters hast, wenn du gerade erst beginnst. Es ist nur. .«
». .ein dämliches Pentagramm«, beendete ich den Satz für sie, ein verzweifelter Versuch, ein wenig Humor in der Situation zu finden.
Sie wurde rot. »Tatsächlich geht es mehr darum, dass ich es heute Nacht über die Bühne bringen wol te.«
»Oh.« Peinlich berührt schaute ich auf den leeren Spiegel.
Mein Spiegelbild schaute zurück. Es würde furchtbar aussehen. Ich wusste es.
»Der Wein ist Träger für das Anrufungsblut und wird nach der Fertigstel ung das Salz vom Spiegel waschen«, erklärte Ceri, und mein Blick wanderte zu dem Eimer. Jetzt verstand ich, warum sie ihn hierhergebracht hatte. »Das Salz wirkt als ein Gleichmacher, der den überschüssigen Vorsatz in den Linien, die du einritzt, entfernt und gleichzeitig den säurehaltigen Teil der Eibe neutralisiert.«
»Eibe ist giftig, nicht sauer«, bemerkte ich, und sie nickte entschuldigend.
»Aber sie wird Glas ätzen, sobald du sie in deiner Aura badest.«
Jarch. Das ist einer dieser Flüche. Super. »Es tut mir leid, dass ich dich angeblafft habe«, sagte ich leise und warf ihr einen kurzen Blick zu. »Ich weiß nicht, was ich tue, und das gefäl t mir nicht.«
Sie lächelte und lehnte sich über den Tisch zwischen uns.
»Würdest du gerne die Bedeutung hinter den Zeichen verstehen?«
Ich nickte und fühlte, wie ich mich entspannte. Wenn ich das durchziehen wol te, sol te ich das.
»Sie sind bildliche Darstel ungen von Gesten der Kraftlinienmagie«, erklärte sie, und ihre Hand bewegte sich, als spräche sie in Gebärdensprache. »Siehst du?«
Sie bal te die Faust, sodass ihr Daumen eng an dem angezogenen Zeigefinger lag, und drehte die Hand dann so, dass der Daumen nach oben zeigte.
»Das ist die erste«, fügte sie hinzu und zeigte dann auf das erste Symbol auf dem Spickzettel auf dem Tisch. Es war ein Kreis, der von einer vertikalen Linie geteilt wurde. »Die Position des Daumens wird von der Linie angezeigt.«
Ich schaute von der Figur zu meiner Faust und drehte meine Hand, bis sie übereinstimmten. Okay.
»Das ist die zweite«, sagte sie und machte das »Okay«-
Zeichen, nur dass sie ihre Hand drehte, bis der Handrücken paral el zum Boden war.
Ich ahmte ihre Bewegung nach und fühlte den ersten Hauch von Verständnis, als ich auf den Kreis blickte, aus dessen rechter Seite drei Linien herausstachen. Mein Daumen und Zeigefinger bildeten einen Kreis, meine drei restlichen Finger dagegen streckten sich auf der rechten Seite hervor wie die drei Linien. Ich warf einen Blick auf die nächste Figur, die von einer horizontalen Linie durchschnitten wurde, und noch bevor Ceri ihre Hand bewegen konnte, machte ich eine Faust und drehte sie so, dass der Damen paral el zum Boden war.
»Ja!«, sagte Ceri und machte dieselbe Geste. »Und die nächste wäre dann. .«
Ich presste nachdenklich die Lippen zusammen und starrte auf das Symbol. Es sah aus wie das vorherige, nur mit einem Finger, der auf einer Seite hervorstand.
»Zeigefinger?«, riet ich, und als sie nickte, streckte ich einen Finger ab und verdiente mir damit ein Lächeln.
»Genau. Versuch mal, diese Geste mit deinem ausgestreckten kleinen Finger zu machen, dann wirst du schnel sehen, wie falsch es sich anfühlt.«
Ich zog den Zeigefinger ein und streckte den kleinen Finger aus. Es fühlte sich wirklich falsch an, also kehrte ich zur eigentlichen Geste zurück. »Und diese?«, fragte ich, als ich auf die letzte Figur schaute. Es war ein Kreis, also wusste ich, dass etwas meinen Daumen berührte, aber welcher Finger?
»Mittelfinger«, half Ceri, und ich machte grinsend die Geste.
Sie lehnte sich immer noch lächelnd zurück. »Lass sie sehen.«
Jetzt mit mehr Selbstbewusstsein machte ich die fünf Gesten, während sich meine Hand im Uhrzeigersinn um das Pentagramm bewegte. Das war gar nicht so schwer.
»Und diese mittlere Figur?«, fragte ich und schaute auf eine lange Linie, von der aus drei Strahlen im gleichen Abstand voneinander nach oben gingen. Dort hatte meine Hand gelegen, als ich heute Morgen Minias kontaktiert hatte, und so wie es aussah, würden meine Fingerspitzen die Enden der Linien treffen.
»Das ist das Symbol für eine offene Verbindung«, erklärte sie. »Wie eine offene Hand. Der innere Kreis, der das Pentagramm berührt, ist unsere Realität, und der äußere Kreis das Jenseits. Du überbrückst den Abstand mit deiner offenen Hand. Es gibt noch ein alternatives Zeichen mit einer Serie von Symbolen, die zwischen die zwei Kreise gezeichnet werden, um deinen Aufenthaltsort und deine Identität zu verbergen, aber das ist komplizierter.«
Jenks kicherte, während er immer noch versuchte, Honig von Ceris Löffel zu kratzen. »Ich wette, es ist auch schwieriger«, sagte er. »Und wir wol en ja schließlich fertig werden, bevor die Sonne aufgeht.«
Ich ignorierte ihn, weil ich gerade anfing, das al es zu verstehen.
»Und das Pentagramm ist einfach nur da, um dem Fluch eine Struktur zu geben«, fügte Ceri hinzu und ließ damit meine gute Laune wieder in sich zusammenfal en. Oh richtig.
Ich hatte völ ig vergessen, dass es ein Fluch war. Mmmm, super.
Als sie meine Grimasse sah, lehnte sich Ceri vor und berührte meinen Arm. »Es ist ein sehr kleiner Fluch«, meinte sie, aber ihr Versuch, mich zu beruhigen, machte al es nur noch schlimmer. »Er ist nicht böse. Du störst die Realität, und es hinterlässt ein Mal, aber wirklich, Rachel, es ist eine Kleinigkeit.«
Es wird zu Schlimmerem führen, dachte ich, zwang mich aber zu einem Lächeln. Ceri musste mir nicht helfen. Ich sol te dankbar sein. »Okay, zuerst das Pentagramm.«
Mit klappernden Flügeln landete Jenks auf dem Glas. Er schauderte einmal, bevor er die Hände in die Hüften stemmte und zu mir aufsah.
»Fang hier an«, sagte er und ging ein Stück vorwärts, »und dann folge mir einfach.«
Ich schaute zu Ceri, um zu checken, ob das erlaubt war, und sie nickte. Meine Schultern entspannten sich kurz, nur um sich dann wieder zu verkrampfen. Die Kreide fühlte sich fast schlüpfrig an, als sie über den Spiegel glitt wie ein Wachsstift auf einem heißen Stein. Ich hielt den Atem an und wartete auf das Kribbeln von aufsteigernder Macht, spürte aber nichts.
»Jetzt hier rüber«, sagte Jenks, als ich die Kreide hochhob und an einer neuen Stel e ansetzte.
Ich spielte >verbinde die Linien<, während meine Lippe zwischen meine Zähne kroch. Schließlich fül te ein Pentagramm fast den gesamten Spiegel. Ich spürte die Anspannung im Rücken und richtete mich auf.
»Danke, Jenks«, sagte ich, und er stieg mit rotem Gesicht in die Luft.
»Nul problemo«, erwiderte er, während er wieder zu Ceri flog, um sich auf ihre Schulter zu setzen.
»Jetzt die Symbole«, drängte Ceri, und ich führte meine Hand zum obersten Dreieck, mit vorsichtigen Bewegungen, um meine Linien nicht zu verschmieren. »Nicht dieses!«, rief sie, und ich zuckte zusammen. »Das unten links«, fügte sie hinzu und lächelte, um den scharfen Ton in ihrer Stimme abzumildern. »Wenn du schreibst, wil st du, dass es sich im Uhrzeigersinn erhebt.« Sie bal te die Faust und ihre Augen glitten zum Spickzettel. »Das zuerst.«
Ich warf einen Blick auf das Diagramm, dann auf das Pentagramm. Dann holte ich tief Luft und hielt die Kreide fester.
»Zeichne es einfach, Rache«, beschwerte sich Jenks.
Während das leise Rauschen von Autoreifen auf nassem Asphalt mich beruhigte, skizzierte ich sie al e, und meine Hand wurde mit jedem Zeichen sicherer.
»So gut wie ich«, lobte mich Ceri. Ich lehnte mich zurück und stieß den Atem aus.
Dann legte ich die Kreide weg und schüttelte meine Hand aus. Es waren nur ein paar Symbole, aber trotzdem taten mir bereits die Finger weh. Ich schaute auf die Eibe, und Ceri nickte einmal. »Sie sol te das Glas ätzen, wenn du eine Linie anzapfst und deine Aura in das Glas gleiten lässt«, sagte sie, und ich verzog das Gesicht.
»Muss ich?«, fragte ich, weil ich mich an das ziehende, unangenehme Gefühl erinnerte, wenn meine Aura aus mir gezogen wurde. Dann ließ ich meinen Blick durch den Raum gleiten. »Sol te ich nicht in einem Schutzkreis sein?«
Ceris Haare wehten um sie herum, als sie aufstand, um die Tel er zu stapeln. »Nein. Der Spiegel wird nicht al es aufnehmen, nur einen Teil. Das schadet nichts.«
Sie schien sich sicher zu sein, aber trotzdem. . Ich mochte es nicht, auch nur einen Teil meiner Aura zu verlieren. Und was, wenn Minias in der Zwischenzeit auftauchte oder sich ankündigte?
»Oh, bei der Liebe grüner Äpfel«, seufzte Ceri düster. »Fal s es dann schnel er geht. .«
Ich zuckte zusammen wie ein nervöses Huhn, als sie die Linie im Garten anzapfte und mit einem gemurmelten lateinischen Wort einen losen Kreis errichtete. Jenks' Flügel gaben ein hohes Geräusch von sich, als sich die große Blase von schwarz verschmiertem Jenseits über uns erhob. Ceri war exakt in der Mitte, wie es eben bei ungezogenen Schutzkreisen ist, und ich konnte den Druck des Jenseits hinter meinem Rücken fühlen. Ich rutschte nach vorne, und Jenks' Flügel erzeugten ein noch höheres Pfeifen.
Letztendlich ließ er sich auf dem Tisch neben dem Salz nieder. Ich wusste, dass er nicht gerne gefangen war, aber weil ich Ceris Ungeduld sah, sagte ich mir, dass Jenks schon selber groß war und auch darum bitten konnte, rausgelassen zu werden, fal s er es wirklich wol te.
Ceris Schutzkreis wurde nur von ihrem Wil en gehalten. Er war absolut ungezogen und existierte eigentlich nur in ihrer Vorstel ung. Er würde keinen Dämon abhalten, aber al es, was ich wol te, war etwas, das ungenannte Einflüsse fernhielt, während ich nicht von meiner Aura geschützt wurde. Warum sol te ich Ärger herausfordern? Und als ich mit diesem Gedanken im Kopf das Telefon hochhob und die Batterien entfernte, erntete ich ein entrüstetes Schnauben. Ein ankommender Anruf würde einen Weg nach innen öffnen.
»Du wirst nicht deine ganze Aura verlieren«, betonte Ce-ri noch einmal und stel te unsere gestapelten Tel er zur Seite.
Yeah, schön, ich fühlte mich besser, und so sehr ich Ceri auch mochte und ihr Wissen respektierte, ich würde mich immer an die Ermahnungen meines Vaters halten, niemals höhere Magie zu praktizieren, ohne mich in einem Schutzkreis zu befinden. Und Dämonenflüche fielen wahrscheinlich unter diesen Begriff.
Also schnappte ich mir mit sehr viel mehr Selbstvertrauen den behelfsmäßigen Griffel aus Eibe und zapfte durch Ceris Schutzkreis hindurch eine Linie an. Die Energie floss herein -
warm, beruhigend und für meinen Geschmack ein bisschen zu schnel -, und ich senkte den Kopf, um meine Unruhe zu verbergen. Mein Chi schien zu summen, und meine Finger um das Eibenstäbchen verkrampften sich kurz. Ich bewegte sie, und ein Kribbeln lief von meinem Innersten zu meinen Fingerspitzen. Ich hatte niemals vorher so etwas gespürt, während ich zauberte, aber ich zeichnete ja schließlich auch gerade einen Fluch.
»Bist du okay?«, fragte Jenks, und ich blinzelte, schob mir die Haare aus den Augen und nickte.
»Die Linie erscheint mir heute Nacht sehr warm«, sagte ich, und Ceris Gesicht wurde leer.
»Warum?«, fragte sie, und ich zuckte mit den Schultern.
Ihre Augen wurden für einen Moment nachdenklich und abwesend, dann machte sie eine Geste zu dem mit Kreidestrichen bemalten Wahrsagespiegel.
Meine Augen saugten sich an den Kreidelinien fest, und ohne zu zögern, streckte ich die Hand nach dem Pentagramm aus.
Der Eibenstift berührte das Glas, das auf meinem Schoß lag, und meine Aura floss aus mir heraus wie Eiswasser. Ich keuchte und riss den Kopf hoch, um Ceri anzustarren.
»Ceri!«, schrie Jenks. »Sie verliert sie! Das verdammte Ding ist gerade verschwunden!«
Die Elfe kontrol ierte ihre Panik schnel , aber nicht so schnel , dass ich sie vorher nicht gesehen hätte. »Ihr geht es gut«, sagte sie, stand auf und griff nach der Kreide auf dem Tisch. »Rachel, es geht dir gut. Bleib einfach sitzen. Beweg dich nicht.«
Verängstigt tat ich genau das und hörte meinem Herz beim Schlagen zu, während sie innerhalb ihres eigentlichen Schutzkreises einen zweiten zog und die sicherere Barriere errichtete. Meine schmutzverschmierte Aura hatte meine Reflektion im Spiegel verdunkelt, und ich versuchte, sie nicht anzusehen. Das Klicken der Kreide, die wieder auf dem Tisch landete, schien laut. Ceri setzte sich wieder mir gegenüber, zog ihre Beine unter sich und hielt ihren Rücken gerade.
»Fahr fort«, sagte sie, aber ich zögerte.
»Das sol te eigentlich nicht passieren«, sagte ich. Als sie meinen Blick auffing, stand in ihren Augen ein wenig Scham.
»Dir geht es gut«, sagte sie wieder und brach den Blickkontakt ab. »Als ich das gemacht habe, damit ich Als Rufe mithören konnte, habe ich keine so tiefe Verbindung errichtet. Es war ein Fehler, keinen Schutzkreis zu errichten.
Es tut mir leid.«
Es war schwer für die stolze Elfe, sich zu entschuldigen, und weil ich das wusste, akzeptierte ich es ohne irgendwelche »Ich hab's doch gesagt«-Gefühle. Ich wusste zur Höl e überhaupt nicht, was ich hier tat, also konnte ich kaum erwarten, dass sie al es richtig machte. Aber ich war froh, dass ich auf einem Schutzkreis bestanden hatte.
Verdammt froh.
Ich richtete meinen Blick wieder auf den Spiegel und versuchte dabei, mich auf die Oberfläche zu konzentrieren, um mein Spiegelbild nicht sehen zu müssen. Ich fühlte mich schwummrig ohne meine Aura, irreal, und mein Magen verkrampfte sich. Der Geruch von verbranntem Bernstein reizte meine Nase, während ich die Linien der Eindämmung zog. Ich blinzelte, weil von dem Spiegel fast durchsichtiger Rauch aufstieg, wo die Eibe die Oberfläche verätzte.
»Das sol es tun, richtig?«, fragte ich, und Ceri murmelte irgendetwas Bestätigendes.
Der rote Vorhang meiner Haare verdeckte mir die Sicht, aber ich hörte, wie sie Jenks etwas zuflüsterte und der Pixie zu ihr flog. Ich zitterte und fühlte mich nackt ohne meine Aura. Während ich zeichnete, versuchte ich weiterhin, nicht in den Spiegel zu schauen. Der Nebel meiner Aura wirkte wie ein Glühen um den dunklen Schatten meiner Reflektion. Die früher fröhliche Goldfarbe war verdunkelt von einer darüberliegenden Schicht schwarzem Dämonenschmutz.
Tatsächlich, dachte ich, während ich das Pentagramm fertig machte und mit dem ersten Symbol anfing, gibt das Schwarz ihr mehr Tiefe, wie eine Patina auf alten Gegenständen. Yeah, sicher.
Ein zunehmendes Kribbeln ließ meine Hand verkrampfen, als ich das letzte Symbol fertig zeichnete. Ich atmete aus und fing mit dem inneren Kreis an, wobei ich mich auf die Spitzen des Pentagramms verließ, um mir den Weg zu zeigen. Der Nebel von brennendem Glas wurde dichter und verzerrte meine Sicht, aber ich wusste sofort, als ich wieder am Anfangspunkt angekommen war.
Meine Schultern zuckten, als ich eine Vibration durch mich laufen fühlte, erst durch meine erweiterte Aura im Spiegel und dann durch mich. Der innere Kreis war errichtet, und es schien, als wäre er mit dem Ritzen des Glases auch auf meiner Aura gezogen.
Mein Puls beschleunigte sich, als ich mit dem zweiten Kreis anfing. Auch dieser hal te nach seiner Fertigstel ung nach, und ich schauderte, als meine Aura anfing, den Wahrsagespiegel zu verlassen und dabei die gesamte Figur und damit den Fluch in mich zog.
»Salz ihn, Rachel, bevor es dich verbrennt«, sagte Ceri drängend, und der weiße Sack mit Salz schob sich an den Rand meines Tunnelblicks.
Ich fummelte an dem Bändchen des Verschlusses herum und schloss schließlich meine Augen, weil es dann besser ging. Ich fühlte mich unverbunden. Meine Aura kam schmerzhaft langsam zurück. Sie schien brennend über meine Haut zu kriechen und Lage für Lage einzuziehen. Ich hatte so ein Gefühl, dass es - wenn ich das nicht fertig machte, bevor meine Aura völ ig wieder auf mir war -
wirklich wehtun würde.
Das Salz rauschte leise, als es auf das Glas rieselte, und ich zuckte bei dem Gefühl von unsichtbarem kaltem Sand auf meiner Haut zusammen. Ohne mir die Mühe zu machen, den Mustern zu folgen, schüttete ich den gesamten Beutel aus.
Mein Herz raste, weil das Gewicht des Salzes auf dem Spiegel meine Brust eng werden ließ.
Der Eimer erschien zu meinen Füßen und der Wein an meinem Knie - leise, unaufdringlich. Mit zitternden Fingern griff ich nach meinem großkotzigen symbolischen Messer, schnitt mir in den Daumen und ließ drei Tropfen Rot in den Wein tropfen. Ceris Stimme schwebte am Rand meiner Aufmerksamkeit und sagte mir, was ich tun sol te: Flüsternd, anleitend erklärte sie mir, wie ich meine Hände bewegen sol te, wie ich das zu Ende bringen konnte, bevor die Gefühle mich in Ohnmacht fal en ließen.
Der Wein ergoss sich über den Spiegel, und mir entkam ein erleichtertes Stöhnen. Es war, als könnte ich fühlen, wie das Salz sich in den Spiegel hinein auflöste, sich damit verband, die Macht des Fluches besiegelte und beruhigte.
Mein gesamter Körper summte, weil das Salz in meinem Blut von der Macht widerhal te. Dann fand es neue Bahnen und wurde stil .
Meine Finger und meine Seele waren kalt von dem Wein.
Ich bewegte meine Hand und fühlte, wie das letzte körnige Salz weggewaschen wurde. »Ita proporsus«, sagte ich und wiederholte damit das Anrufungswort, das Ceri mir gab, aber es entzündete sich erst, als ich meinen weinnassen Finger an meine Zunge führte.
Die Wel e von Dämonenschmutz hob sich von meiner Arbeit. Zur Höl e, ich konnte ihn als schwarzen Nebel sehen.
Ich senkte den Kopf und nahm ihn an - ich kämpfte nicht dagegen, sondern nahm es an - und akzeptierte ihn mit einem Gefühl der Unvermeidlichkeit. Es war, als wäre ein Teil von mir gestorben und ich hätte akzeptiert, dass ich nicht diejenige sein konnte, die ich sein wol te, und musste einfach daran arbeiten, jemand zu werden, mit dem ich leben konnte. Mein Puls raste, dann verlangsamte er sich.
Der Luftdruck veränderte sich, und ich fühlte, wie Ceri ihre Schutzkreise aufhob. Über uns erklang leise das Geräusch der Glocke im Turm. Die kaum hörbaren Vibrationen pressten gegen meine Haut, und es war, als könnte ich fühlen, wie der Fluch mir in immer kleiner werdenden Wel en seinen Stempel aufdrückte. Und dann war es zu Ende, das Gefühl war weg.
Ich holte Luft und schaute auf den weinnassen Spiegel in meiner Hand. Ein glitzernder Tropfen hing am Rand, um dann in den salzigen Wein im Eimer zu fal en. Der Spiegel reflektierte die Welt jetzt in einer dunklen, weinroten Schattierung, aber das verblasste vor dem von zwei Kreisen umgebenen Pentagramm vor mir, das in kristal ener Perfektion in die Oberfläche geätzt war.
Es war wunderschön, wie es das Licht in verschiedenen blutroten und silbernen Reflektionen einfing und abstrahlte, glitzernd und facettenreich. »Das habe ich gemacht«, sagte ich überrascht und schaute auf.
Dann wurde ich bleich. Ceri starrte mich an. Ihre Hände lagen auf ihrem Schoß, und Jenks saß auf ihrer Schulter. Sie sah nicht unbedingt verängstigt aus, aber wirklich, wirklich besorgt. Ich hob meine Schultern und fühlte eine leise Verbindung von meinen Gedanken zu meiner Aura, die es vorher nicht gegeben hatte. Oder ich war mir ihrer nur erst jetzt bewusst. »Wird es besser?«, fragte ich, besorgt, weil Ceri überhaupt keine Reaktion zeigte.
»Was?«, fragte sie. Jenks schlug kurz mit den Flügeln und brachte damit ihre Haare zum Wehen.
Ich warf einen kurzen Blick zu dem Eimer mit gesalzenem Wein neben mir - ich konnte mich kaum daran erinnern, dass ich ihn auf den Spiegel geschüttet hatte - und stel te dann das Glas auf dem Tisch ab. Meine Finger ließen los, aber es war, als könnte ich es immer noch fühlen. »Dieses Gefühl der Verbindung?«, meinte ich unangenehm berührt.
»Du kannst es fühlen?«, quietschte Jenks. Ceri brachte ihn zum Schweigen und zog die Augenbrauen zusammen.
»Sol te ich nicht?«, fragte ich und wischte mir die Hände an einer Serviette ab. Ceri schaute zur Seite.
»Ich weiß es nicht«, sagte sie leise und war mit den Gedanken offensichtlich nicht ganz bei mir. »AI hat es nie gesagt.«
Ich fing an, mich wieder mehr wie ich selbst zu fühlen.
Jenks flog auf mich zu, doch ich wischte weiterhin an meinen Händen herum, um die Feuchtigkeit loszuwerden.
»Bist du okay?«, fragte er, und ich nickte, legte die Serviette beiseite und zog die Beine an, um mich in den Schneidersitz zu setzen. Ich nahm den Spiegel wieder auf meinen Schoß. Das Ganze gab mir das Gefühl, als wäre ich zurück in der Highschool und experimentierte im Kel er mit dem Ouija-Brett herum.
»Mir geht es gut«, sagte ich und versuchte zu ignorieren, dass das weiße, kristal ine Muster, das ich auf dem Glas gezogen hatte, wirklich wunderschön war. »Lasst es uns tun.
Ich wil heute Nacht schlafen können.«
Ceri bewegte sich und zog damit meine Aufmerksamkeit auf sich. Ihre gleichmäßigen Gesichtzüge wirkten abgespannt, und sie schien plötzlich einen beängstigenden Gedanken zu haben.
»Ahm, Rachel«, stammelte sie und stand auf. »Würde es dir was ausmachen, wenn wir noch warten? Nur bis morgen?«
Oh Gott. Ich habe es falsch gemacht. »Was habe ich getan?«, brach es aus mir heraus, und ich wurde rot.
»Nichts«, beeilte sie sich zu sagen und streckte den Arm in meine Richtung aus, ohne mich wirklich zu berühren. »Dir geht es gut. Aber du hast gerade erst deine Aura wieder in Ordnung gebracht, und du sol test wahrscheinlich durch einen gesamten Sonnenkreis gehen, um sie wieder einsinken zu lassen, bevor wir versuchen, ihn zu benutzen. Den Rufkreis, meine ich.«
Ich schaute auf den Spiegel, dann zu ihr. Ihr Gesicht war unlesbar. Sie verbarg ihre Gefühle, und das gelang ihr verdammt gut. Ich hatte es falsch gemacht, und sie war wütend. Sie hatte nicht erwartet, dass meine gesamte Aura mich verlassen würde, aber genau das war passiert. »Dreck«, sagte ich angewidert. »Ich habe es falsch gemacht, richtig?«
Sie schüttelte den Kopf, sammelte aber gleichzeitig ihre Sachen ein, um zu gehen. »Du hast es richtig gemacht. Ich muss gehen. Ich muss etwas herausfinden.«
Ich beeilte mich aufzustehen, trat dabei gegen den Tisch und stieß fast mein Weißweinglas um, als ich den Spiegel ablegte. »Ceri, das nächste Mal mache ich es besser. Wirklich, ich werde besser. Du hast mir schon so viel geholfen«, flehte ich. Aber sie trat aus meiner Reichweite, indem sie es so aussehen ließ, als würde sie sich nach ihren Schuhen bücken.
Ich erstarrte verängstigt. Sie wol te nicht, dass ich sie berührte. »Was habe ich getan?«
Langsam blieb sie stehen, schaute mich aber immer noch nicht an. Jenks schwebte zwischen uns. Draußen konnte ich hören, wie die Nachbarn gut gelaunte Verabschiedungen riefen und einer von ihnen hupte. Zögernd begegnete sie meinem Blick. »Nichts«, sagte sie. »Ich bin mir sicher, dass der Grund dafür, dass deine gesamte Aura dich verlassen hat, darin liegt, dass dein Blut den Fluch aktiviert hat, und nicht ein anderer Dämon. In meinem Fal war ich an Als Leitung angeschlossen, um seine Anrufe zu überwachen. Du musst deine Aura zur Ruhe kommen lassen, bevor du den Fluch verwendest, das ist al es. Zumindest einen Tag. Morgen Nacht.«
Ich spürte Jenks' Sorge. Er hatte die Lüge in ihrer Stimme auch gehört. Entweder erfand sie gerade einen Grund, warum meine Aura aus mir herausgeflossen war, oder sie log in Bezug darauf, warum wir Minias lieber später rufen sol ten.
Das eine machte mir eine Heidenangst, das andere war einfach nur verwirrend. Sie wil nicht, dass ich sie berühre?
Ceri drehte sich um, um zu gehen, und ich schaute auf den Rufkreis auf meinem Couchtisch, wie er da unschuldig und wunderschön lag und die Welt in einem weinfar-benen Ton reflektierte. »Warte, Ceri. Was, wenn er sich heute Nacht meldet?«
Ceri blieb stehen. Mit gesenktem Kopf kam sie zurück, legte ihre Hand mit gespreizten Fingern auf das mittlere Symbol und murmelte ein lateinisches Wort.
»So«, sagte sie und warf mir einen zögernden Blick zu.
»Ich habe eine »Bitte nicht stören<-Ansage hinterlassen. Sie läuft zu Sonnenaufgang aus.« Sie atmete tief ein und schien eine Entscheidung getroffen zu haben. »Das war notwendig«, sagte sie, als ob sie sich selbst überzeugen müsste, aber als ich zustimmend nickte, verzog sich ihr Gesicht in etwas, das wie Furcht aussah.
»Danke, Ceri«, sagte ich verwirrt, und sie glitt aus der Eingangstür und schloss sie geräuschlos hinter sich. Ich hörte ihre Füße auf dem nassen Asphalt, als sie anfing, zu rennen, dann nichts mehr. Ich drehte mich zu Jenks um, der immer noch in der Luft schwebte. »Was war denn jetzt los?«, fragte ich völ ig verunsichert.
»Viel eicht kann sie nicht zugeben, dass sie keine Ahnung hat, warum deine Aura dich verlassen hat«, mutmaßte er. Als ich mich auf die Couch fal en ließ und meine Füße auf den Tisch legte, flog er herüber und setzte sich auf mein Knie.
»Oder viel eicht ist sie wütend auf sich selbst, weil sie dich fast ohne den Schutz deiner Aura al en möglichen Einflüssen ausgesetzt hätte.« Er zögerte, dann fügte er hinzu: »Sie hat dich zum Abschied nicht umarmt.«
Ich griff nach meinem Glas und nahm einen Schluck, nur um ein Kribbeln in meiner weinverschmierten Aura zu fühlen, als ob sie darauf reagieren würde, was ich gerade trank.
Langsam ließ das Gefühl nach. Ich dachte zurück an die Auflösung von Ceris Schutzkreis und das Gefühl der Glocke, die in mir nachhal te, als der Fluch aktiviert wurde. Es hatte sich gut angefühlt. Befriedigend. Das war okay, oder?
»Jenks«, sagte ich erschöpft, »ich wünschte, mir würde irgendwer sagen, was zur Höl e hier vorgeht.«
7
Die Nachmittagssonne wärmte meine Schultern, die bis auf die, Träger meines Tops nackt waren. Der Regen der letzten Nacht hatte den Boden weich zurückgelassen, und die feuchte Hitze, die über der Erde schwebte, war beruhigend. Ich nutzte sie aus, um mich um meine Eibe zu kümmern, weil ich die Idee gehabt hatte, viel eicht ein paar Vergesslichkeitszauber anzurühren, für den Fal , dass Newt noch mal auftauchte.
Al es, was ich jetzt noch brauchte, waren fermentierte Fliederblüten. Es war nicht il egal, Vergesslichkeitszauber zu machen, nur sie zu benutzen, und wer würde mich schon dafür verklagen, dass ich sie gegen einen Dämon einsetzte?
Das sanfte Plop einer abgeschnittenen Astspitze, die in einen meiner kleineren Zauberkessel fiel, schien laut. Ich senkte den Kopf, kniete mich vor den Grabstein, neben dem die Pflanze wuchs, und ließ meine Finger sanft über die Äste gleiten, um diejenigen zu ernten, die nach innen zum Stamm hin wuchsen.
Ceris Reaktion auf den Verlust meiner Aura letzte Nacht hatte mich unruhig zurückgelassen, aber die Sonne fühlte sich gut an, und daraus zog ich Stärke. Viel eicht hatte ich eine starke Verbindung zum Jenseits hergestel t, aber nichts hatte sich verändert. Und Ceri hatte recht. Ich musste einen Weg haben, auf dem Minias mich kontaktieren konnte, ohne zu erscheinen. Das war sicherer. Einfacher.
Ich zog eine Grimasse und begann, Unkraut zu rupfen, um den Erdring um die Pflanze zu verbreitern. So einfach wie ein Wunsch. Und man sol te immer vorsichtig sein, was man sich wünschte.
Ich warf einen Blick zur Sonne und beschloss, dass ich aufhören und mich zurechtmachen sol te, bevor Kisten kam, um mich zu meinem Verkehrsunterricht zu bringen. Ich stand auf, schlug mir den Dreck von den Jeans und sammelte mein Werkzeug ein. Mein Blick wanderte über meinen von einer Mauer umschlossenen Friedhof, die häuslichen Hol ows dahinter und weiter in der Ferne, jenseits des Flusses, die höchsten Gebäude von Cincinnati.
Ich liebte es hier, diesen Ort der Ruhe, umgeben von Leben, das summte wie tausend Bienen.
Ich hielt lächelnd auf die Kirche zu und berührte im Vorbeigehen die Grabsteine. Ich begrüßte sie wie alte Freunde und fragte mich, wie die Leute, die sie bewachten, wohl gewesen waren. An der Hintertür der Kirche schwebte ein Pixieschwarm, und ich ging hinüber, neugierig, was los war. Mein leichtes Lächeln verbreiterte sich, als das Klappern von Libel enflügeln sich in Jenks verwandelte. Der Pixie umkreiste mich und sah in seiner lässigen Gärtnerkleidung wirklich gut aus.
»Hey, Rachel, bist du da drüben fertig?«, fragte er zur Begrüßung. »Meine Kids wol en deine Gärtnerkunst kontrol ieren.«
Ich umging den Kreis von entweihtem Boden um den Grabstein in Form eines weinenden Engels und blinzelte.
»Sicher. Sag ihnen nur, dass sie auf die nässenden Spitzen aufpassen sol en. Das Zeug ist giftig.«
Er nickte, und seine Flügel waren kaum sichtbar, als er um mich herumschwebte, damit ich nicht in die Sonne starren musste, um ihn anzusehen. »Das wissen sie.« Er zögerte und fragte dann so schnel , dass ich erkennen konnte, dass es ihm peinlich war: »Brauchst du mich heute?«
»Nein. Was ist los?«
Ein väterlich stolzes Lächeln legte sich auf sein Gesicht, und unter ihm schimmerte es golden, als er ein wenig Staub verlor. »Es ist Jih«, sagte er befriedigt.
Meine Schritte stockten. Jih war seine älteste Tochter, die jetzt mit Ceri auf der anderen Straßenseite lebte, wo sie einen Garten aufbaute, der sie und eine zukünftige Familie versorgen konnte. Als er meine Sorge sah, lachte Jenks. »Ihr geht es gut! Aber sie und ihr Garten werden von drei halbstarken Pixies umschwirrt, und sie hat mich gebeten, etwas mit ihnen zu bauen, damit sie sehen kann, wie sie arbeiten, und danach ihre Entscheidung treffen kann.«
»Drei!« Ich packte meinen Zauberkessel fester. »Guter Gott.
Matalina muss sich wahnsinnig freuen.«
Jenks ließ sich auf meine Schulter fal en. »Wahrscheinlich«, grummelte er. »Jih ist außer sich. Sie mag sie al e. Ich habe Matalina einfach gestohlen und mich nicht mit der traditionel en, überwachten Werbungssaison abgegeben. Jih wil eine Libel enhütte bauen. Der arme Kerl, der gewinnt, wird sie brauchen.«
Ich wol te ihn anschauen, aber er war zu nah. »Du hast Matalina gestohlen?«
»Jau. Wenn wir al e Stationen durchlaufen hätten, hätten wir niemals die Vorgärten oder Blumenkästen gekriegt.«
Sorgfältig suchte ich mir meinen Weg, damit ich ihn nicht zu sehr durchschüttelte. Er hatte sich über Traditionen hinweggesetzt, um einen winzigen Vorgarten und ein paar Blumenkästen zu gewinnen. Jetzt hatte er einen von einer Mauer umgebenen Garten in der Größe von vier normalen Wohnblöcken. Jenks ging es gut. Gut genug, dass sich seine Kinder die Zeit für die Rituale nehmen konnten. »Es ist schön, dass Jih dich hat, um ihr zu helfen.«
»Wahrscheinlich«, murmelte er, aber ich konnte fühlen, dass er begierig war auf die Chance, seiner Tochter dabei zu helfen, eine gute Entscheidung über den Mann zu treffen, mit dem sie ihr Leben verbringen würde. Vielleicht treffe ich deswegen so abgründige Entscheidungen in meinem Liebesleben, dachte ich und musste grinsen, als ich mir vorstel te, wie Jenks mit zu einem ersten Date kam und den Kerl in die Mangel nahm. Dann blinzelte ich. Er hatte Kisten gewarnt, sich zu benehmen, als ich das erste Mal mit ihm ausgegangen war. Verdammt, hatte Kisten Jenks' Placet?
Der Windstoß von Jenks' Flügeln kühlte meine verschwitzten Nacken. »Hey, ich muss los. Sie wartet. Ich seh'
dich heute Abend.«
»Sicher«, murmelte ich, und er hob ab. »Sag ihr, dass ich gratuliere!«
Er salutierte mir und schoss davon. Ich beobachtete ihn für einen Moment und ging dann weiter zur Hintertür, während ich mir vorstel te, durch welche Qualen er die drei jungen Pixies jagen würde. Der wunderbare Geruch von backenden Muffins drang aus dem Küchenfenster, und ich ging mit einem tiefen Einatmen die wenigen Stufen hinauf. Dann kontrol ierte ich die Sohlen meiner Sneakers, stampfte meine Füße ab und betrat das zerstörte Wohnzimmer. Die drei Kerle und ihr Werkzeugkasten mussten erst noch auftauchen, und der Geruch von zersplittertem Holz vermischte sich mit dem Duft von Frischgebackenem. Mein Magen knurrte, also ging ich in die Küche. Sie war leer bis auf die Muffins, die auf dem Ofen abkühlten. Nachdem ich meine Pflanzenteile in die Spüle gestel t hatte, wusch ich mir die Hände und beäugte dabei das Gebäck. Offensichtlich war Ivy wach und in Backlaune. Ungewöhnlich, aber ich würde es ausnutzen.
Ich jonglierte einen Muffin und das Fischfutter, um gleichzeitig mich und Mr. Fish zu füttern, zog mir dann ein grünes T-Shirt über mein Unterhemdchen und ließ mich zufrieden mit der Welt in meinen Stuhl fal en. Ich zuckte zusammen, als ich plötzlich panische Kral en auf Holz hörte und ein orangefarbener Bal kätzischer Angst unter meinen Stuhl schoss. Pixies ergossen sich in einem Sturm aus hochfrequentem Kreischen und Pfeifen in den Raum und verursachten mir Kopfweh.
»Raus!«, schrie ich und stand auf. »Sofort raus! Die Kirche ist ihr Rückzugsort, also verschwindet!«
Pixiestaub rieselte so dicht auf mich herab, dass meine Augen anfingen zu tränen, aber nach ein wenig lautem Protest und gemurmelter Enttäuschung verschwand der Disney-Alptraum so schnel , wie er gekommen war. Mit einem schiefen Grinsen lugte ich unter meinen Stuhl. Rex hatte sich zusammengekauert. Ihre Augen waren tiefschwarz und ihr Schwanz gesträubt - ein Bild des puren Terrors.
Jenks musste schon bei Jih sein, denn seine Kinder wussten, dass er ihnen die Flügel nach hinten biegen würde, bis sie staubten, wenn er sie dabei erwischte, wie sie seine Katze ärgerten.
»Was ist los, Süße?«, säuselte ich. Ich wusste, dass ich besser nicht versuchen sol te, sie zu streicheln. »Haben die bösen Pixies dich geärgert?«
Sie legte sich mit abgewandtem Gesicht hin, zufrieden damit, einfach zu bleiben, wo sie war. Mit einem Schnauben lehnte ich mich vorsichtig zurück und fühlte mich ein wenig wie der große Beschützer. Rex beachtete mich so gut wie nie, aber wenn sie in Gefahr war, landete sie irgendwie immer bei mir. Ivy sagte, es wäre so eine Katzensache. Was auch immer.
Ich griff nach meinem Nagel ack. Immer zwischen den Strichen nahm ich einen vorsichtigen Bissen von meinem Muffin. Ein sanftes Schrittgeräusch ließ mich genau in dem Moment den Kopf heben, als Ivy hereinkam, und ich lächelte.
Sie trug Radlerhosen, und auf ihrer Haut lag ein dünner Schweißfilm. »Was war das denn gerade?«, fragte sie, ging zum Ofen und zog sich einen Muffin aus der Form.
Mit vol em Mund zeigte ich unter meinen Stuhl.
»Oh, armes Kätzchen«, sagte sie, setzte sich auf ihren Platz und ließ die Hand nach unten hängen.
Angewidert verzog ich das Gesicht, als die dämliche Katze mit erhobenem Kopf und glattem Schwanz zu ihr tapste.
Mein Verdruss wurde noch tiefer, als Rex auf Ivys Schoß sprang und sich so hinlegte, dass sie mich anstarren konnte.
Dann drehte sich die Katze plötzlich zum Flur, und ich hörte das scharfe Klappern von Absätzen. Mit weit aufgerissenen Augen schaute ich Ivy an, aber meine Frage wurde beantwortet, als Skimmer in den Raum rauschte, geschniegelt und gebügelt und in ihrer weißen Bluse mit den schwarzen Hosen so perfekt wie ein unangeschnittener Hochzeitskuchen.
Wann ist sie hier aufgetaucht?, dachte ich und wurde dann rot. Sie ist letzte Nacht gar nicht gegangen. Ich warf einen Blick zu Ivy und entschied, dass ich richtiglag, als meine Mitbewohnerin Rex von ihrem Schoß schubste und sich plötzlich intensiv mit ihren E-Mails beschäftigte, sie sortierte und den Spam löschte. Sie vermied jeden Blickkontakt.
Zur Höl e, mir war es egal, was sie miteinander trieben.
Aber Ivy anscheinend nicht.
»Hi, Rachel«, sagte der schlanke Vampir. Dann, noch bevor ich antworten konnte, beugte sie sich vor, um Ivy einen Kuss zu geben. Ivy versteifte sich überrascht, und ich blinzelte, als sie sich zurückzog, bevor der Kuss leidenschaftlicher werden konnte - was offensichtlich Skimmers Absicht gewesen war.
Skimmer erholte sich schnel und ging zu den Muffins.
»Ich bin heute Abend gegen zehn mit der Arbeit fertig«, sagte sie, stel te einen auf einen Tel er und setzte sich vorsichtig zwischen uns. »Wil st du dich mit mir zu einem frühen Abendessen treffen?«
Ivys Gesicht war seit dem versuchten Kuss genervt verzogen. Skimmer hatte es getan, um mich zu provozieren, mich viel eicht sogar wegzutreiben, und Ivy wusste das.
»Nein«, sagte sie, ohne von ihrem Bildschirm aufzuschauen.
»Ich habe schon was vor.«
Was genau?, dachte ich und entschied, dass das Verhältnis von Skimmer und mir wahrscheinlich gerade so schnel abstürzte wie ein Backstein mit Flügeln. Das war wirklich, wirklich nichts, worauf ich vorbereitet war.
Skimmer brach vorsichtig ihren Muffin in zwei Teile und stand dann auf, um sich ein Messer und die Butter zu holen.
Sie stel te die Sachen neben ihrem Tel er ab und schlenderte zur Kaffeemaschine. Ihre Schritte waren kontrol iert und bestimmt wie im Gerichtssaal. Verdammt. Ich stecke in Schwierigkeiten.
»Kaffee, Ivy?«, fragte sie, und das Sonnenlicht leuchtete auf ihrer Bluse, offenbar frisch für das Büro gebügelt.
»Sicher. Danke.«
Rex schlich davon, weil sie die Spannung im Raum fühlte.
Ich wünschte mir, ich könnte dasselbe tun.
»Hier, Schatz«, sagte der Vamp und brachte Ivy eine Tasse.
Es war nicht die riesige Tasse mit unserem Vampirische-Hexenkunst-Logo darauf, die Ivy bevorzugte.
Ivy zuckte zurück, als Skimmer versuchte, sich noch einen Kuss zu stehlen. Aber statt bestürzt zu sein, setzte sich die Frau selbstbewusst wieder hin und butterte sorgfältig ihren Muffin. Sie spielte sowohl mit meinen als auch mit Ivys Knöpfen und hatte die absolute Kontrol e über die Situation, obwohl Ivy die Dominantere von beiden war.
Ich würde nicht den Raum verlassen, nur weil sie versuchte, es mir hier ungemütlich zu machen. Ich fühlte, wie mein Blutdruck stieg, und lehnte mich bestimmt in meinem Stuhl zurück. Es war meine Küche, verdammt.
»Du bist früh auf«, sagte der blonde, blauäugige Vampir zu mir, als hätte das eine versteckte Bedeutung.
Ich kämpfte darum, meine Augen nicht zu Schlitzen zu verengen. »Hast du die gemacht?«, fragte ich und hob den Rest von meinem Muffin an.
Skimmer lächelte und zeigte dabei ihre scharfen Reißzähne. »Ja, habe ich.«
»Sie sind gut.«
»Gern geschehen.«
»Ich habe nicht danke gesagt«, schoss ich zurück, und Ivys Hand auf der Maus zögerte kurz.
Skimmer aß ihren Muffin und beobachtete mich fast, ohne zu blinzeln. Ihre Pupil en wurden langsam größer. Meine Narbe fing an zu kribbeln, und ich stand auf.
»Ich gehe duschen«, verkündete ich, wütend, weil sie mir eine Gänsehaut verursachte. Aber ich musste mich sowieso fertig machen.
»Ich rufe die Medien an«, sagte Skimmer und leckte suggestiv die Butter von ihrem Finger.
Ich war kurz davor, ihr zu sagen, dass sie sich ihren Finger in den Arsch schieben und Eier legen sol te, aber dann klingelte es an der Eingangstür und meine Manieren blieben intakt. »Das ist Kisten«, sagte ich stattdessen und schnappte mir meine Tasche. Ich war sauber genug, und das Letzte, was ich jetzt brauchen konnte, waren drei Vampire in meiner Küche, während ich nackt unter der Dusche stand. »Ich bin weg.«
Ivy schaute überrascht von ihrem Computer auf. »Wo gehst du hin?«
Ich warf einen Seitenblick zu Skimmer und fühlte, wie ich langsam rot wurde. »Verkehrsunterricht. Kisten fährt mich hin.«
»Oh, wie süß!«, kommentierte Skimmer, und ich biss die Zähne zusammen. Ich weigerte mich zu antworten und ging stattdessen Richtung Flur und Eingangstür. Es war mir egal, ob meine Knie dreckig waren. Ein scharfes Geräusch ließ mich abrupt anhalten, und ich drehte mich um, sah aber nur noch eine kurze Bewegung. Skimmer war rot, offensichtlich schockiert und verärgert, aber Ivy wirkte selbstzufrieden.
Etwas war passiert, und Ivy hob in trockenem Amüsement eine Augenbraue in meine Richtung.
Es klingelte noch mal, aber ich war einfach nicht gut genug, um jetzt zu gehen, ohne etwas zu sagen. »Bist du zum Abendessen zu Hause, Ivy?«, fragte ich und stemmte eine Hand in die Hüfte. Viel eicht war das gemein, aber ich war gemein.
Ivy biss ein Stück von ihrem Muffin ab, überschlug die Beine und beugte sich nach vorne. »Ich bin immer mal wieder unterwegs«, sagte sie und wischte sich mit dem kleinen Finger über den Mundwinkel. »Aber gegen Mitternacht bin ich da.«
»Okay«, sagte ich fröhlich. »Dann sehe ich dich später.«
Ich lächelte strahlend in Skimmers Richtung, die jetzt steif auf ihrem Stuhl saß, anscheinend hin- und hergerissen zwischen Wut und Schmol en. »Ciao, Skimmer. Danke fürs Frühstück.«
»Gern geschehen.«
Übersetzung: Erstick dran, Flittchen.
Es klingelte ein drittes Mal, und ich wuselte mit wiederhergestel ter guter Laune den Flur entlang. »Ich komme!«, rief ich und fuhr mir noch mal durch die Haare. Ich sah okay aus. Es war nur eine Gruppe Teenager.
Ich schnappte mir Jenks' Fliegerjacke von ihrem Haken im Foyer und schlüpfte hinein, einfach nur, weil sie gut aussah.
Sie war eine Erinnerung an die Zeit, in der er Menschengröße gehabt hatte. Ich hatte die Jacke bekommen und Ivy seinen seidenen Bademantel. Die zwei Dutzend Zahnbürsten hatten wir weggeschmissen. Ich schob die Tür auf und fand Kisten wartend davor. Seine Corvette war am Randstein geparkt. Er arbeitete kaum vor Sonnenuntergang, und sein üblicher schicker Anzug war Jeans und einem schwarzen T-Shirt gewichen, das er in der Hose trug, sodass es seine schmalen Hüften betonte. Er lächelte mit geschlossenem Mund, um seine scharfen Reißzähne zu verbergen, und wippte in seinen Stiefeln vor und zurück. Seine Hände hatte er in den Vordertaschen seiner Hose, und er schüttelte sein blond gefärbtes Haar mit einer geübten Bewegung aus dem Gesicht, die deutlich sagte, dass er »al das« war. Es funktionierte, weil er wirklich al es war, was man sich wünschen konnte.
»Du siehst gut aus«, stel te ich fest, und meine freie Hand glitt zwischen seine schmale Hüfte und seinen Arm, als ich mich auf die Zehenspitzen stel te und mir einen Nachmittags-Hal o-Kuss direkt auf der Türschwel e abholte.
Als seine Lippen meine trafen, schloss ich die Augen und atmete tief ein. So sog ich absichtlich den Geruch von Leder und dem Räucherwerk in mich auf, dessen Geruch Vampire umgab wie eine zweite Haut. Er war wie eine Droge. Ständig sonderte er Pheromone ab, um potenziel e Blutquel en zu entspannen und zu beruhigen. Wir teilten kein Blut, aber wer war ich schon, nicht die Vorteile von Tausenden Jahren Evolution auszunutzen.
»Du siehst schmutzig aus«, erwiderte er, als unsere Lippen, sich voneinander lösten. Ich fiel zurück auf meine Fersen, und mein Lächeln wurde breiter, als er hinzufügte: »Ich mag schmutzig. Du warst im Garten.« Er hob die Augenbrauen, zog mich näher an sich heran und schob mich in das dunklere Foyer. »Bin ich zu früh?«, fragte er, und seine vol e Stimme unter meinem Ohr ließ mich zittern.
»Ja, Gott sei Dank«, antwortete ich und genoss die sanfte Erregung. Ich küsste gerne Vampire im Dunkeln. Das wurde nur noch davon übertroffen, es in Aufzügen zu tun, die gerade dem sicheren Tod entgegenfuhren.
Ich blockierte seinen Weg in den Altarraum, und als er verstand, dass ich ihn nicht reinbitten würde, wurde sein Griff um meine Oberarme zögerlich. »Dein Kurs ist nicht vor halb zwei. Du hast Zeit für eine Dusche«, sagte er, und es war deutlich, dass er wissen wol te, warum es mich aus der Tür drängte.
Vielleicht, wenn du mir hilfst, dachte ich sündig und war unfähig, mein anzügliches Grinsen zu stoppen. Er bemerkte meinen Blick, und ein Funke von Erregung durchschoss mich, als seine Nasenflügel sich weiteten, um meine Laune zu wittern. Er konnte meine Gedanken nicht sehen, aber er konnte meinen Puls lesen, meine Temperatur. Und bei dem scharfen Gesichtsausdruck, von dem ich wusste, dass ich ihn gerade hatte, war es auch nicht schwer, herauszufinden, woran ich gerade dachte.
Seine Finger griffen gerade fester zu, als aus dem Flur Ivys Stimme erklang: »Hi, Kist.«
Ohne seinen Blick zu senken, antwortete Kisten: »Morgen, Liebes«. Er hielt es nicht für nötig, die erotische Spannung, die zwischen uns hin und her schoss, zu verringern.
Sie schnaubte, und das Geräusch ihrer sich schließenden Badezimmertür war ein klares Zeichen dafür, dass sie mit der Beziehung zwischen Kisten und mir kein Problem hatte, obwohl die beiden mal zusammen gewesen waren. Wenn er mein Blut anrührte, würde die Sache scheußlich werden, weswegen Kisten Kappen über seinen Zähnen trug, wenn wir miteinander schliefen.
Aber wenn ich meinen Körper schon mit jemand anderem als Ivy teilte, war es ihr lieber, es war Kisten. Und das. . das war, wo wir gerade standen.
Ivys und Kistens Verhältnis war inzwischen eher platonisch, mit ab und zu ein bisschen Blut, um es eng zu halten. Unsere Situation war zu einem Balanceakt geworden, seitdem sie mein Blut gekostet und geschworen hatte, es nie wieder anzurühren, während sie gleichzeitig nicht wol te, dass Kisten es tat. Sie konnte die Hoffnung nicht aufgeben, dass wir einen Weg finden würden, es zum Laufen zu bringen, obwohl sie selbst es war, die behauptete, es wäre unmöglich.
Entgegen seiner normalerweise gefügigen Rol e hatte Kisten Ivy mitgeteilt, dass er es riskieren würde, fal s ich der Versuchung nachgab und ihn meine Haut durchstoßen ließ.
Aber bis dahin konnten wir al e so tun, als wäre al es normal.
Oder was auch immer heutzutage als normal durchging.
»Können wir einfach gehen?«, fragte ich, weil mein Feuer um einiges abkühlte, als ich daran erinnert wurde, dass diese verkorkste Situation nur stabil bleiben würde, solange sich nichts am Status quo änderte.
Mit einem leisen Lachen ließ er zu, dass ich ihn zur Tür schob. Dann verwandelte ihn Skimmers deutliches Räuspern von nachgiebigem Vampir in unbewegliche Steinstatue und ich fiel niedergeschlagen in mich zusammen, als ihre sinnliche Stimme durch den Altarraum klang. »Guten Morgen, Kisten.«
Kistens Lächeln wurde breiter, als sein Blick zwischen uns beiden hin und her schoss. Es war deutlich, dass er spürte, wie genervt ich war. »Können wir gehen?«, flüsterte ich.
Mit hochgezogenen Augenbrauen drehte er mich zur Tür um. »Hi, Dorothy. Du siehst gut aus heute.«
»Nenn mich nicht so, du Trottel«, sagte sie, und ihre Stimme rieb über meinen Rücken, als ich vor Kisten aus der Tür schlüpfte. Anscheinend empfand Skimmer für Kisten dasselbe wie für mich. Ich war nicht überrascht. Wir waren beide eine Gefahr für ihren nachrangigen Anspruch auf Ivy.
Keiner von uns war ein wirkliches Hindernis - ich von Ivy gestoppt und Kist wegen ihrer Vergangenheit -, aber das war ihr nicht klarzumachen. Häufig wechselnde Bett- und Blutpartner waren unter Vampiren die Norm, aber Eifersucht ebenso.
Ich atmete auf, als sich die Tür hinter uns schloss, blinzelte in die Sonne und fühlte, wie meine Schultern sich entspannten. Das hielt genau drei Sekunden, bis Kisten fragte: »Hat Skimmer hier übernachtet?«
»Ich wil nicht drüber reden«, grummelte ich.
»So schlimm, hm?« Leichtfüßig sprang er neben mir die Treppen hinunter.
Ich warf einen sehnsüchtigen Blick auf mein Cabrio. »Sie ist nicht mehr nett«, beschwerte ich mich. Kisten beschleunigte wohlerzogen seine Schritte, um mir die Tür seiner Corvette zu öffnen, bevor ich es tun konnte. Ich lächelte ihn zum Dank an und glitt in den wohlbekannten Innenraum seines nach Leder und Räucherwerk duftenden Autos.
Gott, es roch gut hier drin. Ich schloss die Augen und lehnte mich zurück, während Kisten zur Fahrertür ging. In dem Versuch, mich wil entlich zu entspannen, ließ ich sie auch noch zu, als er sich anschnal te und das Auto startete.
»Red mit mir«, sagte er, als er losfuhr und ich immer noch schwieg.
Hundert Gedanken schössen mir durch den Kopf, aber was über meine Lippen kam, war: »Skimmer. .« Ich zögerte. »Sie hat herausgefunden, dass Ivy diejenige ist, die keine Blutbalance zwischen uns erlaubt, nicht ich.«
Sein sanftes Seufzen ließ mich aufmerken. Die Sonne glitzerte auf seinen Bartstoppeln, und ich unterdrückte den Impuls, sie zu berühren. Ich beobachtete, wie sein Blick zum Rückspiegel und damit zur Kirche glitt. Deprimiert kurbelte ich mein Fenster nach unten und ließ die Morgenbrise durch meine Haare wehen.
»Und?«, hakte er nach, während er Gas gab und an einem qualmenden blauen Buick vorbeizog.
Ich hielt mir die Haare aus den Augen und runzelte die Stirn. »Sie ist böse geworden. Versucht, mich wegzutreiben.
Ich habe ihr gesagt, dass Ivy nur Angst hat und ich warte, bis sich das ändert, also ist Skimmer von »Ich wil deine Freundin sein, weil Ivy deine Freundin ist< übergegangen zu >Lutsch mir die Füße und stirb<.«
Kistens Griff am Lenkrad wurde fester, und an der nächsten Ampel trat er ein bisschen zu heftig auf die Bremse. Als mir auffiel, was ich gerade gesagt hatte, wurde ich rot. Ich wusste, dass es ihm lieber wäre, wenn ich nach einem Biss von ihm hungern würde. Aber wenn ich zuließ, dass er mich biss, würde Ivy die Kontrol e verlieren. »Es tut mir leid, Kisten«, flüsterte ich.
Er war stil und starrte auf die rote Ampel.
Ich streckte die Hand aus und berührte seinen Arm. »Ich liebe dich«, flüsterte ich. »Aber zuzulassen, dass du mich beißt, würde al es zerstören. Ivy könnte es nicht ertragen.«
Jenks würde sagen, dass mein Nein zu Kisten mehr damit zu tun hatte, dass die Gefahr, dass er mich beißen könnte, mich wahrscheinlich mehr anheizte als der eigentliche Biss. Oder so ähnlich. Aber wenn Kisten eine engere Beziehung zu mir fand, wo es Ivy nicht gelang, würde es sie verletzen. Und auch er liebte sie, mit der fanatischen Loyalität, die oft aus gemeinsamem Missbrauch geboren wird. Piscary hatte mit ihnen beiden gespielt.
Aus meiner Tasche erklang das Tril ern meines Telefons, aber ich ließ es klingeln. Das hier war wichtiger.
Die Ampel schaltete um, und Kisten fuhr weiter. Seine Hände waren entspannter. Ivy war immer die Dominante in ihrer Beziehung gewesen, aber er war gewil t, um mich zu kämpfen, fal s ich je genug in Versuchung geführt wurde, um ihm mein Blut zu geben. Das Problem war, Nein zu sagen, war nie eine meiner Stärken gewesen. Jedes Mal, wenn ich mit ihm schlief, spielte ich mit dem Feuer, aber was dabei rauskam, war tol er Sex. Und ich hatte nie behauptet, dass es clever wäre. Tatsächlich war es ziemlich dämlich. Aber das hatten wir schon.
Deprimiert ließ ich meinen Arm aus dem Fenster hängen und beobachtete, wie die Hol ows sich von Wohnhäusern in Geschäftsstraßen verwandelten. Mein Armband mit seiner besonderen Anordnung von Gliedern reflektierte dumpf die Sonne. Ivy hatte ein Knöchelkettchen mit demselben Muster.
Ich hatte hier und dort in Cincy noch ein paar davon gesehen und Achselzucken und Lächeln geerntet, wenn ich versuchte, meines zu verstecken. Ich wusste, dass das wahrscheinlich Kistens Weg war, der Welt seine Eroberungen zu zeigen, aber ich trug es trotzdem. Wie Ivy auch.
»Skimmer wird dich nicht verletzen«, sagte Kisten sanft, und ich drehte mich zu ihm um.
»Nicht körperlich«, stimmte ich zu, erleichtert, dass er so gut damit umging. »Aber du kannst dir sicher sein, dass sie extra viel Mühe in die Petition stecken wird, um Piscary aus dem Knast zu bekommen.«
Bei dem Kommentar wurde er ernst, und Stil e fül te das Auto, als er darüber nachdachte, was passieren könnte, wenn sie Erfolg hatte. Wir saßen beide bis zum Hals in der Scheiße.
Kisten war Piscarys Nachkomme gewesen und hatte den Meistervampir in der Nacht betrogen, als ich ihn in die Unterwerfung geprügelt hatte. Momentan ignorierte Piscary das, aber ich war mir sicher, dass er ein oder zwei Dinge zu seinem ehemaligen Nachkommen zu sagen hatte, wenn er rauskam, auch wenn Kisten derjenige war, der Piscarys Geschäfte am Laufen gehalten hatte. Ivy hatte es nicht getan, trotz ihrem Status als neuer Nachkomme.
Mein Telefon klingelte wieder. Ich holte es aus der Tasche und schaute aufs Display. Es war eine unbekannte Nummer, also stel te ich es stumm. Ich war bei Kisten, und den Anruf anzunehmen, wäre unhöflich.
»Bist du nicht wütend?«, hakte ich zögerlich nach und beobachtete, wie sich die auf seinem Gesicht gespiegelten Gefühle von Sorge um seine körperliche Sicherheit zu Sorge um seinen emotionalen Zustand veränderten.
»Wütend, dass du dich zu Ivy hingezogen fühlst?«, fragte er. Mein Gesicht wurde warm, und er zog seine Hand aus meiner, um durch den dichteren Verkehr auf der Brücke zu navigieren. »Nein«, sagte er schließlich, und seine Pupil en vergrößerten sich etwas. »Ich liebe dich, aber Ivy. . Seitdem sie die I.S. verlassen hat und du bei ihr eingezogen bist, ist sie glücklich wie noch nie, und auch stabiler. Außerdem«, sagte er und kuschelte sich suggestiv tiefer in seinen Sitz,
»wenn das so weitergeht, habe ich viel eicht die Chance auf einen wirklich fantastischen flotten Dreier.«
Entrüstet schlug ich ihm auf die Schulter. »Niemals!«
»Hey!«, lachte er, während seine Augen auf den Verkehr gerichtet blieben. »Sag nicht Nein zu etwas, das du noch nicht versucht hast.«
Ich verschränkte die Arme vor der Brust und starrte aus dem Fenster. »Wird nicht passieren, Kisten.« Aber als ich dann seinen Blick einfing, konnte ich sehen, dass er mich nur geärgert hatte. Glaube ich.
»Mach keine Pläne für Freitag«, sagte er, als wir wieder mal an einer Ampel hielten.
Ich unterdrückte ein breites Grinsen, aber innerlich sang ich. Er hatte dran gedacht! »Warum?«, fragte ich unschuldig.
Er lächelte, und ich gab es auf, mich dumm zu stel en. »Ich führe dich zu deinem Geburtstag aus«, erklärte er. »Ich habe eine Reservierung für das Restaurant im Carew Tower.«
»Nein!«, rief ich, und unwil kürlich schossen meine Augen zu dem genannten Bauwerk. »Ich war noch nie zum Essen da oben.« Ich wand mich, und mein Blick wurde leer, als ich anfing zu planen. »Ich weiß nicht, was ich anziehen sol .«
»Irgendwas, was sich leicht ausziehen lässt?«
Hinter uns hupte es, und, ohne zu schauen, gab Kisten Gas.
»Ich habe aber nur Sachen mit jeder Menge Knöpfe und Schnal en.«
Er wol te etwas sagen, aber dann klingelte sein Telefon. Ich runzelte die Stirn, als er dranging. Ich nahm niemals Anrufe an, wenn wir zusammen waren. Nicht dass ich so häufig angerufen würde. Aber ich versuchte natürlich auch nicht, für meinen Boss die Unterwelt von Cincy zu leiten.
»Knöpfe und Schnal en?«, fragte er, als er sein Handy aufklappte. »Das funktioniert viel eicht auch.« Dann verschwand sein Lächeln, und er sprach ins Telefon: »Hier ist Felps.«
Ich ließ mich zurückfal en und genoss es, einfach nur daran zu denken.
»Hey, Ivy. Was ist los?« Ich richtete mich auf. Dann erinnerte ich mich an mein Telefon, zog es heraus und schaute darauf. Dreck, ich hatte vier Anrufe verpasst. Aber ich erkannte die Nummer nicht.
»Direkt neben mir«, sagte Kisten mit einem Blick zu mir, und Sorge stieg in mir auf. »Sicher«, sagte er und gab mir das Telefon.
Oh Gott, was jetzt?
»Ist es Jenks?«
»Nein«, sagte Ivys wütende Stimme, und ich entspannte mich. »Es ist dein Werwolf.«
»David?«, stammelte ich, während Kisten auf den Parkplatz der Fahrschule fuhr.
»Er hat versucht, dich zu erreichen«, erklärte Ivy, und ihr Ton war jetzt gleichzeitig genervt und besorgt. »Er sagt -bist du bereit? -, er sagt, er tötet Frauen und erinnert sich nicht daran. Könntest du ihn bitte anrufen? Er hat hier al ein in den letzten drei Minuten zweimal angerufen.«
Ich wol te lachen, konnte aber nicht. Die Werwolf-Morde, die die I.S. zu vertuschen versuchte. Der Dämon, der mein Wohnzimmer auf der Suche nach dem Fokus auseinandernahm. Scheiße.
»Okay«, sagte ich leise. »Danke. Bye.«
»Rachel?«
Ihre Stimme hatte sich verändert. Ich war durcheinander, und sie wusste es. Ich atmete tief ein und versuchte, ein wenig Ruhe zu finden. »Ja?«
Ich konnte an ihrem Zögern hören, dass sie nicht überzeugt war, aber sie wusste, dass, egal was es war, ich nicht wirklich panisch war. Noch nicht.
»Pass auf dich auf«, sagte sie angespannt. »Und ruf mich an, wenn du mich brauchst.«
Meine Anspannung ließ ein wenig nach. Es war schön, Freunde zu haben. »Danke. Mache ich.«
Ich legte auf, schaute in Kistens ausdrucksstarke Augen, die eine Erklärung verlangten, und zuckte dann zusammen, als mein Telefon anfing zu vibrieren. Ich atmete noch mal ein, griff danach und schaute auf die Nummer. Es war Davids.
Jetzt erkannte ich sie.
»Nimmst du den an?«, fragte Kisten. Seine Hände lagen immer noch auf dem Lenkrad, obwohl wir standen.
Ich beobachtete, wie auf dem Parkplatz neben uns ein Mädchen die Tür des Minivans ihrer Mutter zuknal te. Mit hüpfendem Pferdeschwanz und sich pausenlos bewegendem Mund wanderte sie mit einer Freundin zum Kurs. Sie verschwanden hinter den Glastüren. Die Frau hinter dem Lenkrad wischte sich die Augen und beobachtete sie im Rückspiegel. Kisten lehnte sich vor, damit ich ihn ansah. Das Telefon vibrierte wieder, und ein bitteres Lächeln hob meine Mundwinkel, als ich es aufklappte.
Irgendwie glaubte ich nicht, dass ich es zum Kurs schaffen würde.
8
Davids Hand zitterte fast unmerklich, als er das Glas mit kaltem Wasser annahm. Er hielt es für einen Moment an die Stirn, während er sich sammelte, nahm dann einen Schluck und stel te es auf dem massiven Eschen-Couchtisch vor uns ab.
»Danke«, sagte der kleine Mann, stützte seine El bogen auf die Knie und ließ den Kopf in die Hände sinken.
Ich tätschelte seine Schulter und rutschte auf seiner Couch ein wenig von ihm weg. Kisten stand mit dem Rücken zu uns neben dem Fernseher und schaute sich Davids Sammlung von Säbeln aus dem Bürgerkrieg an, die in einer verschlossenen Vitrine lagen. Der leichte, nicht unangenehme Geruch nach Werwolf stieg mir in die Nase.
David war ein Wrack, und ich teilte meine Aufmerksamkeit zwischen dem erschütterten Mann im Geschäftsanzug und seinem aufgeräumten und offensichtlich von einem Junggesel en bewohnten Haus. Es hatte die üblichen zwei Stockwerke, und die gesamte Baureihe war ungefähr fünf oder zehn Jahre alt. Der Teppich war wahrscheinlich noch nie ausgetauscht worden, und ich fragte mich, ob er es wohl gemietet hatte oder ob es ihm gehörte.
Wir waren im Wohnzimmer. Auf einer Seite des sorgfältig gestalteten kleinen Gartens lag ein Parkplatz. Auf der anderen Seite, hinter der Küche und dem Essbereich, gab es einen großen öffentlichen Hof. Die anderen Apartments waren weit genug weg, um al ein durch ihre Entfernung ein gewisses Maß an Privatsphäre zu gewährleisten. Die Wände waren dick, daher die Ruhe, und die elegante Tapete in verschiedenen Brauntönen sagte mir, dass er das Haus selbst eingerichtet hatte. Besitzer, entschied ich und erinnerte mich daran, dass der Job als Versicherungsvertreter für Were Insurances nicht schlecht bezahlt war, dafür, dass man die ganze Geschichte aus unwil igen Versicherungskunden herausholte, die versuchten, den wahren Grund zu verbergen, warum ihr Weihnachtsbaum plötzlich in Flammen stand und das gesamte Wohnzimmer abgefackelt war.
Obwohl sein Apartment ein Ort der Ruhe war, sah der Werwolf selbst mitgenommen aus. David war ein Einzelgänger, was hieß, dass er die Stärke und das Charisma eines Alphas hatte, ohne gleichzeitig die damit einhergehende Verantwortung zu tragen. Technisch gesehen war ich sein Rudel, eine Abmachung auf dem Papier, die uns beiden half. Für David bedeutete sie, dass er nicht gefeuert wurde, und ich erhielt die Möglichkeit, meine Versicherung zu einem unglaublich günstigen Satz zu bekommen.
Eigentlich beschränkte sich das Verhältnis zwischen uns darauf, aber ich wusste, dass er mich auch dazu benutzte, weibliche Werwölfe davon abzuhalten, sich in sein Leben zu drängen.
Mein Blick landete auf einem dicken schwarzen Buch neben seinem Telefon. Offensichtlich lässt er trotzdem nichts anbrennen, wenn es um Dates geht. Verflixt, er brauchte ein Gummiband, um das Buch zuzuhalten.
»Besser?«, fragte ich, und David schaute auf. Seine wunderschönen, tiefbraunen Augen waren angstvol aufgerissen, was an ihm völ ig falsch aussah. Er hatte einen fantastischen durchtrainierten Körper, der dafür gemacht war, zu laufen, auch wenn er unter dem Anzug versteckt war.
Offensichtlich war er auf dem Weg ins Büro gewesen, als das geschehen war, was ihn jetzt so aufregte. Es machte mir Sorgen, dass etwas ihn so aus dem Gleichgewicht bringen konnte. David war die stabilste Person, die ich kannte.
Die Schuhe unter dem Couchtisch glänzten, und er war glatt rasiert. Nicht mal eine Andeutung von schwarzen Bartstoppeln zeigte sich auf seinem sonnengebräunten, ein wenig rauen Gesicht. Ich hatte ihn in einem bodenlangen Mantel und Cowboyhut gesehen, während er mich beschattet hatte, und er hatte ausgesehen wie Van Helsing; sein prachtvol es schwarzes Haar war lang und gelockt, und seine dichten Augenbrauen gaben seinem Gesicht Kontur. Er hatte auch ungefähr so viel Selbstbewusstsein wie die fiktive Figur, aber momentan war es von Sorge überlagert.
»Nein«, sagte er mit leiser und trotzdem durchdringender Stimme. »Ich glaube, ich töte meine Freundinnen.«
Kisten drehte sich um, und ich hielt die Hand hoch, um zu verhindern, dass der Vampir irgendetwas Dummes sagte.
David war absolut vernünftig und als Versicherungsagent war er schnel , gerissen und schwer zu überraschen. Wenn er glaubte, dass er seine Freundinnen tötete, dann gab es dafür einen Grund.
»Ich höre zu«, sagte ich, und David holte tief Luft und zwang sich dazu, sich aufrecht hinzusetzen, auch wenn er immer noch auf der äußersten Couchkante saß.
»Ich habe versucht, fürs Wochenende ein Date zu finden«, begann er und warf einen kurzen Blick zu
»Zum Vol mond?«, unterbrach Kisten und fing sich damit sowohl von mir als auch von David einen genervten Blick ein.
»Der Vol mond ist erst am Montag«, sagte der Werwolf.
»Und ich bin kein Col egejunge, der auf Eisenhut ist und deine Bar auseinandernimmt. Ich habe zu Vol mond genauso viel Kontrol e über mich wie du auch.«
Offensichtlich war das ein wunder Punkt, und Kisten hob entschuldigend eine Hand. »Verzeihung.«
Die Spannung im Raum ließ nach, und Davids unruhiger Blick fiel auf das Adressbuch neben dem Telefon. »Serena hat mich gestern Nacht angerufen und gefragt, ob ich die Grippe hätte.« Er schaute kurz zu mir und dann wieder weg.
»Was ich seltsam fand, weil Sommer ist, aber dann habe ich Kal y angerufen, um zu schauen, ob sie Zeit hat, und sie fragte mich dasselbe.«
Kisten lachte leise. »Du hast dich in einer Woche mit zwei Frauen getroffen?«
David zog die Augenbrauen zusammen. »Nein, da lag eine Woche dazwischen. Also habe ich noch ein paar andere Frauen angerufen, nachdem ich von keiner von ihnen seit einem Monat etwas gehört hatte.«
»Mr. Peabody, die Nachfrage nach ihnen ist hoch, hm?«
»Kisten«, murmelte ich, weil mir die Anspielung auf den alten Cartoon nicht gefiel. »Hör auf.«
Davids Katze beäugte mich von der Treppe aus. Ich versuchte nicht mal, sie zu mir zu locken.
David ließ sich von dem lebenden Vampir nicht einschüchtern. Nicht hier, in seinem eigenen Apartment.
»Ja«, sagte er angriffslustig. »Ist sie wirklich. Wil st du auf der Veranda warten?«
Kisten wedelte in einer »Was auch immer«-Geste mit der Hand, aber ich hatte überhaupt kein Problem damit, zu glauben, dass der attraktive Werwolf in den Mittdreißigern von Frauen um Verabredungen gebeten wurde. David und ich hielten unser Verhältnis gerne auf einer geschäftlichen Ebene, obwohl ich es ein wenig irritierend fand, dass er Probleme mit Beziehungen zwischen den Spezies hatte.
Aber solange er mich als Person respektierte, war ich bereit zu akzeptieren, dass er sich einen Großteil der weiblichen Bevölkerung entgehen ließ. Sein Verlust.
»Bis auf Serena und Kal y konnte ich keine erreichen.« Er schaute auf seine schwarzen Stiefel. »Keine Einzige.«
»Also glaubst du, dass sie tot sind?«, fragte ich, weil ich keinen Grund für diesen Gedankensprung sah.
Davids Blick wirkte gehetzt. »Ich hatte wirklich seltsame Träume über sie«, sagte er. »Meine Freundinnen, meine ich.
Ich wache sauber und ausgeruht in meinem eigenen Bett auf, und nicht schlammverschmiert im Park, also habe ich nicht groß darüber nachgedacht, aber jetzt. .«
Kisten lachte leise, und ich fing an, mir zu wünschen, dass ich ihn im Auto gelassen hätte. »Sie gehen dir aus dem Weg, Wolfmann«, erklärte der Vampir. David richtete sich auf, anscheinend verlieh ihm seine Wut Stärke.
»Sie sind weg«, murmelte er.
Ich beobachtete die beiden wachsam. Ich wusste zwar, dass Kisten zu clever war, um ihn zu weit zu treiben, aber David war momentan unberechenbar.
»Entweder gehen sie nicht ans Telefon, oder ihre Mitbewohner wissen nicht, wo sie sind.« Seine Augen glitten wieder zu mir. »Das sind die, um die ich mir Sorgen mache.
Diejenigen, die ich nicht erreichen konnte.«
»Sechs Frauen«, sagte Kisten von seinem Platz neben dem Fenster aus, das auf einen kleinen Hof hinausging. »Das ist nicht schlecht. Die Hälfte von ihnen ist wahrscheinlich umgezogen.«
»In sechs Wochen?«, fragte David beißend. Dann, als hätte ihn dieses Geständnis aufgeregt, stand er auf und ging mit nervösen Schritten in die Küche.
Ich hob die Augenbrauen. David hat in sechs Wochen mit ebenso vielen Frauen Dates gehabt? Werwölfe waren auch nicht spitzer als der Rest der Bevölkerung, aber wenn ich an seine Abneigung dagegen, sich niederzulassen und ein Rudel zu gründen, dachte, war es wohl weniger so, dass er keine Freundin halten konnte, sondern eher, dass er lieber die gesamte Spielwiese ausnutzte. Die wirklich große Spielwiese. Herrje, David.
»Sie werden vermisst«, sagte er und stand in der Küche, als hätte er vergessen, was er dort wol te. »Ich glaube. . Ich glaube, ich töte sie und habe dann Gedächtnislücken.«
Mein Magen verkrampfte sich, als ich den verlorenen Ton in seiner Stimme hörte. Er glaubte wirklich, dass er diese Frauen getötet hatte.
»Da hast du es«, sagte Kisten. »Jemand hat herausgefunden, dass du mit ihnen spielst, und hat den anderen Bescheid gesagt. Sie sind aus dem Spiel, Mr.
Peabody.« Er lachte. »Zeit für ein neues schwarzes Buch.«
David wirkte beleidigt, und ich hatte das Gefühl, dass Kisten außergewöhnlich unsensibel war. Viel eicht war er eifersüchtig. »Weißt du was?« Ich wirbelte zu Kisten herum.
»Du sol test den Mund halten.«
»Hey, ich sag doch nur. .«
David zuckte zusammen, als hätte er sich gerade daran erinnert, was er in der Küche gewol t hatte. Dann öffnete er eine Dose Katzenfutter, schüttete sie auf einen Tel er und stel te sie auf den Boden. »Rachel, würdest du dich weigern, mit einem Mann zu reden, mit dem du geschlafen hast, selbst wenn du eine Stinkwut auf ihn hast?«
Ich hob die Augenbrauen. Er hatte nicht nur mit sechs Frauen in sechs Wochen Dates gehabt, er hatte auch mit ihnen geschlafen? »Ahm. .«, stammelte ich. »Nein. Ich würde ihm zumindest sagen wol en, was ich von ihm halte.«
Mit gesenktem Kopf nickte David. »Sie sind verschwunden.
Ich töte sie. Ich weiß es.«
»David«, protestierte ich und sah jetzt auch einen Hauch von Besorgnis auf Kistens Gesicht. »Werwölfe bekommen keine Blackouts, in denen sie Leute töten. Wenn es so wäre, hätte der Rest der Inderlander sie schon vor Jahrhunderten gejagt und ausgerottet. Es muss einen anderen Grund dafür geben, dass sie nicht mit dir reden.«
»Weil ich sie getötet habe«, flüsterte David und beugte sich über die Arbeitsfläche.
Mein Blick wanderte zu der Uhr an der Wand. Viertel nach zwei. Ich hatte meinen Kurs verpasst. »Es passt nicht zusammen«, sagte ich und setzte mich neben ihm auf einen Barhocker. »Wil st du, dass ich Ivy dazu bringe, sie aufzuspüren? Sie ist gut darin, Leute zu finden.«
Mit einem erleichterten Gesichtsausdruck nickte er. Ivy konnte jeden finden, wenn sie genug Zeit hatte. Seitdem sie die I.S. verlassen hatte, holte sie verschwundene Menschen und entführte Vamps aus il egalen Bluthäusern heraus. Das ließ meine üblichen Rettungsaktionen etwas traurig aussehen, aber wir hatten beide unsere Talente.
Ich wippte ein wenig auf dem Barhocker hin und her.
Nachdem ich schon hier war, sol te ich mich darum kümmern, den Fokus mit nach Hause zu nehmen. Jeder, der sich die Mühe machte, nachzuschauen, konnte erfahren, dass ich zu Davids Rudel gehörte. Da er als Einzelgänger darauf trainiert war, auf Angriffe zu reagieren, war David al erdings ein hartes Ziel. Aber jeder, mit dem er arbeitete. .
»Oh Scheiße«, sagte ich und schlug dann die Hand vor den Mund, als mir klar wurde, dass ich es laut ausgesprochen hatte. »Ahm, David, hast du deinen Dates vom Fokus erzählt?«
Seine Verwirrung verwandelte sich schnel in unterschwel ige Wut. »Nein!«, sagte er heftig.
Kisten schaute den kleineren Mann finster an. »Du wil st ernsthaft behaupten, dass du in sechs Wochen sechs Frauen abgeschleppt und nicht einer von ihnen den Fokus gezeigt hast, um sie zu beeindrucken?«
David biss die Zähne zusammen. »Ich muss Frauen nicht in mein Bett locken. Ich frage sie, und sie kommen bereitwil ig.
Ihn herzuzeigen hätte sie sowieso nicht beeindruckt. Sie sind menschlich.«
Ich zog meine El bogen von der Arbeitsfläche und spürte, wie mein Gesicht sich vor Empörung rötete. »Du datest Menschenfrauen? Du würdest kein Date mit einer Hexe haben, weil du nicht an Verbindungen zwischen den Spezies glaubst, aber du schläfst mit Menschen? Du verdammter Heuchler!«
David sah mich flehend an. »Wenn ich mich mit einer Werwölfin treffen würde, hieße das, dass sie Teil meines Rudels werden wil . Wir hatten das schon mal. Und nachdem Werwolfe ursprünglich von den Menschen abstammen. .«
Ich verengte die Augen. »Yeah, schon kapiert«, sagte ich, aber es gefiel mir trotzdem nicht. Werwölfe hatten sich genau wie Vamps aus Menschen entwickelt, aber im Gegensatz zu Vampiren konnte man nicht zum Werwolf gemacht werden, sondern musste so geboren werden.
Normalerweise.
Meine Gedanken schossen zum gestrigen Morgen und zu der Sensation, davon geweckt zu werden, dass ein Dämon auf der Suche nach dem Fokus meine Kirche auseinandernahm. Oo-oo-oh Scheiße, dachte ich, aber wenigstens gelang es mir diesmal, den Mund zu halten.
Vermisste Freundinnen.
Drei unidentifizierte Körper im Leichenschauhaus: athletisch, berufstätig und al e mit ähnlichem Aussehen.
Sie waren als Werwölfe eingeliefert worden, aber wenn das passiert war, von dem ich glaubte, dass es passiert war, müsste man sie nicht in der Werwolf-Datenbank suchen, sondern bei den Menschen. Selbstmorde vom letzten Vol mond.
»David, es tut mir so leid«, flüsterte ich. Kisten und David starrten mich an.
»Was?«, fragte David wachsam, aber noch nicht verzweifelt.
Ich schaute ihn hilflos an. »Es war nicht dein Fehler. Es war meiner. Ich hätte ihn dir nicht geben sol en. Ich wusste nicht, dass du ihn nur besitzen musst. Hätte ich das gewusst, hätte ich ihn dir niemals gegeben.« Er schaute mich verständnislos an, und mit einem üblen Gefühl in der Magengrube fügte ich hinzu: »Ich glaube, ich weiß, wo deine Freundinnen sind. Es ist mein Fehler, nicht deiner.«
David schüttelte den Kopf. »Mir was geben?«
»Den Fokus«, antwortete ich und verzog vol er Mitleid das Gesicht. »Ich glaube . . ich habe deine Freundinnen verwandelt.«
Sein Gesicht wurde grau, und er stützte sich mit einer Hand auf der Arbeitsfläche ab.
»Wo sind sie?«, hauchte er.
Ich schluckte schwer. »In der städtischen Leichenhal e.«
9
Zwei Besuche in der Leichenhal e in genauso vielen Tagen, dachte ich und konnte nur hoffen, dass es nicht zur Gewohnheit wurde. Meine Turnschuhe glitten lautlos über den Zement; Davids Schritte hinter mir waren schwer und deprimiert. Kisten ging hinter ihm, und sein deutliches Unbehagen wäre unterhaltsam gewesen, wenn wir nicht gerade unterwegs gewesen wären, um drei Jane Wolfs zu identifizieren.
Der Fokus war jetzt in meiner Tasche. Er war noch ruhig und stil , weil der Vol mond noch so weit entfernt war, und immer noch kalt von Davids Kühlfach. Ich konnte ihn durch meine Tasche fühlen. Erfahrung sagte mir, dass er sich nächsten Montag von einer beinernen Statue eines Frauengesichts in eine silberne Wolfsschnauze verwandelt haben würde, aus der Speichel tropfte und die ein hohes Kreischen von sich gab, das nur Pixies hören konnte. Ich musste dieses Ding loswerden. Viel eicht konnte ich es verwenden, um eines meiner Dämonenmale abzuzahlen.
Aber wenn Newt oder AI es dann an jemand anderen verkaufen und damit einen Inderlander-internen Machtkampf auslösen würden, würde ich mich verantwortlich fühlen.
Wir erreichten das Ende der Treppe, und mit den zwei Männern hinter mir bog ich nach rechts ab und folgte den Pfeilen zu den großen Schwingtüren.
»Hi, Iceman«, sagte ich, schob die linke der Türen auf und ging in den Raum, als wäre es meine Wohnung.
Der junge Mann setzte sich auf und zog seine Füße vom Tisch. »Ms. Morgan«, stammelte er. »Heiliger Strohsack, Sie haben mir viel eicht einen Schreck eingejagt.«
Kisten schlich hinter mir in den Raum. »Kommst du öfter hierher?«, fragte er, als der Junge hinter dem Tisch sein Computerspiel weglegte und aufstand.
»Ständig«, witzelte ich und streckte Iceman die Hand entgegen. »Du nicht?«
»Nein.«
Icemans Aufmerksamkeit huschte zwischen Kisten und mir hin und her und konzentrierte sich schließlich auf David, der mit hängenden Armen dastand. Seine Freude darüber, mich zu sehen, ließ nach, als ihm klar wurde, dass wir hier waren, um jemanden zu identifizieren.
»Oh, äh, hey«, sagte er und zog seine Hand aus meiner,
»es ist schön, Sie zu sehen, aber ich kann Sie nicht da reinlassen, außer, Sie haben jemanden von der I.S. oder dem FIB dabei.« Er verzog das Gesicht. »Tut mir leid.«
»Detective Glenn ist unterwegs«, sagte ich und fühlte mich aus irgendeinem Grund richtig fröhlich. Sicher, ich war hier, um eine oder auch drei Leichen zu identifizieren, aber ich kannte jemanden, den Kisten nicht kannte, und das passierte mir wirklich nicht oft.
Erleichterung ließ ihn wieder aussehen wie einen Jugendlichen, der in einer Milchbar arbeiten sol te, und nicht in der Leichenhal e. »Gut. Sie können sich gerne auf eine Trage setzen, während Sie warten.«
Ich warf einen Blick zu der leeren Trage an der Wand.
»Ahm, ich glaube, ich bleibe stehen«, erklärte ich. »Das ist Kisten Felps«, fügte ich hinzu und drehte mich dann zu David um. »Das ist David Hue.«
David richtete sich auf und fand irgendwo die Professionalität, mit ausgestreckter Hand nach vorne zu treten. »Schön, Sie kennenzulernen«, sagte er und wich wieder zurück, sobald der Handschlag vorbei war. »Wie. . wie viele Jane Wolfs bekommen Sie durchschnittlich im Monat rein?«
Seine Stimme enthielt einen Hauch von Panik, und Iceman machte dicht und verschanzte sich wieder hinter seinem Tisch. »Es tut mir leid, Mr. Hue. Das sol te ich wirklich nicht. .«
David hob eine Hand und wandte sich mit sorgenvol gesenktem Kopf ab. Meine gute Laune löste sich in Luft auf.
Dann hörten wir das scharfe Klappern von Schuhen im Flur, und ich atmete erleichtert auf, als sich Glenns mächtiger Körper durch die Tür schob. Er trug seinen üblichen Anzug mit Mantel, aber unter seinem Jackett sah man den Knauf einer Pistole. Er drehte sich zur Seite, um in den Raum zu rutschen, ohne die Tür ganz öffnen zu müssen.
»Rachel«, sagte er, als die Tür hinter ihm zufiel. Er musterte David und Kisten, dann setzte er sein offiziel es FIB-Gesicht auf. Davids Selbstbewusstsein hatte sich in eine Depression verwandelt, und Kisten war nervös. Ich empfing definitive Schwingungen, dass es ihm hier unten nicht gefiel.
»Hi, Glenn«, sagte ich und war mir sehr bewusst, dass ich mit meinem ausgebleichten grünen T-Shirt, den dreckigen Jeans und mit Turnschuhen an den Füßen al es andere als professionel aussah. »Danke, dass ich dich von deinem Schreibtisch aufscheuchen durfte.«
»Du hast etwas von den Jane Wolfs gesagt. Wie hätte ich da ablehnen können?«
David biss die Zähne zusammen. Glenn sah die Reaktion und sein Blick wurde weicher, jetzt, wo er verstand, warum David hier war. Ich konnte Kisten hinter mir fühlen und drehte mich zu ihm um. »Glenn, das ist Kisten Felps«, sagte ich, aber Kisten hatte sich schon an mir vorbeigeschoben. Er lächelte mit geschlossenem Mund.
»Wir sind uns schon begegnet«, sagte Kisten, ergriff Glenns Hand und schüttelte sie. »Naja, sozusagen. Sie waren derjenige, der letztes Jahr einen Kel ner im Piscarys kaltgestel t hat.«
»Mit Rachels Splat-Gun«, erklärte Glenn, plötzlich nervös.
»Ich habe nicht. .«
Kisten ließ seine Hand los und trat einen Schritt zurück.
»Nein, Sie hatten es nicht auf mich abgesehen. Aber ich habe Sie danach gesehen. Guter Schuss. Wenn das eigene Leben in Gefahr ist, ist es schwer, genau zu zielen.«
Glenn lächelte und zeigte seine flachen, ebenmäßigen Zähne. Er war der einzige FIB-Kerl, den ich kannte - naja, außer seinem Vater -, der ohne Angst mit einem Vamp reden konnte und der wusste, dass man Frühstück mitbrachte, wenn man mittags an die Tür einer Hexe klopfte.
»Nichts für ungut?«, fragte Glenn.
Mit einem Achselzucken drehte sich Kisten zu der Tür zum Flur um. »Wir tun al e, was wir müssen. Nur an unseren freien Tagen können wir mal wir selbst sein.«
Kein Witz, dachte ich und fragte mich, in was für einer Scheiße sich Kisten wiederfinden würde, sol te Piscary aus dem Gefängnis kommen. Ich war nicht die Einzige, mit der der Meistervampir noch eine Rechnung offen hatte. Und obwohl Piscary Kisten auch aus dem Gefängnis heraus verletzen könnte, hatte ich das Gefühl, dass der untote Vampir Spaß daran hatte, die Furcht vor dem Unbekannten in die Länge zu ziehen. Viel eicht würde er Kisten verzeihen, dass er mir ägyptische Einbalsamierungsflüssigkeit gegeben hatte, um ihn kampfunfähig zu machen, und den Verrat als die Handlung eines verzogenen, rebel ischen Kindes sehen.
Viel eicht. Auf mich war er einfach nur sauer.
Mit schlurfenden Schritten trat David vor. »David. David Hue«, stel te er sich mit zusammengekniffenen Augen vor.
»Könnten wir das bitte hinter uns bringen?«
Glenn schüttelte seine Hand, und sein Gesicht verwandelte sich in eine unbeteiligte Maske, von der ich wusste, dass er sie perfektioniert hatte, um nachts schlafen zu können.
»Natürlich, Mr. Hue.« Der FIB-Detective schaute auffordernd zu Iceman, und der Col ege-Junge warf ihm die Bite-me-Betty-Puppe mit dem Schlüssel zu. Als er sie fing, liefen die Ohren des anständigen, ordentlichen FIB-Agen-ten peinlich berührt rot an.
»Rachel?«, murmelte Kisten, als wir uns auf den Weg machten. »Ahm, meinst du, du kannst mit David nach Hause fahren? Ich muss hier raus.«
Ich blieb stehen, und Glenn drehte sich auf dem Absatz um, während er noch die Tür für mich offen hielt. Hinter ihm konnte ich die gemütliche Sitzecke sehen, und Icemans Kol egen, der mit einem Klemmbrett im Raum stand und über seine Bril e zu uns herübersah. Kisten hat Angst vor Toten?
»Kisten«, lockte ich und konnte es nicht glauben. Ich hatte auf dem Heimweg an The Big Cherry anhalten wol en und Glenns Tomatensoßen kaufen, außerdem in einem Zauberladen Fliederwein besorgen und auch noch Geburtstagskerzen, in der Hoffnung, dass irgendwo in meiner Zukunft ein Kuchen auf mich wartete. Aber Kisten wich noch einen Schritt zurück.
»Wirklich«, sagte er. »Ich muss weg. Heute wird ein seltener Käse geliefert, und wenn ich nicht da bin, um ihn anzunehmen, muss ich morgen zur Post und ihn abholen.«
Seltener Käse, genau. Und ich hasse es, kein eigenes Auto zu haben. Ich holte Luft, um zu protestieren, aber David unterbrach mich mit einem glatten: »Ich bring dich nach Hause, Rachel.«
Kistens Augen flehten. Ich gab auf und murmelte: »Los. Ich rufe dich nachher an.«
Er zappelte ein wenig, und seine übliche Grazie war völ ig verschwunden, was ihn charmant verletzlich wirken ließ.
Dann lehnte er sich zu mir herüber und gab mir einen schnel en Kuss auf den Nacken. »Danke, Liebes«, flüsterte er.
Die Hand auf meiner Schulter griff fester zu, und mit einem kurzen Kratzen von Zähnen jagte er einen Schauer von Erregung durch meine Mitte.
»Hör auf«, flüsterte ich, schob ihn sanft von mir und fühlte, wie ich rot wurde.
Grinsend zog er sich zurück. Mit einem selbstbewussten Lächeln zu den anderen Männern steckte er die Hände in die Hosentaschen und schlenderte aus dem Raum.
Gott helfe mir, dachte ich und zog meine Hand vom Hals.
Ich hatte das Gefühl, dass er mich gerade dazu benutzt hatte, um sein Selbstwertgefühl wiederherzustel en.
Sicher, er hatte Angst vor den Toten, aber ich war seine Freundin, und das vor drei anderen Kerlen zu beweisen, hatte offensichtlich seine Männlichkeit wiederhergestel t. Was auch immer.
Mein Gesicht war immer noch warm, als Glenn sich räusperte. »Was?«, murmelte ich, als ich vor ihm durch die Tür ging. »Er ist mein Freund.«
»Mm-mm«, murmelte er zurück und schüttelte die Bite-me-Betty-Puppe, sodass der Schlüssel klapperte. Der Vampirpfleger ging, als Glenn ihm einen Blick zuwarf. Jetzt waren nur noch wir hier, und was auch immer für Vampire hier darauf warteten, dass es dunkel wurde.
David ließ seine Knöchel knacken, als Glenn neben einem Schubfach anhielt und den Werwolf musterte. »Sie glauben, dass Sie diese Frauen kennen?«, fragte er, und ich verspannte mich. In seiner Stimme lag mehr als nur ein wenig Misstrauen, wohl ein Zeichen für sein Bedürfnis, jemanden zu finden, dem er die Schuld für ihre Tode geben konnte.
»Ja«, warf ich ein, noch bevor David überhaupt den Mund aufmachen konnte. »Er hat eine Reihe von Freundinnen, die er nicht erreichen kann, und nachdem er etwas aufbewahrt hat, wofür manche über Leichen gehen würden, sol ten wir das besser abchecken, damit wir heute Nacht ruhig schlafen können.«
David schien erleichtert über meine Erklärung, aber Glenn war nicht glücklich. »Rachel«, sagte er, während seine kurzen Finger mit dem Schlüssel spielten, er das Schubfach aber nicht aufschloss. »Es sind Werwölfe. Genau genommen ist das keine FIB-Sache. Wenn sich jemand beschwert, kriege ich echt Probleme.«
Ich konnte spüren, wie David nervöser und verängstigter wurde, und ich fragte mich, ob Kisten deswegen gegangen war. Auch wenn die Gefühle nicht von ihm ausgelöst wurden, es hätte seine Knöpfe gedrückt. »Öffne einfach das Schubfach.« Langsam wurde ich wütend. »Glaubst du wirklich, ich sol te Denon in die Sache einweihen? Er würde David einknasten und ausstel en. Und außerdem«, betonte ich und betete, dass ich unrecht hatte, »wenn ich recht habe, dann ist das eine FIB-Angelegenheit.«
Glenns braune Augen verengten sich. Während David atemlos starrte, öffnete der FIB-Detective das Schubfach. Ich schaute kurz nach unten, als ich das scheußliche Geräusch hörte, das mir sagte, dass der Leichensack geöffnet wurde, und sah die hübsche Frau in völ ig neuem Licht. Ich stel te mir ihre Angst vor und die Schmerzen, die sie gehabt haben musste, als sie sich in einen Wolf verwandelte, ohne eine Ahnung zu haben, was mit ihr los war. Gott, sie musste gedacht haben, sie starb.
»Das ist Elaine«, hauchte David, und ich nahm seinen Arm, als er anfing zu schwanken. Glenn schaltete in Detective-Modus, mit aufmerksamem Blick und steifer, irgendwie leicht bedrohlicher Haltung. Ich starrte ihn an und sagte ihm so, dass er den Mund halten sol te. Seine Fragen konnten warten. Wir mussten noch zwei Büchsen der Pandora öffnen.
»Gott, es tut mir leid, David«, sagte ich leise und wünschte mir, Glenn würde das Schubfach schließen.
Als ob er meinen unausgesprochenen Wunsch gehört hätte, schob er Elaine langsam aus dem Blickfeld.
Davids Gesicht war bleich, und ich musste mich daran erinnern, dass das, obwohl er sich um sich selbst kümmern konnte und nicht gerade schlecht weggekommen war, als das Selbstbewusstsein verteilt wurde, Frauen waren, die er auf sehr persönlicher Ebene gekannt hatte. »Zeigen Sie mir die Nächste«, bat er, und der Moschusgeruch in der stehenden Luft wurde stärker.
Glenn riss eine Seite aus seinem Kalender und steckte sie hinter die ID-Karte, bevor er zum nächsten Schubfach ging.
Mein Magen verkrampfte sich. Das sah nicht gut aus. Nicht nur hatten wir das Problem, dass David in den Unfal tod von drei Frauen verwickelt war, sondern ich würde dem FIB jetzt auch noch erklären müssen, warum sie menschliche Geburtsurkunden hatten.
Dreck auf Toast. Wie zur Höl e sol te ich damit umgehen?
Jeder Meistervampir im ganzen Land, jeder Alphawolf mit dem Wunsch nach Größe würde hinter mir her sein; die Ersten, um den Fokus zu zerstören, die Letzten, um ihn zu besitzen. Noch mal so zu tun, als wäre er von der Mackinac-Brücke gefal en, würde nicht funktionieren. Viel eicht. .
viel eicht war es ein Trick gewesen. Viel eicht war Elaine eine Werwölfin gewesen und hatte David nur erzählt, sie wäre menschlich, weil sie wusste, dass er keine Wölfin daten würde.
Glenn schloss das zweite Schubfach auf und öffnete, als wir al e auf Position standen, den Leichensack. Ich beobachtete David statt Glenn. Ich kannte die Antwort, als er die Augen schloss und seine Hand anfing zu zittern.
»Felicia«, flüsterte er. »Felicia Borden.« Er streckte die Hand aus, um sie zu berühren, und strich mit zitternden Fingern ihre Haare zurück. »Es tut mir leid, Felicia. Ich wusste es nicht.
Es tut mir leid. Was. . was hast du dir selbst angetan?«
Seine Stimme brach, und ich warf einen kurzen Blick zu Glenn. Der FIB-Agent nickte. David war kurz davor, zusammenzubrechen. Wir mussten den unangenehmen Teil schnel hinter uns bringen.
»Komm, David«, sagte ich sanft, nahm seinen Arm und zog ihn einen Schritt nach hinten. »Noch eine.«
David löste seinen Blick von ihr, und Glenn schloss schnel das Schubfach. Die Einzige, die noch übrig war, war die Frau, die von einem Zug getroffen worden war. Wahrscheinlich war es kein Selbstmord gewesen. Höchstwahrscheinlich war sie mitten in ihrer ersten Verwandlung, ohne Schmerzlinderung oder Verständnis, in Panik verfal en und blind geflohen, auf der Suche nach einer Antwort. Oder viel eicht hatte sie sich auch in der Glorie ihrer neu gewonnenen Freiheit verloren und ihre neuen Fähigkeiten falsch eingeschätzt. Ich hoffte fast, dass es das zweite gewesen war, auch wenn das tragisch wäre. Mir gefiel die Vorstel ung nicht, dass sie wahnsinnig geworden war. Das würde David nur noch mehr Schuld aufbürden.
Ich stand neben David, als das letzte Schubfach geöffnet wurde. Als mir klar wurde, dass er den Atem anhielt, schob ich meine Hand in seine. Sie war kühl und trocken. Ich ging davon aus, dass er langsam einen Schock erlitt.
Glenn öffnete das letzte Fach fast widerwil ig, offensichtlich nicht scharf darauf, David die Überreste des Frauenkörpers zu zeigen.
»Oh Gott«, stöhnte David und wandte sich ab.
In meinen Augen standen Tränen, und ich fühlte mich völ ig hilflos, als ich ihm einen Arm um die Schulter legte und ihn zu den Sitzgelegenheiten führte, wo Verwandte darauf warten konnten, dass ihre Angehörigen wieder aufwachten.
Sein Rücken war gebeugt, und er bewegte sich wie betäubt.
Dann ließ er sich in einen Stuhl fal en.
Er entglitt mir, und ich stand über ihm, als er seine El bogen auf die Knie stützte und seinen Kopf in die Hände fal en ließ. »Ich wol te nicht, dass das passiert«, sagte er mit toter Stimme. »Das sol te nicht passieren. Das sol te nicht passieren.«
Glenn hatte das letzte Fach wieder geschlossen und bewegte sich mit aggressiven FIB-Schritten auf uns zu. »Lass ihn«, warnte ich ihn. »Ich sehe, was du denkst, aber er hat diese Frauen nicht getötet.«
»Warum versucht er dann, sich selbst davon zu überzeugen, dass er es nicht getan hat?«
»David ist ein Versicherungsvertreter, kein Kil er. Du hast es selbst gesagt - es waren Selbstmorde.«
David gab ein harsches, schmerzvol es Geräusch von sich.
Ich drehte mich zu ihm um und berührte seine Schulter. »Oh, zur Höl e. Es tut mir leid. So habe ich es nicht gemeint.«
Er schaute nicht auf, als er ausdruckslos sagte: »Sie al e waren al ein. Sie hatten niemanden, der ihnen helfen konnte, der ihnen gesagt hätte, was sie zu erwarten haben. Dass der Schmerz nachlassen würde.« Er hob den Kopf, und in seinen Augen standen Tränen. »Sie haben das al ein durchgemacht, und das war mein Fehler. Ich hätte ihnen helfen können. Sie hätten überlebt, wenn ich da gewesen wäre.«
»David . .«, setzte ich an, aber sein Gesicht wurde plötzlich völ ig ausdruckslos, und er stand auf.
»Ich muss gehen«, stammelte er. »Ich muss Serena und Kal y anrufen.«
»Einen Moment, Mr. Hue«, sagte Glenn bestimmt, und ich warf ihm einen bösen Blick zu.
Davids Gesicht war weiß wie die Wand, und sein untersetzter, aber kräftiger Körper war angespannt. »Ich muss Serena und Kal y anrufen!«, rief er, woraufhin Iceman durch den Türspalt schielte.
Ich hob beruhigend die Hände und schob mich zwischen Glenn und den aufgeregten Werwolf. »David«, beruhigte ich ihn und legte sanft meine Hand auf seinen Arm, »ihnen wird es gut gehen. Es dauert noch eine Woche bis Vol mond.«
Ich drehte mich zu Glenn um, und meine Stimme wurde härter. »Und ich habe dir gesagt, du sol st ihn in Ruhe lassen.«
Er verengte die Augen, als er meinen harten Ton hörte, aber obwohl er der FIB-Inderlander-Spezialist war, war ich doch ein Inderlander. »Lass ihn in Ruhe«, befahl ich und senkte dann meine Stimme, um niemanden aufzuwecken. »Er ist mein Freund, und du fasst ihn jetzt mit Samthandschuhen an, oder - so wahr mir Gott helfe, Glenn - ich werde dir zeigen, wozu eine Hexe fähig ist.«
Glenn biss die Zähne zusammen. Ich starrte ihn einfach nur weiter an. Ich hatte ihm bisher noch nie mit meiner Magie gedroht, aber wir waren hierhergekommen, um die Frage zu beantworten, ob der Fokus Menschen in Werwölfe verwandelte, und nicht, um eine Mordanklage aufzubauen.
»David«, sagte ich, schaute aber weiter unverwandt Glenn an, »setz dich. Detective Glenn hat ein paar Fragen.« Gott, ich hoffe, ich habe ein paar Antworten.
Beide Männer entspannten sich, und nachdem Iceman die Tür wieder hinter sich geschlossen hatte, setzte ich mich und überschlug die Beine, als wäre ich die Gastgeberin auf dieser netten kleinen Party. David nahm wieder Platz, aber Glenn blieb stehen und starrte mich weiter böse an. Schön. Seine Falten.
Dann fing ich an nachzudenken. Dreck, ich war nicht klug genug, mir eine überzeugende Lüge auszudenken. Ich würde ihm die Wahrheit sagen müssen. Das hasste ich. Ich verzog das Gesicht und schaute zu Glenn hinauf. »Hey. . ahm«, stammelte ich. »Kannst du ein Geheimnis für dich behalten?«
Ich dachte an die schlafenden Vampire und war froh, dass die Schubfächer schal dicht waren. Zu dumm, dass sie nicht auch geruchsdicht waren.
Glenn sackte in sich zusammen wie ein Bal on, der Luft verliert, und seine Haltung verwandelte sich vom aggressiven FIB-Officer mit einem Problem zu dem Straßenpolizisten um die Ecke. »Weil du es bist, Rachel, höre ich zu. Für eine Weile.«
Okay, das war fair, besonders nachdem ich ihm angedroht hatte, ihn mit meiner Magie plattzumachen. Ich warf einen Seitenblick zu David und erkannte, dass er vorhatte, al es mir zu überlassen. »Der Grund, warum du diese Frauen nicht in der Datenbank finden kannst, ist, dass sie nicht in der Inderlander-Datenbank sind.«
Glenn hob die Augenbrauen.
»Sie sind in den menschlichen Akten«, erklärte ich und hatte das Gefühl, hören zu können, wie sich die Weichen meines Lebens stel ten - auf einen neuen, wahrscheinlich kürzeren Weg.
Der Stoff von Glenns Anzug gab ein leises Geräusch von sich, als er sich umdrehte. »Menschlich? Aber -«
»Ja, sie sind als Werwölfe eingeliefert worden.« Ich zog meine Schultertasche auf meinen Schoß, aber ich würde ihm nicht sagen, dass ich den Fokus hatte. Wahrscheinlich würde er darauf bestehen, ihn zu bekommen, und wenn ich ablehnte, würde er den testosterondampfenden Mann geben und ich die zickige Hexe. Es war besser, das zu vermeiden.
Ich mochte Glenn, und jedes Mal, wenn ich meine Magie herausholte, verlor ich gewöhnlich einen Freund.
Neben mir erklang Davids emotionslose Stimme: »Ich habe sie verwandelt. Ich hatte es nicht vor.« Er hob den Kopf.
»Glauben Sie mir, ich wol te nicht, dass das passiert. Ich wusste nicht mal, dass es passieren konnte.«
»Kann es nicht«, erklärte Glenn, und Wut verdrängte seine Verwirrung. »Wenn das deine Vorstel ung von einem Scherz ist. .«
Er glaubte mir nicht. »Meinst du nicht, dass ich mir eine bessere Geschichte ausdenken würde, wenn ich dich verarschen wol te?«, fragte ich. »Ich muss Miete zahlen, und ich werde nicht meinen gesamten Tag hier in der Leichenhal e verplempern.« Ich schaute durch den sterilen Raum. »So hübsch es hier auch ist.«
Der große Mann runzelte die Stirn. »Menschen können nicht in Werwölfe verwandelt werden. Das ist eine Tatsache.«
»Und vor vierzig Jahren glaubten Menschen, es wäre eine Tatsache, dass es keine Vampire oder Pixies gibt. Was ist mit Märchen?«, erwiderte ich. »In den alten Geschichten konnte ein Biss einen Menschen verwandeln. Also, sie sind wahr, und der Beweis dafür ist, dass du diese Frauen in den menschlichen Registern finden wirst.«
Aber Glenns Miene sagte deutlich, dass er es mir nicht abnahm.
Ich senkte den Kopf und sagte: »Schau, da gibt es diese dämonenverfluchte Statue.« Gott, das klingt so lahm. »Ich habe sie David gegeben, um sie für mich aufzubewahren, weil er ein Werwolf ist und Jenks gesagt hat, dass er Kopfweh davon bekommt. Es ist üble Magie, Glenn. Wer auch immer sie besitzt, hat die Macht, Menschen in Werwölfe zu verwandeln. Die Werwölfe wol en sie, und die Vampire werden töten, um sie zu zerstören, weil sich nur so das Machtgleichgewicht zwischen den Inderlandern aufrechterhalten lässt.« Ich hob meinen Kopf wieder, und obwohl er mir zuhörte, konnte ich nicht sagen, ob er schon bereit war, seinen als sicher angenommenen Glauben aufzugeben. »Ich bin davon ausgegangen, dass es noch ein zusätzliches Ritual geben müsste, um einen Menschen zu verwandeln.« Vol er Schuldgefühle berührte ich David am Arm. »Anscheinend aber nicht.«
»Sie haben sie gebissen?«, fragte Glenn anklagend.
»Ich habe mit ihnen geschlafen.« In Davids Stimme lag ein abwehrender Ton. »Ich muss weg. Ich muss Serena und Kal y anrufen.«
Glenns Hand senkte sich auf den Knauf seiner Waffe. Ich hätte mich beleidigt gefühlt, aber ich hatte nicht das Gefühl, dass er sich der Geste überhaupt bewusst war.
»Schau«, sagte ich genervt, »erinnerst du dich an den letzten Mai, als es in dem Einkaufszentrum zwischen Vampiren und Werwölfen zu Kämpfen kam?« Glenn nickte, und ich rutschte auf dem Stuhl nach vorne. Mir gefiel es nicht, dass er die Hand auf der Waffe hatte. »Also, das war, weil drei Werwolfrudel dachten, ich hätte dieses Artefakt, und versucht haben, mich aufzuspüren.«
Er riss die Augen auf. Offensichtlich fing er an, mir zu glauben. »Und wenn herauskommt, dass es nicht von der Mackinac Brücke gefal en ist, sondern in Cincinnati ist und Frauen in Werwölfinnen verwandelt, werde ich eine tote Hexe sein.« Ich zögerte kurz. »Wieder einmal.«
Der FIB-Agent atmete tief ein, aber ich konnte nicht sagen, was er dachte. »Deswegen wurde Mr. Rays Sekretärin umgebracht, oder?«, fragte er und zeigte auf die Schubfächer.
»Wahrscheinlich«, sagte ich kleinlaut. »Aber David hat es nicht getan.« Verdammt. Denon hatte Recht. In gewisser Weise war ihr Tod mein Fehler. Unglücklich wandte ich meinen Blick von dem Schubfach ab und schaute stattdessen David an, wie er zusammengesunken dasaß und versuchte, mit dem Tod von drei Frauen zurechtzukommen. Wenn das herauskam, waren wir beide tot. Ich wandte meine Aufmerksamkeit wieder Glenn zu.
»Du wirst es aber niemandem erzählen, oder?«, fragte ich.
»Du musst das geheim halten. Erzähl den nächsten Verwandten, dass sie bei einem Unfal ums Leben kamen.«
Glenn schüttelte den Kopf. »Ich werde es so geheim halten, wie es mir möglich ist«, sagte er und trat vor, bis er vor David stand. »Aber ich werde das zu Papier bringen. Mr. Hue?«, fragte er respektvol . »Würden Sie mit mir in mein Büro kommen, damit wir ein paar Formulare ausfül en können?«
Dreck. Ich ließ mich in den gemütlichen Stuhl zurückfal en.
»Du verhaftest ihn doch nicht, oder?«, fragte ich, und David wurde noch bleicher.
»Nein. Ich nehme nur seine Zeugenaussage auf. Zu seinem Schutz. Und wenn du mir die Wahrheit gesagt hast« -er betonte das Wort, als hätte ich es nicht getan -, »musst du dir keine Sorgen machen. Weder du noch Mr. Hue.«
Ich hatte die Wahrheit gesagt, aber irgendwie war ich nicht beruhigt. Ich wusste, dass ich schlecht gelaunt dreinschaute, als ich aufstand, um mich neben David zu stel en. »Wil st du, dass ich mitkomme?«, fragte ich und überlegte, ob ich wohl meinen Auszug aus der Kirche und weg von Ivy eintauschen konnte gegen ein bisschen kostenlosen Rechtsbeistand von Skimmer.
Der Werwolf nickte und sah in seinem Anzug zwar erschüttert, aber trotzdem okay aus. »Es ist in Ordnung, Rachel. Mit Formularen kenne ich mich aus.« Mit einer Grimasse, die von müder Akzeptanz sprach, schaute er Glenn an. »Wenn wir kurz an meinem Haus anhalten, dann kann ich Ihnen die Namen und Adressen von al en geben, mit denen ich geschlafen habe, seitdem ich in den Besitz dieses . . Dings gekommen bin.«
Glenn schürzte seine breiten Lippen und ließ eine Hand über sein kurz geschnittenes Haar gleiten. »Mit wie vielen Frauen genau hatten sie in den letzten zwei Monaten Sex, Mr. Hue?«
David wurde rot. »Sechs, glaube ich. Ich brauche mein Adressbuch, um sicher zu sein.«
Glenn gab ein leises Geräusch von sich, und ich konnte fast sehen, wie er dem attraktiven Mann plötzlich mehr Respekt entgegenbrachte. Gott, Männer sind Schweine.
»Ich nehme dann den Bus«, sagte ich aus dem Wunsch heraus, al ein zu sein - und einen Besuch beim FIB zu vermeiden. Gott, dabei haben sie gerade erst angefangen, mich zu mögen.
»Es ist kein Problem, dich auch abzusetzen«, bot Glenn an.
»Dann kann ich auch gleich das Artefakt in Gewahrsam nehmen. Es gibt ja keinen Grund für dich, dich der Gefahr auszusetzen.«
Ich hob die Augenbrauen und schaute betont nicht auch nur in die Richtung meiner Tasche. »Es ist im Postsystem unterwegs«, log ich, weil ich nicht darauf eingehen wol te, warum ich nicht vorhatte, es ihm zu geben. »Sobald es in meinem Briefkasten landet, werde ich dich anrufen.« Lüge, Lüge, dicke, fette Lüge.
Glenn schaute mich kritisch an, und ich fühlte, wie mein Gesicht warm wurde. David sagte nichts darüber, dass er wusste, wo es war, und daraus schloss ich, dass er meiner Entscheidung zustimmte. Ich zog meine Tasche auf die Schulter und hielt auf die Tür zu. Das war absolut nicht tol gelaufen. Viel eicht sol te ich den Fokus online verkaufen und den Erlös an die Kriegsopferhilfe spenden, denn es würde einen Krieg geben.
»Danke für Ihre Hilfe, Mr. Hue«, sagte Glenn hinter mir.
»Ich weiß, dass es schwer ist, aber die Familien dieser Frauen werden froh sein zu wissen, was passiert ist.«
»Sagen Sie ihnen nicht, dass ich ihre Töchter verwandelt habe«, flüsterte David. »Das werde ich tun. Bitte lassen Sie mir das.«
Ich warf einen Blick über die Schulter zurück, als ich die Schwingtüren aufschob. Glenn hatte sich mitfühlend vorgebeugt, während er neben dem kleineren Mann herging.
Ich horchte in mich und entschied, dass er nicht Theater spielte. »Ich werde mein Bestes tun«, versprach Glenn und schaute für einen Moment zu mir.
Yeah, das hatte ich schon mal gehört. Das hieß nur, dass er sein Bestes geben würde, solange es nicht bedeutete, dass er eine seiner pedantischen Mistregeln brechen musste.
Dämlicher, aufrechter, stockkonservativer FIB-Detective, dachte ich. Was würde es schaden, wenn wir das vor der Öffentlichkeit geheim halten? Dann schnaubte ich frustriert.
Ich fing an zu denken wie Trent. Al erdings ging es hier um einen potenziel en Machtkampf zwischen al en Inderlandern, nicht um ein il egales Genmanipulations-Labor. Aber es sind Frauen gstorben, und ich will, dass er ihre Familien über das Wie um Warum anlügt.
Während Glenn kurz mt Iceman sprach, stel te sich David neben mich. Seine venigen Falten waren durch den Stress tiefer geworden, uid er sah furchtbar aus. »Es tut mir so leid, David«, flüstete ich.
»Es ist nicht dein Fehle«, sagte er, aber ich fühlte mich, als wäre es meiner.
Glenn gesel te sich zu ins und bedeutete David, vor uns herzugehen. Der FIB-Offier griff sich meinen Oberarm und hielt mich zurück, bis Daid ein gutes Stück vor uns war.
»Von wem hast du die Statue bekommen?«, fragte er, als wir anfingen, die Treppe hinaufzusteigen.
Ich schaute auf seine lunklen Finger, die meinen Arm umschlossen, und erinmrte mich an die dicke Akte mit Nicks Verbrechen, die er nir gegeben hatte. Ein wenig zittrig griff ich nach dem Geänder und zog mich nach oben.
»Sag mir, dass du dein Möglichstes tun wirst, das hier unter dem Deckel zu halten, erwiderte ich. »Al es.«
»Sag es mir, Rachel«, forderte er unnachgiebig.
Ich beobachtete David: gebeugten Rücken. »Nick«, sagte ich, da es keinen Sinn geiabt hätte, es ihm zu verschweigen.
Der Dieb stel te sich tot, also gab es keinen Grund für Glenn, ihn suchen zu geren.
Glenn nickte, und sein jesamter Körper entspannte sich.
»Okay. Jetzt glaube ich dr.«
10
An der Bushaltestel e war es heiß. Ich stand da und atmete eine Luft, die nach Asphalt, Abgasen und dem nahe gelegenen Skyline Chili roch. Es war wahrscheinlich die einzige Restaurantkette, die auf Tomate beruhendes Essen servierte, die den Wandel und den Tomatenboykott überlebt hatte, den gut die Hälfte der Bevölkerung ausgerufen hatte.
Ich hatte Hunger und war in Versuchung, mir einen Karton zum Mitnehmen zu holen, aber ich wusste, dass in genau dem Moment, wo ich die Bushaltestel e verließ, der Bus kommen würde, und ich dann noch eine halbe Stunde warten müsste.
Also stand ich herum, schwitzte in der Sonne vor mich hin und beobachtete den Verkehr. Der ordentliche Tiermensch neben mir roch gut, und die zwei Hexer, die den Schatten unter einer Topfpalme monopolisierten, unterhielten sich leise. Ich wusste, dass sie Hexer waren, weil ich unter ihrem übermäßig aufgetragenen Parfümduft, der die Augen des Tiermenschen zum Tränen brachte, ihren Rotholzgeruch ahnen konnte.
Je mehr man zauberte, desto stärker wurde der Geruch, auch wenn das normalerweise nur ein anderer Inderlander riechen konnte. Dasselbe galt für Vampire: Diejenigen, die ihrem Trieb am meisten nachgaben, rochen am deutlichsten nach Räucherwerk. Jenks sagte immer, dass ich nach Magie und Ivy nach Vampir stank. Und wir al e leben zusammen in einer stinkigen kleinen Kirche, sang ich innerlich.
Unruhig spielte ich mit dem Träger meiner Tasche. Hexer war eine Beschreibung des Könnens, nicht des Geschlechts -
Hexer waren ganz einfach Hexen, die ihre Zauber nicht eigenständig anrühren konnten. Sie konnten sie aktivieren, natürlich, aber sie sicher selbst anzurühren, lag außerhalb ihres Könnens. Und sobald die Menschheit das endlich kapiert hatte, könnte ein ganzer Teil der männlichen Hexenbevölkerung endlich ihre Komplexe ablegen und sich entspannen.
Ich hatte eine zweijährige Ausbildung mit Abschluss plus genug Lebenserfahrung, um die Lizenz zu bekommen, die es mir erlaubte, meine Zauber für meine Arbeit zu verwenden.
Es war nicht das Können, das mich davon abhielt, auch die Lizenz zu erwerben, die es mir erlaubt hätte, meine Zauber zu verkaufen, sondern das Geld. Was viel eicht erklärte, wieso ich mich in der seltsamen Situation befand, dass ich mit einem Artefakt, das einen Inderlander-Machtkampf auslösen könnte, in der Tasche an einer Bushaltestel e stand. Bei meinem Glück würde ich wahrscheinlich auf dem Heimweg überfal en.
Ich seufzte und spielte an meinem T-Shirt herum, während ich mich fragte, ob ich es ausziehen und bis nach Hause nur das Mieder tragen sol te. Es wäre wahrscheinlich lustig, zu beobachten, wie der Kerl neben mir reagieren würde, wenn ich anfing, mich auszuziehen. Ein leises Lächeln hob meine Mundwinkel. Viel eicht sol te ich auch die Turnschuhe ausziehen und barfuß gehen. Räuber machten normalerweise einen Bogen um dreckige Leute ohne Schuhe.
Der Tiermensch neben mir gab ein bewunderndes Pfeifen von sich. Ich hob den Blick von meinen dreckigen Turnschuhen und blinzelte die Gray-Ghost-Limousine an, die gerade aus dem Verkehr ausscherte und auf die Bushaltestel e zuhielt. Meine anfängliche Überraschung verwandelte sich schnel in Verdruss. Das musste Trent sein.
Und hier stand ich verschwitzt und mit dreckigen Knien.
Einfach nur wundervol .
Als das getönte Fenster heruntergelassen wurde, blinzelte ich über meine Sonnenbril e hinweg. Jau, es war Trent, und der reiche Bastard sah natürlich gut aus in seinem cremefarbenen Leinenanzug mit dem weißen Hemd. Seine Bräune war im Laufe des Sommers dunkler geworden und ließ mich vermuten, dass er öfter in seinen preisgekrönten Gärten und landesweit bekannten Stal ungen unterwegs war, als er mich glauben ließ. Der Elf im Untergrund zeigte ein selbstbewusstes, irgendwie erwartungsvol es Lächeln und hob beim Anblick meiner dreckigen Knie eine schmale Augenbraue.
Ich sagte nichts, sondern schaute durch sein heruntergelassenes Fenster nach vorne, um zu entdecken, dass Quen, sein Sicherheitsleiter, das Auto fuhr, und nicht Jonathan, sein größter Schleimscheißer. Als klar war, dass der große, sadistische Mann nicht dabei war, beruhigte sich mein Puls etwas. Ich mochte Quen, selbst wenn er ab und zu sowohl meine Magie als auch meine Kampfkünste auf die Probe stel te. Er war zumindest ehrlich, anders als sein Arbeitgeber.
Mit einer Hand an der Hüfte fragte ich schnippisch: »Wo ist Jon?«, und der Tiermensch hinter mir erlitt fast einen Anfal , dass ich Trent gut genug kannte, um unhöflich zu ihm zu sein. Die zwei Hexer waren eifrig damit beschäftigt, mit ihren Handys Fotos zu machen, während sie gleichzeitig flüsterten und kicherten. Viel eicht sol te ich nett sein, weil ich sonst die ganze scheußliche Szene in Portalen im Internet wiederfinden würde. Ich entspannte mich ein wenig.
Trent lehnte sich zum Fenster und blinzelte mit seinen grünen Augen in die Sonne. Sein hel es, fast durchsichtiges Haar bewegte sich in der Brise von der Straße, was seine sorgfältig gestylte Perfektion zerstörte. Sosehr ich es auch hasste, es zuzugeben, aber gerade sein verwuscheltes Haar ließ ihn noch besser aussehen. Obwohl seine Geschäftstüchtigkeit berühmt war - abzulesen an seinen absolut legalen Kalamack Industries -, würde sein schlanker, gut gebauter Körper in einer engen Badehose auf einem Rettungsschwimmer-Turm genauso gut aussehen, wie er es in einem Anzug im Sitzungssaal tat.
»Jonathan ist beschäftigt«, sagte er. Seine sonore Stimme fing meine Aufmerksamkeit ein, und auch der leichte Anflug von Genervtheit darin tat ihrem faszinierenden Timbre keinen Abbruch.
»Bei El asbeth?«, spottete ich, und der Tiermensch neben mir fing an zu keuchen. Was, muss ich nett zu ihm sein, weil er den gesamten Brimstone-Markt der Ostküste beliefert und durch seine il egalen Medikamente fast die Hälfte der Staatschefs der bekannten Welt in der Hand hat? Nachdem es ihm nicht gelungen war, meine lebenslangen Dienste zu erkaufen, hatte er versucht, mich mit Einschüchterung in seinen Dienst zu zwingen. Ich hatte eine schöne Erpressung in der Hand, um ihn mir vom Hals zu halten, aber er wol te einfach nicht kapieren, dass ich nicht für ihn arbeiten würde.
Naja, das war viel eicht auch mein Fehler. . nachdem ich anscheinend unfähig war, Nein zu sagen, wenn er nur mit genug Geld vor meiner Nase herumwedelte.