12.

 

»Ge­nau un­ter­su­chen!« hat­te das »Ding« ge­sagt, das äu­ßer­lich wie ein Mensch aus­sah. So­gar wie ein in der wis­sen­schaft­li­chen Welt sehr be­kann­ter Mensch!

Als ich be­merkt hat­te, daß die­ses We­sen trotz der dün­nen Luft kei­nen Luft­ver­dich­ter be­nutz­te und den­noch le­ben konn­te, wuß­te ich, daß der ita­lie­ni­sche Bak­te­rio­lo­ge Dr. Gui­do Ta­ra­bo­chia tot war.

Das, was da vor mir stand, sah zwar aus wie Dr. Ta­ra­bo­chia, aber er war es nicht. Man hat­te sei­nen Kör­per über­nom­men und ihn bis zur letz­ten Zel­le ko­piert. So war nicht et­wa ei­ne sym­bio­ti­sche Le­bens­form ent­stan­den, son­dern ei­ne ech­te, stoff­li­che Ko­pie des Ge­sam­t­or­ga­nis­mus. Da­mit ver­steck­ten sich die frem­den Zel­len in der Form ex­akt nach­ge­ahm­ter Stoff­ver­bin­dun­gen hin­ter den mensch­li­chen Zel­len. Frü­her hat­ten die Mons­tren ver­sucht, in die­ser Form auf der Er­de ein­zu­si­ckern. Wir hat­ten dann je­doch ein Ver­fah­ren ent­wi­ckelt, mit dem sie leicht er­kannt wer­den konn­ten.

Nun, die­ses We­sen leg­te kei­nen Wert auf be­son­de­re Tar­nung. Es gab sich als Ver­form­ter zu er­ken­nen.

Man hat­te uns ab­ge­tas­tet und so gründ­lich un­ter­sucht, daß ich froh war, in mei­ner gel­ben Kom­bi­na­ti­on kei­ne ver­steck­ten Ta­schen zu ha­ben. Un­se­re Spe­zi­al­aus­rüs­tung be­fand sich in Man­zos Hö­cker. Die kris­tal­li­schen Ab­son­de­run­gen un­se­rer Schu­he wa­ren so klein, daß man sie nur mi­kro­sko­pisch fest­stel­len konn­te.

Un­se­re Luft­ver­dich­ter fan­den kaum Be­ach­tung. Die Ge­rä­te er­schie­nen zu nor­mal und zu zweck­ge­fun­den, um ver­däch­tig zu wir­ken. Den­noch ent­hiel­ten sie ei­ne Spe­zi­al­ein­la­ge, de­ren Ent­de­ckung uns teu­er zu ste­hen ge­kom­men wä­re. Wir stell­ten wie­der ein­mal fest, daß es der ir­di­sche Geist mit dem me­ta­bo­li­schen Ver­stand der Un­ge­heu­er auf­neh­men konn­te. Wir wa­ren ge­schick­ter in der Tar­nung. Wahr­schein­lich hat­ten wir auch die bes­se­ren Ner­ven und die schnel­le­ren Re­ak­tio­nen.

Ich hat­te das »Ding« an­ge­schri­en und den Herr­scher ge­spielt. Kei­ne Se­kun­de lang wa­ren wir aus der Rol­le ge­fal­len. Das hat­te den Frem­den zwar of­fen­sicht­lich be­lei­digt, aber zu­gleich auch be­ru­higt.

Schließ­lich hat­te man uns zum nächs­ten An­ti­gravschacht ge­bracht, der hin­un­ter zur ei­gent­li­chen Stadt Top­thar führ­te. Wie­der wa­ren wir tau­send Me­ter ge­fal­len. Dann hat­ten sich die Pan­zer­to­re ei­ner mit hoch­wirk­sa­men Waf­fen ge­si­cher­ten Schleu­se ge­öff­net. Die al­ten Mar­sia­ner hat­ten ver­ständ­li­cher­wei­se al­les ge­tan, um ih­re wich­tigs­te Stadt ab­zu­si­chern.

Ich er­kann­te je­doch, daß die­se Ver­nich­tungs­ge­rä­te längst au­ßer Be­trieb wa­ren. Ich war so­gar si­cher, daß die Un­heim­li­chen kei­ne Ah­nung hat­ten, wie man da­mit um­ge­hen muß­te.

Schließ­lich ka­men wir in die ti­ta­ni­sche Stadt, de­ren obers­te Soh­le zwei­tau­send Me­ter un­ter der Ober­flä­che des Mars lag. Un­se­re Leu­te wa­ren schon oft hier un­ten ge­we­sen. Wir hat­ten ge­naue Bild­be­rich­te ge­se­hen.

Im Ge­gen­satz zu Zon­ta auf dem ir­di­schen Mond war hier al­les tot und still. Nir­gends eil­ten Ro­bo­ter her­um, die für Sau­ber­keit und Ord­nung sorg­ten.

Hier war es auch nicht mehr hell. Die dif­fu­se Be­leuch­tung war längst ab­ge­schal­tet. Auch die künst­li­chen Atom­son­nen in den weit­läu­fi­gen Fels­hal­len brann­ten nicht mehr.

Man hat­te uns in einen mar­sia­ni­schen Trans­port­wa­gen ein­stei­gen las­sen, des­sen Ener­gie­ver­sor­gung wie­der funk­tio­nier­te. Es wa­ren die fla­chen, of­fe­nen Fahr­zeu­ge oh­ne Rä­der, wie wir sie vom Mond her kann­ten. Sie lie­fen auf ei­nem ma­gne­ti­schen Prall­schirm hand­breit über dem Bo­den.

Nun wa­ren Han­ni­bals und Ta­lys Wär­me­ab­druck-Schu­he sinn­los ge­wor­den. Ei­ne »Ent­füh­rung« in die­ser Form war uns bei der Vor­pla­nung nicht ab­we­gig er­schie­nen. Des­halb hat­ten wir auch für die­sen Fall vor­ge­sorgt.

Ich hat­te durch ei­ne un­merk­li­che Schal­tung den In­fra­rot-Strah­ler mei­nes Luft­ver­dich­ters in Tä­tig­keit ge­setzt. Der scharf ge­bün­del­te, Ul­tra­hoch­fre­quenz-ver­stärk­te Wär­me­strahl war na­tür­lich un­sicht­bar, aber er hin­ter­ließ an den Wän­den ei­ne klar meß­ba­re Wär­me­spur. Sie konn­te mit un­se­ren Spe­zialor­tern leicht ent­deckt wer­den. Ich muß­te mich le­dig­lich et­was um­dre­hen. Der I-Strahl traf ge­nau die Wän­de, oder die hin­ter uns lie­gen­de Fahr­bahn.

Wir hat­ten brei­te Ver­kehrs­we­ge be­nutzt, die fast al­le ter­ras­sen­för­mig über an­de­ren Stra­ßen la­gen, hat­ten im Licht der Nor­mal­schein­wer­fer Ge­bäu­de ge­se­hen, daß wir nur stau­nen konn­ten.

Dann war es auf Spi­ral­stra­ßen ab­wärts ge­gan­gen. Mei­nen Be­rech­nun­gen nach be­fan­den wir uns auf der zwei­ten Soh­le.

Der an­geb­li­che Dr. Ta­ra­bo­chia hat­te kaum noch ge­spro­chen. Nur die Waf­fen sei­ner Leu­te droh­ten nach wie vor. Man­zos kaum merk­li­che Win­ke ver­rie­ten mir, daß sich das Mon­s­trum mit al­len te­le­pa­thi­schen und sug­ge­s­ti­ven Kräf­ten be­müh­te, in un­se­ren Geis­tes­in­halt ein­zu­drin­gen. Bei Man­zo, Han­ni­bal und mir war das aus­sichts­los. Nur Ta­ly schi­en mit die­sen nicht-mensch­li­chen Ge­wal­ten kämp­fen zu müs­sen.

Als sie schließ­lich tri­um­phie­rend lä­chel­te, er­kann­te ich, daß es das »Ding« auf­ge­ge­ben hat­te.

Aus mei­nen Wor­ten sprach of­fe­ner Hohn:

»Ih­re Be­mü­hun­gen wa­ren be­mer­kens­wert. Wir ha­ben uns köst­lich amü­siert. Be­herr­schen Sie die Haupt­spra­che des Pla­ne­ten Er­de ge­nü­gend, um un­ter dem Be­griff ›Amü­se­ment‹ et­was zu ver­ste­hen?«

Na­tür­lich wuß­te er, was man dar­un­ter ver­stand. Er hat­te Ta­ra­bo­chi­as Ge­hirn mit über­nom­men. Was der Wis­sen­schaft­ler je­mals ge­wußt und ge­konnt hat­te, das war dem Mon­s­trum nun eben­falls be­kannt.

Wir wa­ren un­ver­mit­telt an­ge­kom­men. Die Un­heim­li­chen hat­ten in al­ler Of­fen­heit ein gan­zes Ge­bäu­de als Zen­tra­le ein­ge­rich­tet. Es war so­gar hell er­leuch­tet.

Ich war fas­sungs­los, bis ich mir sag­te, daß die Ve­nu­sier sol­che Scher­ze bei der Weit­räu­mig­keit der un­ter­mar­sia­ni­schen Stadt oh­ne wei­te­res ris­kie­ren konn­ten. Wir hät­ten oh­ne nä­he­re Hin­wei­se jah­re­lang da­nach su­chen kön­nen, das war si­cher. Mei­ner Schät­zung nach wa­ren wir min­des­tens zwan­zig Ki­lo­me­ter in ei­ner be­stimm­ten Rich­tung ge­fah­ren.

Wenn al­les glatt­ge­gan­gen war, muß­te sich TS-19 mit dem Ein­satz­kom­man­do schon in der Stadt be­fin­den. Un­se­re Fuß­spu­ren wa­ren auf kei­nen Fall zu über­se­hen ge­we­sen, aber ich hat­te Sor­gen we­gen un­se­res Sen­ders. Hier gab es un­er­hört wirk­sa­me Iso­la­ti­ons­schich­ten zwi­schen der Ober­flä­che und der Stadt. Die Mar­sia­ner hat­ten da­mals al­les ge­tan, um die ge­fürch­te­te Ra­dio­ak­ti­vi­tät fern­zu­hal­ten. Ich wuß­te nicht, wie die Sup-Ul­tra-Wel­len un­se­res Ge­rä­tes dar­auf rea­gier­ten. Nor­ma­ler­wei­se hat­te es ei­ne Reich­wei­te von zir­ka hun­dert Ki­lo­me­tern.

In dem ziem­lich fla­chen, aber weit­läu­fi­gen Ge­bäu­de hat­ten wir vor­erst kei­nen Men­schen an­ge­trof­fen. Nur Need­le und die drei Be­ein­fluß­ten wa­ren stän­dig in un­se­rer Nä­he.

Wir wa­ren über nor­ma­le Trep­pen in das Haus ge­gan­gen. Vor ei­ner der üb­li­chen Zim­mer­schleu­sen hat­te das »Ding« ge­sagt:

»War­ten Sie hier. Wir ha­ben den at­mo­sphä­ri­schen Druck für Ih­re Ver­hält­nis­se vor­be­rei­tet. Wir mel­den uns. Nein, ha­ben Sie kei­ne Sor­ge, daß Sie hier ent­deckt wer­den könn­ten.«

»Warum ha­ben Sie uns nicht schon längst ge­holt? Es war ein­fach!« hat­te ich hoch­fah­rend ge­fragt.

Das mensch­li­che Ge­sicht des Un­ge­heu­ers hat­te sich ver­zerrt. Of­fe­ner Haß fun­kel­te in den Au­gen.

»Et­was zu ein­fach, nicht wahr?«

»Wir sind froh dar­über. Selbst die GWA scheint nicht mit Ih­nen ge­rech­net zu ha­ben. Mars ist tot, da­für ha­be ich zum größ­ten Teil ge­sorgt. Mei­ne Flot­te griff Mars mit dem ›Ro­ten Leuch­ten‹ an. Es war ei­ne ver­nich­ten­de Waf­fe.«

»Wir wer­den se­hen, ob un­se­re ge­gen­sätz­li­chen Mei­nun­gen ei­ne Lö­sung ge­stat­ten.«

Das ›Ding‹ war um ei­ni­ge Schrit­te zu­rück­ge­tre­ten. Dann schrie es:

»Sie sind Be­trü­ger! Sie sind kei­ne De­ne­ber. Ich hät­te Sie schon am Tag nach Ih­rer An­kunft ge­holt, wenn ich da­von über­zeugt ge­we­sen wä­re, daß Sie De­ne­ber sind! Sie ge­hö­ren zur GWA!«

Einen schlim­me­ren Schock hät­te uns das Mon­s­trum nicht ver­set­zen kön­nen. Es hat­te sich auf kei­ne Dis­kus­si­on ein­ge­las­sen, son­dern war in ei­nem an­de­ren Raum ver­schwun­den. Und das al­les oh­ne Atem­mas­ke!

Die Be­ein­fluß­ten hat­ten es ernst ge­meint. Je­der Wi­der­stand war vor­erst zweck­los. Die La­ge war nach ei­nem tri­um­phal er­schei­nen­den An­fangs­er­folg sehr schlimm.

 

Es wa­ren fast zwei Stun­den ver­gan­gen. Man­zo hat­te im­mer wie­der hef­ti­ge pa­ra­psy­chi­sche An­grif­fe re­gis­triert. Er hat­te flüs­ternd mit­ge­teilt, es be­fän­den sich min­des­tens acht frem­de Ge­schöp­fe in der Nä­he.

Wir wa­ren in ei­ne Sack­gas­se ge­ra­ten. Das ver­ein­bar­te Funk­si­gnal hat­ten wir nicht ab­strah­len kön­nen, ob­wohl TS-19 wahr­schein­lich schon ziem­lich dicht bei uns war. Er muß­te je­doch einen ge­wis­sen Ab­stand hal­ten, um nicht vor­zei­tig ent­deckt zu wer­den.

Wir hat­ten we­der Pa­ter Fer­n­an­do ge­fun­den noch den Chir­ur­gen Dr. Mol­mer. Auch wuß­ten wir nicht, ob es hier ein Se­rum gab, das wir als heil­kräf­ti­ges Ge­gen­mit­tel hät­ten ver­wen­den kön­nen. Nur dar­um ging es bei un­se­rem Ein­satz. Al­les an­de­re war von zweit­ran­gi­ger Be­deu­tung.

Ta­ly war ver­zwei­felt. Ich frag­te mich, wo­zu wir ei­gent­lich ei­ne Wis­sen­schaft­le­rin ih­res Ran­ges mit­ge­nom­men hat­ten.

Wir un­ter­lie­ßen hin­wei­sen­de Ge­sprä­che, da wir nicht wuß­ten, ob die Wor­te ab­ge­hört wur­den.

Der Raum, in dem wir uns be­fan­den, war sehr groß. Er ent­hielt Ge­rä­te, die of­fen­bar ein­mal me­di­zi­ni­schen Zwe­cken ge­dient hat­ten. Lie­ge­stät­ten wa­ren kei­ne vor­han­den.

Nach Ab­lauf der bei­den Stun­den teil­te Man­zo mit ei­nem spöt­ti­schen Auf­la­chen mit, »man« hät­te es end­lich auf­ge­ge­ben, un­se­re ge­heims­ten Ge­dan­ken zu er­for­schen. Er konn­te es ru­hig laut sa­gen. Sie soll­ten wis­sen, daß wir die Maß­nah­men be­merk­ten. Das lag im Be­reich ei­nes de­ne­bi­schen Ge­hirns.

Wir mach­ten höh­ni­sche Be­mer­kun­gen und un­ter­hiel­ten uns dar­über, wie­so man auf den di­rekt när­ri­schen Ge­dan­ken ge­kom­men wä­re, in uns »Men­schen« zu se­hen. Ich be­zwei­fel­te die schöp­fe­ri­sche In­tel­li­genz der Mons­tren. Ich nann­te sie »Skla­ven« und »un­ver­bes­se­rungs­fä­hi­ge An­lern­lin­ge«.

Den­noch wa­ren wir uns dar­über klar, daß sich bei den Bur­schen ge­gen­sätz­li­che Mei­nun­gen über un­se­re Iden­ti­tät ge­bil­det hat­ten. Wä­re das nicht so ge­we­sen, hät­ten sie uns letzt­lich nicht ab­ge­holt. Wir hat­ten nun doch ei­ni­ge Din­ge ge­zeigt und be­wie­sen, an de­nen ein lo­gisch den­ken­des In­di­vi­du­um nicht acht­los vor­über­ge­hen konn­te.

Da war un­se­re pa­ra­psy­chi­sche Un­emp­find­lich­keit, die kein nor­ma­ler Mensch be­saß. Da war das Auf­tau­chen des Mar­s­kreu­zers, den nur De­ne­ber ge­steu­ert ha­ben konn­ten. Da war die Vor­füh­rung der Kreu­zer-Re­ak­to­ren.

All das wa­ren kaum zu wi­der­le­gen­de Fak­to­ren zu un­se­ren Guns­ten.

Die Tat­sa­che un­se­rer Ge­fan­gen­schaft durch die GWA konn­te ge­schau­spie­lert sein, das war klar. Da­ge­gen sprach aber wie­der un­ser Wis­sen über die fer­ne Ver­gan­gen­heit der Ve­nu­sier und über den Hun­dert­jäh­ri­gen Krieg ge­gen den Mars.

Ich über­dach­te sämt­li­che Fak­to­ren mit dem nö­ti­gen Für und Wi­der. Nein, uns war kein we­sent­li­cher Feh­ler un­ter­lau­fen. Das Miß­trau­en der Bur­schen re­sul­tier­te aus ih­ren trü­ben Er­fah­run­gen mit der Wis­sen­schaft­li­chen-Ab­wehr. Oder gab es noch et­was, das wir nicht wis­sen konn­ten?

Der Ge­dan­ke quäl­te mich mehr und mehr. Was hat­ten wir über­se­hen? Was hat­ten wir über­se­hen müs­sen? Wo lag der Feh­ler?

Ich sah im­mer häu­fi­ger auf Man­zos Ein­satz­hö­cker. Wir konn­ten uns weh­ren; wir konn­ten so­gar wir­kungs­voll zu­schla­gen. Was nütz­te das aber! Das brach­te den kran­ken Men­schen nicht die er­hoff­te Hei­lung. Wir muß­ten aus­har­ren und auf den ent­schei­den­den Mo­ment war­ten.

»Sie kom­men«, er­klär­te Man­zo iro­nisch. »Sie soll­ten schon an mir er­ken­nen, daß sie sich mit ih­rem Ver­dacht ir­ren.«

»Pri­mi­tiv­lin­ge! Sie wa­ren es, und sie blei­ben es«, sag­te Han­ni­bal ver­ächt­lich.

Hof­fent­lich hör­te man das auch! Ich war da­von über­zeugt.

Es dau­er­te noch ei­ni­ge Mi­nu­ten, bis sie er­schie­nen. Ich muß­te mich zu­sam­men­neh­men, als die Un­heim­li­chen den Raum be­tra­ten. Nur ei­ner von ih­nen hat­te mensch­li­che Ge­stalt an­ge­nom­men. Die an­de­ren zeig­ten sich in ih­rer na­tür­li­chen Form.

Sie wa­ren un­ter­setzt, farb­los, schwam­mig auf­ge­dun­sen und oh­ne sicht­ba­re Sin­nes­or­ga­ne. Die ein­zi­ge Ähn­lich­keit mit uns be­stand im auf­rech­ten Gang und in zwei al­ler­dings ge­lenklo­sen Ar­men. Es war ei­ne frem­de Zell­ver­bin­dung, ei­ne der­art frem­de Stoff­lich­keit, daß man es nicht er­fas­sen konn­te.

Ta­ly schluck­te so krampf­haft, daß man es hö­ren konn­te. Dann hat­te sie sich ge­fan­gen.

»So er­in­ne­re ich mich bes­ser an Sie«, sag­te ich bei­ßend. »So­gar oh­ne mensch­li­che Wäch­ter kom­men Sie zu Ih­ren Her­ren.«

Han­ni­bal lach­te. Na­he­zu süf­fi­sant mus­ter­te er die mons­trö­sen Ge­stal­ten aus Stoff­ver­bin­dun­gen, in de­nen je­de ein­zel­ne Zel­le In­tel­li­genz ent­wi­ckelt hat­te.

Der an­geb­li­che Dr. Ta­ra­bo­chia beb­te. Er konn­te sei­nen Haß nicht un­ter­drücken. Dann frag­te er er­neut nach mei­nem Na­men. Ich nann­te ihn. Au­ßer­dem gab ich ei­ni­ge Schil­de­run­gen aus dem Großen Krieg, die nur ein de­ne­bi­scher Of­fi­zier in ho­her Stel­lung wis­sen konn­te.

Man­zos Au­gen fun­kel­ten bös­ar­tig. Die We­sen stan­den un­ter­ein­an­der in ei­ner leb­haf­ten te­le­pa­thi­schen Ver­bin­dung.

Ich un­ter­brach das stum­me Zwie­ge­spräch und führ­te mit eis­kal­ter Lo­gik an, wes­halb wir De­ne­ber sein müß­ten. Ich ver­gaß nichts, auch Man­zos Ge­stalt nicht.

»Das ha­ben wir längst durch­dis­ku­tiert. Ei­ni­ges spricht für Sie«, gab Ta­ra­bo­chia wi­der­wil­lig zu. »Wä­re es nicht so, hät­te ich Sie nicht ab­ge­holt. Ich traue Ih­nen den­noch nicht. Ich ken­ne die Men­schen, denn ich war auf dem drit­ten Pla­ne­ten, als un­se­re Sta­ti­on von der GWA ver­nich­tet wur­de. Mir ge­lang je­doch die Flucht. Sie ha­ben bei Ih­rem jet­zi­gen Spiel et­was über­se­hen!«

»Sie ha­ben nicht viel ge­lernt«, wich ich kühl aus. »Kein Mensch hät­te den Mar­s­kreu­zer flie­gen kön­nen. Wenn Sie das nicht ein­se­hen, kann ich Ih­nen nicht hel­fen.«

In die farb­lo­sen Mas­sen der an­de­ren Ver­for­mer kam Be­we­gung. Das als Ta­ra­bo­chia ge­tarn­te Ding schi­en mit sei­ner Mei­nung al­lein zu ste­hen. Wahr­schein­lich war das bis­her un­ser Glück ge­we­sen. Un­se­re Vor­ar­beit be­währ­te sich nun doch!

Man­zo fuhr plötz­lich zu­sam­men. Ich ahn­te, daß die Mons­tren einen te­le­pa­thi­schen Be­fehl ab­ge­strahlt hat­ten. War das mit un­se­rem so­ge­nann­ten »Feh­ler« in Ver­bin­dung zu brin­gen?

Die brei­te Schie­be­tür an der rech­ten Wand glitt auf. Ich blick­te in einen hel­ler­leuch­te­ten Raum. Er war rie­sen­groß, an­ge­füllt mit fremd­ar­ti­gen Ma­schi­nen und Ge­rä­ten. Al­les war pein­lich sau­ber.

Ma­jor Need­le er­schi­en mit zwei an­de­ren Be­ein­fluß­ten. Ih­re Waf­fen­mün­dun­gen wa­ren auf einen hoch­ge­wach­se­nen, schlan­ken Mann ge­rich­tet. Er trug die kleid­sa­me Kom­bi­na­ti­on des In­ter­na­tio­na­len Mars­kom­man­dos. Was ihn von den Sol­da­ten grund­sätz­lich un­ter­schied, war das klei­ne, sil­ber­ne Kreuz auf der Brust.

Pa­ter Fer­n­an­do war sehr ru­hig, aus­ge­gli­chen und ge­las­sen. Sein stil­les Lä­cheln be­saß er im­mer noch, vor­dring­lich aber sei­ne leuch­ten­den, stumm for­schen­den Au­gen, mit de­nen er die ge­sam­te GWA be­siegt hat­te. Er war noch ha­ge­rer ge­wor­den, die­ser ers­te kos­mi­sche Missio­nar.

Wir hat­ten mit sei­nem Er­schei­nen rech­nen müs­sen. Den­noch ver­setz­te es mir einen Schock, ihn so plötz­lich auf­tau­chen zu se­hen. Es war der Mann »mit den gu­ten Au­gen«, wie wir ihn ge­nannt hat­ten.

Pro­feß Fer­n­an­do neig­te in sei­ner stil­len Art den Kopf. Er mus­ter­te uns ein­ge­hend. In dem as­ke­ti­schen Ge­sicht be­weg­te sich kein Mus­kel.

»Sie ken­nen sich?« gei­fer­te das Mon­s­trum. »Sie ken­nen die­se Män­ner? Spre­chen Sie!«

»Nein, tut mir leid«, lä­chel­te Pa­ter Fer­n­an­do. »Warum fra­gen Sie, wenn es in Ih­rer Macht liegt, mei­nen Geis­tes­in­halt zu kon­trol­lie­ren? Sie wis­sen, daß ich die­se Leu­te nicht ken­ne. Gu­ten Tag«, füg­te er hin­zu. Sei­ne Au­gen schie­nen sich in mein In­ners­tes zu boh­ren.

Das Ding in Ta­ra­bo­chi­as Kör­per fuhr her­um. Ich sah in ein zu­cken­des Ge­sicht.

»Das ist ein Die­ner Ih­res Got­tes«, zisch­te das Mon­s­trum.

»Es ist auch dein Gott«, warf Pa­ter Fer­n­an­do zu­rück­hal­tend ein.

»Er nennt sich Pa­ter Fer­n­an­do«, er­klär­te der Ver­for­mer. »Wir faß­ten ihn, als er ei­ne Fun­knach­richt an die GWA ab­setz­te. Wir ken­nen den Wort­laut. Da­mit er­hiel­ten Sie fun­dier­te Grund­da­ten. Sie ver­fie­len auf die Idee, als De­ne­ber auf dem Mars zu er­schei­nen. Ich ken­ne Ih­re Tak­tik. Sie wis­sen längst, daß die Seu­che von uns ver­ur­sacht wur­de. Al­le Maß­nah­men der mit dem Mar­s­kreu­zer an­ge­kom­me­nen GWA-Trup­pen wa­ren Täu­schung. Sie ha­ben an­geb­lich nach ei­ner de­ne­bi­schen Zen­tra­le ge­sucht. Al­les Lü­ge, al­les Tar­nung nach Ih­rer be­währ­ten Me­tho­de. Sie sind Men­schen mit be­son­de­ren Fä­hig­kei­ten! Sie ha­ben uns und nur uns ge­sucht. Ge­ben Sie es zu!«

Pa­ter Fer­n­an­do war für den Bruch­teil ei­ner Se­kun­de wie er­starrt. Jetzt brann­te es in sei­nen großen Au­gen. Ich durf­te ihm kein Zei­chen ge­ben, nicht das aller­kleins­te! Sein Be­wußt­seins­in­halt lag of­fen vor den Mons­tren. Pro­feß Fer­n­an­do konn­te ein­fach nicht ein­ge­weiht wer­den.

Als ich zu spre­chen be­gann, war es zu spät.

Der Geist­li­che zuck­te un­merk­lich zu­sam­men. Er hat­te mei­ne Stim­me er­kannt! Wahr­schein­lich nicht be­wußt, aber sie muß­te in ihm Er­in­ne­run­gen ge­weckt ha­ben.

Das Mon­s­trum fuhr so­fort her­um. Pa­ter Fer­n­an­do wur­de blaß. Er schi­en sich ver­zwei­felt zu be­mü­hen, die pa­ra­psy­chi­schen Ge­wal­ten ab­zu­weh­ren. Dann ließ das Ding von ihm ab.

»Ich wuß­te es«, sag­te es we­sent­lich ru­hi­ger. »Er kennt Ih­re Stim­me. Er hat sie schon ge­hört. Sie ken­nen sich.«

»Sie sind ver­rückt«, wies ich ihn ab. »Ich ha­be die­sen Pri­mi­tiv­ling noch nie ge­se­hen.«

In der of­fe­nen Tür tauch­te der letz­te Be­ein­fluß­te auf. Auch er trieb einen Men­schen mit Waf­fen­ge­walt vor sich her.

Ich er­kann­te Dr. Mol­mer auf den ers­ten Blick. Er wirk­te jün­ger als er war. Die dün­nen, hell­blon­den Haa­re wa­ren nicht zu über­se­hen.

»Dr. Mol­mer«, er­klär­te das Mon­s­trum in Ta­ra­bo­chi­as Ge­stalt. »Ein mensch­li­cher Arzt mit gu­ten Fä­hig­kei­ten. Sie wer­den fest­stel­len, ob die­se Leu­te Men­schen sind oder nicht.«

»Wer sind Sie?« frag­te der Chir­urg ge­preßt. »Was wird hier ge­spielt?«

»Fra­gen Sie nicht nach den Ur­sa­chen, üben Sie sich in Ge­duld, mein Freund«, warf Pa­ter Fer­n­an­do ge­dämpft ein. »Es wird so kom­men, wie es kom­men muß. Doch ei­nes ist ge­wiß. Selbst­herr­lich­keit wird nicht un­ge­sühnt blei­ben.«

Er nick­te zu dem wü­tend zi­schen­den Mon­s­trum hin­über. Dr. Mol­mer senk­te den Blick. Die plötz­lich vor­tre­ten­den Män­ner lie­ßen mich zu­sam­men­fah­ren. Sie hat­ten laut­los Be­feh­le er­hal­ten.

»Zu­rück«, sag­te Need­le ei­sig. »Sie, der Klei­ne und der Hüh­ne, zu­rück­tre­ten!«

Dann hör­te ich Ta­ly auf­stöh­nen. Ich sah ih­re ent­setzt auf­ge­ris­se­nen Au­gen und be­merk­te auch die klam­mern­den Grif­fe der bei­den star­ken, kern­ge­sun­den Män­ner. Sie konn­te sich nicht da­ge­gen weh­ren.

»Ich neh­me an, daß die­se Per­son in Ih­rem Kreis die un­wich­tigs­te ist«, er­klär­te das Mon­s­trum iro­nisch. »Sie hat noch kein Wort ge­spro­chen. Wir wer­den an ihr fest­stel­len, ob Sie Men­schen oder tat­säch­lich De­ne­ber sind. Das Ge­hirn ei­nes De­ne­bers un­ter­schei­det sich schon rein äu­ßer­lich von dem ei­nes Men­schen. Dr. Mol­mer wird den Schä­del öff­nen. Ha­ben wir uns ge­täuscht, wer­den wir wil­lig zu Ih­ren Diens­ten sein. Sind Sie da­mit ein­ver­stan­den, Coat­la?«

»Nein«, fuhr ich auf. »Wir sind die Letz­ten mei­nes Vol­kes. Nie­mand darf ge­fähr­det wer­den.«

»Es tut mir leid. Dr. Mol­mer ist ge­schickt. Die Öff­nung der Schä­del­de­cke ist harm­los. Er wird kei­nen Ge­hir­n­ein­griff vor­neh­men, son­dern nur nach­se­hen.«

Grel­le Mün­dungs­blit­ze sta­chen in mei­ne Au­gen. Das Peit­schen der Schüs­se lös­te sich im Knal­len ex­plo­die­ren­der Ge­schos­se auf. Man­zos sprung­be­rei­ter Kör­per tau­mel­te zu­rück. Dicht ne­ben ihm schlu­gen die Pro­jek­ti­le in die Wän­de. Ma­jor Need­le hat­te sehr ge­nau ge­schos­sen.

»Das war ei­ne War­nung«, lau­te­te die Er­klä­rung. »Sie ha­ben sich ru­hig zu ver­hal­ten.«

Ta­ly ließ kei­nen Ton hö­ren, als sie aus dem Raum ge­schleift wur­de. Dr. Mol­mer ging eben­falls. Die Mons­tren scho­ben sich durch die Tür.

Need­le und zwei Be­ein­fluß­te blie­ben zu­rück. Auf je­den von uns war ei­ne Mün­dung ge­rich­tet. Wir hat­ten kei­ne Chan­ce.

Der vier­te Be­ein­fluß­te kehr­te nicht zu­rück.

Ehe auch Pa­ter Fer­n­an­do fort­ge­bracht wur­de, sag­te er ge­faßt:

»Wer im­mer Sie sind, ver­za­gen Sie nicht. Die Ge­rech­ten wer­den un­ter gu­ter Ob­hut sein.«

Ich sah ihm be­bend nach. Viel­leicht wuß­te er jetzt schon, mit wem er es zu tun hat­te. Ich hat­te stun­den­lang mit ihm ge­spro­chen. Soll­te ich ihm einen Wink ge­ben? Nein, da­für gab er uns einen. Es war der wich­tigs­te Satz, der in die­sem Raum ge­fal­len war.

»Nichts ist un­be­sieg­bar, auch schlim­me Seu­chen nicht. Wer auf dem ge­ra­den We­ge han­delt, wird im­mer Hil­fe fin­den.«

Da­mit schloß sich die Tür. Ich sah nur noch, daß man Ta­ly auf einen Ope­ra­ti­ons­tisch zwang.

Ich woll­te mich schon zu ei­ner Ver­zweif­lungs­hand­lung durch­rin­gen, als Man­zo in sei­ne ei­gen­ar­ti­ge Star­re ver­sank. Die wach­sa­men Au­gen der drei Be­ein­fluß­ten wur­den plötz­lich leer. Et­was ge­sch­ah! Da flüs­ter­te der Mu­tant:

»Wenn ich will, wer­den die in zehn Se­kun­den schla­fen!«

Ich hielt den Atem an. Han­ni­bal stand in ver­krümm­ter Hal­tung hin­ter dem Rücken des Mu­tan­ten.

Need­le be­gann zu­erst zu wan­ken. Ein al­ber­nes Lä­cheln brei­te­te sich auf sei­nen Lip­pen aus. Die zwei an­de­ren Män­ner rea­gier­ten eben­so. Dann san­ken sie plötz­lich in sich zu­sam­men. Ehe ich es noch recht er­faß­te, schlief Need­le mit ge­öff­ne­tem Mund.

»Nicht den vier­ten Mann be­ein­flus­sen«, keuch­te ich. »Noch nicht an­grei­fen. Er ist drü­ben.«

Wir spra­chen kein über­flüs­si­ges Wort. Han­ni­bal riß Man­zos Kom­bi­na­ti­on über dem Ein­satz­hö­cker auf und tipp­te die Ko­de­be­zeich­nung in die Öff­nungs­au­to­ma­tik. Al­les ge­sch­ah in flie­gen­der Ei­le.

Die große Höcker­klap­pe sprang auf. In den Spe­zi­al­hal­te­run­gen wa­ren un­se­re Waf­fen ein­ge­klemmt. Wir zo­gen sie her­aus und leg­ten die hauch­dün­nen Tra­ge­gur­te um.

Un­se­re neu­ar­ti­gen Ther­mo­quant-Pis­to­len wa­ren we­sent­lich bes­ser als die al­ten Ein­satz­waf­fen. Die Hit­ze­ent­wick­lung des na­del­spit­zen, hoch­ver­stärk­ten La­ser­strahls war ver­hee­rend. Au­ßer­dem ver­füg­ten wir noch über Kleinst­kern­bom­ben und Säu­re­au­to­ma­tiks, de­ren Ge­schoß­la­dun­gen bes­ten Stahl zum Wal­len brach­ten.

»Man­zo, Ein­satz­be­fehl an TS-19«, stieß ich her­vor. »Los! Du nimmst dir den vier­ten Be­ein­fluß­ten vor. Kei­nes­falls auf ihn schie­ßen.«

Wir ver­stau­ten die Aus­rüs­tung mit oft ge­üb­ten Hand­grif­fen. Nie­mand kam, nie­mand schi­en es be­merkt zu ha­ben.

Ich hetz­te zur Tür hin­über. Ver­zweif­lung über­fiel mich. Na­tür­lich be­stand das Ma­te­ri­al aus dem groß­ar­ti­gen MA-Me­tall, dem man bes­ten­falls mit ei­ner ato­ma­ren Schmelz­la­dung et­was an­ha­ben konn­te.

Man­zo stand mit TS-19 be­reits in Sup-Ul­tra-Sprech­funk­ver­bin­dung. Ich hör­te die dunkle Stim­me des Kol­le­gen aus dem Laut­spre­cher des Arm­band­ge­rä­tes klin­gen.

»Ja, Spu­ren sind gut er­kenn­bar. Emp­fang ein­wand­frei. Wir kom­men. Hal­ten Sie aus. Wir sind in der großen Hal­le un­ter der Stra­ßen­ser­pen­ti­ne. Sen­den Sie wei­ter­hin Peil­zei­chen. En­de.«

Ich tas­te­te an der fu­gen­lo­sen Tür her­um.

Han­ni­bal war­te­te vol­ler Kon­zen­tra­ti­on vor dem wi­der­stands­fä­hi­gen Ma­te­ri­al.

»Schnel­ler, du mußt sie öff­nen«, dräng­te er. »Schnel­ler!«

»Man­zo!« rief ich ver­zwei­felt. Ei­ne va­ge Er­in­ne­rung war in mir auf­ge­fla­ckert. »Man­zo! Den­ke an die mar­sia­ni­schen Schlös­ser auf dem Mond. Sie lie­ßen sich nur durch pa­ra­psy­chi­sche Im­pul­se öff­nen. Den­ke dar­an, ganz fest und in­ten­siv.«

Der Rie­se trat nä­her. Sei­ne Au­gen wur­den starr. Ich hör­te ein lei­ses Kli­cken – ein Spalt ent­stand.

»’run­ter«, be­fahl der Klei­ne lei­se.

Wir gin­gen in De­ckung, so­weit es sich er­mög­li­chen ließ. In der brei­ter wer­den­den Öff­nung er­schi­en der große Saal. Drei­ßig Me­ter vor uns er­kann­ten wir den selt­sam ge­form­ten Ope­ra­ti­ons­tisch; da­vor be­weg­ten sich die mons­trö­sen Le­be­we­sen. Das Ding in Ta­ra­bo­chi­as Ge­stalt stand dicht ne­ben Dr. Mol­mer, der eben die ört­li­che Be­täu­bung be­en­de­te.

Pa­ter Fer­n­an­do hielt sich weit hin­ten im Raum auf. Der ge­fähr­li­che Be­ein­fluß­te hat­te die Waf­fe auf ihn ge­rich­tet.

Wir er­faß­ten die Sze­ne mit ei­nem Blick. Im glei­chen Au­gen­blick fuhr das so mensch­lich aus­se­hen­de Ding her­um. Ein schril­les Mi­au­en brach aus dem ver­zerr­ten Mund her­vor. Ei­ne Hand fuhr nach oben. Ein blei­stift­dün­nes Et­was glänz­te im hel­len Licht.

Wir schos­sen gleich­zei­tig.

Die La­ser-Strah­len be­sa­ßen ei­ne so in­ten­si­ve Hel­lig­keit, daß sie trotz der trich­ter­för­mi­gen Blen­den auf un­se­ren Mün­dun­gen schmerz­haft in die Au­gen sta­chen. Sie wa­ren na­he­zu laut­los und licht­schnell!

Ich hör­te das To­ben des Ge­trof­fe­nen. Ein Blitz lös­te sich aus sei­ner selt­sa­men Waf­fe. Er fuhr ge­gen die De­cke, wo das Ma­te­ri­al et­was zer­brö­ckel­te.

Ich schoß noch­mals mit se­kun­den­lan­ger Im­puls­ge­bung. Das Ding brach in sich zu­sam­men.

Man­zo hat­te ta­del­los ge­ar­bei­tet. Der Be­ein­fluß­te leg­te sich so­eben zum Schlaf nie­der.

»Zur Sei­te, Mol­mer«, brüll­te ich durch das In­fer­no. »Weg vom Tisch. Ta­ly, lau­fen Sie!«

Wir hetz­ten nach vorn, fort aus der dürf­ti­gen De­ckung der Tür­pfos­ten. Sie­ben schwer­fäl­li­ge Mons­tren – al­le be­waff­net – stie­ßen die­ses hel­le Mi­au­en aus. Es wa­ren nicht­mensch­li­che Ge­räusche.

Jetzt schoß auch Man­zo. Wir hat­ten die La­ser auf Dau­er­be­schuß ge­schal­tet. In der blen­den­den Glut wölb­ten sich die kom­pak­ten Zell­ver­bin­dun­gen auf, aber sie woll­ten un­ter den haar­fei­nen Ther­mo­strah­len, mit de­nen nur klei­ne Durch­schüs­se zu er­zie­len wa­ren, nicht ster­ben. Sie bra­chen aus­ein­an­der, ver­form­ten sich und flos­sen un­ter Aus­schei­dung der to­tal ver­brann­ten Tei­le wie­der zu­sam­men.

Han­ni­bal schrie laut und gel­lend. Ei­ner der selt­sa­men Blit­ze war dicht vor sei­nen fast un­ge­schütz­ten Bei­nen ein­ge­schla­gen. Er konn­te sie plötz­lich nicht mehr be­we­gen. Den­noch schoß er wei­ter auf die Krea­tu­ren, die man an­schei­nend nicht hand­lungs­un­fä­hig ma­chen konn­te.

Man­zo kam auf die glei­che Idee wie ich. Fast zur sel­ben Zeit. Ehe ich noch den ers­ten Schuß aus dem schwe­ren, un­hand­li­chen Säu­re­wer­fer lös­te, hör­te ich den dump­fen, kra­chen­den Schlag sei­ner Waf­fe.

Das dau­men­star­ke Ge­schoß ex­plo­dier­te im Ziel, wo es einen grün­li­chen, fein zer­stäu­ben­den Säu­re­schlei­er ent­wi­ckel­te. Wir schos­sen so lan­ge in ra­sen­der Fol­ge, bis die Ge­gen­wehr er­losch.

Es wur­de still in dem von ät­zen­den Düns­ten er­füll­ten Raum.

Hus­tend, mit bren­nen­der Keh­le schrie ich:

»Kom­men Sie her, brin­gen Sie den Wäch­ter mit. Er schläft. Pa­ter Fer­n­an­do, hier spricht Ma­jor HC-9. Ich gab Ih­nen die Starter­laub­nis. Ist bei Ih­nen al­les okay?«

Mol­mer tauch­te aus dem Dunst auf. Er schluchz­te wie ein Kind. Ta­ly stütz­te ihn mit kräf­ti­gen Ar­men. Pa­ter Fer­n­an­do trug den schla­fen­den Sol­da­ten, als hät­te er ein Kind auf den Ar­men. Auch jetzt hat­te der stil­le Mann sei­ne Ru­he nicht ver­lo­ren. Er lä­chel­te so­gar.

Hus­tend zo­gen wir uns in den klei­ne­ren Raum zu­rück. Man­zo stand in Sprech­funk­ver­bin­dung mit TS-19, der je­den Au­gen­blick er­schei­nen muß­te.

Ta­ly brach plötz­lich wei­nend zu­sam­men. Ih­re schö­nen Haa­re wa­ren ge­scho­ren. Ich sah sie hilf­los an. Han­ni­bal stöhn­te un­ter star­ken Schmer­zen. Sei­ne Bei­ne wa­ren noch im­mer ge­lähmt.

»Das geht vor­über«, sag­te der Pa­ter. »Be­ru­hi­gen Sie sich, mein Freund. Es dau­ert nicht lan­ge. Ei­ne vor­über­ge­hen­de, al­ler­dings sehr schmerz­haf­te Läh­mung der Ner­ven. Ich ken­ne das. Ich ha­be es auch durch­ge­macht. Sei­en Sie ru­hig. Sie ha­ben Ih­re Pflicht ge­tan.«

Man­zo wach­te mit schuß­be­rei­ter Säu­re­waf­fe vor der Tür. Ab und zu hör­te ich das dump­fe Kra­chen des Wer­fers.

Be­bend und wie zer­schla­gen stand ich vor dem Pa­ter. Sein Griff nach mei­nem Arm ließ mich in mei­nem Ge­stam­mel ver­stum­men.

»Es ist al­les gut«, er­klär­te er be­sänf­ti­gend. »Ma­chen Sie sich kei­ne Sor­gen, HC-9! Ich konn­te lei­der nicht ver­hin­dern, daß ich Ih­re Stim­me er­kann­te. Ich konn­te nur noch für Sie und die Men­schen be­ten.«

»Pa­ter, die Seu­che, was ist mit der Seu­che!« stöhn­te ich. »Die­se Mons­tren sind tot. Wo­her be­kom­men wir nun An­ga­ben über das Heil­mit­tel, oder we­nigs­tens über die wah­ren Ur­sa­chen.«

»Ich bin Bio­lo­ge, Sie wis­sen es. Ich ha­be das Heil­mit­tel! Hin­ter dem großen Raum gibt es La­bors. Dort wer­den Sie die Pilz­kul­tu­ren fin­den, aus de­nen sich ein wirk­sa­mes An­ti­bio­ti­ka her­stel­len läßt. Die­se Krea­tu­ren ent­wi­ckel­ten einen Ge­gen­stoff, da sie die für sie wich­ti­gen Men­schen hei­len und in ih­re Diens­te ein­span­nen woll­ten. Ich war mit den Kul­tu­ren be­schäf­tigt. Es han­delt sich um die Stoff­wech­sel­pro­duk­te ei­nes mi­kro­sko­pisch klei­nen Schim­mel­pil­zes, der aber nur auf dem Pla­ne­ten Ve­nus wächst. Die Seu­che ist ei­ne ve­nu­si­sche Vi­rus-Krank­heit. Die Er­re­ger sind mit un­se­ren Mit­teln kaum er­kenn­bar. Uns steht so­gar noch ein zwei­tes Mit­tel zur Ver­fü­gung.«

Ta­ly lach­te und wein­te zu­gleich. Ich strich ihr hilf­los über den Kopf.

»Die – die Im­mu­ni­tät?« forsch­te sie sto­ckend.

»Ganz recht. Ve­nu­sier sind von Na­tur aus ge­gen die­se win­zi­gen Vi­ren im­mun. Die mensch­li­chen Ba­zil­len­trä­ger wur­den in­fi­ziert und an­schlie­ßend mit An­ti­ge­nen be­han­delt. Die­se im­mu­ni­sie­ren­den An­ti­kör­per sind iden­tisch mit ar­ten­frem­den Stoff­ver­bin­dun­gen, die mit den mensch­li­chen Zel­len ei­ne Sym­bio­se ein­ge­hen.«

»Da­her die ver­än­der­te Mito­se­strah­lung«, sag­te Ta­ly nach­denk­lich. »Wir konn­ten nichts ent­de­cken, bis auf den zu­sätz­li­chen Pri­ma­ten-Ef­fekt. Nur Le­be­we­sen mit ent­wi­ckel­tem Groß­hirn wer­den an­ge­grif­fen.«

»Ein na­tür­li­cher Ef­fekt des ve­nu­si­schen Vi­rus. Nie­de­re Le­be­we­sen wer­den von ihm ver­schont. Die durch An­ti­ge­ne er­zeug­te Ei­gen-Im­mu­ni­tät der Ba­zil­len­trä­ger be­sei­tig­te je­doch nicht die An­ste­ckungs­ge­fahr. Ich ken­ne kei­ne In­fek­ti­ons­krank­heit, die der­art rasch um sich greift. Es ist uns al­so nicht da­mit ge­dient, die Er­krank­ten mit An­ti­kör­pern zu be­han­deln, da die In­fek­ti­ons­ge­fahr da­mit nicht ge­bannt wird. Wir kön­nen je­doch in schwe­ren Fäl­len bei­de Mit­tel ver­ab­rei­chen. Be­ru­hi­gen Sie sich al­so.«

Wir zo­gen uns vor den ät­zen­den Säu­re­dämp­fen noch wei­ter zu­rück. TS-19 mel­de­te sein Ein­tref­fen. Ich schick­te Man­zo hin­un­ter zum Ein­gang.

»Nur gut, daß Sie die­se Fun­knach­richt ab­set­zen konn­ten«, sag­te ich er­schöpft. »Wir hät­ten gern noch ei­ni­ge Hin­wei­se.«

»Ich war Dr. Ta­ra­bo­chia bei sei­nen Ver­su­chen be­hilf­lich, nach­dem un­ser be­schei­de­nes Got­tes­haus fer­tig war«, nick­te Pro­feß Fer­n­an­do. »Ei­nes Ta­ges be­merk­te ich selt­sa­me Ver­än­de­run­gen und be­ob­ach­te­te auch, daß man einen Sol­da­ten ge­walt­sam in Ta­ra­bo­chi­as Ar­beits­raum schlepp­te. Ich drang heim­lich in die La­bors ein, wo ich mich un­glück­li­cher­wei­se mit den Er­re­gern in­fi­zier­te. Der Frem­de hat­te be­reits Ta­ra­bo­chi­as Ge­stalt an­ge­nom­men. Als ich die Krank­heits­sym­pto­me an mir be­merk­te, schöpf­te ich Ver­dacht. Et­wa vier­zehn Ta­ge vor­her war ein Trup­pen­trans­port zur Er­de ab­ge­gan­gen. Ich be­trat heim­lich die Funk­sta­ti­on und strahl­te mei­nen Text ab. Sie wis­sen, daß die Richt­strahl-An­ten­nen au­to­ma­tisch ge­steu­ert wer­den. Es war ein­fach, nur wur­de ich von Ma­jor Need­le über­rascht. Er ver­haf­te­te mich. Ehe ich er­kann­te, daß er kei­nen ei­ge­nen Wil­len be­saß, wur­de ich mit ei­ner ve­nu­si­schen Waf­fe be­täubt und hier in die­se Räu­me ge­bracht. Man er­prob­te an mir das fer­tig ent­wi­ckel­te Heil­mit­tel. Da­her auch mei­ne ge­naue Kennt­nis.«

Die Er­klä­run­gen ge­nüg­ten mir. Gu­ter Gott, wenn der kos­mi­sche Missio­nar nicht so fol­ge­rich­tig ge­han­delt hät­te! Nie­mals hät­ten wir die so harm­los er­schei­nen­den Ba­zil­len­trä­ger fas­sen kön­nen. Die Welt wä­re jetzt schon zum Toll­haus ge­wor­den.

Un­ten klan­gen Ge­räusche auf. Män­ner mit hell pfei­fen­den Luft­ver­dich­tern und schuß­be­rei­ten Strahl­waf­fen stürz­ten in den Raum. Wir er­leb­ten einen un­an­ge­neh­men Druck­ver­lust, da sie die Schleu­sen nicht vor­schrifts­mä­ßig be­nutz­ten.

Un­se­re Luft­ver­dich­ter ver­hin­der­ten einen schwe­ren Un­glücks­fall, der uns in die­ser Si­tua­ti­on ge­ra­de noch ge­fehlt hät­te.

»Was ist? Ha­ben Sie …!«

Ich un­ter­brach den Kol­le­gen mit ei­nem stum­men Wink.

»Wir ha­ben das Mit­tel. Oberst Min­hoe soll so­fort die Fun­knach­richt an Lu­na-Port ab­set­zen. So­bald wir die Kul­tu­ren in den Kreu­zer ver­la­den ha­ben, star­ten wir. Der Chef soll al­les vor­be­rei­ten. So­fort die gu­te Mel­dung über Funk und Te­le­vi­si­on ver­brei­ten. Die Pa­nik­stim­mung der Kran­ken un­ter­bin­den. Los, be­ei­len Sie sich.«

»Es lebt, das Ding er­wacht wie­der!« gell­te Han­ni­bals Stim­me auf. »Es kommt wie­der zu sich!«

»Nicht schie­ßen«, schrie ich zu­rück.

Ich rann­te mit den Sol­da­ten zur Tür und über­zeug­te mich. Das Mon­s­trum in der mensch­li­chen Ge­stalt rühr­te sich tat­säch­lich wie­der.

»Zel­le­ner­neue­rung, Re­ge­ne­ra­ti­on«, er­klär­te Dr. Mol­mer ner­vös. »Un­ter­neh­men Sie et­was! Die we­ni­gen Wun­den kön­nen das Mon­s­trum nicht tö­ten. Die ver­brann­ten Ge­we­be wer­den aus­ge­schie­den und er­neu­ert. Han­deln Sie!«

Er hat­te recht! Das so mensch­lich aus­se­hen­de Ding hat­ten wir nicht mit den Säu­re­waf­fen an­ge­grif­fen. Ich gab TS-19 einen Wink. Die Strahl­waf­fen blie­ben auf das Ziel ge­rich­tet, aber nie­mand schoß. Wir be­tra­ten den großen Raum.

Das Mon­s­trum war wie­der wach. Es konn­te se­hen und hö­ren, nur konn­te es noch nicht rich­tig sei­nen Kör­per be­we­gen. Es war un­glaub­lich!

Ich blieb breit­bei­nig vor dem un­be­greif­li­chen Le­be­we­sen ste­hen. Hin­ter mir mur­mel­te Pa­ter Fer­n­an­do ei­ni­ge Wor­te, die ich nicht gut hö­ren, wohl aber erah­nen konn­te.

Wei­ter hin­ten schlepp­ten Ke­no­ne­wes Sol­da­ten einen kör­per­großen Be­häl­ter aus durch­sich­ti­ger Stahl­plas­tik her­an, aus dem ga­ran­tiert kei­ne ein­zi­ge Zel­le ent­kom­men konn­te.

Die zer­mür­ben­de Stil­le hielt an, bis ich mo­du­la­ti­ons­los sag­te:

»Mein Na­me ist Thor Kon­nat, ich bin ein Mensch! Ich ver­haf­te Sie im Na­men der Mensch­heit und füh­re Sie da­mit der ir­di­schen Ge­setz­ge­bung zu. Ich ma­che Sie dar­auf auf­merk­sam, daß Sie sich zu ver­ant­wor­ten ha­ben.«

Man­zo schob das schrill mi­au­en­de Ding in den Be­häl­ter, wo es die Re­ge­ne­ra­ti­on sei­ner ver­brann­ten Ge­we­be­ein­hei­ten fort­setz­te.

Han­ni­bals Bei­ne wur­den lang­sam wie­der be­weg­lich.

»Wann star­ten wir?« flüs­ter­te er. »Wann? Mei­ne Mut­ter ist im Seu­chen­ge­biet von Oma­ha ein­ge­schlos­sen.«

Wir sa­hen den Klei­nen er­schüt­tert an. Nein, das hat­te noch nicht ein­mal der Chef der GWA ge­wußt!

 

 

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